1 Einleitung

Eine bekannte Topologie für Elektrofahrzeuge ist der Einzelradantrieb, bei dem jeweils eine elektrische Antriebsmaschine über ein Getriebe und eine Seitenwelle mit einem Rad verbunden ist. Der schwach gedämpfte Antriebsstrang besitzt typischerweise keine Trennkupplung und verfügt meist über eine Scheibenbremse an der Radnabe. Aufgrund der torsionsnachgiebigen Seitenwelle kann die Antriebsmaschine gegen das Fahrzeug schwingen. Anregungen treten durch innere (Drehmomentänderungen der Elektromaschine, Bremseingriffe) und äußere Einflüsse (Fahrbahnunebenheiten, Schlaglöcher usw.) auf und sorgen mitunter für eine hohe Bauteilbelastung sowie eine erhebliche Einschränkung des Fahrkomforts [1, 20].

Für die aktive Dämpfung dieser Schwingungen existieren verschiedene Ansätze. In [1, 8, 12, 15, 19, 24] werden entsprechende Algorithmen betrachtet und durch Simulation sowie am Prüfstand untersucht. Die Schwingungsdämpfung erfolgt jeweils mittels Modulation des Solldrehmoments der Antriebsmaschine auf Basis der Differenz von Rotorwinkelgeschwindigkeit der Antriebsmaschine und äquivalenter Fahrzeugwinkelgeschwindigkeit.

In [19, 24] wird ein weiterer Ansatz bestehend aus der linearen Abbildung des Antriebsstrangs im Zustandsraum und einer Verschiebung der Polstellen des Schwingungssystems mittels Zustandsrückführung beschrieben.

Ergänzend dazu wird bei [1, 8, 19, 24] ein Beobachter eingeführt. Dieser dient zur Abschätzung des am Rad anliegenden Drehmoments oder der Raddrehzahl. So können beispielsweise zusätzliche Sensoren eingespart werden.

In diesem Beitrag werden das Anfahrverhalten und dabei auftretende Schwingungen eines Einzelradantriebes mit Hilfe eines Hardware-in-the-Loop-Prüfstands (HiL-Prüfstands) untersucht. Zur Schwingungsdämpfung dienen Fahrbarkeitsfunktionen, welche in das Drehmoment der Antriebsmaschine eingreifen. Eingangssignale sind die Winkelgeschwindigkeiten der Fahrzeug-Antriebsmaschine und der Fahrzeug-Radnabe. In elektrischen Fahrzeug-Antriebsmaschinen sind typischerweise niedrig auflösende Rotorlagegeber verbaut. Diese wirken sich insbesondere beim Anfahren negativ aus, infolge der geringen Winkelgeschwindigkeiten liegen neue Signalwerte nur in größeren zeitlichen Abständen vor. Im Rahmen der Untersuchungen wird die Auflösung variiert. Die Anfahrversuche erfolgen mit sprungförmigen Fahrerwunschdrehmomenten, welche Antriebsstrangschwingungen anregen. Äußere Anregungen, beispielsweise durch Unebenheiten der Straße, werden nachfolgend nicht berücksichtigt.

Hierzu erfolgt zunächst eine kurze Beschreibung des verwendeten HiL-Prüfstands und des implementierten HiL-Modells sowie der Fahrbarkeitsfunktionen. Zur Nachbildung sensorischer Gegebenheiten realer Fahrzeuge wird anschließend ein Ansatz zur Reduzierung der hoch auflösenden Rotorlagegebersignale des HiL-Prüfstands entwickelt. Zur Optimierung des Schwingungsverhaltens wird ein Beobachteransatz für die Winkelgeschwindigkeit der Antriebsmaschine vorgestellt und auf Tauglichkeit untersucht.

2 HiL-Prüfstandsaufbau

Die Untersuchungen erfolgen mit Hilfe eines HiL-Prüfstands (siehe Abb. 1), welcher für die Analyse des Drehschwingungsverhaltens von Elektrofahrzeugen sowie weiterer Themengebiete entwickelt wurde [14].

Abb. 1
figure 1

HiL-Prüfstand zur Nachbildung eines elektrischen Einzelradantriebs

Die Abb. 2 stellt schematisch die Reduzierung des realen Einzelradantriebes auf die Prüfstandsanwendung dar. Die Prüfstands-Antriebsmaschine bildet hierzu das Verhalten einer elektrischen Fahrzeug-Antriebsmaschine inklusive Getriebe nach (Trägheiten, Drehmomente und Winkelgeschwindigkeiten bezogen auf die Getriebeausgangswelle), wohingegen die Prüfstands-Abtriebsmaschine im Wesentlichen das Fahrzeug-Rad mit Reifen-Fahrbahn-Kontakt und den Fahrwiderständen aus der Fahrzeuglängsdynamik simuliert. Daneben sind eine serienmäßige Fahrzeug-Seitenwelle und eine Fahrzeug-Radbremse integriert. Die Prüfstands-Bremsaktuatorik ermöglicht eine fahrzeugtypische Bremsdruckmodulation und -dynamik.

Abb. 2
figure 2

Schema des Gesamtaufbaus eines elektrischen Einzelradantriebs mit Fahrzeuggetriebe und des HiL-Prüfstands ohne Fahrzeuggetriebe

Die Abb. 3 zeigt zur Anschauung den Aufbau des HiL-Prüfstands inklusive der Position der für die Untersuchung relevanten Messtechnik und Sensorik.

Abb. 3
figure 3

CAD-Abbildung des HiL-Prüfstandsaufbaus

Die Prüfstands-Antriebseinheit besteht aus einer Drehstrom-Asynchronmaschine, einer freischaltenden Sicherheitskupplung und einem Drehmomentmessaufnehmer. Diese Einheit dient zur Nachbildung einer Fahrzeug-Antriebsmaschine inklusive eines nachgeschalteten Getriebes. Die Winkelgeschwindigkeiten, Drehmomente sowie Massenträgheitsmomente entsprechen den Werten an der Getriebeausgangswelle eines realen Fahrzeugs. Mit Hilfe der Drehstrom-Asynchronmaschine (Prüfstands-Antriebsmaschine) wird das durch die Fahrbarkeitsfunktionen modifizierte Fahrerwunschdrehmoment in den Antriebsstrang des HiL-Prüfstands eingeprägt.

Die verwendete Drehstrom-Asynchronmaschine verfügt zudem über einen optischen Inkrementalgeber als Rotorlagegeber, welcher sinusförmige Ausgangssignale mit 2048 Sinusperioden pro Umdrehung liefert. Die Sinusform ermöglicht eine Feininterpolation mit einer hohen Auflösung des Rotorlage- und des Winkelgeschwindigkeitssignals, insbesondere bei kleinen Winkelgeschwindigkeiten.

Bei der verwendeten Fahrzeug-Seitenwelle handelt es sich um ein serienmäßiges Bauteil eines kommerziellen Elektrofahrzeugs der Kompaktklasse. Sie dient der realitätsgetreuen Nachbildung von Antriebsstrangschwingungen sowie zur Verbindung der Prüfstands-Antriebseinheit mit der Prüfstands-Abtriebseinheit. Durch die Verwendung einer serienmäßigen Fahrzeug-Seitenwelle ist eine realitätsgetreue Nachbildung typischer Wellenversätze zwischen der Getriebeausgangswelle und dem angetriebenen Fahrzeugrad möglich. Die dazugehörige Fahrzeug-Radnabe ist ebenfalls im HiL-Prüfstand verbaut. Diese beinhaltet einen ABS-Polring mit 86 Polen pro Umdrehung. Der ABS-Polring wird mit Hilfe eines ABS-Sensors abgetastet und das Signal mittels eines FPGAs (Field Programmable Gate Array) ausgewertet. Im Rahmen der Untersuchungen steht somit ein Winkelgeschwindigkeitssignal in fahrzeugtypischer Auflösung zur Verfügung [14].

