1 Einleitung

Bei der Abdichtung von Drehdurchführungen unter Druck verlieren Radialwellendichtringe bereits bei Drücken von 0,5 bar ihre Dichtfähigkeit. Daher haben sich Rechteckdichtringe (alternativ auch Hochdruckwellendichtringe oder Kolbenringe) als dichtendes Maschinenelemente im Hochdruckbereich etabliert. Hydraulische Schalt- und Kupplungsmechanismen wie beispielsweise in automatisierten Kraftfahrzeuggetrieben sind oftmals in geschlossene Systeme und Ölkreisläufe integriert. Gerade dort eignen sich Rechteckdichtringe (REDR), um auf wenig Bauraum und mit hoher Belastung Drehdurchführungen abzudichten. Doch auch im Anlagenbau oder der Verfahrenstechnik finden REDR Verwendung, wo Fluide in Prozesse eingeleitet werden [1,2,3]. Abb. 1 zeigt den Aufbau einer mittels REDR abgedichteten Drehdurchführung sowie den Ölfluss der Leckage [4].

Abb. 1
figure 1

Schematischer Aufbau einer Drehdurchführung, bei der Rechteckdichtringe den Hochdruck-Bereich abgrenzen [4]

REDR sitzen in einer Nut verbaut und dichten sowohl an der umlaufenden Mantelfläche als auch an der Nutflanke ab. Dabei kommt es im Betrieb zu funktionsbedingter Leckage, welche nicht vermieden werden kann oder gar zur Schmierung des Kontakts erwünscht ist [5]. Im Betrieb sind Relativbewegungen zwischen REDR und den Anschlussbauteilen an der Nutflanke vorzufinden. Die umlaufende Mantelfläche des Dichtrings wird an der Bohrungsfläche durch Reibung gehalten, welche durch das konstruktive Übermaß des Rings als auch durch den wirkenden Fluiddruck verstärkt wird. Verbreitet ist der Aufbau mit einer rotierenden Welle (Rotor), in die die REDR-Nut eingelassen ist und einem ruhenden Gehäuse (Stator). Inverse Anordnungen mit einer um eine ruhende Nut rotierende Nabe sind ebenfalls realisierbar.

Bisher standen die Leckageminimierung und die Optimierung der Reibkontakte durch konstruktive Anpassungen sowie veränderte Materialpaarungen im Fokus vorangegangener Arbeiten. Pflüger entwickelte im Rahmen der Forschungsvorhaben Nr. 471 I und II der Forschungsvereinigung Antriebstechnik (FVA) ein auf REDR basierendes Dichtsystem zur Abdichtung von Drehdurchführungen mit Druckdifferenzen von bis zu 80 bar. Dabei zeigte er die Anwendbarkeit diverser metallischer und nichtmetallischer Werkstoffe als Dichtungswerkstoff und auch das Potential von Strukturierungen der Dichtsystemkomponenten [1, 2]. Gronitzki legte den Fokus seiner Forschung auf die Reibungsreduzierung im Dichtkontakt, um den Gesamtwirkungsgrad von beispielsweise KFZ-Getrieben zu verbessern, und daraus Gestaltungsempfehlungen für die Konstruktion von Hochdruckabdichtungen abzuleiten [4].

Neben experimenteller Betrachtung des Betriebsverhaltens wurde durch Gronitzki ein Simulationsmodell entwickelt, das die Verformung und Erwärmung des REDR und auch der Gegenflächen beschreibt. Dabei wird zwischen Druck- und Temperaturverformung (in radialer und axialer Richtung) unterschieden. Die Druckverformung äußert sich als Torsion des Dichtrings innerhalb der Nut (vergleiche Abb. 2), welche von der Dichtringgeometrie und der Steifigkeit des REDR abhängt. Infolge der reibenden Relativbewegung im Kontakt zwischen Nutflanke und REDR erwärmt sich beide Oberflächen und Bauteile in diesem Bereich. Es kommt zu thermischen Ausdehnungen, die die Bauteile verformen und so den Drosselspalt, aus dem die Leckage austritt, kontinuierlich verändern [4]. Die Verformungen am REDR sind in Abb. 2 schematisch gezeigt.

