1 Problemstellung und Lösungsansatz

Die Reduktion von Reibung (Energieeffizienz) und Verschleiß (Nachhaltigkeit) in technischen Anlagen spielen bei der Realisierung der geforderten ökonomischen, ökologischen und gesellschaftspolitischen Ziele eine zentrale Rolle. Durch Reibung und Verschleiß werden weltweit Gesamtkosten von 250 Mrd. €/Jahr verursacht und 8120 MtCO2-Emissionen freigesetzt [1]. Die aktuellen Herausforderungen bestehen darin, die enormen Vorteile ultraniedriger Reibung, der verschleißlosen Gleit- und Reibungskontrolle sowie der wasserbasierten Schmierung hinsichtlich Energie- und Ressourceneffizienz für technische Anwendungen zu nutzen [2]. An dieser Problematik, der Steigerung der Energieeffizienz und Nachhaltigkeit („Green-Tribology“), setzt diese Arbeit an. Stand der Technik ist es, spezielle, auf die jeweiligen Anforderungen abgestimmte Schmierstoffe auf Mineralölbasis einzusetzen. Die Produktion von Mineralöl hat während den letzten 20 Jahren zugenommen. In Deutschland werden etwa eine Million Tonnen Schmierstoffe verwendet, von denen nur etwa die Hälfte des Altöls verwertet und entsorgt wird [3]. Diese große Menge an eingesetzten Schmierstoffen ist mit hohen Kosten bei der Förderung, Herstellung und Entsorgung verbunden und kann zusätzlich eine Belastung für die Umwelt darstellen. Eine Möglichkeit diese Probleme zu lösen besteht in der Substitution dieser toxisch bedenklichen und aufwändig zu entsorgenden Schmierstoffe auf Mineralölbasis durch biologisch inspirierte Schmierstoffe auf Wasserbasis. In diesem Kontext werden unterschiedliche neuartige Additive wie ionische Flüssigkeiten (ILs: ionic liquids), mesogene Fluide (MF: mesogenic fluids) und ionische Flüssigkristalle (ILCs: ionic liquid crystals) diskutiert [4]. Eigene Vorarbeiten haben gezeigt, dass mit speziellen MFs tribologische Eigenschaften verbessert werden können, bis hin zu Realisierung ultraniedriger Reibung auf Stahl (µ < 0,005) [5,6,7] und auf diamantähnlichen Kohlenstoffschichten (diamond like carbon, DLC) [8]. ILs sind vielversprechende Additive, die aufgrund des ionischen Aufbaus starke Wechselwirkung mit Oberflächen zeigen. Die Eigenschaften von Wasser als Schmierstoff konnten durch Additivierung mit ILs [9] gezielt verbessert werden. Durch das Anlegen externer elektrischer Spannungen konnte Reibung und Verschleiß dieser wasserbasierten Fluide zusätzlich verbessert werden [10]. Es konnte außerdem gezeigt werden, dass mit reinen ILs Reibwerte durch Variation der elektrischen Spannung gezielt eingestellt werden können [11]. Ein Schritt zur technischen Ausnutzung dieser Wechselwirkung der ILs mit elektrochemischen Feldern konnte durch die Ausnutzung galvanisch induzierter Potenziale realisiert werden [12]. Mit dieser Methode entfällt eine externe Spannungsquelle und neben dem elektrochemischen Korrosionsschutz wird zusätzlich die Wechselwirkung der Ionen mit der Oberfläche erhöht, wodurch sich eine tribologische Schutzschicht aufbaut. Als weitere Additivklasse für einen wasserbasierten Schmierstoff wurden Alkylglucopyranoside, lyotrope Flüssigkristalle auf Zuckerbasis, tribologisch auf der Makro- und Nanoskala untersucht und vielversprechende Ergebnisse erzielt [13, 14]. In diesem Projekt wurden unter anderem wasserbasierte Schmierstoffe mit speziellen oberflächenaktiven Molekülen verwendet. Bei wasserbasierten Schmierstoffen muss die Viskosität und Korrosivität von Wasser durch den Zusatz spezieller oberflächenaktiver Substanzen für tribologische Anwendungen angepasst bzw. verbessert werden. Der Mechanismus der als potenzialkontrollierte Reibung (potential-controlled friction, PCF) bezeichnet wird, wurde erstmals durch Chang et al. [15] eingeführt. Der Lösungsansatz in dieser Arbeit besteht darin, galvanisch induzierte elektrochemische Potenziale auszunutzen, um zum einen tribochemische Reaktionen zu vermeiden (Korrosion) und zum anderen die Molekülorientierung an der Oberfläche zu verbessern (Abb. 1). Dadurch müssen keine externen Potenziale angelegt werden und das Prinzip wird für technische Anwendungen praktikabel. Durch die Kombination dieser Mechanismen soll ein möglichst dünner Schmierfilm (Dünnfilmschmierung, Thin-Film Lubrication, TFL) erzielt und stabilisiert werden. Dieses Reibregime, mit einer Schmierfilmdicke von einigen Nanometern bis zu einiger zehn Nanometern, liegt zwischen der elastohydrodynamischen Schmierung (EHL) und der Grenzschmierung. Wissenschaftliche Arbeiten haben gezeigt, dass dieses Reibregime der TFL zu minimalen Reibverlusten führt [16].