Die Prüfstands-Abtriebseinheit besteht aus einer permanenterregten Drehstrom-Synchronmaschine, einer freischaltenden Sicherheitskupplung sowie einem Drehmomentmessaufnehmer. Weiterhin ist in diese Einheit eine Fahrzeug-Radbremse (Bremsscheibe und Bremssattel) inklusive geeigneter Lagereinheit integriert. Die Prüfstands-Abtriebseinheit dient zur Nachbildung der angreifenden Drehmomente und der sich einstellenden Winkelgeschwindigkeiten an der Fahrzeug-Radnabe. Diese Größen werden durch ein geeignetes HiL-Modell der Fahrzeuglängsdynamik sowie des Reifen-Fahrbahn-Kontakts ermittelt und zur Regelung der Prüfstands-Abtriebsmaschine verwendet. Die Summe der Massenträgheitsmomente der Prüfstands-Abtriebseinheit beträgt \(1,1\:\mathrm{kgm^{2}}\) und befindet sich im Bereich eines realen Fahrzeug-Rads der Kompaktklasse [6]. Bei einer Nennleistung von \(235\,\mathrm{kW}\) liefert die Synchronmaschine in Kombination mit der Prüfstands-Umrichteranlage ein maximales Luftspaltmoment von \(1925\,\mathrm{Nm}\). Die Nenndrehzahl beträgt \(2000\,\mathrm{U/min}\) und entspricht bei Kompaktklasse-Fahrzeugen einer Fahrzeuggeschwindigkeit von ca. \(230\,\mathrm{km/h}\). Die verwendete Prüfstands-Abtriebsmaschine besitzt ebenfalls einen optischen Rotorlagegeber mit einer hohen Auflösung des Rotorlagesignals, wodurch ein sehr geringes Rauschen des abgeleiteten Winkelgeschwindigkeitssignals auftritt [14].

Die Prüfstands-Bremsaktuatorik mit Fahrzeug-Radbremse ermöglicht das Einprägen eines vom Fahrer oder vom ESP-System vorgegebenen Bremsmoments auf den Prüfstand [13, 14]. Hierdurch können beispielsweise Untersuchungen zum Einfluss verschiedener Bremsvorgänge auf den Antriebsstrang vorgenommen werden.

Das Steuerungskonzept des Prüfstands basiert auf der Prüfstands-Umrichteranlage für die Drehstrom-Elektromaschinen, einem Echtzeitsteuerrechner, einem FPGA sowie entsprechender Messtechnik. Die auf dem Echtzeitsteuerrechner verwendete Steuerungssoftware ermöglicht die Einbindung von C/C++-, Simulink®- sowie IEC61131-Projekten [3]. Die hohe Dynamik der Teilsysteme erfordert eine hohe Abtastrate für die zeitdiskrete Regelung, weshalb die Taskzeit auf dem Echtzeitsteuerrechner 250 µs beträgt. Für geringe Verzugszeiten sind die umrichterinternen Tasks und die FPGA-Tasks mittels Echtzeit-Ethernet bzw. EtherCAT auf die Tasks des Echtzeitsteuerrechners synchronisiert. Ebenfalls werden gleichzeitig mehrere Datenschnittstellen genutzt. Die interne Architektur des FPGA gewährleistet ein hochpräzises Timing beim Einlesen sowie beim Versenden der Datenpakete. Diese Vorgehensweise ermöglicht eine Reduzierung der Systemtotzeiten [14].

Die Messtechnik besteht aus verschiedenen Sensoren. Die Rotorlagesignale werden durch die Rotorlagegeber der Prüfstands-Antriebsmaschine beziehungsweise -Abtriebsmaschine im jeweiligen Prüfstands-Umrichter eingelesen und über das Feldbussystem EtherCAT [4] an die Steuerungssoftware übermittelt. Zudem wird mit Hilfe des ABS-Polrings der integrierten Fahrzeug-Radnabe, einem ABS-Sensor sowie dem FPGA ein Winkelgeschwindigkeitssignal in fahrzeugtypischer Auflösung erfasst. Zur Ermittlung der wirkenden Drehmomente ist in der Prüfstands-Antriebseinheit sowie -Abtriebseinheit jeweils ein Drehmomentmessaufnehmer integriert [9], deren Signale ebenfalls mittels FPGA eingelesen werden.

3 HiL-Modell für das simulierte Fahrzeug

Das im HiL-Modell simulierte Elektrofahrzeug der Kompaktklasse verfügt über einen Einzelradantrieb an der Vorderachse. Die wichtigsten Fahrzeugparameter sind in Tab. 1 zusammengefasst.

Tab. 1 Fahrzeugparameter

Das im Rahmen der Untersuchungen verwendete HiL-Modell besteht aus der Berechnung der Fahrzeuglängsdynamik sowie der Nachbildung des Reifen-Fahrbahn-Kontakts. Die wesentlichen Aspekte dieser beiden Modelle werden nachfolgend beschrieben.

Für die Nachbildung der Fahrzeuglängsdynamik ist eine Simulation der am Fahrzeug angreifenden Fahrwiderstände und Kräfte notwendig (siehe Abb. 4). Hierbei werden für eine Vorwärtsfahrt die Luftwiderstandskraft FL, die Rollwiderstandskraft FR sowie die Steigungswiderstandskraft \(F_{\mathrm{St}}\) über

$$F_{\text{L}}=0,5\cdot c_{\mathrm{W}}\cdot A_{\mathrm{Fx}}\cdot \rho _{\mathrm{L}}\cdot \left(v_{\mathrm{F}}-v_{\mathrm{W}}\right)^{2}$$
(1)
$$F_{\text{R}}=m_{\mathrm{F}}\cdot g\cdot f_{\mathrm{R}} \cdot \cos (\alpha _{\mathrm{St}})$$
(2)
$$F_{\mathrm{St}}=m_{\mathrm{F}}\cdot g \cdot \sin (\alpha _{\mathrm{St}})$$
(3)

berechnet [5, 16]. Die Windgeschwindigkeit \(v_{\mathrm{W}}\) und der Steigungswinkel \( \alpha_{\text{St}}\) werden nachfolgend zu Null angenommen. Die Abb. 5 zeigt einen Überblick über den Berechnungsalgorithmus für die Fahrzeuglängsdynamik.

Abb. 4
figure 4

Am Fahrzeug angreifende Fahrwiderstände und Kräfte

Abb. 5
figure 5

Berechnungsalgorithmus der Fahrzeuglängsdynamik

Die gesamte Rollwiderstandskraft \(F_{\mathrm{R}}\) wird dabei den Achslasten entsprechend auf einen an den nicht angetriebenen Hinterrädern wirkenden Anteil \(F_{\mathrm{R,h}}\) und einen an den angetriebenen Vorderrädern wirkenden Anteil \(F_{\mathrm{R,v}}\) aufgespaltet. Der Anteil an den Vorderrädern ist entsprechend den Ausführungen in [11] als ein aus der Rollwiderstandskraft entstehendes Drehmoment

$$M_{\mathrm{R,v}}=0,5\cdot F_{\mathrm{R,v}}\cdot r_{\mathrm{Dyn}}$$
(4)

an jedem der beiden angetriebenen Vorderräder berücksichtigt. Die gesamte Fahrwiderstandskraft \(F_{\mathrm{Ges}}\) ergibt sich dann als Summe der drei Einzelwiderstände zu

$$F_{\mathrm{Ges}}=F_{\mathrm{L}}+F_{\mathrm{R,h}}+F_{\mathrm{St}}.$$
(5)

Für die Bestimmung der Fahrzeugbeschleunigung \(\dot{v}_{\mathrm{F}}\) wird neben der gesamten Fahrwiderstandskraft \(F_{\mathrm{Ges}}\) die im Reifen-Fahrbahn-Kontakt wirkende Reifenlängskraft \(F_{\mathrm{Re,x}}\) aller angetriebenen Räder benötigt. Die Ermittlung erfolgt mit Hilfe der nachfolgend beschriebenen Algorithmen für den Reifen-Fahrbahn-Kontakt. Weiterhin ist zu beachten, dass bei einer translatorischen Beschleunigung eines Fahrzeugs zusätzlich eine rotierende Beschleunigung weiterer Drehmassen, wie z. B. der nicht angetriebenen Räder, erfolgt. Zur Vereinfachung und besseren Handhabung werden diese durch einen Drehmassenzuschlagsfaktor \(e\) berücksichtigt [5]. Die Fahrzeugbeschleunigung \(\dot{v}_{\mathrm{F}}\) lässt sich dementsprechend berechnen und die Fahrzeuggeschwindigkeit \(v_{\mathrm{F}}\) ergibt sich durch Integration der Fahrzeugbeschleunigung zu

$$v_{\mathrm{F}}=\int _{t_{0}}^{t}\dot{v}_{\mathrm{F}}\cdot d\tau =\int _{t_{0}}^{t}\frac{F_{\mathrm{Re,x}}-F_{\mathrm{Ges}}}{m_{\mathrm{F}}\cdot e}\cdot d\tau .$$
(6)

Der zweite wichtige Teil des Fahrzeug-Modells ist die Nachbildung eines angetriebenen Fahrzeug-Rads mit dazugehörigem Reifen-Fahrbahn-Kontakt, wie es in Abb. 6 dargestellt ist. Die hierfür entworfenen Algorithmen orientieren sich an den Ausführungen in [10, 21, 23].

