1 Einleitung und Problemstellung

Nasslaufende Lamellenkupplungen finden sehr weite Verbreitung in Fahrzeuggetrieben und Industrieanwendungen und übernehmen meist sicherheits- und komfortrelevante Funktionen. In Automatikgetrieben stellen sie eine der wichtigsten Baugruppen dar und werden zunehmend auch schlupfgeregelt betrieben.

Die hohen Anforderungen an Komfort und Regelbarkeit und die dafür vorteilhafte Einstellung einer mit der Gleitgeschwindigkeit ansteigenden Reibungszahl führen dazu, dass die Kupplungen im geschlossenen Zustand häufiger an der Grenze ihrer Drehmoment-Übertragungsfähigkeit betrieben werden. So wird in einigen Anwendungsfällen trotz konservativer Dimensionierung ein unerwünschtes Kriechen (Mikroschlupf) der Lamellenkupplung bei langer und stationärer Drehmomentbelastung festgestellt [1]. Dadurch können Funktion und Sicherheit erheblich beeinträchtigt werden. Auch Schäden wie Verschleiß und Veränderungen im Reibungsverhalten werden mitunter in Verbindung mit unerwünschten Drehzahlschlupf gebracht [2]. In der Praxis muss bei derartigen Problemen mit verschleißfesteren und thermisch stabileren Kupplungsbelägen nachgebessert werden. Mögliche Folgen sind dabei eine Verschlechterung der dynamischen Reibeigenschaften sowie eine Überdimensionierung der Kupplungen.

Unerwünschter Schlupf kann aber auch als Folge von äußeren Zwangskräften beispielsweise aus Winkel- oder Achsversatz von An- und Abtriebswelle oder aufgrund von Schwingungen durch Drehungleichförmigkeiten auftreten (u. a. [3,4,5]).

Zum Reibungsverhalten bei Mikroschlupf und der ohne Schlupf übertragbaren Reibungszahl liegen aktuell nur wenige Erkenntnisse vor. Im Rahmen grundlegender experimenteller Untersuchungen wurden deshalb das Reibungsverhalten bei Mikroschlupf sowie die übertragbare Haftreibungszahl untersucht. Dafür wurde eine geeignete Test- und Auswertemethodik entwickelt und in experimentellen Untersuchungen exemplarisch an einer Kupplung aus einer Automatikgetriebe-Anwendung umgesetzt.

2 Reibungsverhalten bei niedrigen Gleitgeschwindigkeiten

Nasslaufende Lamellenkupplungen werden hauptsächlich im Bereich der Grenzreibung betrieben. Damit ist das Reibungsverhalten sehr stark vom Reibsystem und damit von Grundöl und Additivierung (vgl. z. B. [6,7,8]), Reibbelag (vgl. z. B. [9,10,11,12]) und Stahllamelle (vgl. z. B. [13,14,15,16]) abhängig. In der Literatur werden basierend auf empirischen Beobachtungen neben der Reibmaterial-Schmierstoffpaarung zudem vielfältige weitere Einflüsse auf das Reibungsverhalten beschrieben:

  • Gleitgeschwindigkeit und Gleitbeschleunigung (vgl. z. B. [17, 18])

  • zurückgelegter Gleitweg (vgl. z. B. [19, 20])

  • Temperatur (vgl. z. B. [21, 22])

  • Flächenpressung der in Kontakt stehenden Körper (vgl. z. B. [23, 24])

Aufgrund der komplexen Wechselwirkungen im tribologischen System können Daten zur übertragbaren Reibungszahl bisher nur experimentell bestimmt werden. Hierfür werden häufig Untersuchungen an Komponentenprüfständen durchgeführt (u. a. [13, 25, 26]).