Abb. 1
figure 1

Lösungsansatz: Galvanisch induzierte Potenziale auf der Oberfläche reduzieren korrosive Effekte und verstärken die Wechselwirkung mit den komplexen Fluiden (Bildung Tribolayer) die als Additiv dem Wasser beigesetzt sind

2 Stand der Wissenschaft

Die Forschungsarbeiten zu wasserbasierten Schmierstoffen mit oberflächenaktiven Substanzen und Graphen konzentrieren sich größtenteils auf den Bereich der Nanotribologie [17]. Es wurden mit solchen Substanzen extrem niedrige Reibwerte, sogenannte „superlubricity“, nachgewiesen [18]. Diese Arbeiten liefern Grundlagen für das tiefere Verständnis der tribologischen Mechanismen, lassen sich aber nicht auf makroskopische, reale Reibkontakte übertragen. Tribochemische Reaktionen und galvanische Korrosionsvorgänge zwischen Edelstahl und einer DLC-Beschichtung bei Wasserschmierung wurden ebenfalls untersucht [19]. Einflüsse der molekularen Orientierung von ILs auf das tribologische Verhalten [20], sowie der Einfluss von NaCl in Wasser auf die molekulare Anordnung und die dadurch veränderten mechanischen Eigenschaften sind besonders hinsichtlich der Bildung eines Tribolayers interessant [21]. Bislang gibt es noch keine Forschungsarbeiten, die galvanisch induzierte elektrochemische Potenziale ausnutzen, um tribochemische Reaktionen zu beeinflussen. Bei Forschungsarbeiten, die sich mit der Untersuchung der makroskopischen Reibung beschäftigen, stehen Additive zur Optimierung von Wasser als Schmierstoff im Fokus. Dazu werden in wissenschaftlichen Arbeiten MoS2 Nanopartikel [22], CuO-beschichtete Nanopartikel [23], geschichtete Doppelhydroxid-Nanoplättchen [24], fluoriertes Graphen [25], Lithiumsalz und nichtionische Tenside [26], oxidierte aus Holz stammende Nanokohlenstoffe [27], Pflanzenextrakte [3] und ILCs [28] diskutiert. Es wurde herausgefunden, dass das Einlaufverhalten zum Erreichen extrem niedriger Reibung einen entscheidenden Einfluss bei der Verwendung einer wässrigen Mischung mit Schwefelsäure und Glycerin hat [29]. Nach dem Einlaufvorgang wird durch die Adsorption von Wasserstoffprotonen eine elektrische Doppelschicht gebildet, die eine abstoßende Doppelschichtkraft erzeugen kann, die einen Teil der Last trägt [29].