Abb. 6
figure 6

Reifenmodell eines Antriebsrads

Analog den Ausführungen in [21, 23] wird der gesamte Reifen in den Reifengürtel und einen fest mit der Radnabe gekoppelten Teil (Felge usw.) untergliedert. Den beiden Teilen wird jeweils ein Massenträgheitsmoment \(J_{\mathrm{ReG}}\) beziehungsweise \(J_{\mathrm{RN}}\) zugeordnet. Die Nachbildung der elastischen Reifenseitenwand erfolgt mittels einer linearen, rotatorischen Steifigkeit \(c_{\mathrm{ReS}}\) und einer linearen, rotatorischen Dämpfung \(d_{\mathrm{ReS}}\). Die Felge und der angekoppelte Teil des Reifens rotieren mit der Radnaben-Winkelgeschwindigkeit \(\omega _{\mathrm{RN}}\). Der Reifengürtel besitzt die Winkelgeschwindigkeit \(\omega _{\mathrm{ReG}}\). Zur Bestimmung der Winkelgeschwindigkeit der Radnabe sowie des Reifengürtels müssen die Bewegungs-Differentialgleichungen gelöst werden. Hierfür erfolgt zunächst die Betrachtung der Zusammenhänge zwischen den wirkenden Kraft- sowie Bewegungsgrößen.

Das in der Reifenseitenwand wirkende Drehmoment \(M_{\mathrm{ReS}}\) lässt sich über

$$M_{\mathrm{ReS}}=c_{\mathrm{ReS}}\cdot \int _{t_{0}}^{t}\left(\omega _{\mathrm{RN}}-\omega _{\mathrm{ReG}}\right)\cdot d\tau +d_{\mathrm{ReS}}\cdot (\omega _{\mathrm{RN}}-\omega _{\mathrm{ReG}})$$
(7)

bestimmen.

Aus den angreifenden Drehmomenten an der Radnabe kann unter Verwendung des Drallsatzes die Winkelbeschleunigung der Radnabe \(\dot{\omega }_{\mathrm{RN}}\) zu

$$\dot{\omega }_{\mathrm{RN}}=\frac{M_{\mathrm{SW}}+M_{\mathrm{RB}}-M_{\mathrm{RN,Reib}}-M_{\mathrm{ReS}}}{J_{\mathrm{RN}}}$$
(8)

ermittelt werden. Hierbei sind \(M_{\mathrm{SW}}\) das Drehmoment der Fahrzeug-Seitenwelle, \(M_{\mathrm{RB}}\) das Drehmoment der Fahrzeug-Radbremse und \(M_{\mathrm{RN,Reib}}\) das Reibmoment der Radlager. Durch Integration der Winkelbeschleunigung der Radnabe \(\dot{\omega }_{\mathrm{RN}}\) ergibt sich die Winkelgeschwindigkeit der Radnabe zu

$$\omega _{\mathrm{RN}}=\int _{t_{0}}^{t}\dot{\omega }_{\mathrm{RN}}\cdot d\tau .$$
(9)

Der Reifen-Fahrbahn-Kontakt wird mittels einer Reifenkennlinie beschrieben. Diese kennzeichnet einen Kraftschlussbeiwert \(\mathrm{\mu}\) in Abhängigkeit eines Radschlupfs \(\lambda\) jeweils in Längsrichtung (siehe Abb. 7). Sie wird daher als Kraftschlussbeiwert-Schlupf-Kurve bezeichnet.

Abb. 7
figure 7

Kraftschlussbeiwert-Schlupf-Kurve [2]: (1) trockene Fahrbahn, (2) nasse Fahrbahn, (3) schneebedeckte Fahrbahn, (4) vereiste Fahrbahn

Die Berechnung des Radschlupfs in Längsrichtung \(\lambda\) erfolgt nach [21] mittels

$$\lambda =\frac{\omega _{\mathrm{ReG}}\cdot r_{\mathrm{Dyn}}-v_{\mathrm{F}}}{max\left(v_{\mathrm{F}},\omega _{\mathrm{ReG}}\cdot r_{\mathrm{Dyn}}\right)}.$$
(10)

Hierbei entspricht \(v_{\mathrm{F}}\) der aus der Nachbildung der Fahrzeuglängsdynamik ermittelten Fahrzeuggeschwindigkeit in Längsrichtung. Nach [10, 23] muss für dynamische Vorgänge der verzögerte Aufbau der entsprechenden Radkräfte und Momente berücksichtigt werden. Mit Hilfe der Relaxations- beziehungsweise Einlauflänge des Reifens wird beschrieben, welchen Weg der Reifen zurücklegen muss, um circa zwei Drittel der stationären Reifenkraft aufzubauen. Dieses Verhalten wird entsprechend [10] mit Hilfe einer PT1-Filterung nachgebildet.

Eine Unterscheidung zwischen Brems- und Antriebsschlupf ist mittels Vorzeichen möglich. Negative Werte des Radschlupfs \(\lambda\) in Längsrichtung kennzeichnen einen Bremsschlupf, positive einen Antriebsschlupf. Mit Hilfe der verwendeten Kraftschlussbeiwert-Schlupf-Kurve kann der zum Radschlupf \(\lambda\) gehörige Kraftschlussbeiwert \(\mathrm{\mu}\) ermittelt werden. Der Kraftschlussbeiwert \(\mathrm{\mu}\) in Längsrichtung kennzeichnet das Verhältnis zwischen einer im Reifen-Fahrbahn-Kontakt wirkenden Reifenlängskraft \(F_{\mathrm{Re,x}}\) und der Reifenaufstandskraft \(F_{\mathrm{Re,z}}\) durch

$$F_{\mathrm{Re,x}}=\mu\cdot F_{\mathrm{Re,z}}.$$
(11)

Die Winkelbeschleunigung des Reifengürtels kann ebenfalls durch die Betrachtung der angreifenden Kräfte und Momente bestimmt werden. Hierbei müssen neben dem in der Reifenseitenwand wirkenden Drehmoment \(M_{\mathrm{ReS}}\) die im Reifen-Fahrbahn-Kontakt wirkende Reifenlängskraft \(F_{\mathrm{Re,x}}\) sowie das an einem angetriebenen Vorderrad wirkende, aus der Rollwiderstandskraft entstehende, Drehmoment \(M_{\mathrm{R,v}}\) berücksichtigt werden. Die Winkelbeschleunigung des Reifengürtels \(\dot{\omega }_{\mathrm{ReG}}\) ergibt sich zu

$$\dot{\omega }_{\mathrm{ReG}}=\frac{M_{\mathrm{ReS}}-F_{\mathrm{Re,x}}\cdot r_{\mathrm{Dyn}}-M_{\mathrm{R,v}}}{J_{\mathrm{ReG}}}.$$
(12)

Die Winkelgeschwindigkeit des Reifengürtels \(\omega _{\mathrm{ReG}}\) wird ebenfalls mittels Integration der Winkelbeschleunigung über

$$\omega _{\mathrm{ReG}}=\int _{t_{0}}^{t}\dot{\omega }_{\mathrm{ReG}}\cdot d\tau$$
(13)

bestimmt.

