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Das diabetische Fußsyndrom (DFS) ist mehr als nur eine Wunde am Fuß oder bei gleichzeitigem Vorliegen einer Durchblutungsstörung mehr als nur eine periphere arterielle Verschlusserkrankung (pAVK) im Stadium IV nach Fontaine. Denn es stellt ein komplexes Krankheitsbild dar, das nicht nur durch eine reduzierte Sauerstoffzufuhr in die Peripherie des Fußes zu erklären ist, wie wir es von der pAVK her kennen. Die Kombination der pAVK mit einer beim DFS nahezu immer gleichzeitig vorhandenen peripheren Polyneuropathie (PNP) erschwert nicht nur die Diagnostik der Erkrankung, sondern ist auch für die deutlich höhere Amputationsrate bei Patienten mit Diabetes mellitus verantwortlich. Das DFS ist die häufigste Ursache für Amputationen oberhalb des Sprunggelenks in Deutschland. Damit einher gehen ein hohes Mortalitätsrisiko und ein hoher Verbrauch an Ressourcen: Einer Metaanalyse zufolge ist mit einer 5‑Jahres-Mortalität für Charcot-Neuroosteoarthropathie (CNO), diabetisches Fußulkus (DFU), Amputationen mit Teilfußerhalt (Minoramputation) und Amputationen ohne Fußerhalt (Majoramputation) von 29,0 %; 30,5 %; 46,2 % bzw. 56,6 % zu rechnen [1]. Im Zusammenhang mit einer hohen Amputation wegen eines DFS werden demnach mehr als die Hälfte der Patienten nach 5 Jahren verstorben sein. Zudem bedeutet die Versorgung dieser gefürchteten Komplikation einer Diabeteserkrankung enorme Belastungen für das Gesundheitssystem [2, 3]. Diese werden zweifelsohne nicht zuletzt deswegen weiter zunehmen, da mit steigender Diabetesprävalenz alleine aufgrund der demografischen Entwicklung auch mit einer steigenden Inzidenz für das DFS zu rechnen ist.

Gründe genug, dass sich die Gefäßchirurgie intensiv mit diesem Krankheitsbild beschäftigt, um diese Patienten im interdisziplinären und multiprofessionellen Team erfolgreich zu behandeln.

Als Schlüssel zur erfolgreichen Behandlung des DFS kann die Beantwortung folgender zwei Fragen gelten:

Warum entsteht die Läsion überhaupt und warum gerade hier?

In der ersten Frage „warum überhaupt?“ geht es um die aktive Klärung der Präsenz einer PNP und/oder einer behandlungsbedürftigen pAVK sowie ggf. weiterer Risikofaktoren bzw. Begleiterkrankungen.

In der zweiten Frage „warum hier?“ geht es um die Suche nach der pathobiomechanischen Ursache.

Während das Vorliegen einer relevanten PNP durch die Prüfung auf Temperaturempfinden (TipTherm), Druckempfinden (Semmes-Weinstein-Monofilament) und Vibrationsempfinden (Stimmgabeltest nach Rydel-Seiffer) relativ einfach und schnell diagnostiziert werden kann, gestaltet sich die Diagnostik und vor allem die Bewertung der Relevanz einer pAVK bei Menschen mit Diabetes oftmals schwieriger. U. Rother et al. gehen in ihrem Beitrag näher darauf ein.

Das von D. Hochlehnert und G. Engels auf der Auswertung von Daten von mehr als 10.000 Patienten entwickelte Entitätenkonzept erlaubt die Einteilung diabetischer Fußulzera (DFU) nach pathobiomechanischen Ursachen [4, 5]. Danach kann in Abhängigkeit der Lokalisation auch auf die Wahrscheinlichkeit einer pAVK geschlossen werden.