Im Hinblick auf Schlupfbeanspruchungen führte [27] Untersuchungen an einer Allrad-Differenzial-Kupplung mit sintermetallischem Reibbelag durch. Der Versuchsablauf zeigte einen großen Einfluss auf das Reibungsverhalten, was auf unterschiedliche Oberflächentemperaturen beim Start des Versuchs zurückgeführt wird. Als Haupteinflussparameter auf die Reibungszahl bei Schlupfbeanspruchung wurden Gleitgeschwindigkeit, Kontakttemperatur, Flächenpressung und Additivierung identifiziert.

[7] und [18] erklären eine mit sinkender Relativgeschwindigkeit sinkende Reibungszahl durch die Scherfestigkeit der Grenzschichten, die mit organischen Friction Modifier Additiven in ATFs erzeugt werden. Das Reibungsverhalten kann zudem durch Detergent- und Dispersant-Additive durch eine lokale Erhöhung der Viskosität des Flüssigkeitsfilms nahe der Reibflächen beeinflusst werden, wodurch die Reibungszahl ansteigt.

Anhand von Tribometerversuchen („Pin-on-Disk“) werden in [13] stationäre Schlupfversuche mit kurzer Schlupfdauer und dynamischer Beschleunigung und Verzögerungsphase durchgeführt. Neben einer signifikanten Abhängigkeit der Reibungszahl von der Gleitgeschwindigkeit wird eine Abhängigkeit des Reibungszahlniveaus von der Flächenpressung festgestellt. Vergleichbare Ergebnisse für den Einfluss der Flächenpressung papierbasierter Reibwerkstoffe werden auch in [28] mittels Tribometerversuchen erzielt. Dabei werden die Auswirkungen einer thermischen Überlastung des Reibmaterials untersucht. Ohne Additivierung zeigen die Messungen einen über der Gleitgeschwindigkeit stark negativen Reibungszahlgradienten. Die untersuchten Gleitgeschwindigkeiten werden nicht genannt.

Im Hinblick auf das Reibungsverhalten bei niedrigen Gleitgeschwindigkeiten wird in [29] und [30] eine standardisierte Prüfprozedur zur Ermittlung des Reibungsverhaltens auf Basis von Schaltversuchen beschrieben. Die statische Reibungszahl wird dabei über Schaltversuche bei einer „Abfang‑/Enddrehzahl“ von n = 2,0 min−1 (bzw. Weiterschleppen nach Schaltvorgang mit ω = 0,21 rad/s) ermittelt.

[31] beschreibt einen Prüfstand zur Ermittlung der Haftreibungszahl sowie zur Untersuchung von Lamellenkupplungen bei Langzeitbelastung. Eine gegenüber der dynamischen Reibungszahl zu niedrige Haftreibungszahl kann in der Praxis zu kontinuierlichem Schlupf mit hoher thermischer Beanspruchung führen. Der Brems-Prüfstand besteht aus einem an der Antriebswelle befestigten Hebel, über den mittels Gewichten ein Drehmoment aufgebracht werden kann. Die Abtriebswelle ist über eine Drehmomentmesswelle mit dem Prüfstandsgehäuse befestigt. Es werden keine Versuchsergebnisse gezeigt.

3 Prüfstandstechnik

Im Rahmen der Untersuchungen kommen zwei Komponenten-Prüfstände der FZG zum Einsatz. Für ausführliche Beschreibungen der beiden Prüfstände wird auf [25, 32, 33], verwiesen.

3.1 Prüfstand ZF/FZG KLP-260

Für die Untersuchungen bei definiertem Kupplungsschlupf kommt der Prüfstand ZF/FZG KLP-260 zum Einsatz (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Prüfstand ZF/FZG KLP-260 [25, 32, 33]. a Schema, b Foto

Über den zuschaltbaren Kriechantrieb können variabel Konstant-Schlupf oder instationäre Schlupfverläufe mit und ohne Drehrichtungswechsel dargestellt werden. Der Inkrementalgeber am Antrieb ermöglicht eine genaue Erfassung des Schlupfs. Über die Messtechnik können u. a. Reibmoment und Reibungszahl unter definierten Betriebsbedingungen gemessen werden.