4 Fahrbarkeitsfunktionen

Dynamische Lastwechsel, Eingriffe des Fahrzeug-Bremssystems und äußere Störungen, wie z. B. Fahrbahnunebenheiten, können Ruckelschwingungen des Fahrzeugs sowie Drehschwingungen im Antriebsstrang anregen. Diese werden von Insassen häufig als unangenehm empfunden. Zur Reduzierung dieser Schwingungen werden Softwarefunktionen eingesetzt und stets weiterentwickelt. Diese bestehen im Wesentlichen aus einem Führungsformer sowie einer aktiven Anti-Ruckel-Regelung [7, 18]. In Abb. 8 ist ein Schema der Fahrbarkeitsfunktionen und der Nachbildung der Drehmomentdynamik der Fahrzeug-Antriebsmaschine dargestellt.

Abb. 8
figure 8

Fahrbarkeitsfunktionen und Nachbildung der Drehmomentdynamik der Fahrzeug-Antriebsmaschine

Der Führungsformer ist ein erster Ansatz, um Schwingungen des Antriebsstrangs durch die dynamische Änderung eines Fahrerwunschmoments \(M_{\mathrm{FW}}\) zu verringern. Dabei werden die Gradienten des Fahrerwunschmoments begrenzt, wodurch sich das entsprechende Solldrehmoment langsamer aufbaut. Die Federwirkung der einzelnen Komponenten des Antriebsstrangs kann sich über eine längere Zeit verspannen, dies sorgt für ein besseres Folgeverhalten der Seitenwellenausgangsseite. Hierbei besteht ein entscheidender Zielkonflikt in der Erhaltung des Beschleunigungsvermögens des Fahrzeugs sowie der gleichzeitigen Vermeidung von unangenehmen Schwingungen. Wechsel zwischen dem Zug- und Schub-Bereich werden daher deutlich stärker gefiltert als Drehmomentänderungen im reinen Zug- beziehungsweise Schub-Bereich [18].

Weiterhin wird zur aktiven Dämpfung der Antriebsstrangschwingungen eine Anti-Ruckel-Regelung eingesetzt. Hierfür werden die Winkelgeschwindigkeiten der Fahrzeug-Antriebsmaschine \(\omega _{\mathrm{AnM}}\) (bezogen auf die Getriebeausgangswelle) und der Fahrzeug-Radnabe \(\omega _{\mathrm{RN}}\) miteinander verglichen. Abweichungen ergeben mittels eines positiven Verstärkungsfaktors \(K_{\mathrm{D}}\) ein entsprechend dämpfendes Drehmoment \(M_{\mathrm{D}}\) der Form

$$M_{\mathrm{D}}=K_{\mathrm{D}}\cdot \left(\omega _{\mathrm{AnM}}-\omega _{\mathrm{RN}}\right).$$
(14)

Der Verstärkungsfaktor \(K_{\mathrm{D}}\) stellt hierbei ein Äquivalent zu einer viskosen Dämpfungskonstanten des Antriebsstrangs dar. Das dämpfende Drehmoment \(M_{\mathrm{D}}\) wird mittels eines DT1-Filters sowie einer nachgeschalteten Drehmomentbegrenzung gefiltert und von dem durch den Führungsformer modifizierten Fahrerwunschdrehmoment subtrahiert. Das Ergebnis entspricht dem Solldrehmoment der Fahrzeug-Antriebsmaschine.

Auf dem HiL-Prüfstand wird eine hochdynamische Prüfstands-Antriebsmaschine eingesetzt, welche an die geringere Momentendynamik einer realen Fahrzeug-Antriebsmaschine angepasst werden muss. Dies erfolgt durch eine PT1-Filterung des Solldrehmoments für die Prüfstands-Antriebsmaschine.

5 Messung ohne/mit aktiver Anti-Ruckel-Regelung

Mit Hilfe des beschriebenen HiL-Prüfstands, den dargestellten Algorithmen für das HiL-Modell und den Fahrbarkeitsfunktionen wird das Schwingungsverhalten eines Elektrofahrzeugs untersucht. Hierfür werden Anfahrvorgänge in der Ebene bei idealen Straßenverhältnissen (trockener Asphalt, keine Unebenheiten) betrachtet.

Zu Beginn einer jeden Messung befindet sich das simulierte Fahrzeug im Stillstand. Zum Zeitpunkt 50 ms erfolgt ein Sollwertsprung des Fahrerwunschmoments \(M_{\mathrm{FW}}\) von 0 Nm auf 200 Nm bezogen auf die Getriebeausgangswelle. Entsprechend den Darstellungen in [20] wird von einer Getriebeübersetzung von \(7,03\) ausgegangen. Somit entspricht ein Drehmomentsollwertsprung an der Getriebeausgangswelle von \(200\,\mathrm{Nm}\) einem Sprung im Sollwert der Fahrzeug-Antriebsmaschine von ca. \(28,5\,\mathrm{Nm}\).

Zur Vereinfachung der Darstellung wird im Folgenden auf eine Trennung zwischen Fahrzeug und Prüfstand verzichtet. Somit kann der Begriff „Antriebsmaschine“ als Äquivalent für eine Fahrzeug- oder Prüfstands-Antriebsmaschine verstanden werden.

Der Sollwertsprung des Fahrerwunschmoments \(M_{\mathrm{FW}}\) wird bei allen Messungen durch den beschriebenen Führungsformer gefiltert (siehe Abschn. 4).

Für die Anti-Ruckel-Regelung werden nachfolgend verschiedene Winkelgeschwindigkeiten als Eingangsgrößen betrachtet. Hierbei werden neben der Winkelgeschwindigkeit des hochauflösenden Rotorlagegebers der Prüfstands-Antriebsmaschine \(\omega _{\mathrm{AnM,H}}\) die Winkelgeschwindigkeit eines emulierten Rotorlagegebers einer Fahrzeug-Antriebsmaschine \(\omega _{\mathrm{AnM,Emu}}\) sowie die Winkelgeschwindigkeit einer Erweiterung um einen Beobachteransatz \(\omega _{\mathrm{AnM,Beo}}\) untersucht.

5.1 Messung ohne aktive Anti-Ruckel-Regelung

Um die Notwendigkeit und Wirksamkeit der Anti-Ruckel-Regelung beurteilen zu können, wird zunächst ein Anfahrvorgang ohne aktive Anti-Ruckel-Regelung betrachtet. Die Abb. 9 zeigt die zeitlichen Verläufe des Fahrerwunschmoments \(M_{\mathrm{FW}}\), des Solldrehmoments der Antriebsmaschine \(M_{\mathrm{AnM,Soll}}\) sowie des gemessenen Drehmoments in der Fahrzeug-Seitenwelle \(M_{\mathrm{SW}}\).

Abb. 9
figure 9

Drehmomentverläufe infolge des Sollwertsprungs im Fahrerwunschmoment mit aktivem Führungsformer

Im Verlauf des Solldrehmoments der Antriebsmaschine \(M_{\mathrm{AnM,Soll}}\) sind die Gradientenbegrenzung durch den Führungsformer und die PT1-Filterung zur Anpassung der Prüfstandsdynamik zu erkennen. Weiterhin sind im gemessenen Drehmoment der Fahrzeug-Seitenwelle \(M_{\mathrm{SW}}\) die auftretenden Drehschwingungen ersichtlich. Entsprechend der Messungen nach [20] ist vor allem in der Drehmomentaufbauphase eine Drehmomenterhöhung sichtbar. Das maximal gemessene Drehmoment der Fahrzeug-Seitenwelle beträgt in diesem Bereich ca. \(310\,\mathrm{Nm}\). Des Weiteren ist zu erkennen, dass es sich hierbei um ein nur sehr schwach gedämpftes System handelt. So beträgt der Betrag der dritten Schwingungsamplitude noch ca. 70 % der ersten Schwingungsamplitude. Die Ruckel-Eigenfrequenz des mit Hilfe des HiL-Modells nachgebildeten Fahrzeugs beträgt 8,3 Hz und liegt entsprechend im Bereich der Ruckel-Eigenfrequenz von realen Elektrofahrzeugen [16].