Abb. 2
figure 2

Betriebsbedingte Verformung des Rechteckdichtrings (grün) innerhalb der Nut und der Nutflanke durch Druck (a) und inhomogener Temperaturverteilung (b und c) [4]

Bislang stand vor allem die Leckage- und Reibungsoptimierung solcher Dichtsysteme im Fokus wissenschaftlicher Arbeiten. Dabei wurden Einflüsse durch Lageabweichungen der Bauteile zueinander noch nicht untersucht. Deshalb wurden am Lehrstuhl für Maschinenelemente und Getriebetechnik (MEGT) der Technische Universität Kaiserslautern (TUK) erstmals Untersuchungen an Rechteckdichtringen durchgeführt, die das Leckageverhalten unter statischen und dynamischen Lagefehlern betrachten. Neben statischer radialer Verlagerung der Komponenten wurden zusätzlich Verschränkung der Bauteilachsen sowie dynamische radiale Bewegung der rotierenden Teile in Form von verschiedenen Vibrationen untersucht.

Um der hohen thermischen Belastung innerhalb des Dichtkontakts standzuhalten sind die untersuchten Dichtringe aus Polyimid gefertigt, welches mit einem Graphitanteil von 15 % für verbesserte Schmierung versehen ist. Diese Kunststoffklasse setzt sich als Konstruktionswerkstoff für Dichtungen, Lagerstellen und Ventilbauteilen neben metallischen Werkstoffen fortschreitend durch [6,7,8]. Während in der Vergangenheit vor allem die vom Aufbau analogen Kolbenringe aus Eisenguss-Legierungen hergestellt wurden [5], kommen heute in modernen Otto-Verbrennungsmotoren alternativ Kolbenringe aus hochchromlegierten Stählen [9] oder oberflächenbeschichtete Ringe zum Einsatz [10].

2 Prüfaufbauten und Leckagemessung

2.1 Grenzleistungsprüfstand mit Adaption für Rechteckdichtringe

Am MEGT wird seit einigen Jahren an Radialwellendichtringen (RWDR) geforscht. Neben Reibung und Verschleiß wird die Folgefähigkeit von RWDR an Wellenverlagerungen untersucht. Dazu steht dem Lehrstuhl ein Prüfstand zur Verfügung, mit dem statische und dynamische Lageabweichung auf das Dichtsystem aufgeprägt werden können [11, 12]. Der Prüfstand, dessen Aufbau in Abb. 3 zu sehen ist, wird Grenzleistungsprüfstand genannt, da er RWDR an die Grenzen ihrer Folgefähigkeit an die Wellenoberfläche führt.

Abb. 3
figure 3

Prinzipdarstellung des Grenzleistungsprüfstand am MEGT in REDR-Konfiguration: Die Antriebswelle ist in Membranen gelagert, sodass sie dynamisch ausgelenkt werden kann (rote Pfeile). Der Stator kann statische Lageabweichungen einstellen (blaue Pfeile). Der Rechteckdichtring ist in grün dargestellt

Um statische Lagefehler zwischen den Achsen der Rotationswelle und der Dichtringaufnahme einzustellen, kann das Prüfgehäuse axial und radial verfahren sowie verschränkt werden, wie die blauen Pfeile in Abb. 3 verdeutlichen. So können frei wählbare statische Exzentrizitäten sowie Verschränkungen der Achsen eingestellt werden. Die Antriebswelle des Prüfstands ist in Metallmembranen gelagert, welche durch Hydraulikaktuatoren entlang der roten Pfeile aus Abb. 3 bewegt werden können. Durch das Auslenken der Membranen kann die Antriebswelle in radiale und axiale Schwingungen versetzt werden. Dabei reicht das Frequenzspektrum von 0 bis 300 Hz bei Amplituden von max. 0,5 mm (radial) und 0,25 mm (axial).

Der Grenzleistungsprüfstand wurde zur Untersuchung von REDR modifiziert und erweitert. Dazu wird das RWDR-Prüfgehäuse durch einen ruhenden Stator ersetzt, der neben der hydraulischen Versorgung des zu prüfenden Dichtsystems und Temperaturmessstellen zur Öltemperaturregelung auch die Aufnahmenut des REDR (in Abb. 3 grün dargestellt) beinhaltet. Auf die Antriebswelle wird entsprechend der in 1 beschriebenen inversen Anordnung ein Rotor montiert, der die Gegenlauffläche, die mit der Mantelfläche des Dichtrings im Kontakt steht, trägt.

Die Antriebswelle des Prüfstands kann auf bis zu 12.000 min−1 beschleunigt werden. Dabei können Prüfdrücke von bis zu 12 bar appliziert werden. Die Leckage wird als Differenzmessung zwischen Eingangs- und Ausgangsvolumenstrom in bzw. aus der Prüfzelle heraus bestimmt. Die drucklose Leckageströmung wird abgesaugt und dem Hydraulikaggregat zugeführt, wie der hydraulische Schaltplan in Abb. 4 zeigt. Der hydraulische Aufbau erlaubt eine Schmierstoffeinspeisung von bis zu 4,5 l/min.