3.2 Prüfstand LK3 (statisch)

Die Untersuchungen bei definierter Drehmomentbelastung werden am Prüfstand LK3 (statisch) durchgeführt (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Prüfstand LK3 (statisch) [32, 33]. a Schema, b Foto

Der passive Aufbau ermöglicht die Aufbringung einer über lange Zeit konstanten Anpresskraft, die über eine Kraftmessdose gemessen wird. Das Lastmoment wird über einen Hebel und Gewichte in das Lamellenpaket eingeleitet. Der auftretende Schlupf (Verdrehwinkel) kann über den Inkrementalgeber sehr genau erfasst werden. Über ein Ölaggregat sind Beölung und Temperierung des Versuchspakets sichergestellt.

4 Versuchs- und Auswertemethodik

Eine wichtige Beurteilungsgröße für das Reibungsverhalten einer Lamellenkupplung stellt die Reibcharakteristik dar (u. a. [6, 31,32,33,34]). Als Reibcharakteristik wird der Verlauf der Reibungszahl über der Gleitgeschwindigkeit bezeichnet. Hinsichtlich Regelbarkeit und Schaltkomfort sowie zur Reduzierung der Reibschwingneigung wird eine mit zunehmender Gleitgeschwindigkeit ansteigende Reibungszahl angestrebt.

4.1 Betriebsarten

Im Rahmen der Untersuchungen kommen drei Betriebsarten in jeweils unterschiedlichen Gleitgeschwindigkeitsbereichen zum Einsatz (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Betriebsarten und Gleitgeschwindigkeitsbereiche – Übersicht [32]

4.1.1 Kriechverhalten und Mikroschlupf bei konstanter Drehmomentbelastung

Bei den Versuchen zur Haftreibungszahl sowie zum Reibungsverhalten bei Mikroschlupf wird der Prüfstand LK3 (statisch) verwendet (Abb. 4). Es werden hierbei Belastungsdrehmoment TR und Anpresskraft aufgebracht und die resultierende Winkelbewegung (Stillstand/Kriechrate) gemessen. Die Werte von Belastungsdrehmoment und Anpresskraft entsprechen einem Wert der ausgenutzten Reibungszahl µa nach Gl. 1.

$$\mu _{a}\left(m,p,\epsilon \right)=\frac{m\cdot g\cdot l\cdot \cos \left(\epsilon \right)}{p\cdot A\cdot r_{m}\cdot z}$$
(1)
Abb. 4
figure 4

Prüfstand LK3 (statisch) – schematisch [33]

\(\mu _{a}\) [–]:

Ausgenutzte Reibungszahl

\(m\) [kg]:

Masse d. Belastungsgewichts

\(l\) [m]:

Hebellänge

\(\epsilon\) [°]:

Verdrehwinkel

\(p\) [N/mm2]:

Flächenpressung

\(A\) [mm2]:

Reibfläche

\(r_{m}\) [mm]:

Mittl. Reibradius

\(z\) [–]:

Reibflächenanzahl

4.1.2 Stationärer Langsamlaufschlupf

Bei den Versuchsreihen mit definiertem Langsamlaufschlupf (Abb. 3 Mitte) wird die Kupplung im Stillstand geschlossen und mit definierter Axialkraft Fax beaufschlagt. Anschließend wird die Kupplung innerhalb einer definierten Drehzahlanstiegszeit ∆t auf Zieldrehzahl n aufgerissen und eine definierte Zeit stationär bei dieser Schlupfdrehzahl betrieben.

4.1.3 Lastschaltungen

Bei Lastschaltungen wird die geöffnete Kupplung auf Differenzdrehzahl beschleunigt. Nach Erreichen der Ausgangs-Differenzdrehzahl nmax wird eine definierte Axialkraft Fax auf die Kupplung aufgebracht. Durch das sich aufbauende Reibmoment wird die Differenzdrehzahl abgebaut und bei Bremsversuchen die Kupplung bis auf Stillstand abgebremst (Abb. 3 rechts). Es ist zu beachten, dass eine Lastschaltung einen hochgradig instationären Reibvorgang darstellt.