Die Drehschwingungen sind ebenfalls in den Winkelgeschwindigkeitsverläufen der Antriebs- und Abtriebsmaschine erkennbar (siehe Abb. 10). Auch hier ist die Ruckel-Eigenschwingung mit einer Frequenz von 8,3 Hz und schwacher Dämpfung zu erkennen. In der Drehmomentaufbauphase tritt ein Überschwingen der Winkelgeschwindigkeit an der Antriebsmaschine mit einer Amplitude von 1,25 rad/s auf. Im Verlauf des dargestellten Zeitabschnitts reduziert sich die Schwingungsamplitude dieser Winkelgeschwindigkeit auf ungefähr \(\pm 0,4\,\mathrm{rad/s}\).

Abb. 10
figure 10

Winkelgeschwindigkeitsverläufe infolge des Sollwertsprungs im Fahrerwunschmoment mit aktivem Führungsformer

Die dritte dargestellte Größe in Abb. 10 ist die mittels ABS-Polring und -Sensor ermittelte Winkelgeschwindigkeit der Fahrzeug-Radnabe. Für die Bestimmung der Winkelgeschwindigkeit ist das Überschreiten der beiden Inkrementalflanken eines Poles notwendig. Aufgrund der niedrigen Auslösung des ABS-Polrings von lediglich 86 Polen pro Umdrehung können daher die ersten Schwingungsperioden mit Hilfe des Raddrehzahlsensors nicht erfasst werden.

Der zeitliche Verlauf der Winkelgeschwindigkeit der Abtriebsmaschine weist gegenüber dem der Antriebsmaschine geringere Schwingungsamplituden auf. Ursache hierfür ist die Kopplung der Abtriebsmaschine über den Reifen-Fahrbahn-Kontakt des HiL-Modells an die nachgebildete translatorische Fahrzeugmasse. In Summe ergeben sich höhere träge Massen auf der Seite der Abtriebsmaschine, verbunden mit geringeren Schwingungsamplituden.

Durch ihre geringeren Schwingungsamplituden hat die Winkelgeschwindigkeit der Abtriebsmaschine einen wesentlich geringeren Einfluss auf die Anti-Ruckel-Regelung und insbesondere auf die Ermittlung der Winkelgeschwindigkeitsdifferenz in Gl. 14.

Für die Aussagekraft der nachfolgenden Untersuchungen sind fahrzeugnahe Randbedingungen für die Anti-Ruckel-Regelung zu gewährleisten. Daher wird im Folgenden die mit Hilfe des realen ABS-Raddrehzahlsensors bestimmte Winkelgeschwindigkeit als Winkelgeschwindigkeit der Fahrzeug-Radnabe \(\omega _{\mathrm{RN}}\) in Gl. 14 verwendet. Für die Winkelgeschwindigkeit der Antriebsmaschine \(\omega _{\mathrm{AnM}}\) werden, wie zu Beginn dieses Kapitels beschrieben, in Gl. 14 die drei genannten Quellen genutzt.

5.2 Messung mit aktiver Anti-Ruckel-Regelung

Zur Reduzierung der auftretenden Drehschwingungen des betrachteten Anfahrvorgangs wird nun die Anti-Ruckel-Regelung aktiviert. Somit erfolgt neben der Filterung des Fahrerwunschmoments \(M_{\mathrm{FW}}\) auch die Aufschaltung eines Korrekturmoments nach dem in Abschn. 4 beschriebenen Algorithmus. Als Quelle für die Winkelgeschwindigkeit der Antriebsmaschine \(\omega _{\mathrm{AnM}}\) in Gl. 14 dient in diesem Abschnitt der hochauflösende Rotorlagegeber der Prüfstands-Antriebsmaschine \(\omega _{\mathrm{AnM,H}}\).

Im zeitlichen Verlauf des gemessenen Drehmoments der Fahrzeug-Seitenwelle \(M_{\mathrm{SW}}\) ist eine Reduzierung der auftretenden Drehschwingung zu erkennen (siehe Abb. 11). Das maximal gemessene Drehmoment der Fahrzeug-Seitenwelle beträgt mit aktiver Anti-Ruckel-Regelung \(254\,\mathrm{Nm}\). Dies entspricht gegenüber der Messung ohne Anti-Ruckel-Regelung eine Reduzierung der ersten Schwingungsamplitude um 51 % (vgl. Abb. 9). Nach der ersten Schwingungsperiode ist das System zudem ausreichend beruhigt. Die Beruhigungszeit des Systems \(T_{10\mathrm{\% }}\) beträgt ca. \(175\,\mathrm{ms}\) und liegt somit im Bereich vergleichbarer Regelansätze [20].

Abb. 11
figure 11

Drehmomentverläufe infolge des Sollwertsprungs im Fahrerwunschmoment mit aktivem Führungsformer und aktiver Anti-Ruckel-Regelung

Im Solldrehmoment der Antriebsmaschine \(M_{\mathrm{AnM,Soll}}\) ist ebenfalls der Einfluss der Anti-Ruckel-Regelung ersichtlich. Im Vergleich zur Abb. 9 ist nun im Drehmomentverlauf kein strenges PT1-Verhalten mehr zu erkennen, sondern eine Anpassung des Solldrehmoments der Antriebsmaschine an den aktuellen Schwingungszustand. Während des Drehmomentaufbaus der Fahrzeug-Seitenwelle \(M_{\mathrm{SW}}\) wird das Solldrehmoment der Antriebsmaschine \(M_{\mathrm{AnM}}\) begrenzt, um das erste Überschwingen zu reduzieren. Dieses Verhalten wird im anschließenden, abfallenden, Verlauf gegensätzlich umgesetzt. Der Rückgang des Drehmoments an der Fahrzeug-Seitenwelle wird durch ein Erhöhen des Solldrehmoments der Antriebsmaschine \(M_{\mathrm{AnM,Soll}}\) verringert.

Abb. 12 stellt die Winkelgeschwindigkeitsverläufe infolge des Sollwertsprungs im Fahrerwunschmoment dar. Im Vergleich zur Abb. 10 ist durch die aktive Anti-Ruckel-Regelung an der Antriebsmaschine nur noch eine Schwingungsperiode zu erkennen. Aus dem Verlauf des ABS-Raddrehzahlsensors ist wieder erkennbar, dass dieser aufgrund der niedrigen Auflösung diese Schwingungen nicht erfassen kann.

Abb. 12
figure 12

Winkelgeschwindigkeitsverläufe infolge des Sollwertsprungs im Fahrerwunschmoment mit aktivem Führungsformer und aktiver Anti-Ruckel-Regelung

6 Emulierter Inkrementalgeber

Die Antriebsmaschinen heutiger Elektrofahrzeuge besitzen in der Regel Inkrementalgeber. Im Rahmen der weiteren Untersuchungen wird davon ausgegangen, dass die Antriebsmaschine des simulierten Fahrzeugs einen Inkrementalgeber mit 210 Inkrementen pro Umdrehung besitzt [20]. Mit der angenommenen Getriebeübersetzung von 7,03 ergeben sich somit ca. 1480 Inkremente pro Umdrehung an der Getriebeausgangswelle. Der Abstand zwischen den einzelnen Inkrementen beträgt ca. 0,24°. Dies bedeutet gegenüber dem hochaufgelösten, fein interpolierten Sinus-Cosinus-Gebersignal der Prüfstands-Antriebsmaschine eine Reduzierung der Auflösung von mehr als Faktor 100.

Für eine möglichst fahrzeugnahe Untersuchung wird ein entsprechender Inkrementalgeber mittels eines geeigneten Algorithmus emuliert. Dabei wird davon ausgegangen, dass der Abstand zwischen zwei Inkrementen immer gleich groß ist. Ungenauigkeiten eines realen Inkrementalgebers, beispielsweise in Folge von Fertigungstoleranzen, werden vernachlässigt.

6.1 Algorithmus für die Emulation eines Inkrementalgebers

Der Algorithmus basiert im Wesentlichen auf der mit Hilfe des hochauflösenden Rotorlagegebers ermittelten Winkelgeschwindigkeit der Prüfstands-Antriebsmaschine \(\omega _{\mathrm{AnM,H}}\). Diese dient dabei als einzige Eingangsgröße für den Algorithmus. Weiterhin erfolgt eine Berücksichtigung der Taskzeit der Prüfstands-Steuerung.