Abb. 4
figure 4

Hydraulischer Schaltplan des Prüfaufbaus zur Untersuchung von Rechteckdichtringen

2.2 Einbausituation und Parameter

Anders als in üblichen Anordnungen, bei denen ein außenspannender Aufbau mit rotierender Welle verwendet wird [7], rotiert im Prüfaufbau am MEGT gemäß eines realen Anwendungsfalls eine Hohlwelle, an der der REDR außenspannt. Die Nutflanke, die mit dem REDR im Kontakt steht, befindet sich am stehenden Teil des Prüfaufbaus (Stator). Durch den Austausch des Stators können REDR mit unterschiedlichen Querschnitten oder verschiedene Dichtspalthöhen betrachtet werden. Hierzu ist die Anpassung der Nutgeometrie sowie des Stator-Nenndurchmessers notwendig (bei gleichbleibendem Dichtring‑/Rotor-Nenndurchmesser). Der Radialspalt, den der REDR abdichtet, beträgt in den hier gezeigten Untersuchungen zum einen 0,3 mm und anderenfalls 0,7 mm.

Zuerst werden Versuche ohne Lageabweichungen durchgeführt, um so eine Vergleichsmöglichkeit zu schaffen. Dazu werden für beide REDR eine Vielzahl an Kombinationen aus Druck und Kontaktgeschwindigkeit (pv-Versuche) betrachtet. Die untersuchten Kontaktgeschwindigkeiten erstrecken sich von 5 m/s bis maximal 30 m/s, die Drücke wurden in sechs gleichmäßigen Abstufungen von 2 auf 12 bar gesteigert.

Die statischen Lageabweichungen werden zum einen als Exzentrizität der Statorachse zur Drehachse des Rotors und als Schränkung dieser zueinander definiert. Dabei werden die Exzentrizitäts-Parameter aufgrund der unterschiedlich großen Dichtspalthöhe für die einzelnen REDR angepasst, die Verschränkungen aber für die untersuchten REDR nicht variiert. Als dynamische Lageabweichungen wurden Vibrationen mit unterschiedlichen Frequenzen und Amplitude auf den Rotor aufgeprägt. Für alle Untersuchungen mit Lageabweichungen wurden die gleichen p · v-Kombinationen geprüft. Die Versuchsparameter der oben beschriebenen Untersuchungen sind Tab. 1 zu entnehmen. Die für die Untersuchungen ausgewählten Betriebsparameter erstrecken sich über das Spektrum, das in der imitierten Anwendung zu erwarten ist oder sind aus konkreten Betriebspunkten abgeleitet. Dabei sind die statischen Lageabweichungen durch die konstruktive Ausführung der Prüfzelle limitiert, um im Betrieb eine Kollision zwischen stehenden und rotierenden Teilen zu vermeiden.

Tab. 1 Versuchsparameter für die Untersuchungen der statischen und dynamischen Lageabweichungen

2.3 Versuchsdurchführung

Jeder Untersuchung geht die gleiche Konditionierungsroutine voran. Dazu wird der REDR in der Nut montiert und der Stator axial in die Bohrung des Rotors verfahren, sodass die Ring-Gegenlauffläche den REDR vollkommen umfasst. Anschließend wird der Stator mit den Lagerungskonsolen der Antriebswelle verspannt, um elastische Verformungen oder unerwünschte Ausrückungen aus der Prüfposition infolge des Druckaufbaus in der Prüfzelle zu vermeiden. Somit ist die Einhaltung der eingestellten Lageabweichung sichergestellt. Ohne Rotation der Gegenlauffläche werden die Prüfteile dann durch Zuschalten der Schmierstoffversorgung (Öltemperatur im Tank: 100 °C) temperiert, bis die Temperaturmessstellen an der Nutgegenlauffläche ca. 70 °C erreichen.

Für die in 2.2 beschrieben pv-Versuche wird für eine ausgewählte Antriebsdrehzahl der Prüfdruck in Intervallen von zwei Minuten bis zum Maximaldruck gesteigert. Die hydraulischen Ventile im Prüfaufbau werden zur Einstellung des Prüfzellendrucks so angepasst, dass ein Eingangsvolumenstrom von 2 bis 4 l/min (in Abhängigkeit des Prüfdrucks) erreicht wird. Um eine gleichbleibende Prüfposition der zu untersuchenden Lageabweichungen zu gewährleisten und so die Vergleichbarkeit zu ermöglichen, wird zuerst der gewünschte Fehler eingestellt, die Prüfzelle verspannt und dann jede der in Tab. 1 aufgelisteten pv-Kombinationen geprüft. Auch für diese Betrachtungen wird für jede Messung ein Zeitintervall von zwei Minuten gewählt.

