Zusammenfassung
Für die auditive und visuelle Wahrnehmung bieten sogenannte „Virtual Reality“-Systeme eine hochauflösende Nachbildung der Wirklichkeit bei gleichzeitig niedrigen Kosten. Um digitalisierte Objekte noch näher an die Realität zu bringen, werden in dieser Arbeit programmierbare Strukturen vorgestellt, welche neben der visuellen auch die taktile Wahrnehmung ermöglichen sollen. Die Basis der programmierbaren Strukturen bildet ein zellularer Roboter, dessen Zellen sich sowohl verformen als auch aktiv verbinden können. Die dreieckigen Zellen besitzen an jeder Seitenkante einen Aktuator, wodurch es möglich ist, aus mehreren Zellen unstrukturierte Dreiecksnetze aufzubauen. Aufgrund der speziellen Gestalt der Gelenke können die von der Finite-Elemente-Methode bekannten Netze – abgesehen von der Limitierung der Aktuatoren – ohne Einschränkungen nachgebildet werden. Im Vergleich zum Stand der Technik, aus dem bereits durch Knoten und Aktoren aufgebaute Strukturen bekannt sind, ist es hier erstmals gelungen, autonome formbare Zellen zu entwerfen, welche sich aktiv an den Seitenkanten verbinden können. In der vorliegenden Arbeit werden der mechatronische Aufbau und die Kinematik des Systems beschrieben. Aufgrund der vielen Drehgelenke und der 3D-gedruckten Bauteile aus Kunststoff sind eine merkliche Nachgiebigkeit und etwas Spiel vorhanden. Aus diesem Grund wurde ein Modell entwickelt, welches die Abweichungen der Bewegungen des zellularen Roboters von der Soll-Bewegung nachbildet und somit die Ansteuerung der einzelnen Zellen während des Bewegungsvorgangs erleichtert. Vergleiche zwischen dem Modell und Messungen am realen System mithilfe eines Motion-Tracking-Systems werden dargestellt. Der vorgestellte Ansatz liegt in weiten Teilen bereits auch in der räumlichen Form als Tetraeder vor, jedoch können mit diesem noch keine geschlossenen 3D-Strukturen realisiert werden.
Abstract
For auditory and visual perception, virtual reality systems offer a high-resolution simulation of reality at low cost. To bring digitized objects even closer to reality, programmable structures are presented in this work, which should enable not only visual but also tactile perception. The foundation of the programmable structure is a cellular robot whose cells can both deform and connect independently. The triangular cells have an actuator on each side, which allows to create unstructured triangular meshes from a set of cells. Due to the unique shape of the joints, the meshes do not undergo any restriction apart from the limitation of the actuators. In comparison to the state of the art, where structures built up by nodes and links are known, it has been possible for the first time to design autonomous formable cells, which can connect themselves independently at the side edges. This paper describes the kinematics and the mechatronic design of the system. Due to many joints and the 3D-printed components, there is noticeable clearance and flexibility in the cells. For this reason, a model was developed which simulates the deviations of the movements of the cellular robot from the desired trajectories and thus facilitates the motion control. Comparisons between the model and measurements on the real system using a motion tracking system are shown. Part of the presented approach is already available as a 3D-system using tetrahedrons, but it is not yet possible to realize closed 3D-structures with it.
1 Einleitung
Modulare Roboter werden seit den 1980er Jahren [4] erforscht. Ein modularer Roboter besteht aus homogenen oder heterogenen Zellen mit einem aktiven oder passiven Verbindungsmechanismus. Je nachdem wie diese Zellen miteinander verbunden werden, kann zwischen Gitterstrukturen, Kettenstrukturen und Hybridstrukturen unterschieden werden [16]. Modulare Roboter mit homogenen Zellen und aktiver Anbindung, welche sich ohne fremde Hilfe aktiv rekonfigurieren können, fallen unter die Kategorie der metamorphen Robotersysteme [2, 3]. Sie können über einen Verbindungsmechanismus aktiv miteinander verbunden und wieder gelöst werden und sich über angebundene Module fortbewegen. Seit der Entwicklung von modularen Robotern wurden die wesentlichen Komponenten wie Aktoren, Verbindungsmechanismus, Elektronik und Algorithmen für Rekonfiguration der Zellen verbessert [1], jedoch wurden noch keine konkreten Anwendungsgebiete gefunden, um diese einzusetzen [20]. Modulare Roboter haben im Vergleich zu herkömmlichen Industrierobotern den Vorteil, dass sie flexibel eingesetzt werden können und als Einzelkomponenten robust und kostengünstig sind. Anwendungsbeispiele für Modulare Roboter wären z. B. extraterrestrische Missionen, wo bei herkömmlichen Robotern der Ausfall eines Elementes das Scheitern der gesamten Mission bedeuten würde. Ein modularer Roboter kann eine defekte Zelle autonom ersetzen.