3 Material und Methoden

3.1 Schmierstoffe

Auf Grundlage eigener Vorarbeiten wurden vielversprechende Substanzen ausgewählt, die als Additiv in wasserbasierten Systemen eingesetzt werden können (Abb. 2). Es wurden neutrale Tenside auf Zuckerbasis (Alkylpolyglucoside – APG), formanisotropes 1,3-Diketon (mesogenes Fluid, MF-127070; Fa. Dr. Tillwich Werner Stehr) und ionische Flüssigkeiten (ILs, Fa. Iolitec) ausgewählt. Die Viskosität der Flüssigkeiten wurde mit einem Rotationsrheometer (Physica MCR 501, Anton Paar, Deutschland) mit Kegel-Platte-Geometrie (CP: 50-2/TG, Durchmesser: 49,915 mm, Winkel: 2,001°) bestimmt. Das APG ist ein in der Natur vorkommender lyotroper Flüssigkristall, der aus einer hydrophoben Alkylkette mit 8 Kohlenstoffatomen (C8) und einer hydrophilen Kopfgruppe besteht. Diese Substanz kann in Lösung eine geordnete Struktur ausbilden und sich zusätzlich in einer Doppelschicht auf der Oberfläche anlagern. Es wurde eine Zugabe von gew. 40 % von C8 zu deionisiertem Wasser gewählt (Viskosität: 29 mPa · s bei 20 °C). MF-127070 wurde als Reinstoff verwendet (Viskosität: 12 mPa · s bei 20 °C). Die ILs wurden aufgrund ihrer Mischbarkeit mit Wasser ausgewählt. Es wurde jeweils eine 1 gew.% IL zu deionisiertem Wasser hinzugegeben. Zusätzlich wurden als Benchmark 1 molare NaCl-Lösung und das Gleitlageröl WD40 (Viskosität: 2 mPa · s bei 20 °C) verwendet.

Abb. 2
figure 2

Verwendete komplexe Fluide als Schmierstoff bzw. Additiv: a APG: Octyl β‑D-Glucopyranosid (C8); b IL: Ethyltributylphosphonium diethyl phosphate (IN-0018-TG, [P2444] [DEP]); c IL: Tributylmethylphosphonium acetate (CS-0844, [P1444] [Oac]); d IL: 1‑Ethyl-3-methylimidazoliumchlorid (IL-0093-HP, [EMIM][Cl]); e MF: 1‑(4-ethyl phenyl)nonane‑1,3‑dione (MF-127070)

3.2 Tribologische Prüfungen

Modellreibversuche wurden mit einem oszillierenden Kugel-Scheibe Tribometer (Fa. Optimol Instruments SRV‑4, Abb. 3a) durchgeführt. Die Testparameter wurden auf 10 N Normalkraft, 1 mm Hub und 20 Hz Oszillationsfrequenz bei Raumtemperatur eingestellt. Jeder Test wurde dreimal mit einer Testdauer von 1,0 h durchgeführt. Als Probenmaterial wurde Edelstahl SSt420 verwendet. Das elektrochemische Potenzial wurde durch eine gezielte Materialkombination induziert. Das dabei entstehende elektrische Potenzial wurde mit einem Potentiostat (Parstat4000, Fa. Ametek), bezogen auf eine Referenzelektrode (Ag/AgCl), gemessen (Abb. 3a). Zur Herstellung einer galvanischen Zelle wurden Kupfer (Cu) als edleres und Aluminium (Al) als unedleres Material im Gegensatz zu SSt420 verwendet. Reibversuche mit PTFE wurden als Referenz ohne galvanische Kopplung durch elektrische Isolation des Materials durchgeführt. Anwendungsnahe Reibversuche wurden mit dem Radialgleitlager-Tribometer (Abb. 3b) durchgeführt. Die rotierende Welle wird von einem Elektromotor (EC motor EC60 BL Y 400W KL 2WE A, Fa. maxon Motor) angetrieben. Die Welle ist beidseitig befestigt und rotiert in zwei Luftlagern (S304002 (40 mm I.D.), Fa. IBS Precision Engineering BV). Die Besonderheit dieses selbstgebauten Tribometers liegt in der In-situ-Erfassung des Verschleißes während des Reibversuchs. Diese Messung erfolgt direkt unterhalb des Lagers an der Halterung durch einen kapazitiven Sensor (HPB-40 Button Probe, Fa. Capacitec). Dadurch kann neben dem Reibwert auch das Einlauf- und Verschleißverhalten analysiert werden. Mit diesem Aufbau können Gleitlager (Øinnen: 2–16 mm) bei Normalkräften von 10–650 N (Zug-Druck-Kraftsensor Typ 8435, Fa. Burster) und bei Umdrehungen (Drehzahlen) von bis zu 3000 U/min getestet werden. Der Reibwert wird aus dem gemessenen Drehmoment (Drehmomentsensor TD110, Reaktionsmoment bis zu einem Nennmoment von 50 Nm) berechnet. Die Halterung für das zu prüfende Gleitlager wurde so konstruiert, dass eine galvanische Kopplung ermöglicht wird (Abb. 3c). Als Kopplungsmaterial wurden Aluminium (kathodisch), Kupfer (anodisch) und PTFE (isolierend) verwendet. Für die Reibversuche wurde eine Welle aus dem Stahl 100Cr6 mit einem Durchmesser von 7,98 mm verwendet. Die Sintereisenlager haben einen Innendurchmesser von 8,00 mm und eine Breite von 4,4 mm. Für die Reibversuche wurden jeweils zwei Lager in der Halterung für die galvanische Kopplung verwendet. Bei der Versuchsdurchführung wurden Geschwindigkeitsrampen (Stribeck-Kurven: 0–500 U/min, 0–0,21 m/s, 2 min) und Versuche bei konstanten Bedingungen (Dauerversuch: 500 U/min, 0,21 m/s, 30 min) miteinander kombiniert. Ein Prüfzyklus umfasst dabei einen Dauerversuch und jeweils eine Stribeck-Kurve bei abnehmender und anschließend ansteigender Geschwindigkeit. Es wurden insgesamt 10 Zyklen (340 min, 150 N, 2,1 MPa) durchlaufen.