3 Prüfmaterial

3.1 Dichtringe

Die untersuchten Dichtringe verfügen über einen Nenndurchmesser von 100 mm. Allerdings unterscheiden sich die REDR in ihrer Querschnittsgeometrie, weswegen der Ring mit massiverem Querschnitt im Folgenden als MEGT1 und der REDR mit filigranerem Aufbau als MEGT2 bezeichnet werden. In Tab. 2 sind die Abmessungen der Dichtringe gegenübergestellt. (Abb. 5).

Tab. 2 Konstruktionsmaße der Rechteckdichtringe MEGT1 und MEGT2
Abb. 5
figure 5

Vergleich der untersuchen Rechteckdichtringe mit unterschiedlichen Querschnittsprofilen bei gleichem Nenndurchmesser

Die Ringe sind spanend aus dem Poyimid Vespel SP21 erzeugt, dessen Materialdaten aus den Informationsblättern des Herstellers DuPont entnommen werden können [6, 8, 13]. Polyimide eignen sich aufgrund ihrer hohen Temperaturbeständigkeit und günstigen Reibungseigenschaften für den Einsatz in mechanisch und thermisch stark beanspruchten Kontakten. Als Kenngröße für die kombinierte Last aus Pressung und Relativgeschwindigkeit im Kontakt hat sich der pv-Wert etabliert. Durch Multiplikation des Drucks und der Kontaktgeschwindigkeit entsteht ein Systemwert, mit dessen Hilfe auf die thermische Belastung des Kontakts zurückgeschlossen werden kann. Zusätzlich hängt das Reibungsverhalten der Stoffpaarung Stahl-Polyimid vom pv-Wert ab [13].

Die REDR verfügen über unterschiedlich große Querschnittsprofile, um den Einfluss der Ringbreite und -höhe auf die Leckage der Dichtringe mit gleichem Nenndurchmesser zu betrachten. Die Auslegung und Fertigung der REDR erfolgte am MEGT nach den Richtlinien zur Konstruktion von REDR von DuPont [8].

3.2 Prüföl

Die Versuche werden mit dem Öl Eastman Turbo Oil 2197 durchgeführt. Dieser Schmierstoff entspricht den SAE AS5780- und MIL-PRF-23699 HTS-Spezifikationen [14]. Ein Auszug der technischen Produktdaten ist Tab. 3 zu entnehmen.

Tab. 3 Auszug aus den Produktinformationen zum Schmierstoff Eastman Turbo Oil 2197

3.3 Stahl-Prüfteile

Die für den in 2.1 beschriebenen Aufbau eingesetzten Bauteile werden aus dem korrosionsbeständigem Stahl 17-4PH (1.4542 oder AISI/SAE 630) gefertigt. Der martensitische Werkstoff zeichnet sich durch seine hohe Verschleißbeständigkeit und für den Einsatz in hohen Temperaturen von über 300 °C aus [15].

Vor Beginn der Versuche sowie nach Abschluss aller Untersuchungen werden die Funktionsflächen der Metallbauteile, die mit den REDR in Kontakt stehen, hinsichtlich ihrer Oberflächenbeschaffenheit analysiert. Dazu werden Parameter wie Sa, Sq und Sz nach DIN EN ISO 25178‑2 [16] sowie die Materialtraganteilkurve (auch Abbott-Kurve) nach DIN EN ISO 13565‑2 [17] bestimmt. Hierzu kommen ein konfokales Oberflächenmikroskop sowie die Auswertungssoftware MountainsMap von DigitalSurf zum Einsatz. Aufgrund der baulichen Gegebenheiten werden die betrachten Funktionsflächen mithilfe von Abgüssen als Negative erfasst und bei der Datenauswertung entsprechend invertiert. Für die Gegenlauffläche am Rotor sowie die Nutflanken der unterschiedlichen Statoren ergeben sich an den Messstellen aus Abb. 6 die Oberflächencharakterisierungen aus den Abb. 7, 8 und 9.