Zur Bestimmung der von einem Inkrementalgeber erfassten Winkelgeschwindigkeit \(\omega _{\mathrm{Ink}}\) werden die Anzahl der überschrittenen Inkrementalflanken \(n_{\mathrm{Ink}}\), der Abstand zwischen zwei benachbarten Inkrementen \(\Updelta \phi _{\mathrm{Ink}}\) sowie die Zeitdifferenz zwischen dem Überschreiten der ersten bis zur letzten Inkrementalflanke \(\Updelta t_{\mathrm{Ink}}\) benötigt [17, 22]. Die Winkelgeschwindigkeit \(\omega _{\mathrm{Ink}}\) kann allgemein durch die Gleichung

$$\omega _{\mathrm{Ink}}=\frac{n_{\mathrm{Ink}}\cdot \Updelta \phi _{\mathrm{Ink}}}{\Updelta t_{\mathrm{Ink}}}$$
(15)

berechnet werden. Bei kleinen Winkelgeschwindigkeiten erfolgt hierbei oftmals die Betrachtung von zwei benachbarten Inkrementalflanken. Bei großen Winkelgeschwindigkeiten wird dagegen in der Regel die Anzahl an überschrittenen Inkrementalflanken in einem festen Zeitintervall genutzt [17, 22].

Für die Emulation eines Inkrementalgebers muss dementsprechend in jedem Takt der Prüfstands-Steuerung detektiert werden, ob mindestens eine Inkrementalflanke überschritten wird und zu welchem Zeitpunkt dies erfolgt. Hierzu wird zunächst mittels Eulerintegration aus der Winkelgeschwindigkeit der hochauflösenden Prüfstands-Antriebsmaschine \(\omega _{\mathrm{AnM,H}}\) die aktuelle Differenz \(\Updelta \phi\) zum Rotorlagewinkel der letzten erkannten Inkrementalflanke berechnet. Anschließend wird überprüft, ob dieser Differenzwinkel größer als der Winkel zwischen zwei benachbarten Inkrementen \(\Updelta \phi _{\mathrm{Ink}}\) ist. Hierfür bietet sich beispielsweise eine ganzzahlige Division mit Rest an

$$\begin{array}{cc} n_{\mathrm{Ink}}+\Updelta \phi _{\mathrm{Rest}}=\frac{\Updelta \phi }{\Updelta \phi _{\mathrm{Ink}}} & n_{\mathrm{Ink}}\in \mathbb{Z} \end{array}.$$
(16)

Ist der Betrag des Werts \(n_{\mathrm{Ink}}\) größer gleich eins, so ist eine neue Inkrementalflanke erkannt. Dadurch ist es ebenfalls möglich, das Überschreiten mehrerer Inkrementalflanken innerhalb eines 250 µs-Taktes der Prüfstands-Steuerung zu erkennen. Dies tritt bei größeren Winkelgeschwindigkeiten auf. Ebenso ist über das Vorzeichen von \(n_{\mathrm{Ink}}\) eine Drehrichtungserkennung möglich. Der mittels Gl. 16 bestimmte Restterm \(\Updelta \phi _{\mathrm{Rest}}\) entspricht dem neuen Differenzwinkel \(\Updelta \phi\) zu der zuletzt überschrittenen Inkrementalflanke.

Nach Gl. 16 wird ebenfalls die Zeitdifferenz \(\Updelta t_{\mathrm{Ink}}\) zwischen dem Überschreiten der zuletzt erkannten Inkrementalflanke zur aktuell erkannten Inkrementalflanke benötigt. Hierfür wird in jedem Steuerungstakt die aktuelle Zeitdifferenz \(\Updelta t\) entsprechend der Taskzeit der Prüfstands-Steuerung um 250 µs erhöht. Wird eine neue Inkrementalflanke erkannt, ist für eine möglichst exakte Ermittlung der Winkelgeschwindigkeit noch eine Korrektur der aktuellen Zeitdifferenz \(\Updelta t\) erforderlich. Hierfür muss, aufgrund der festen Taskzeit der Prüfstands-Steuerung, möglichst die exakte Zeitdifferenz \(\Updelta t_{\mathrm{Korr}}\) zum Überschreiten der aktuell erkannten Inkrementalflanke berechnet werden. Diese Korrekturzeit \(\Updelta t_{\mathrm{Korr}}\) ergibt sich aus dem Verhältnis des Restterms der Rotorlage \(\Updelta \phi _{\mathrm{Rest}}\) zur aktuellen Winkelgeschwindigkeit der Prüfstands-Antriebsmaschine \(\omega _{\mathrm{AnM,H}}\) zu

$$\Updelta t_{\mathrm{Korr}}=\frac{\Updelta \phi _{\mathrm{Rest}}}{\omega _{\mathrm{AnM,H}}}.$$
(17)

Aus numerischen Gründen wird hierbei eine Division durch eine betragsmäßig kleine Winkelgeschwindigkeit der Prüfstands-Antriebsmaschine \(\omega _{\mathrm{AnM,H}}\) beziehungsweise durch Null abgefangen.

Die für Gl. 16 benötigte Zeitdifferenz \(\Updelta t_{\mathrm{Ink}}\) ergibt sich dann aus

$$\Updelta t_{\mathrm{Ink}}=\Updelta t-\Updelta t_{\mathrm{Korr}}.$$
(18)

Analog dem Vorgehen beim aktuellen Differenzwinkel \(\Updelta \phi\) wird nach dem Erkennen einer neuen Inkrementalflanke die aktuelle Zeitdifferenz \(\Updelta t\) gleich der Korrekturzeit \(\Updelta t_{\mathrm{Korr}}\) gesetzt.

Mit Hilfe der Gl. 16 ergibt sich die Winkelgeschwindigkeit des emulierten Inkrementalgebers zu

$$\omega _{\mathrm{AnM,Emu}}=\frac{n_{\mathrm{Ink}}\cdot \Updelta \phi _{\mathrm{Ink}}}{\Updelta t_{\mathrm{Ink}}}$$
(19)

6.2 Messung mit emuliertem Inkrementalgeber und aktiver Anti-Ruckel-Regelung

Mit dem emulierten Inkrementalgeber wird ein weiterer simulierter Anfahrvorgang betrachtet. Die Anti-Ruckel-Regelung ist ebenfalls aktiv. Als Quelle für die Winkelgeschwindigkeit der Antriebsmaschine \(\omega _{\mathrm{AnM}}\) in Gl. 14 dient in diesem Abschnitt die Winkelgeschwindigkeit des emulierten Inkrementalgebers \(\omega _{\mathrm{AnM,Emu}}\).

Abb. 13 zeigt den Verlauf des gemessenen Drehmoments der Fahrzeug-Seitenwelle \(M_{\mathrm{SW}}\) nach einem Sprung im Fahrer-wunschmoment \(M_{\mathrm{FW}}\). Die erste Schwingungsamplitude des Drehmoments der Fahrzeug-Seitenwelle überschreitet den Zielwert von \(200\,\mathrm{Nm}\) um ca. \(61\,\mathrm{Nm}\). Dies entspricht im Vergleich zur Abb. 11 einer Erhöhung von ca. 13 % für die Amplitude. Zudem zeigt sich eine Verschlechterung des Verlaufs mit einer über drei Perioden anhaltenden Schwingung. Die Beruhigungszeit des Systems \(T_{10\mathrm{\% }}\) beträgt ca. \(350\,\mathrm{ms}\) nach dem Sollwertsprung. Ebenfalls ist ersichtlich, dass das Drehmoment der Antriebsmaschine \(M_{\mathrm{AnM}}\) dem Schwingungsverhalten des Drehmoments der Fahrzeug-Seitenwelle entgegenwirkt. Die Anti-Ruckel-Regelung bewirkt erneut eine Reduzierung der Drehmomentschwingungen der Fahrzeug-Seitenwelle.