Der hier vorgestellte Roboter „Adaptiver Roboter mit Dreieckiger Struktur“ (ARDS), ist ein metamorphes Robotersystem mit Adaptiven Dreieckigen Elementen (ADE). Ähnlich zu Finite-Elemente-Netzen können die Roboter innerhalb der geometrischen Grenzen der Zellen beliebige ebene Strukturen nachbilden. Dazu wurden Scherengelenke, vgl. auch [7], adaptiert, welche die Verbindung der Roboterzellen entlang der Seitenkanten ermöglichen. Diese Gelenke wurden in Tetrobot [8] für eine starre Verbindung der einzelnen Module an den Knotenpunkten eingesetzt. Bisherige modulare Roboter wie Odin [11, 12] oder weitere rekonfigurierbare Mechanismen in denen Scherengelenke eingesetzt werden [10, 17] können sich nicht aktiv rekonfigurieren. Die Fähigkeit der aktiven Rekonfiguration ist allerdings bei einer größeren Anzahl von Zellen zur praktischen Anwendbarkeit notwendig. Das System ARTS [13, 5] besitzt eine tetraedrische Grundstruktur, kann jedoch keine geschlossenen Strukturen nachbilden. Das Design eines modularen, aktiv rekonfigurierbaren Roboters mit dreieckiger Struktur wurde erst kürzlich präsentiert [14, 15]. Durch den Übergang von statischen, 3D-gedruckten Bauteilen zu Strukturen, welche beliebige 3D-Formen annehmen, sich aber nach dem Aufbau (Druck) noch in der Zeit – der vierten Dimension – verändern können, wird zuweilen vom 4D-Druck gesprochen [9]. Der hier besprochene Ansatz ist, für den räumlichen Fall z. B. für das System ARTS mit einer tetraedrischen Grundstruktur, als mögliche Lösung für den 4D-Druck zu sehen.
Die Beiträge dieser Arbeit zu modularen Robotern sind: (i) Es wird der mechatronische Aufbau einer modularen Roboterzelle vorgestellt, die ein Dreiecksnetz exakt nachbilden kann und somit den Aufbau von geschlossenen Strukturen ermöglicht. Dabei wird die Auslegung der mechanischen Komponenten für die Verschiebung des Drehpunktes außerhalb des Bauraums, die semi-aktive Anbindung, die elektronischen Komponenten, sowie die Kommunikation und Steuerung der Zellen beschrieben. (ii) Die Positioniergenauigkeit der Zellen wird erstens durch eine Korrektur der Nichtlinearitäten der Aktoren verbessert und zweitens werden Nachgiebigkeit und Spiel der Zellen durch ein einfaches mathematisches Modell nachgebildet um die Steuerung der Zellen zu vereinfachen. (iii) Die Parameter des Modells werden aus einfachen Bewegungsabläufen identifiziert. Für die Vermessung der Bewegungsabläufe werden Messpunkte an jeder Zelle angebracht und über die Kinematik der Dreiecksstruktur auf die Drehpunkte außerhalb des Bauraums zurückgerechnet. Das Modell wird mit dem realen System verglichen und die nicht-ideale Effekte werden dargestellt.
2 Mechatronischer Aufbau
Die hier entwickelten Roboterzellen sollen in der Lage sein, das Dreiecksnetz aus Abb. 1 nachzubilden. Dazu müssen die Zellen unterschiedliche Seitenlängen bzw. Gelenkswinkel annehmen können. Entlang der Kanten und im Eckpunkt dürfen sich die Dreiecke berühren. Da eine Berührung zweier Eckpunkte technisch kaum realisierbar ist, wurde die Verbindung der Dreiecke entlang der Seitenkanten umgesetzt, welche über je eine aktive und eine passive Verbindung pro Seitenkante realisiert wurde. Für Umformvorgänge sind für einen Knotenpunkt mit einer Anzahl von \(n\) verbundenen ADEs wie in Abb. 2 dargestellt, maximale Gelenkswinkel von
und minimale Gelenkswinkel von
notwendig, was einer Verlängerung der Seitenkanten um
entspricht. Zum geometrischen Design der Dreiecke waren die zugekauften Aktoren, der weiter unten beschriebene Gelenksmechanismus sowie die Elektronik limitierende Faktoren. Um die Umformvorgänge einfacher zu gestalten, wurde gefordert, dass jedes Element zumindest einen Winkel \(\alpha_{4,\text{max}}\) von \(90^{\circ}\) erreichen kann, während die anderen beiden Winkel \(\alpha_{4,\text{min}}=45^{\circ}\) betragen. Dies entspricht einer Verlängerung der Seitenkanten \(v_{4}\) um mind. \(41{,}5\,\%\). Der Umformvorgang mit \(n=4\) Zellen an einem Knotenpunkt ist in Abb. 3 dargestellt. Eine Zelle (rot) kann sich durch Verlängerung der Seitenkanten und der umliegenden Zellen (orange) an der Außengrenze eines Dreiecksnetzes fortbewegen. In den folgenden Abschnitten werden der Aufbau, die Komponenten und die Ansteuerung der Zellen beschrieben.