Abb. 6
figure 6

Messstellen der Oberflächencharakterisierung an den Prüfbauteilen Rotor (a) und Statoren (b)

Abb. 7
figure 7

Oberflächencharakterisierung der REDR-Gegenlauffläche am Rotor: Topographieschicht, ausgewählte Parameter nach DIN EN ISO 25178‑2 und Abbott-Kurve

Abb. 8
figure 8

Oberflächencharakterisierung der Nutflanke für den MEGT1-Ring: Topographieschicht, ausgewählte Parameter nach DIN EN ISO 25178‑2 und Abbott-Kurve

Abb. 9
figure 9

Oberflächencharakterisierung der Nutflanke für den MEGT2-Ring: Topographieschicht, ausgewählte Parameter nach DIN EN ISO 25178‑2 und Abbott-Kurve

4 Ergebnisse

4.1 pv-Versuche

Die Betrachtung des Leckage-Verhaltens von REDR in Abhängigkeit des beaufschlagten Prüfdrucks und der Kontaktgeschwindigkeit dient zur Schaffung von Referenzwerten, mit denen die in 4.2 und 4.3 erzeugten Leckage-Raten unter Lageabweichungen verglichen werden sollen.

Zuerst soll ein Verständnis für das Verhalten des REDR-Dichtsystems erzeugt werden. Dazu werden wie in 2.2 beschrieben verschiedene pv-Kombinationen aus unterschiedlichen Drücken und Kontaktgeschwindigkeiten untersucht und die Leckageströmung bestimmt. Für die Dichtringe MEGT1 und MEGT2 ergeben sich daraus folgende in Abb. 10 und 11 dargestellten Leckageraten. Hierbei unterscheiden sich die Leckageraten der beiden Dichtringe sehr. Während für die Leckageausbildung des MEGT2-Rings eine deutliche Abhängigkeit vom Prüfzellendruck erkennbar und der Einfluss der Kontaktgeschwindigkeit vernachlässigbar ist, kann das Leckageverhalten für den MEGT1-Ring nicht durch ähnliche Zusammenhänge beschrieben werden. Einzig die Bandbreite, die sich aus minimaler und maximaler Leckage für Kontaktgeschwindigkeiten im mittleren Bereich ergibt, ist vergleichbar groß.

Abb. 10
figure 10

Darstellung der Leckageraten für ausgewählte pv-Kombinationen des Rechteckdichtrings MEGT1

Abb. 11
figure 11

Darstellung der Leckageraten für ausgewählte pv-Kombinationen des Rechteckdichtrings MEGT2

Das Betriebsverhalten der Dichtringe wird zudem bei der Betrachtung einzelner Versuchsergebnisse deutlich. Dazu werden die Daten in Form von Box-Plots veranschaulicht. Diese Form der Darstellung ermöglicht eine detailliertere Analyse der Messwerte hinsichtlich der Konstanz des Verhaltens und bezüglich unstetigem Verhalten mit Ausreißern. Je kleiner die Boxen sich erstrecken, desto weniger streuen die mittleren 50 % aller Werte. Die Viertel unter- und oberhalb der Box werden durch die so genannten Whisker begrenzt. Je dichter die Whisker-Grenzen beieinanderliegen, desto konstanter ist das Dichtverhalten während der vorgestellten Untersuchungen. In Abb. 12 sind exemplarisch die Leckageraten der pv-Kombinationen mit einer Kontaktgeschwindigkeit von 17,5 m/s für den MEGT1-Ring als Box-Plot dargestellt.

Abb. 12
figure 12

Leckageraten der pv-Versuche des MEGT1-Rings mit einer Kontaktgeschwindigkeit von 17,5 m/s als Box-Plot

Die weit ausladenden Boxen und Whisker lassen auf einen unstetigen und wechselhaften Leckagezustand schließen. Deutliche Schwingungen der Leckagerate um den Mittelwert zeigen sich durch die symmetrische Lage der Boxen um den Median sowie die ebenfalls symmetrisch verlaufenden Whisker. Für den vergleichbaren Versuch mit dem MEGT2-Ring sind diese Verhaltensmuster deutlich weniger ausgeprägt. Hier erstrecken sich sowohl die Boxen als auch die Whisker weniger weit, wie in Abb. 13 zu erkennen ist. Daher ist von einem weniger dynamisch und stärker stetig geprägten Dichtverhalten auszugehen. Die exemplarisch für eine Kontaktgeschwindigkeit beschriebenen Zustände lassen sich auf alle durchgeführten Untersuchungen aller pv-Kombinationen übertragen.