Abb. 3
figure 3

a Modellreibversuch: Skizze des elektrisch isolierten Prüfaufbaus mit oszillierender Kugel-Scheibe Reibgeometrie: 1. Stahl-Kugel; Galvanische Zelle durch Materialkombination: 2. Obere Edelstahlscheibe; 3. Verwendete Materialien für die untere Scheibe: Kupfer (Cu), Aluminium (Al) und Teflon (PTFE); 4. Ag/AgCl-Referenzelektrode; 5. Elektrolyt- bzw. Schmierstoffreservoir. b Skizze des neu entwickelten Gleitlagerprüfstands mit In-situ-Verschleißmessung: 1. Motor zum Antrieb der Welle; 2. Schraube zum Einstellen der Normalkraft; 3. Galvanisch gekoppeltes Lager. Links und rechts vom Lager befinden sich Luftlager in denen die rotierende Welle gelagert ist. c Zu prüfendes Gleitlager: 1. Lagerwelle (grau); 2. Galvanische Kopplung mit Lagerring (grün), Kopplungselement (orange) und Isolation (blau); 3. Befestigung des Lagersystems. An der Unterseite dieser Halterung ist das Messsystem für die In-situ-Verschleißmessung angebracht

4 Ergebnisse und Diskussion

4.1 Modellreibversuche

Es wurden mehrere komplexe Fluide (ILs, C8) und als Benchmark das Gleitlageröl (WD40) mit dem Edelstahl (SSt420) tribologisch untersucht. Durch Kopplung des Stahls mit Aluminium wird bei allen untersuchten Zwischenstoffen ein kathodisches und bei Kopplung mit Kupfer ein anodisches elektrisches Potenzial induziert (Abb. 4a).

Abb. 4
figure 4

Ergebnisse der Modellreibversuche mit einer Kugel-Platte-Geometrie (10 N, 20 Hz, RT, 1 mm, 1 h) geschmiert mit Mischungen von deionisiertem Wasser mit Zugabe unterschiedlicher Additive (siehe horizontale Achse): a Induziertes Potenzial in Abhängigkeit des galvanischen Kopplungsmaterials und des verwendeten Zwischenstoffs; b Vergleich der Reibarbeit; c Vergleich des Verschleißvolumens von Kugel und Scheibe

Bei Verwendung von 40 % C8 wird als einziger Zwischenstoff eine niedrigere Reibarbeit als mit dem Vergleichsöl WD40 erzielt (Abb. 4b). Insgesamt wird die Reibarbeit durch die galvanische Kopplung nahezu nicht verändert. Im Gegensatz dazu ändert sich das Verschleißverhalten durch die galvanische Kopplung deutlich (Abb. 4c). Bei kathodischer Polarisierung werden mit 1 % [EMIM][Cl] und 40 % C8 niedrigere Verschleißwerte als mit WD40 erzielt. Wie in Tab. 1 gezeigt, werden bei kathodischer Polarisierung mit Aluminium bei allen Schmierstoffen niedrigere – und bei anodischer Polarisierung mit Kupfer höhere – Verschleißwerte als ohne glavanische Kopplung mit PTFE erzielt. Der größte Unterschied bei der Verschleißänderung durch galvanische Kopplung im Vergleich zum unpolarisierten Zustand ist bei 40 % C8 zu beobachten. Im Vergleich zu WD40 werden mit Ausnahme von 40 % C8 deutlich höhere Verschleißwerte erzielt (Tab. 2). Die Ergebnisse zeigen, dass spezielle ionische Flüssigkeiten und besonders das Alkylpolyglucosid (40 % C8 in Wasser) sich als Additiv in Wasser in Kombination mit der galvanischen Kopplung eignen.