2.1 ADE
Der Aufbau einer Roboterzelle ist in Abb. 4 dargestellt. Zur Verlängerung der Seitenkanten werden Linearaktoren (5) der Firma Actuonix [19] mit einem Hub \(L_{\text{H}}\) von \(0-100\,\text{mm}\) verwendet. Die Scherengelenke (1) wurden so ausgelegt, dass diese bei minimalem und maximalem Hub der Aktoren den minimal erreichbaren Winkel \(\alpha_{4,\text{min}}\) und maximal erreichbaren Winkel \(\alpha_{4,\text{max}}\) zulassen. Um eine hohe Steifigkeit und ein geringes Spiel zu erreichen, wurden an jeder Ecke 8 Wälzlager (6) verbaut. Zur Anbindung an andere Roboterzellen wird eine aktive Verbindung (2) verwendet. Die Elektronik (3) einer Roboterzelle besteht unter anderem aus einem Mikrocontroller, einem Wireless Modul, LEDs und einem Buzzer für Statusmeldungen. Für eine autonome Energieversorgung der Elektronik und Aktoren besitzt jede Roboterzelle einen LiPo-Akku (4). Das mechatronische Design wird in Abb. 5 dargestellt und in den nachfolgenden Unterkapiteln werden die einzelnen Komponenten der Roboterzelle genauer beschrieben.
2.1.1 Scherengelenke
Für die Realisierung eines idealen Dreiecksnetzes (Abb. 1) müssen die Drehpunkte der einzelnen Seitenkanten der Dreiecke außerhalb der mechanischen Komponenten liegen. Um dies zu erreichen wurden die Scherengelenke aus [7] für die Roboterzellen angepasst. Abb. 6 zeigt die Konstruktion und die schematische Darstellung eines Scherengelenks. Die Punkte \(D\), \(C\), \(G\), \(I\) sind fest mit dem Gehäuse des Aktors verbunden. Die Punkte \(B\), \(A\), \(K\), \(J\) werden auf die Kanten des idealen Dreiecksnetzes projiziert und sind durch die Längen
gegeben. Die Länge \(L_{3}\) darf nicht kleiner als das Gehäuse des Aktors sein und ist somit durch den gewählten Aktor über die Breite des Aktors \(b\) und den maximalen Winkel aus Abb. 7 und minimalen Winkel \(\alpha\) aus Abb. 8 gegeben. Der Winkel \(\phi\) beeinflusst die Größe des Scherengelenks und ist gegeben durch die Längen \(L_{1}\) und \(L_{3}\) durch
Zusätzlich lassen sich die folgenden Abmessungen
über \(L_{3}\) und \(\phi\) angeben. Die Länge \(L_{2}\) tritt in folgenden Abständen auf
und beeinflusst die Steifigkeit des Scherengelenks.
Der Winkel \(\alpha_{\text{max}}\) aus Abb. 7 ist maximal, wenn eine Seitenkante maximale Länge bzw. maximal möglichen Hub eines Aktors aufweist. Der maximale Winkel \(\alpha_{\text{max}}\) lässt sich aus der Gleichung
mit dem Verlängerungsfaktor
berechnen. Dieser ist wie in Abb. 8 zu erkennen, von der Länge \(L_{A}\), dem maximalen Hub des Aktors \(L_{\text{H}}\) und
abhängig. Der Parameter \(L_{1}\) wird durch die Geometrie der Aktoren mit der Breite \(b\), Länge \(f\) und Länge \(L_{3}\) bestimmt, und ist vom minimal möglichen Winkel \(\alpha_{\text{min}}\), gegeben durch die Beziehung
abhängig. Wird Gl. (10) in Gl. (9) eingesetzt und mit Gl. (11) gleichgesetzt, folgt mit den gegebenen Parametern zur Auslegung der Scherengelenke aus Tab. 1 für die Länge \(L_{1}=38\,\text{mm}\). Die Länge \(L\) der Seitenkante einer Roboterzelle berechnet sich aus
Die berechneten Parameter zur Konstruktion der Scherengelenke aus Gln. (5), (6), (8), (9), (11) und (12) sind in Tab. 2 angeführt. Die Länge \(L_{4}\) aus Abb. 9 ist der Abstand von der Anbindung des Scherengelenks zum aktiven Verbindungsmechanismus welcher im nächsten Unterkapitel beschrieben wird. Momentan werden für die Anbindung der Scherengelenke an die Aktoren 24 Wälzlager pro ADE verbaut. Zukünftig sollen diese über nachgiebige Mechanismen (compliant mechanisms) [21] realisiert werden, sodass die Zellen kostengünstig über 3D-Druck hergestellt werden können.
2.1.2 Aktive Verbindung
Der semi-aktive Verbindungsmechanismus aus Abb. 10 ermöglicht an jeder Seitenkante der Roboterzellen ein wiederholtes Verbinden und Lösen. Die Verriegelung erfolgt passiv über eine drehbar gelagerte Klaue (d), die durch einen federvorgespannten Bolzen (c) vorgespannt ist. Sobald der konische Bolzen vollständig in die konische Buchse eingeführt ist, wird der Bolzen (e) durch die Klaue fixiert. Ein Verbindungsvorgang wird in Abb. 11 dargestellt. Für das Lösen bewegt ein Elektromagnet (a) vom Typ ‘DC Solenoid Electromagnet & Strom’ (max. Zugkraft von \(0{,}20\,\text{N}\)) den federvorgespannten Bolzen und betätigt die drehbar gelagerte Klaue (d), um den Bolzen (e) freizugeben. Um ein Verkanten der Verriegelung zu vermeiden, wird während des Lösens ein rechteckiges Signal mit einer Frequenz von \(31\,\text{Hz}\) angelegt, welches durch die Vibrationen der Klaue eine mögliche Verriegelung löst.