Abb. 13
figure 13

Drehmomentverläufe infolge des Sollwertsprungs im Fahrerwunschmoment mit aktivem Führungsformer, aktiver Anti-Ruckel-Regelung und emuliertem Inkrementalgeber der Antriebsmaschine

In der Abb. 14 ist der Winkelgeschwindigkeitsverlauf des emulierten Inkrementalgebers \(\omega _{\mathrm{AnM,Emu}}\) im Vergleich zum hochauflösenden Rotorlagegeber der Prüfstands-Antriebsmaschine \(\omega _{\mathrm{AnM,H}}\) zu sehen. Die Auflösung des emulierten Inkrementalgebers ist, wie beschrieben, mit 1480 Inkrementen pro Umdrehung gewählt. Erkennbar sind das stufenförmige Winkelgeschwindigkeitssignal sowie ein Phasenversatz des emulierten Gebersignals bei geringen Winkelgeschwindigkeiten. Die Ursache für den Phasenversatz liegt in der Notwendigkeit, einen bestimmten Drehwinkel überschreiten zu müssen, bevor eine neue Winkelgeschwindigkeit berechnet werden kann. Besonders bei kleinen Drehgeschwindigkeiten, z. B. bei Richtungsänderungen der Schwingung, sorgt die niedrige Auflösung des emulierten Inkrementalgebers für ein verspätetes Signal. Somit bekommt die Anti-Ruckel-Regelung ungenaue Eingangswerte und die Ausgangswerte beeinflussen einen Schwingungszustand, der zum aktuellen Zeitpunkt nicht mehr vorliegt. Steigt die Winkelgeschwindigkeit, so wird der Einfluss der Verzugszeiten des emulierten Inkrementalgebers geringer und die Anti-Ruckel-Regelung kann präziser den Schwingungen entgegenwirken.

Abb. 14
figure 14

Vergleich der hochaufgelösten und der emulierten Winkelgeschwindigkeitsverläufe der Antriebsmaschine infolge des Sollwertsprungs im Fahrerwunschmoment mit aktivem Führungsformer und aktiver Anti-Ruckel-Regelung

7 Beobachter für die Winkelgeschwindigkeit

Die Messwerte des vorherigen Kapitels mit emuliertem Inkrementalgeber zeigen, dass für eine effektive aktive Dämpfung der Ruckel-Eigenschwingungen eine Verbesserung des Winkelgeschwindigkeitssignals notwendig ist. Hierfür bietet sich entsprechend den Ausführungen in [1, 8, 19, 24] ein Beobachter an. Dieser rekonstruiert aus bekannten Eingangs- und Ausgangsgrößen des beobachteten Antriebsstrangs das Winkelgeschwindigkeitsverhalten der Antriebsmaschine.

7.1 Beobachteralgorithmus

Für den Aufbau des Beobachters erfolgt eine Reduzierung des betrachteten Systems. Die Systemgrenze umfasst lediglich die Antriebseinheit sowie die Fahrzeug-Seitenwelle. Somit entfällt die Notwendigkeit der Berücksichtigung der Fahrzeugmasse sowie deren Einfluss bei Änderungen. Um fahrzeugnahe Bedingungen zu schaffen, werden dem Beobachter das niedrig aufgelöste Signal des emulierten Inkrementalgebers \(\omega _{\mathrm{AnM,Emu}}\) als Winkelgeschwindigkeit der Antriebsmaschine sowie die mit Hilfe des realen ABS-Raddrehzahlsensors bestimmte Winkelgeschwindigkeit der Fahrzeug-Radnabe \(\omega _{\mathrm{RN}}\) zugeführt. Einen weiteren Beobachtereingang bildet das Solldrehmoment der Antriebsmaschine \(M_{\mathrm{AnM,soll}}\). Als Ausgang des Beobachters wird die beobachtete Winkelgeschwindigkeit der Antriebsmaschine \(\omega _{\mathrm{AnM,Beo}}\) definiert. Der Algorithmus des Beobachters ist in Abb. 15 dargestellt.

Abb. 15
figure 15

Algorithmus des Beobachters für die Winkelgeschwindigkeit der Antriebsmaschine

Bei dynamischen Abläufen müssen die Winkelbeschleunigung und das Massenträgheitsmoment der gesamten Antriebseinheit \(J_{\mathrm{AnE}}\) berücksichtigt werden. Hierfür wird der Drallsatz

$$\sum M=J_{\mathrm{AnE}}\cdot \dot{\omega }_{\mathrm{AnM,Beo}}$$
(20)

verwendet. Als antreibendes Drehmoment geht das Solldrehmoment der Antriebsmaschine \(M_{\mathrm{AnM,Soll}}\) in die Berechnung ein. Hierbei sind gegebenenfalls die Anregeldynamik sowie eine Drehmomentbegrenzung der Antriebsmaschine zu berücksichtigen.

Für die Antriebsmaschine ergibt sich durch die Lagerreibung ein geschwindigkeitsproportionales Widerstandsmoment \(M_{\mathrm{AnM,Reib}}\) mit einer Dämpfung \(d_{\mathrm{AnM,Reib}}\) zu

$$M_{\mathrm{AnM,Reib}}=d_{\mathrm{AnM,Reib}}\cdot \omega _{\mathrm{AnM,Beo}}.$$
(21)

Die Fahrzeug-Seitenwelle wird als eine Torsionsfeder mit geringer Dämpfung aufgefasst. Dementsprechend stellt sich infolge der Steifigkeit der Fahrzeug-Seitenwelle \(c_{\mathrm{SW}}\) bei einer Drehwinkeldifferenz zwischen der Eingangs- und Ausgangsseite ein Rückstellmoment der Fahrzeug-Seitenwelle \(M_{\mathrm{SW,c}}\) mit

$$M_{\mathrm{SW,c}}=c_{\mathrm{SW}}\cdot \int _{t_{0}}^{t}\left(\omega _{\mathrm{AnM,Beo}}-\omega _{\mathrm{RN}}\right)\cdot d\tau$$
(22)

ein. Für eine erste Näherung wird die Steifigkeit der Fahrzeug-Seitenwelle \(c_{\mathrm{SW}}\) als konstant angenommen. Weiterhin führt eine Winkelgeschwindigkeitsdifferenz mit der Dämpfung der Fahrzeug-Seitenwelle \(d_{\mathrm{SW}}\) zu einem geschwindigkeitsproportionalen Dämpfungsmoment der Fahrzeug-Seitenwelle \(M_{\mathrm{SW,d}}\) der Form

$$M_{\mathrm{SW,d}}=d_{\mathrm{SW}}\cdot \left(\omega _{\mathrm{AnM,Beo}}-\omega _{\mathrm{RN}}\right).$$
(23)

Abschließend ist noch die Beobachterrückführung zu bestimmen. Diese wird ebenfalls als geschwindigkeitsproportional angenommen und ergibt sich zu

$$M_{\mathrm{Beo}}=K_{\mathrm{Beo}}\cdot \left(\omega _{\mathrm{AnM,Emu}}-\omega _{\mathrm{AnM,Beo}}\right).$$
(24)

Durch Einsetzen der Gln. 21 bis 24 in den Drallsatz nach Gl. 20 und anschließendes Umstellen lässt sich die Differenzialgleichung des Beobachters zu

$$\begin{aligned} \dot{\omega }_{\mathrm{AnM,Beo}} &=\frac{1}{J_{\mathrm{AnE}}}\cdot [M_{\mathrm{AnM,Soll}}-d_{\mathrm{AnM,Reib}}\cdot \omega _{\mathrm{AnM,Beo}}\\ &\,\,-c_{\mathrm{SW}}\cdot \int _{t_{0}}^{t}\left(\omega _{\mathrm{AnM,Beo}}-\omega _{\mathrm{RN}}\right)\cdot d\tau\\ &\,\,-d_{\mathrm{SW}}\cdot \left(\omega _{\mathrm{AnM,Beo}}-\omega _{\mathrm{RN}}\right)\\ &\,\,+K_{\mathrm{Beo}}\cdot (\omega _{\mathrm{AnM,Emu}}-\omega _{\mathrm{AnM,Beo}})] \end{aligned}$$
(25)

bestimmen. Die zu beobachtende Winkelgeschwindigkeit der Antriebsmaschine \(\omega _{\mathrm{AnM,Beo}}\) lässt sich anschließend durch

$$\omega _{\mathrm{AnM,Beo}}=\int _{t_{0}}^{t}\dot{\omega }_{\mathrm{AnM,Beo}}\cdot d\tau$$
(26)

berechnen.