Tab. 1 Änderung Gesamtverschleiß durch Kopplung mit Aluminium und Kupfer im Vergleich zu PTFE
Tab. 2 Änderung Gesamtverschleiß bezogen auf WD40 gekoppelt mit Aluminium

4.2 Gleitlagerversuche mit galvanischer Kopplung

Die Gleitlagerversuche wurden mit dem mesogenen Fluid MF-127070 [4] und der Mischung des lyotropen Flüssigkristalls von 40 % C8 in Wasser [14] durchgeführt, da in den Vorarbeiten diese Substanzen als Schmierstoff die besten Ergebnisse zeigten. Bei der ersten Stribeck-Kurve bei ansteigender Geschwindigkeit zeigen, mit Ausnahme von 40 % C8 mit Kupfer, alle getesteten Schmierstoffe einen ähnlichen Reibwertverlauf (Abb. 5a). Der Reibwert sinkt von 0,2 bei langsamen Drehgeschwindigkeiten auf ca. 0,15 bei hohen Drehzahlen ab. Bei der letzten Stribeck-Kurve bei ansteigender Geschwindigkeit wird mit 40 % C8 ein deutlich höherer Reibwert als bei der ersten Stribeck-Kurve erzielt (Abb. 5b). Mit dem Referenzöl und dem mesogenen Fluid werden ähnliche Reibwerte bei niedrigen Drehzahlen erreicht. Bei hohen Geschwindigkeiten zeigt MF-127070 deutlich niedrigere Reibwerte (µ ≈ 0,025) als das Referenzöl (µ ≈ 0,1).

Abb. 5
figure 5

Stribeck-Versuche: Reibwerte der Gleitlagerversuche mit Referenzöl WD40, mesogenem Fluid MF-127070 und lyotropen Flüssigkristall 40 % C8 gekoppelt mit Aluminium und Kupfer: a Erste Stribeck-Kurve bei ansteigender Geschwindigkeit; b Letzte Stribeck-Kurve bei ansteigender Geschwindigkeit

Während den Reibversuchen wurde der Reibwert (Abb. 6a) und der Verschleiß (Abb. 6b) in-situ aufgezeichnet. Die galvanische Kopplung wirkt sich bei den beiden oberflächenaktiven Substanzen, im Gegensatz zum Referenzöl, auf den Reibwert aus. Bei der Induktion eines kathodischen Potenzials werden bei MF-127070 und 40 % C8 niedrigere Reibwerte als bei Kopplung mit Kupfer erzielt. 40 % C8 zeigt bei Kopplung mit Aluminium, mit Ausnahme des kurzzeitigen Anstiegs des Reibwerts, einen niedrigeren Reibwert als das Referenzöl. Dieser Reibwertanstieg ist vermutlich auf eine Phase der Mangelschmierung, und damit verbundenem Auftreten von stärkerer Mischreibung, zurückzuführen. Bis zum letzten Dauerversuch verändert sich das Reibverhalten der getesteten Fluide nochmal deutlich. Bei 40 % C8 steigt der Reibwert auf ca. 0,45 an und verläuft bei Kopplung mit Kupfer sehr ungleichmäßig. Mit MF-127070 wird mit einem Reibwert von µ ≈ 0,025, unabhängig vom Kopplungselement, ein deutlich niedrigerer Reibwert als mit dem Referenzöl (µ ≈ 0,07) erzielt. Bei den Versuchen mit dem Referenzöl WD40 bei Kopplung mit Aluminium war die In-situ-Verschleißmessung noch nicht installiert. Es wird aber vermutet, dass sich mit Aluminium als Kopplungsmaterial der Verschleiß nicht ändert, da sich aufgrund der elektrischen Isolation des Öls kein Potenzial aufbauen kann. Der Anstieg des Reibwerts bei Verwendung von 40 % C8 korreliert sehr gut mit dem Verschleißverhalten. Bei Kopplung mit Aluminium steigt der Verschleiß kontinuierlich an, wobei mit Kupfer nach 200 min ein Anstieg des Verschleißes erfolgt. Beim Referenzöl WD40 wird nach ca. 150 min ein konstanter Verschleißwert erzielt. Dies korreliert ebenfalls gut mit dem konstanten Reibwert ab dieser Phase. Beim mesogenen Fluid MF-127070 wird bei Kopplung mit Aluminium ein konstanter Verschleißwert nach ca. 250 min erreicht. Im Gegensatz dazu bewirkt die anodische Polarisierung eine deutliche Verschleißreduktion. In Tab. 3 sind die erzielten Reib- und Verschleißwerte zusammengestellt. Die galvanische Kopplung wirkt sich vor allem beim Verschleißverhalten von MF-127070 aus. Die Reibwerte werden durch die Kopplung nicht signifikant beeinflusst. Bei Reibwerten deutlich über 0,1 liegt Mischreibung vor und der Verschleiß, der sich dadurch einstellt, ist höher.