Abb. 13
figure 13

Leckageraten der pv-Versuche des MEGT2-Rings mit einer Kontaktgeschwindigkeit von 17,5 m/s als Box-Plot

4.2 Statische Lageabweichungen

Ziel der in dieser Ausarbeitung präsentierten Untersuchungen ist es, das Verhalten von Rechteckdichtring-Dichtsystemen unter dem Einfluss von Lageabweichungen zu betrachten. Dabei werden für die Auswirkungen von statischen Lageabweichungen sowohl exzentrische Ausrichtungen zwischen stehenden und ruhenden Prüfteilen sowie eine Verschränkung dieser Teile zueinander betrachtet.

Für den MEGT1-Ring zeigt sich, dass eine Steigerung der Exzentrizität zunehmende Leckageraten hervorruft. Durch die asymmetrische Pressungsverteilung um die Rotationsachse kommt es zu einer Reduktion der Drosselspaltlänge entlang der Nutflanke und zur gleichzeitigen Vergrößerung des abzudichtenden Radialspalts. Vor allem letzteres führt bei dem in den Untersuchungen verwendeten REDR mit Geradstoß dazu, dass ein größerer Teil des Stoßbereichs durch den vergrößerten Dichtspalt freiliegt. Da die Schlossleckage prinzipbedingt den größten Anteil an der Gesamtleckagebildung hat, ist der Einfluss des größeren, freiliegenden Stoßbereichs umso stärker. Aufgrund der Haftung des REDR an der Gegenlauffläche des Rotors, überstreicht der Stoßspalt bei jeder Umdrehung somit den Bereich des reduzierten Drosselspalts und es kommt zu gesteigerter Leckage. Doch auch hier zeigt sich das unstetige Verhalten des MEGT1-REDR. Die deutlich niedrigere Leckagerate bei der aufgeprägten Exzentrizität von 0,48 mm für alle pv-Kombinationen sowie die fehlende eindeutige Differenzierung nach den Prüfdruckstufen bestätigt das in Abb. 12 gezeigte schwer vorherzusagende Leckageverhalten des Dichtrings. Ebenfalls kann die Einbausituation innerhalb der Nut (beispielsweise Verkippen, Schlupf im Kontakt zwischen REDR und Rotor oder Verkanten) das Dichtverhalten stark beeinflussen. Die Messdaten sind in Abb. 14 abgebildet. Dabei wurde auf eine Darstellung der Streuung mit Box-Plots verzichtet, da das Leckageverhalten den in 4.1 beschriebenen Mustern entspricht. Abb. 15 zeigt die Leckageraten der Exzentrizitätsbetrachtungen für den MEGT2-Ring. Hier wiederholt sich, wie schon in 4.1 erläutert, die klare Abhängigkeit der Leckage vom anliegenden Druck in der Prüfzelle. Eine Beeinflussung des Leckageverhaltens durch die gesteigerte exzentrische Lage ist zu erkennen, jedoch nicht so ausgeprägt wie beim MEGT1-Ring. Durch den schmaleren Dichtspalt und den kleineren Stoßspalt infolge des reduzierten Querschnitts des MEGT2-Rings lässt sich hier ein Zusammenhang zwischen den Leckageratenbildung und der betrachteten REDR-Querschnittsgeometrie erkennen. Auch hier wird auf die Box-Plot-Darstellung einzelner Versuchsreihen verzichtet, da sich das allgemeine Betriebsverhalten aus Abb. 13 bestätigt.

Abb. 14
figure 14

Darstellung der Leckageraten für ausgewählte pv-Kombinationen des Rechteckdichtrings MEGT1 in Abhängigkeit von aufgeprägten exzentrischen Lageabweichungen innerhalb des Dichtsystems

Abb. 15
figure 15

Darstellung der Leckageraten für ausgewählte pv-Kombinationen des Rechteckdichtrings MEGT2 in Abhängigkeit von aufgeprägten exzentrischen Lageabweichungen innerhalb des Dichtsystems