2.1.3 Elektronik
Aufgrund des kleinen verfügbaren Bauraums wurden zwei unterschiedliche elektronische Platinen entworfen und in die Gehäuse integriert, siehe Abb. 12 für eine Übersicht. In jedem ADE ist ein Mikrocontroller „Arduino Nano V3.0 ATMEGA328P“ an der Hauptplatine angebracht, welche ebenso Anschlüsse für den LiPo Akku (Nennspannung: \(7{,}4\,\text{V}\), Kapazität: \(350\,\text{mAh}\)) enthält. Weiters ist ein Wireless-Modul „nRF24L01 2.4 GHz“ zur Kommunikation mit dem Master bzw. anderen Modulen, ein Buzzer zur Warnung für niedrigen Akku-Stand und LEDs für die Anzeige des Betriebszustands vorhanden.
Für jeden der drei Aktoren wurde eine Platine in das Aktorgehäuse integriert, welche die Schnittstelle zum jeweiligen Aktor, zu den Elektromagneten, zur aktiven Anbindung und zu einer noch nicht eingesetzten Kraftsensorik darstellt. Abb. 13 zeigt die jeweiligen Platinen in einem Größenvergleich.
2.2 Funkkommunikation und Steuerung
Die Ansteuerung der einzelnen ADEs erfolgt über ein Gesamtmodell des hinterlegten, idealisierten Dreiecksnetzes, siehe z. B. Abb. 1. In MATLAB werden zu einzelnen diskreten Zeitpunkten aus dem Dreiecksnetz über die nichtlineare Kinematik die notwendigen Hübe der Linearaktoren jedes ADE berechnet. Über das Mastermodul, vgl. Abb. 14, werden schrittweise und zeitsynchron die Hübe an die ADEs übertragen. Entsprechend Tab. 3 wird für die Übertragung ein einfaches Protokoll verwendet, wobei das Kürzel „G“ den Fahrbefehl (Go) symbolisiert und „\(a\)“ für die Nummer des ADE steht. Die darauf folgenden Werte „\(x_{\text{1}}\), \(x_{\text{2}}\), \(x_{\text{3}}\)“ entsprechen den Soll-Hüben in Zehntelmillimetern (1000 entspricht \(100\,\text{mm}\)). Die letzten drei Werte „\(m_{\text{1}}\), \(m_{\text{2}}\), \(m_{\text{3}}\)“ werden für die Aktivierung der Elektromagnete verwendet, wobei 1 für Öffnen und 0 für Schließen des aktiven Verbindungsmechanismus steht. Die gemessene maximale Laufzeit pro Befehl und ADE (inkl. Antwort) wurde zu \(10{,}8\,\text{ms}\) gemessen. Somit ergibt sich bei der Ansteuerung von vier ADEs zwischen erstem und letztem ADE ein Zeitversatz von \(\Delta t=3\cdot 10{,}8\,\text{ms}=32{,}4\,\text{ms}\). Aufgrund der niedrigen Aktorgeschwindigkeit (\(25\,\text{mm/s}\)) folgt dabei ein maximaler Synchronisierungsfehler von \(0{,}81\,\text{mm}\). Dieser Fehler hat sich aufgrund der Nachgiebigkeit der ADEs nicht weiter ausgewirkt, müsste aber bei einer größeren Anzahl von ADEs durch eine genauere synchronisierte Ansteuerung behoben werden.
3 Modellbildung und Verbesserung der Positioniergenauigkeit
Die ADEs besitzen lediglich die Möglichkeit, die Länge der Seitenkanten über die Aktoren innerhalb deren Genauigkeit vorzugeben. Es ist somit eine Abweichung zwischen der Soll-Position des vorgegebenen Dreiecksnetzes und der Ist-Position der ADEs zu erwarten. Grundlegende experimentelle Untersuchungen haben ergeben, dass ein selbständiges Ankoppeln zweier Dreiecke bei einem Positionierfehler von ca. 2 mm in den meisten Fällen funktioniert.
Da die Aktuatoren eine verhältnismäßig geringe Positioniergenauigkeit besitzen, vgl. den nächsten Abschnitt, und weil die ADEs sehr viele Gelenke und Kunststoff-Bauteile besitzen, wurde ein Modell entwickelt, welches die wesentlichen nicht-idealen Effekte des Systems abbilden kann. Speziell betrifft dies das Spiel, Nachgiebigkeiten und Nichtlinearitäten in den ADEs. Da die Modellparameter aus Experimenten bestimmt wurden, mussten absolute Positionsmessungen an bestimmten Punkten der ADEs durchgeführt werden und in die Drehpunkte des Modells umgerechnet werden, siehe Abschn. 4.
Die ADEs besitzen keine Sensorik zur absoluten Positionierung, wodurch eine Abweichung zwischen Ist- und Soll-Position der Drehpunkte der ADEs folgt. Damit der Schließvorgang funktioniert ist eine Abweichung von ca. 2 mm zulässig, bei der die ADEs gerade noch verbinden können. Um die Positioniergenauigkeit von ARDS zu verbessern, werden in den nächsten Abschnitten die Nichtlinearitäten der Aktoren korrigiert und es wird ein Modell entwickelt, welches Spiel, Nichtlinearitäten und Nachgiebigkeiten näherungsweise wiedergeben soll. Für die Ermittlung des Fehlers zwischen Modell, Messung und vorgegebenem Dreiecksnetz wird die Umrechnung der Messpunkte zu den Drehpunkten benötigt und daher in Abschn. 4 beschrieben.