7.2 Messung mit Winkelgeschwindigkeitsbeobachter und aktiver Anti-Ruckel-Regelung

Bei der letzten Messung dient die beobachtete Winkelgeschwindigkeit der Antriebsmaschine \(\omega _{\mathrm{AnM,Beo}}\) als Quelle für die Winkelgeschwindigkeit der Antriebsmaschine \(\omega _{\mathrm{AnM}}\) in Gl. 14. Die restlichen Ausgangsbedingungen entsprechen denen der vorherigen Messungen.

Die Abb. 16 zeigt erneut das Solldrehmoment der Antriebsmaschine \(M_{\mathrm{AnM,Soll}}\) sowie das Drehmoment der Fahrzeug-Seitenwelle \(M_{\mathrm{SW}}\). Die erste Schwingungsamplitude des Drehmoments an der Fahrzeug-Seitenwelle \(M_{\mathrm{SW}}\) liegt ca. \(50\,\mathrm{Nm}\) über dem Zielwert von \(200\,\mathrm{Nm}\). Ab der zweiten Schwingungsamplitude befindet es sich unterhalb einer Grenze von 10 % des Sollwertsprungs und ist nach drei Schwingungen auf ca. \(\pm 5\,\mathrm{Nm}\) abgeschwächt. Dies stellt gegenüber der Messung mit emuliertem Inkrementalgeber eine Verbesserung dar (vgl. Abb. 13) und entspricht näherungsweise dem Ergebnis mit dem hochauflösenden Rotorlagegeber der Prüfstands-Antriebsmaschine (vgl. Abb. 11).

Abb. 16
figure 16

Drehmomentverläufe infolge des Sollwertsprungs im Fahrerwunschmoment mit aktivem Führungsformer, aktiver Anti-Ruckel-Regelung und emuliertem Inkrementalgeber sowie Beobachter

Zusätzlich zur Betrachtung des Solldrehmoments der Antriebsmaschine \(M_{\mathrm{AnM,Soll}}\) und des Drehmoments der Fahrzeug-Seitenwelle \(M_{\mathrm{SW}}\) ist ein Vergleich der hochaufgelösten, der emulierten und der beobachteten Winkelgeschwindigkeiten sinnvoll (siehe Abb. 17).

Abb. 17
figure 17

Vergleich der hochaufgelösten, der emulierten und der beobachteten Winkelgeschwindigkeitsverläufe der Antriebsmaschine infolge des Sollwertsprungs im Fahrerwunschmoment mit aktivem Führungsformer und aktiver Anti-Ruckel-Regelung

Der zeitliche Verlauf zeigt, dass die beobachtete Winkelgeschwindigkeit der Antriebsmaschine \(\omega _{\mathrm{AnM,Beo}}\) dem Winkelgeschwindigkeitssignal aus dem hochauflösenden Rotorlagegeber der Prüfstands-Antriebsmaschine im Bereich der ersten Schwingungsamplitude besser folgt. Vor allem der Phasenverzug des emulierten Inkrementalgebers bei kleinen Winkelgeschwindigkeiten wird durch den Beobachter kompensiert. Somit kann die Anti-Ruckel-Regelung wesentlich besser auf die erste Schwingungsamplitude reagieren.

Im weiteren Verlauf zeigt die beobachtete Winkelgeschwindigkeit der Antriebsmaschine eine gute Abbildung des Schwingungsverhaltens, jedoch bei geringerem Anstieg. Ursache hierfür ist die Kopplung des Beobachters an das schlecht aufgelöste Winkelgeschwindigkeitssignal des ABS-Sensors. Aufgrund der niedrigen Auflösung dieses Sensors – mit lediglich 86 Polen pro Umdrehung – muss eine relativ große Verdrehung des Antriebsstrangs erfolgen, bevor eine Änderung der Winkelgeschwindigkeit bestimmt werden kann (vgl. Abb. 10). Für den vorgestellten Ansatz der Anti-Ruckel-Regelung ist dies jedoch unkritisch. Die hier benutzte Differenz aus der beobachteten Winkelgeschwindigkeit der Antriebsmaschine und der Winkelgeschwindigkeit des ABS-Sensors bildet den Schwingungszustand weiterhin gut ab, auch bei weiteren Sprüngen des Fahrerwunschmoments nach dem Anfahrvorgang.

8 Zusammenfassung und Ausblick

In diesem Beitrag werden Antriebsstrangschwingungen von einzelradangetriebenen Elektrofahrzeugen untersucht und Maßnahmen entwickelt, diese positiv im Spannungsfeld zwischen Fahrkomfort und Beschleunigungsvermögen des Fahrzeugs zu beeinflussen.

Hierzu wird ein Hardware-in-the-Loop-Prüfstand verwendet. Dieser bildet ein einzelradangetriebenes Elektrofahrzeug nach, indem zwei Prüfstands-Elektromaschinen durch eine serienmäßige Fahrzeug-Seitenwelle verbunden werden. Hierbei steht die Prüfstands-Antriebsmaschine für eine Fahrzeug-Elektromaschine inklusive Getriebe, die Prüfstands-Abtriebsmaschine bildet im Wesentlichen die Fahrwiderstände und den Reifen-Fahrbahn-Kontakt eines simulierten Fahrzeugs nach. Die Ruckel-Eigenfrequenz von 8,3 Hz des mechanischen Prüfstandsaufbaus in Verbindung mit dem HiL-Modell entspricht derer gängiger Elektrofahrzeuge [16]. Zudem verfügt der Prüfstand über eine hohe Dynamik, hochauflösende Rotorlagegeber, ABS-Raddrehzahl- und Drehmomentsensorik sowie eine frei programmierbare Prüfstands-Steuerung. Dieser Aufbau stellt die Grundlage für die hier vorgenommenen Untersuchungen dar.

Als Referenzmessung wird die unbeeinflusste Sprungantwort des Prüfstands-Antriebsstrangs nach einer Sprungvorgabe des Fahrerwunschmoments mit nachgeschaltetem Fahrbarkeitsfilter aufgezeichnet. Das hier beobachtete Anfahrruckeln tritt unter Umständen ebenso bei Serienfahrzeugen auf. Zur aktiven Schwingungsdämpfung wird eine Anti-Ruckel-Regelung implementiert, so dass eine wesentliche Reduzierung der Schwingungsamplituden gewährleistet wird.

Um realistischere Prüfbedingungen zu schaffen, ist es erforderlich, den Einfluss der typischerweise geringeren Rotorlagegeberauflösung von Serienfahrzeugen zu berücksichtigen. Hierzu wird eine Inkrementalgeberemulation durchgeführt, mit deren Hilfe eine künstliche Verschlechterung der Prüfstands-Sensorik erzielt wird. Die Untersuchungen zeigen die erwartete, vergleichsweise geringere Leistungsfähigkeit bei der aktiven Dämpfung von Anfahrruckelschwingungen.

In Serienfahrzeugen wird aus Kostengründen weitestgehend darauf verzichtet, höherauflösende Sensorik zu installieren. Ziel ist es, mit Hilfe von softwareseitigen Lösungen das vollständige Potenzial der Sensorhardware auszuschöpfen. Auf Grundlage dieser Vorgehensweise wird mit Hilfe eines Beobachteransatzes die softwareseitige Verbesserung von Anfahrruckelschwingungen angestrebt. Hierzu wird ein Beobachter für die Winkelgeschwindigkeit der Antriebsmaschine entwickelt, um in bestimmten Betriebszuständen eine genauere Erfassung dieser Größe zu ermöglichen. Besonders beim Anfahren aus dem Stillstand, bei dem Ruckelschwingungen sehr präsent sind, erweist sich der Beobachter als hilfreich und erzielt ein Ergebnis, welches unter den getroffenen Randbedingungen nahezu dem Resultat unter Nutzung eines hochauflösenden Prüfstands-Rotorlagegebers entspricht.

Zukünftig sind Untersuchungen des Einflusses verschiedener Auflösungen fahrzeugseitiger Geber auf die vorgestellten Algorithmen geplant. Mit dem vorhandenen Bremsaktuator werden anschließend Untersuchungen von Betriebszuständen mit Bremseneingriff hinsichtlich der Antriebsstrangschwingungen, deren Detektion und aktiver Dämpfung vorgenommen.