4.1.4 Konditionierung

Vor den experimentellen Untersuchungen zum Reibungsverhalten werden die Versuchspakete über Lastschaltungen konditioniert und ein gleichmäßiger und stabiler Konditionierungszustand sichergestellt.

Es hat sich hierbei eine dreistufige Konditionierung als zielführend herausgestellt [33]. Die Konditionierung besteht aus einem Einlauf (angelehnt an [11]) und zusätzlichen Lastschaltungen bei erhöhten Öleinspritztemperaturen (Abb. 5).

Abb. 5
figure 5

Versuchsablauf – Versuchsreihen bei definiertem Langsamlaufschlupf [33]

4.2 Versuchsablauf und -auswertung

Die Versuchsreihen zum Reibungsverhalten werden mit konditionierten Versuchspaketen durchgeführt. Im Folgenden werden Versuchsablauf und -auswertung beschrieben.

4.2.1 Stationärer Langsamlaufschlupf

Ein Versuchsblock (Abb. 5) ist durch eine konstante Öleinspritztemperatur (ϑÖl) gekennzeichnet. Der spezifische Ölvolumenstrom \(\dot{\mathrm{v}}\) wird konstant gehalten. Vor und nach den Messreihen werden Lastschaltungen durchgeführt. Innerhalb der Versuchsreihen werden blockweise Flächenpressung (p), Gleitgeschwindigkeit (vg) und ggf. Drehrichtung (DR) variiert. Die Messpunkte werden mehrfach belegt. Für die Auswertung der Reibungszahl wird der stationäre Bereich der Messung herangezogen. Die ermittelten Reibungszahlen lassen sich über der Gleitgeschwindigkeit für z. B. verschiedene Öleinspritztemperaturen und Flächenpressungen darstellen [33].

4.2.2 Haftreibung und Mikroschlupf

Jeder Versuchsblock hier ist wieder durch eine feste Öltemperatur (ϑÖl) gekennzeichnet. Es werden blockweise Flächenpressung (p) und ausgenutzte Reibungszahl (µa) variiert. Die Messpunkte werden jeweils mehrfach belegt.

Aus dem Zeitverlauf des Verdrehwinkels wird eine mittlere Kriechrate έ = |(Δε)/(Δt)|m in \(\left(\frac{^{\circ}}{\mathrm{h}}\right)\) berechnet. Bei Variation der ausgenutzten Reibungszahl µa ergeben sich unterschiedliche Kriechraten. Diese lassen sich in eine mittlere Gleitgeschwindigkeit umrechnen, wodurch die übliche Darstellung der Reibungszahl über der Gleitgeschwindigkeit und damit eine Einordnung zu den Ergebnissen der anderen Betriebsmodi möglich ist [33].

5 Versuchsergebnisse zum Reibungsverhalten

Nachfolgend werden exemplarisch Versuchsergebnisse zum Reibungsverhalten einer Lamellenkupplung aus einer Automatikgetriebe-Anwendung aufgezeigt.

Die Kupplung ist aus wechselweise angeordneten Stahl- und Belaglamellen aufgebaut. Die Stahllamellen weisen eine Kaltbandoberfläche (KBO) auf. Die Belaglamellen sind mit einem Papier-Reibbelag mit gruppenparallelem Nutbild versehen. Abb. 6 zeigt die Versuchslamellen und führt deren geometrischen Daten auf. Die experimentellen Untersuchungen werden an Kupplungspaketen mit sechs Reibflächen (vier Stahllamellen, drei Belaglamellen) durchgeführt.

Abb. 6
figure 6

Versuchsteile – Foto mit geometrischen Abmessungen [33]

Die Kupplungen werden mit einem typischen ATF-Serienschmierstoff betrieben. Tab. 1 führt die technischen Daten des Schmierstoffs auf.