Im Vergleich zu den Leckageraten für Dichtsysteme ohne Lageabweichung werden durch Verschränkungen keine eindeutigen Einflüsse auf das Dichtsystem ersichtlich. Das Niveau der Leckageströmungen für den MEGT1-REDR aus Abb. 16 liegt doch stark über dem der pv-Betrachtungen aus Abb. 10. Hier führt die Lageabweichung zu einer Steigerung der Leckage, die mit zunehmender Verschränkung ansteigt. Die zunehmende Schiefstellung zwischen Nutflanke und axialer Kontaktfläche des REDR scheint zu ungleichmäßiger Ausbildung von Dichtkontakten zu führen. Die Elastizität des Dichtrings reicht nicht aus, um der Lageabweichung zu folgen und diese auszugleichen. Somit entstehen unregelmäßig stark ausgeprägte Drosselspalte, durch die die Leckage entweichen kann. Zudem wird die Leckagerate durch das Mitrotieren des REDR innerhalb des Rotors beeinflusst. Mit jeder Rotation erfährt der Dichtring zwei lokale Extrema der Verformung (Maximum im Bereich des verkleinerten Nutquerschnitts, Minimum um 180° versetzt mit aufgeweitetem Nutquerschnitt), welche die elastische Verformung ausgleichen muss. Dieses Verhalten kann nicht für alle Betriebspunkte bestätigt werden, was die stark schwankende Leckageraten des MEGT1-Rings bestätigt. Wie bereits bei den Exzentrizitätsbetrachtungen aus Abb. 15 zeigt sich für den MEGT2-Ring, dass das Dichtsystem resistenter auf Lageabweichungen wie die Verschränkung reagiert (siehe Abb. 17). Die Leckageraten entsprechen denen der pv-Untersuchungen und werden nicht von der Steigerung der Lageabweichung beeinflusst. Die geringere Steifigkeit des MEGT2-Rings aufgrund des kleineren Querschnitts sowie der schmalere Dichtspalt führen zu einer stärkeren Resistenz gegen Verschränkungen. Jedoch zeigt sich auch hier die eindeutige Abhängigkeit der Leckageströmung vom anliegenden Prüfdruck: Je höher der Betriebsdruck des REDR ist, desto mehr Leckage tritt aus dem Kontakt aus.

Abb. 16
figure 16

Darstellung der Leckageraten für ausgewählte pv-Kombinationen des Rechteckdichtrings MEGT1 in Abhängigkeit von Verschränkungen innerhalb des Dichtsystems

Abb. 17
figure 17

Darstellung der Leckageraten für ausgewählte pv-Kombinationen des Rechteckdichtrings MEGT2 in Abhängigkeit von Verschränkungen innerhalb des Dichtsystems

4.3 Dynamische Lageabweichungen

Zur Simulation von dynamischen Lageabweichungen im Betrieb durch Unwuchten oder Rundlauffehler wird die Antriebswelle des Grenzleistungsprüfstands in radiale Schwingung versetzt. Die Untersuchungen werden für drei Frequenzen mit jeweils drei Amplituden und den gleichen pv-Kombinationen wie in Abschn. 4.2 durchgeführt. Die Ergebnisse für den MEGT1-REDR sind in Abb. 18 und für den MEGT2-REDR in Abb. 19 dargestellt. Auch hier wird auf eine detailliertere Darstellung in Form von Box-Plots verzichtet, da das Betriebsverhalten den in Abschn. 4.1 beschriebenen Beobachtungen entspricht. Deshalb liegt der Fokus auf dem Vergleich der unterschiedlichen Betriebspunkte zur Analyse des Schwingungseinflusses. Für beide Dichtringe lassen sich ähnliche Verhalten für alle pv-Kombinationen beobachten, die exemplarisch am Betriebspunkt 25 m/s · 4 bar näher erläutert werden. Die Leckagerate wird kaum von der Steigerung der Frequenz oder der Amplitude beeinflusst. Viel mehr ist das reine Vorliegen von dynamischen Lageabweichungen im Dichtsystem von entscheidendem Einfluss auf die Leckageneigung von REDR-Dichtsystemen. Dies zeigt sich im Vergleich mit den relevanten Untersuchungen aus den pv-Versuchen. Da 25 m/s dort nicht als Kontaktgeschwindigkeit betrachtet wurde, werden in Abb. 18 und 19 die Quartile aus den Box-Plot-Darstellungen der Untersuchungen mit 24 und 26 m/s zum Vergleich herangezogen. Es zeigt sich, dass REDR-Dichtsysteme ohne dynamische Lageabweichungen deutlich niedrigere Leckageraten aufweisen. Dabei werden die Leckageraten des MEGT1-REDR um fast 100 % gesteigert, während für den MEGT2-Ring ein ebenfalls starker Zuwachs von 25–50 % festzustellen ist. Die permanent instationären Bedingungen in den Kontaktbereichen zwischen REDR und Nutflanke durch Rotation und dynamischer, radialer Auslenkung führen vermutlich dazu, dass der Aufbau des abdichtenden Drosselspalts gestört wird. Es kommt so zu kontinuierlich schwankenden Pressungsverteilungen und Schmierspalthöhen in diesen Kontakten, wodurch die Leckagerate zunimmt.