3.1 Korrektur der Nichtlinearität der Aktoren
Bei der Inbetriebnahme des Systems wurde festgestellt, dass die Linearaktoren von Actuonix einen merkbaren Positionierfehler besitzen, welcher wesentlich über die im Datenblatt angegebene Wiederholgenauigkeit von \(\pm 0{,}5\,\text{mm}\) hinausgeht. Es wurde daher ein Prüfstand entwickelt, siehe Abb. 15, mit dem die Messung des Aktorweges mithilfe eines induktiven Wegaufnehmers „HBM K‑WA-T-100W“ erlaubt. Eine typische Messung ist in Abb. 16 dargestellt.
Der Positionierfehler der Aktoren, welcher sich gut wiederholen lässt und daher der resistiven Wegmessung sowie möglicher Fertigungsungenauigkeiten in der Spindel zugeordnet werden kann, wird mithilfe eines kubischen Korrekturpolynoms
für die Hinfahrt und mit
für die Rückfahrt angenähert. Die Nichtlinearität des Positionierfehlers soll durch die zunächst unbekannten Koeffizienten \(a_{i}\) bzw. \(b_{i}\) mit \(i=1\ldots 4\) genähert werden. Die Messwerte werden jeweils für die Hin- und Rückfahrt in \(2\,\text{mm}\) Schritten aufgenommen und über die Methode der kleinsten Quadrate werden die Koeffizienten \(a_{i}\) und \(b_{i}\) bestimmt. Wird dieses Polynom zur Korrektur der Ist-Werte verwendet, so folgt eine Positioniergenauigkeit – abgesehen von punktuellen Ausreißern – von \(\pm 0{,}5\,\%\). Um die Korrektur der Aktuatoren auch im eingebauten Zustand durchführen zu können, wurden diese daraufhin mithilfe der Messung mit dem Motion-Tracking-System Vicon durchgeführt, wobei eine vergleichbare Genauigkeit folgte.
3.2 Modellierung von Positionierfehlern eines ADEs
Neben den kinematischen Randbedingungen wurde bei der Konstruktion der ADEs versucht, eine hohe Steifigkeit und ein geringes Spiel zu erreichen. Aus diesem Grund wurden Wälzlager in den Scherengelenken eingesetzt, welche die Leichtgängigkeit und Wiederholbarkeit erhöhten. Eine überschlägige Prüfung des Gesamtspiels eines ADEs bei eingefahrenen Aktoren wurde zu ca. \(1{,}1\,\)mm ermittelt, welches wesentlich durch das produktspezifische Spiel der Aktoren beeinflusst wird. Obwohl sich die Nachgiebigkeit und das Spiel durch eine konsequente Optimierung, aber auch bei höheren Kosten, signifikant verringern ließen, wird im nachfolgenden Abschnitt ein Modell entwickelt und validiert, durch welches der Positionierfehler abgeschätzt und dadurch auch verringert werden kann.
3.2.1 Nachgiebigkeit der ADEs
Bei der Analyse des Gesamtsystems in Abb. 4 werden die Scherengelenke (1) und die aktiven Verbindungen (2) als nachgiebige und spielbehaftete Komponenten identifiziert, wobei das Spiel der Aktoren bereits in deren Korrektur enthalten ist. In den Scherengelenken können die längsten Arme durch die Punkte \(DFH\) bzw. \(GFE\), vgl. Abb. 6, als die biegeweichsten Komponenten angenommen werden.
Um die Nachgiebigkeit und das Spiel eines ADEs genau zu berechnen, sind Methoden aus den Bereichen der Mehrkörpersysteme oder der Finiten Elemente bekannt. Eine derartige Berechnung würde eine genaue Kenntnis der mechanischen Eigenschaften aller Komponenten voraussetzen und eine aufwendige Berechnung bei jeder Bewegung mit sich ziehen. Aus diesem Grund werden alle Effekte, die zu einer Abweichung vom idealisierten kinematischen Verhalten des Systems führen, durch eine einzelne Steifigkeit \(k_{A}\) entlang der Seitenkanten und eine Reibung zwischen ADEs und Auflagefläche modelliert. Während in einer genaueren Modellbildung auch die Scherengelenke mit Biegebalken angesetzt werden könnten, wurde hier als erster Schritt dieser Weg gewählt, da er zuletzt nur einen einzigen unbekannten Parameter \(k_{A}\) enthält, welcher durch eine Parametervariation bestimmt werden kann. Der Reibungskoeffizient zwischen ADE (365 g) und Boden wurde durch eine Messung (schiefe Ebene) zu \(\mu=0{,}18\) ermittelt, wobei im Modell die Haftreibung gleich der Gleitreibung gesetzt wird.