Tab. 1 Schmierstoff – technische Daten [33]

5.1 Haftreibung und Mikroschlupf

Es wurden im Rahmen dieser Versuchsreihe Messungen bei drei Schmierstofftemperaturen mit Variation von ausgenutzter Reibungszahl sowie Flächenpressung durchgeführt. Es ist bei allen untersuchten Flächenpressungen und Schmierstofftemperaturen eine ausgenutzte Reibungszahl zu identifizieren, unterhalb der es zu keiner Relativverdrehung kommt. Bei Überschreiten der Haftreibungszahl kommt es zunächst zu Kriechen mit sehr niedrigen Kriechraten, die dann sehr schnell ansteigen.

In Abb. 7 ist die ausgenutzte Reibungszahl über der Gleitgeschwindigkeit für die untersuchten Schmierstofftemperaturen und Flächenpressungen dargestellt. Eine Ausgleichskurve vom Typ \(\mathrm{f}\left(\mathrm{v}_{\mathrm{g}}\right)=\mathrm{a}\cdot \mathrm{x}^{\mathrm{b}}+\mathrm{c}\) mit (0 < b < 1) unterstützt die Visualisierung der Versuchsergebnisse. Es ist jeweils eine mit zunehmender Gleitgeschwindigkeit ansteigende Reibungszahl zu beobachten. Bei der höheren Flächenpressung von 1,0 N/mm2 ist dieser Anstieg bei allen Schmierstofftemperaturen ausgeprägter als bei der niedrigeren Flächenpressung von 0,5 N/mm2; grundsätzlich ist kein charakteristischer Unterschied der Reibungszahlen bei diesen Pressungen erkennbar. Der Übergang von Haften zu Gleiten erfolgt kontinuierlich. Mit zunehmender Schmierstofftemperatur kommt es bei den untersuchten Flächenpressungen zu einer deutlichen Reduzierung der ausnutzbaren Reibungszahlen bei sehr geringen Gleitgeschwindigkeiten und Gleitgeschwindigkeit 0.

Abb. 7
figure 7

Mikroschlupf und Haftreibung – ausgenutzte Reibungszahl über Gleitgeschwindigkeit. a p = 0,5 N/mm2, b p = 1,0 N/mm2

5.2 Stationärer Langsamlaufschlupf

Abb. 8 zeigt die gemessenen Reibungszahlen über der Gleitgeschwindigkeit für Öleinspritztemperaturen 40/80/110 °C sowie für Flächenpressungen 0,2 und 1,0 N/mm2.

Abb. 8
figure 8

Stationärer Langsamlaufschlupf – Reibungszahl über Gleitgeschwindigkeit (Öleinspritztemperatur: ϑÖl = 40/80/110 °C, Spez. Ölvolumenstrom: ν = 0,8 mm3/(mm2/s), Papierreibbelag – ATF, Flächenpressung: p = 0,2/1,0 N/mm2, Gleitgeschwindigkeit: vg = +(0,001 … 0,200) m/s)

Es liegt eine mit zunehmender Gleitgeschwindigkeit ansteigende Reibungszahl vor, wobei sich ein signifikanter Einfluss der Öleinspritztemperatur zeigt. Mit zunehmender Öleinspritztemperatur sinkt das Reibungszahlniveau besonders bei niedrigeren Gleitgeschwindigkeiten stark ab. Das Reibungszahlniveau sinkt zudem mit zunehmender Flächenpressung.

5.3 Gesamtdarstellung und Einordnung zum Lastschalt-Reibungsverhalten

Die Ergebnisse aus den einzelnen Betriebsarten können zusammengeführt und das Reibungsverhalten bei Mikro- und stationärem Langsamlaufschlupf zum Lastschaltreibungsverhalten eingeordnet werden (Abb. 9).