Zur Behandlung der pAVK im Stadium IV wurde von Vollmar das IRA-Konzept definiert. Hierbei steht I für Infektionssanierung, R für Revaskularisation und A für Amputation [6]. Hierauf basierend wurde von der AG Fuß der Deutschen Diabetes Gesellschaft das IRBESA-PP-Konzept weiterentwickelt, das die Leitlinienempfehlungen der Internationalen Working Group on the Diabetic Foot (IWGDF) [7] berücksichtigt und sämtliche Aspekte einer modernen Behandlung des DFS umfasst [8, 9]:

I:

Infektmanagement

R:

Revaskularisation

B:

Behandlung von Begleiterkrankungen

E:

Entlastung

S:

Stadiengerechte Wundbehandlung

A:

Amputation

P:

Physiotherapie, Psychosoziale Unterstützung

P:

Podologie, Prophylaxe

Da in dieser Ausgabe nicht alle Aspekte des IRBESA-PP-Konzeptes berücksichtigt werden konnten, haben wir ausgehend von den Themen unseres gemeinsamen Symposiums mit der AG Diabetischer Fuß der DDG anlässlich unserer 36. Jahrestagung in Osnabrück folgende Schwerpunkte gesetzt:

Für ein erfolgreiches Infektmanagement beim DFS ist neben der soliden Erfassung des Vorliegens einer Infektion, ggf. einer zeitnahen und suffizienten Infektchirurgie vor allem eine repräsentative mikrobiologische Diagnostik erforderlich.

R. Hendrix beschäftigt sich in seinem Beitrag aus der Sicht des Mikrobiologen mit den medizinischen und organisatorischen Voraussetzungen für einen aussagekräftigen mikrobiologischen Befund, der Voraussetzung für eine erfolgreiche antibiotische Therapie ist.

U. Rother et al. beschreiben neben der Diagnostik die Indikationen und Bewertung revaskularisierender Verfahren, die beim Patienten mit einem DFS zur Anwendung kommen.

Unverzichtbarer Bestandteil einer erfolgreichen Behandlung des DFS stellt eine wirksame (Fuß)-Entlastung dar. Dies gilt sowohl für Patienten mit reiner PNP als auch für Patienten mit PNP und pAVK – auch nach einer erfolgreichen Revaskularisation – und zwar dauerhaft.

F. Thienel geht als Diabetologe in seinem Artikel vor allem auf moderne Entlastungskonzepte ein, die sich im ambulanten wie stationären Setting gut umsetzen lassen.

C. Fischer beschreibt als Gefäßchirurgin und Spezialistin für Fußchirurgie gängige, meist minimal-invasive, operative Entlastungsmethoden.

M. Möller wollte abschließend in seinem Beitrag die aktuelle Version der Einteilung in Risikoklassen und Empfehlungen zur Schuh- und Einlagenversorgung vorstellen, die von der „Interdisziplinären Arbeitsgruppe Schuhversorgung beim Diabetischen Fußsyndrom“ unter seiner Mitarbeit erstellt worden sind und eine erhebliche Erleichterung in der täglichen Praxis und im Umgang mit den Krankenkassen bedeuten. Leider wurde die letzte Version noch nicht von allen Beteiligten abschließend konsentiert, sodass dieser Beitrag erst in einem der nächsten Hefte der Gefässchirurgie nachträglich publiziert werden kann.

Schwerpunktheftes gibt praxisorientierte Empfehlungen und Entscheidungshilfen im Umgang mit dem DFS

Ziel dieses Schwerpunktheftes ist es, praxisorientierte Empfehlungen und Entscheidungshilfen im Umgang mit dem DFS zu geben und zur interprofessionellen und interdisziplinären Zusammenarbeit anzuregen. Die Zertifizierungen als Fußbehandlungseinrichtungen der DDG sind dafür eine hervorragende Basis und stehen prinzipiell allen Professionen offen.

Die Artikel in dieser Ausgabe der Gefässchirurgie sollen einen Beitrag hierzu leisten. Um den Gedanken der Interdisziplinarität und Interprofessionalität hervorzuheben, haben Autoren aus unterschiedlichen Bereichen mitgewirkt und die Herausgeberschaft liegt gemeinsam in gefäßchirurgischen und diabetologischen Händen.

Ihre

Hartmut Görtz und Michael Eckhard