3.2.2 Stabwerksberechnung
Die im folgenden Abschnitt ausgeführte Modellierung des Stabwerks, siehe Abb. 18a, wird sowohl für das Modell zur Verbesserung der Positioniergenauigkeit, als auch zur Berechnung der inversen Kinematik verwendet. Die Stäbe entsprechen dabei jeweils den Aktoren, wobei im Inneren des Dreiecksnetzes bei benachbarte Dreiecke parallel geführte Aktoren auf einen Stab kommen. Bei der inversen Kinematik werden die (Soll‑)Positionen der Knoten des idealen Dreiecksnetzes vorgegeben und die zugehörigen Aktorlängen berechnet, wobei hierbei \(\mu=0\) angesetzt wird, sodass keine Reibungskräfte im System wirken. Ebenso werden in jedem Schritt die Referenzlängen der Stäbe auf die aktuelle Länge gesetzt, sodass am Schluss ein kräftefreies ebenes Stabwerk vorliegt.
Ein Aktor wird im Modell durch einen Stab mit einer Federsteifigkeit \(k_{A}\) angesetzt, wobei die Stabkraft für einen Aktor über die aktuelle Länge \(L\) und die Referenzlänge \(L_{a,i}\) berechnet wird,
woraus ersichtlich ist, dass eine positive Kraft gleich einer Zugkraft kommt. Die Referenzlänge eines Stabes wird bei der Simulation des Gesamtmodells in jedem Schritt auf die Soll-Länge des zugehörigen Aktors gesetzt. Aus den lokalen Knotenpositionen \(\mathbf{p}_{r}\) und \(\mathbf{p}_{l}\) mit
lässt sich die aktuelle Aktorlänge \(L\) mit
ermitteln, wobei \(l\) und \(r\) jeweils die lokalen Knotennummern des Aktors (=Stab) darstellen, vgl. Abb. 18 z. B. \(N_{2}\) und \(N_{5}\). In der Simulation der Nachgiebigkeit und des Spiels folgt die Soll-Länge der Aktoren \(L_{a,i}\) aus einer vorausgegangenen Trajektorienplanung und der inversen Kinematik. Für die weitere Berechnung wird die Richtung der Stabkraft benötigt,
Somit liefert jeder Aktor einen (vektoriellen) Kraftbeitrag \(F\cdot\mathbf{v}_{lr}^{0}\) im Knoten (\(l\)) und einen entgegengesetzten Beitrag \(-F\cdot\mathbf{v}_{lr}^{0}\) im Knoten (\(r\)), vgl. Abb. 18b.
In jedem Knoten \(j\) wirkt zusätzlich eine Reibungskraft
wobei \(\mathbf{v}_{\text{Fr}}\) und \(F_{\text{Fr},j}\) jeweils Richtung und Größe der Reibungskraft darstellen. Aufgrund der Topologie des Dreiecksnetzes können unterschiedlich viele ADEs und somit Aktoren an einem Knoten hängen, weshalb der Knotengewichtsfaktor \(w_{j}\) die Anzahl der Aktoren in einem Knoten bezeichnet.
Zur Vereinfachung der Berechnung wird die Reibungskraft über eine Serienschaltung einer Feder und eines Coulombschen Reibungselements modelliert, siehe Abb. 19, wobei die Feder einerseits zur Regulierung dient. Da der Anfangszustand hinsichtlich der internen Kräfte in den Aktoren und der Reibungskräfte im Allgemeinen nicht bekannt ist, wird für die Berechnung angenommen, dass zu Beginn alle Federn kräftefrei sind und die Reibungskräfte verschwinden, d. h. \(d=0\). Im Berechnungsalgorithmus wird für jeden Knoten der Punkt des letzten Haftens \(\mathbf{p}_{\text{Fr},j}\) mitgerechnet, welcher zu Beginn der Berechnung gleich der Anfangsposition des Knotens ist. In der Berechnung werden schrittweise die unbekannten Knotenpositionen \(\mathbf{p}_{i}\) und die Auflagerkräfte (vgl. Knoten \(N_{1}\) und \(N_{2}\) in Abb. 18a) durch die Lösung eines nichtlinearen Gleichungssystems aus den Knotengleichgewichten und Auflagerbedingungen bestimmt, wobei zunächst \(\mathbf{p}_{\text{Fr},j}\) festgehalten wird.
Nach der Lösung des nichtlinearen Gleichungssystems wird, wie für Kontakt- und Reibungsprobleme üblich, überprüft, ob die angenommenen Reibungsbedingungen (bekannt auch als ’active set strategy’ [18]) stimmen, d. h. ob die Federlänge
im linearen Bereich, gegeben durch
liegt und somit \(d\leq d_{\text{max}}\) gilt (es liegt Haften vor), vgl. auch Abb. 19b. Wird der lineare Bereich überschritten (d. h. es liegt Rutschen vor), folgt aus der Bedingung \(d:=d_{\text{max}}\) ein neuer Wert für \(\mathbf{\bar{p}}_{\text{Fr},j}\), welcher nach der Vorschrift
ermittelt wird. Das scheinbar einfache Verfahren lieferte in ersten Untersuchungen, siehe Abb. 20, dass Schrittweiten von \(1\,\)mm ausreichen und kleinere Schrittweiten das Ergebnis nur unwesentlich verbessern.