Abb. 9
figure 9

Reibungszahl über Gleitgeschwindigkeit – Gesamtdarstellung. a ϑÖl = 40 °C, b ϑÖl = 80 °C, c ϑÖl = 110 °C (Schmierstoff‑/Öleinspritztemperatur: 40/80/110 °C, Flächenpressung: p = 0,5 (1,0) N/mm2, Papierreibbelag – ATF, Lastschaltung: Spez. Reibarbeit: q = 0,35 J/mm2, Max. spez. Reibleistung: qp0 = 0,78 W/mm2, Max. Gleitgeschwindigkeit: vg0 = 13,0 m/s, Spez. Ölvolumenstrom: ν = 0,8 mm3/(mm2/s))

Es ist bei allen drei Öleinspritz‑/Schmierstofftemperaturen eine gute Anknüpfung zwischen den Reibcharakteristiken der jeweiligen Betriebsarten zu erkennen. Insgesamt zeigt der Verlauf der Reibungszahl bei allen drei Schmierstofftemperaturen mit zunehmender Gleitgeschwindigkeit ausgehend vom Übergang von Haften zu Gleiten ein ansteigendes Verhalten auf. Der Übergang Gleit-Haftreibung sinkt mit zunehmender Schmierstofftemperatur und findet für alle Schmierstofftemperaturen und Flächenpressungen jeweils allmählich statt.

Bei Schmierstofftemperatur 40 °C liegt der Haft-Gleit-Übergang bei höherer Flächenpressung höher als bei niedriger Flächenpressung (Abb. 9a). Bei den höheren Schmierstofftemperaturen ist keine Abhängigkeit des Haft-Gleit-Überganges von der Flächenpressung erkennbar (Abb. 9b,c).

Für diese Reibmaterial-Schmierstoff-Paarung kann festgestellt werden, dass die ohne Kriechen bzw. bei sehr niedrigen Kriechraten übertragbaren Reibungszahlen deutlich unter den Reibungszahlen bei den Lastschaltungen und den Reibungszahlen bei stationärem Langsamlaufschlupf liegen.

6 Zusammenfassung und Ausblick

Kenntnisse zum übertragbaren Drehmoment nasslaufender Lamellenkupplungen bei den entsprechenden Belastungen und Betriebsbedingungen sind die Basis für eine betriebssichere Auslegung und Dimensionierung.

Im Rahmen grundlegender experimenteller Untersuchungen wurden das Reibungsverhalten bei Mikroschlupf sowie die übertragbare Haftreibungszahl untersucht. Es wurde eine Test- und Auswertemethodik entwickelt und auf ausgewählte Reib‑/Schmierstoffpaarungen angewendet.

Die Ergebnisse für einen Papierreibbelag mit ATF zeigen, dass für diese Reibmaterial-Schmierstoff-Paarung die ohne Kriechen bzw. bei sehr niedrigen Kriechraten übertragbaren Reibungszahlen deutlich unter den Reibungszahlen aus den Lastschaltversuchen liegen. Wenn für die Dimensionierung von Schaltelementen mit Haltefunktion (z. B. Lamellenbremsen) Reibungszahlen aus dynamischen Untersuchungen oder Stationärschlupf-Versuchen herangezogen werden, ist mit einem deutlichen Kriechen zu rechnen. Die Erkenntnisse können einen Beitrag zur Erhöhung der Dimensionierungs- und Auslegungssicherheit nasslaufender Lamellenkupplungen leisten.

Aktuell liegen jedoch noch keine systematischen Ergebnisse zu den Einflüssen von Schmierstoff, Baugröße und Reibbelag auf das Reibungsverhalten bei Langsamlauf- und Mikroschlupf vor. Auch Einflüsse der Stahllamellenbeschaffenheit (z. B. Rauheit/Nitrierschicht) sowie Wellung der Belaglamellen bei diesen Betriebszuständen sind unbekannt. Anhand weitergehender Untersuchungen werden mit der gezeigten Versuchs- und Auswertemethodik systematisch Erkenntnisse zu diesen Einflüssen erarbeitet.