Abb. 6
figure 6

Vergleich des Reibwerts (a) und der Verschleißentwicklung (b) während dem Dauerreibversuch mit Referenzöl WD40, mesogenem Fluid MF-127070 und lyotropen Flüssigkristall 40 % C8 galvanisch gekoppelt mit Aluminium und Kupfer (Die Ergebnisse mit MF-127070_Kupfer und WD40_Kupfer wurden während des Begutachtung online gestellt [30])

Tab. 3 Übersicht der erzielten Reib- und Verschleißwerte

5 Zusammenfassung und Ausblick

In den Modellreibversuchen mit oszillierender Kugel-Platte-Geometrie konnte der Einfluss der unterschiedlichen Oberflächenpolarisierung auf das Verschleißverhalten nachgewiesen werden. Durch Kopplung mit Aluminium (kathodisch) wurde der Verschleiß reduziert und mit Kupfer (anodisch) im Vergleich zum nicht polarisierten Zustand erhöht. Auf den Reibwert wirkt sich die Polarisierung nicht signifikant aus. Im Vergleich zum Referenzöl WD40 wurden nur mit dem lyotropen Flüssigkristall C8 40 % bei kathodischer Polarisierung niedrigere Verschleißwerte erzielt. Diese Methode der galvanischen Kopplung wurde anschließend erfolgreich auf ein selbstentwickeltes Gleitlagertribometer adaptiert. Bei diesem Tribometer können mehrere Gleitlager gleichzeitig unter identischen Prüfbedingungen getestet werden können. Durch die Implementierung einer In-situ-Verschleißanalyse ist es möglich das Einlauf- und Langzeitverhalten der Lager zu analysieren. Die Demonstration der Leistungsfähigkeit galvanisch gekoppelter Gleitlager erfolgte durch den Vergleich eines Referenzöls WD40 mit dem mesogenen Schmierstoff MF-127070 (1-(4-ethyl phenyl)nonane‑1,3‑dione, Fa. Dr. Tillwich GmbH Werner Stehr) und einer Mischung aus 40 % des lyotropen Flüssigkristall C8 (Tensid auf Zuckerbasis, Octyl β‑D-Glucopyranosid) in Wasser. Die galvanische Kopplung erfolgte dabei wie bei den Modellversuchen mit Aluminium (kathodische Polarisierung) und Kupfer (anodische Polarisierung). Die Ergebnisse zeigen, dass mit MF-127070 bei Kopplung mit Kupfer extrem niedrige Reibungs- und Verschleißwerte erzielt werden können. Der Reibwert im Dauerversuch wird im Vergleich mit dem Referenzöl um 60 % und der Verschleiß um 40 % reduziert. Bei dem wasserbasierten Zwischenstoff 40 % C8 deutet sich das Potenzial für tribologische Anwendungen bei der jeweils ersten Stribeck-Kurve und Dauerversuch an. Durch die Langzeitbelastung verdunstet Wasser, wodurch der Reibwert und der Verschleiß negativ beeinflusst werden. Diese Viskositätsänderung wurde nicht direkt gemessen, allerdings weist C8 eine deutlich höhere Viskosität als Wasser auf, wodurch Wasserverdunstung zu einem Anstieg der Viskosität führt [14]. Dieses Verhalten lässt sich dadurch erklären, da lediglich eine Mischung des Tensids C8 mit Wasser verwendet wurde und nicht wie bei MF-127070 ein vollständig additivierter und auf das Gleitsystem optimierten Schmierstoff. Zukünftige Arbeiten werden sich auf die Entwicklung eines wasserbasierten Schmierstoffs durch zusätzliche Additivierung des lyotropen Flüssigkristalls C8 konzentrieren.