4 Kinematik der Dreiecksstruktur
Die Geometrie der idealen Dreiecke und Knotenpositionen im Dreiecksnetz lässt sich durch Abstandsfunktionen beschreiben. Die Beziehungen zwischen den idealen Knotenpositionen im Dreiecksnetz und den Gelenkspunkten der Scherengelenke sind allerdings etwas aufwendiger zu berechnen und daher in diesem Abschnitt ausgeführt. Um das Modell aus Abschn. 3.2 zu validieren, werden mit einem Motion-Tracking-System (Vicon) retroreflektierende Marker vermessen. Dieses Vermessungssystem liefert zu jedem Marker die Ortskoordinaten, relativ zu einem vorher definierten Koordinatensystem im Raum. Die Marker werden an den in Abb. 21 gekennzeichneten Punkten angebracht, d. h. Punkt \(F\) in Abb. 6.
Zur Auswertung der Bewegung werden alle Messpunkte auf die vorgegebene ideale Dreiecksgeometrie umgerechnet. Somit muss eine Transformation zwischen den, aus der experimentellen Untersuchung erhaltenen, Ortskoordinaten der Messpunkte \(A^{\prime}\), \(B^{\prime}\) und \(C^{\prime}\) und den idealen Netzpunkten \(A\), \(B\) und \(C\) gefunden werden, siehe Abb. 21. In diesem Abschnitt bezeichnet \(\textbf{p}_{A}\) den Ortsvektor zum Punkt \(A\), während der Vektor von Punkt \(A\) zu Punkt \(B\) durch \(\textbf{v}_{AB}\) abgebildet wird.
Die grundlegende Vektorrechnung liefert eine Beziehung zwischen den Ortsvektoren \(\textbf{p}_{A^{\prime}}\), \(\textbf{p}_{B^{\prime}}\), \(\textbf{p}_{C^{\prime}}\) und \(\textbf{p}_{A}\), \(\textbf{p}_{B}\), \(\textbf{p}_{C}\),
wobei die gesuchten Vektoren folgendermaßen angesetzt werden können:
Hier bezeichnen die Einheitsvektoren
die Richtungen der Seitenkanten des Dreiecksnetzes. Die Einheitsvektoren \(\textbf{e}_{AB}^{\perp}\), \(\textbf{e}_{BC}^{\perp}\), \(\textbf{e}_{CA}^{\perp}\) stehen jeweils normal auf \(\textbf{e}_{AB}\), \(\textbf{e}_{BC}\), \(\textbf{e}_{CA}\). Die Drehmatrix \(\textbf{R}_{z}\) wird wie in Abb. 21a dargestellt, durch
definiert, wobei \(x=\alpha,\beta,\gamma\) gesetzt wird, mit den eingeschlossenen Winkeln
Da die Vektoren \(\textbf{v}_{AB}\), \(\textbf{v}_{BC}\), \(\textbf{v}_{CA}\) von den unbekannten Netzpunkten \(\textbf{p}_{A}\), \(\textbf{p}_{B}\), \(\textbf{p}_{C}\) abhängen, muss Gl. (23) als nichtlineares Gleichungssystem gelöst werden. Es werden somit die \(3\times 2\) unbekannten Koordinaten der Punkte \(\textbf{p}_{A}\), \(\textbf{p}_{B}\), \(\textbf{p}_{C}\) mithilfe eines Newtonverfahrens im Programmpaket MATLAB berechnet und schließlich mit den durch das Modell berechneten Werten verglichen. Die Ergebnisse werden in Abschn. 5.1 ausgewertet.
5 Experimentelle Untersuchungen
Zur Validierung des Modells werden an den realen ADEs an den in Abb. 22 gekennzeichneten Messpunkten retro-reflektierende Marker angebracht und die Positionen während der Bewegung mit dem Motion-Tracking-System Vicon aufgezeichnet. Zur Vollständigkeit sei angemerkt, dass sich bei den Versuchen infolge der oftmaligen Aktivierung des Schließmechanismus Verschleißerscheinungen zeigten. Daher wurden zusätzlich an den Anbindungen Sicherungsbänder angebracht, welche ein Öffnen verhinderten. In den Versuchen wurden die Hübe der Aktoren in 20 mm-Schritten vorgegeben, wobei die interne Regelung der Actuonix-Aktoren die Positionen mit einer Geschwindigkeit von 20 mm/s anfährt. In der Anfangsposition sind alle Hübe auf 0 mm gesetzt, vgl. die Stellung in Abb. 23f). Es werden sechs Positionen entsprechend Tab. 5 angefahren, wobei jeder Schritt („Step“) nur die Änderungen angibt und entsprechend in Abb. 23 dargestellt ist.
In Abb. 20 wird der RMS-Fehler (Messung vs. Modell) am Punkt \(P_{6}\) (Abb. 22a) für unterschiedliche Steifigkeitsparameter \(k_{A}\) untersucht. Daraus folgt ein optimaler Wert für \(k_{A}\) zu \(1{,}04\,\text{N/mm}\), welcher im Modell für die in Abschn. 5.1 durchgeführten Untersuchungen verwendet wurde.