Abb. 18
figure 18

Darstellung der Leckageraten der pv-Kombination „25 m/s · 4 bar“ des Rechteckdichtrings MEGT1 für dynamische Lageabweichungen im Dichtsystem bei drei Frequenzen mit je drei Amplituden. Zum Vergleich: Die Quartil-Spannweite aus den Box-Plots der entsprechenden pv-Untersuchungen

Abb. 19
figure 19

Darstellung der Leckageraten der pv-Kombination „25 m/s · 4 bar“ des Rechteckdichtrings MEGT2 für dynamische Lageabweichungen im Dichtsystem bei drei Frequenzen mit je drei Amplituden. Zum Vergleich: Die Quartil-Spannweite aus den Box-Plots der entsprechenden pv-Untersuchungen

4.4 Interpretation des Leckageverhaltens beider Dichtringe

Die in den Untersuchungen eingesetzten Dichtringe MEGT1 und MEGT2 zeigen deutlich verschiedene Verhaltensmuster bei den jeweiligen Belastungen. Während die Leckagebildung des MEGT2 in erster Linie deutlich vom anliegenden Prüfdruck bestimmt wird, lässt sich für den MEGT1 kein stetiges Betriebsverhalten erkennen. In ihrer Gestalt unterscheiden die Dichtsysteme sich durch die abzudichtenden Spaltbreite und den Nutquerschnitt. Dies führt dazu, dass Pressungen im Kontakt zwischen den Dichtringen und den Gegenlaufflächen unterschiedlich ausgebildet werden. Lokale Unterschiede im thermischen Verhalten führen zu ungleichmäßigen Materialausdehnungen, wodurch Formabweichungen entstehen können. Zudem lassen sich am MEGT1 Verschleißspuren an der rotorseitigen Kontaktfläche feststellen, die ungleich verteilt sind und einen Kontaktbereich analog zur Druckverformung aus Abb. 2 zeigen. Diese asymmetrischen Verschleißstrukturen stehen ebenfalls im Verdacht, das Leckageverhalten zu beeinflussen.

Die stark druckabhängige Leckagebildung des MEGT2-Rings wird in der Geometrie des Stoßspalts vermutet. Dieser Anteil der Leckage überwiegt den Fluidstrom in den mikroskopischen Spalten der Kontaktbereiche zwischen Dichtring und Nut. Da Spaltströmungen von der Viskosität des Mediums, der Geometrie aber auch stark vom anliegenden Druck abhängig sind, wird das Leckageverhalten des MEGT2-Rings bestätigt. Ähnliche Zusammenhänge konnte Gronitzki ebenfalls beobachten [4]. Die Deformation des MEGT1 steht im Verdacht, die Spaltströmungseffekte zu überlagern.

5 Zusammenfassung

Mit den vorgestellten Untersuchungen sollen Einblicke in das Leckageverhalten von REDR gezeigt sowie der Einfluss von statischen und dynamischen Lageabweichungen näher untersucht werden. Die Leckagerate von Dichtsystemen mit REDR kann von vielen Faktoren abhängen. Hierbei zeigt sich, dass verschieden dimensionierte Querschnittsgeometrien bei gleichem Nenndurchmesser das Betriebsverhalten unterschiedlich beeinflussen. Im Betrieb hängt die Leckagerate vom anliegenden Öldruck ab. Die Abhängigkeit zeigt der im Querschnitt kleinere Dichtring MEGT2 sehr deutlich. Je höher der anliegende Druck gewählt wird, desto mehr Leckage tritt aus dem Dichtsystem aus. Statische und dynamische Lageabweichungen führen ebenfalls zur Beeinflussung der Leckagemenge. So zeigt sich, dass mit gesteigerter exzentrischer Lage zwischen Dichtringnut und Sitz der äußeren Mantelfläche die Leckage des massiveren MEGT1-Rings zunimmt. Winkelabweichungen wie Verschränkungen innerhalb des Systems haben keinen erheblichen Einfluss auf die Leckagerate. Kommt es im Betrieb zu Schwingungen oder dynamischen Lageabweichungen zwischen den Komponenten, steigt die Leckage deutlich an. Dieses Verhalten ist von Frequenz und Amplitude der Verlagerung nahezu unabhängig.

Mit Hilfe der gewonnenen Erkenntnisse konnte das Verständnis über die Leckagebildung unter Lageabweichungen bei REDR erweitert werden. Damit sollen Abschätzungen über die Betriebssicherheit bei Dichtsystemen ermöglicht werden, bei denen im Betrieb oder durch die Montage statische oder dynamische Lagerabweichungen auftreten. Ferner ermöglicht der adaptierte Prüfaufbau, weitere Dichtungstypen wie beispielsweise Gleitringdichtungen unter komplexen Belastungszuständen zu prüfen.