5.1 Auswertung der Messungen und Vergleich mit dem Modell
Die Aktorhübe aus Tab. 5 werden sowohl im Modell als auch in den Messungen vorgegeben. Da das Modell nur statisch ist, werden die Hübe durch feinere Unterschritte linear interpoliert. Eine Bahn-Synchronisation ist hierzu nicht notwendig, da jeweils immer nur ein Aktor aktiv ist. Einzelne Positionen der idealen Trajektorie des Punktes \(P_{6}\) (vgl. Abb. 22a) werden mit dem Modell und der Messung in Abb. 24 verglichen. In Abb. 25 wird der Fehler zwischen Messung, Modell und idealer Trajektorie veranschaulicht. Die Abweichungen des realen Systems (Messung) von der idealen Trajektorie sind deutlich zu erkennen. Die Größenordnung der Fehler des Modells passen sehr gut, während in manchen Bereichen (v. a. in den Schritten 6 bis 9) größere Fehler zwischen Modell und Messung auftreten. Hier kommt das Modell an seine Grenzen und müsste noch genauer verfeinert werden. Möglichkeiten zur Erweiterung wären nichtlineare Federn an den Kopplungsstellen und eine genauere Modellbildung des Scherengelenks, z. B. durch Biegebalken.
Um den kalibrierten Parameter zu bewerten, wurde eine zweite Messung mit den gleichen Aktorhüben aus Tab. 5, jedoch mit zwei zusätzlichen Zellen (siehe Abb. 22b) durchgeführt, und eine Fotoserie der Bewegung des realen Systems ist in Abb. 26 dargestellt. In Abb. 27 ist zu sehen, dass gemessene und berechnete Trajektorie des Punktes \(P_{8}\) (vgl. Abb. 22b) für das zweite Experiment unter Verwendung des zuvor bestimmten kalibrierten Steifigkeitswertes \(k_{A}\) sehr gut übereinstimmen. In Abb. 28 ist der Abstand der Punkte zwischen gemessener und gewünschter Trajektorie und zwischen berechnetem Modell und gewünschter Trajektorie für die zweite Messung dargestellt.
5.2 Aktive Rekonfiguration
Da in den Versuchen der vorigen Abschnitte keine aktive Rekonfiguration durchgeführt wurde, soll in diesem Abschnitt diese Fähigkeit demonstriert werden. Während eines automatisch ablaufenden Rekonfigurationsvorganges auf einer glatten weißen Platte wurden fünf Fotos aufgenommen, siehe Abb. 29. ADE 4 wurde mit einem (roten) Punkt markiert, sodass klar zu sehen ist, dass dieses ADE seine Anbindung im Schritt Abb. 29c wechselt. Der Rekonfigurationsvorgang, wie in Abb. 30 dargestellt, bestitzt großes Potential und könnte zu einem aktiven Material der Zukunft werden, beliebig komplexe Formen annehmen und defekte Zellen ersetzen. Momentan werden für jeden Schritt der Rekonfiguration die Hübe der Aktoren manuell vorgegeben. Diese könnten von einem Rekonfigurationsalgorithmus auch direkt vorgegeben werden, welcher Gegenstand zukünfiger Forschung ist.
6 Zusammenfassung und Ausblick
In der vorliegenden Arbeit wird ein zellularer Roboter vorgestellt, welcher vorwiegend zum Zweck der aktiven Rekonfiguration entwickelt wurde. Das vorgestellte System bildet einen ersten Schritt in Richtung „programmable matter“ [6], welches in der jüngsten Vergangenheit als Konzept vorgestellt, allerdings noch nicht für größere Strukturen realisiert wurde. Der hier besprochene Ansatz ist, für den räumlichen Fall z. B. für das System ARTS [13, 5] mit einer tetraedrischen Grundstruktur, als mögliche Lösung für den 4D-Druck durch den Übergang von statischen, 3D-gedruckten Bauteilen welche sich nach dem Aufbau noch in der Zeit verändern können, zu sehen.
Die neu entwickelten adaptiven dreieckigen Elemente können dabei die einzelnen Elemente eines Dreiecksnetzes ohne allgemeine geometrische Einschränkungen nachbilden, da sie nicht wie üblich an den Knoten, sondern an den Seitenkanten verbunden werden und ermöglichen somit den Aufbau von geschlossenen ebenen Strukturen. Die entwickelten Zellen, insbesondere die verbauten Scherengelenke, weisen merkliches Spiel und eine Nachgiebigkeit auf. Diese Effekte werden durch ein einfaches mathematisches Modell nachgebildet, um die Steuerung, welche über keine Information über die globale Lage der Zellen verfügt, zu vereinfachen. Ein Vergleich zwischen Modell und realem System zeigt, dass die nicht-idealen Effekte grundsätzlich abgebildet werden können, aber das Modell noch weiter verfeinert werden sollte.
Um zukünftig eine größere Anzahl von Zellen, bestenfalls auch in einer räumlichen Variante herstellen zu können, sollen in weiteren Entwicklungen die Scherengelenke über nachgiebige Mechanismen (compliant mechanisms) realisiert werden, sodass sich weite Teile der Zellen über 3D-Druck herstellen lassen. Anwendungen werden bei adaptiven Gerüsten, programmierbaren Formen und für die Objektübertragung über Internet erwartet.
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Pieber, M., Neurauter, R. & Gerstmayr, J. Aktiv rekonfigurierbares Robotersystem zum Aufbau geschlossener Strukturen in der Ebene. Forsch Ingenieurwes 83, 289–304 (2019). https://doi.org/10.1007/s10010-019-00313-0
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