Die invasive Behandlung der extrakraniellen Karotisstenose gilt als operativ und interventionell attraktives, aber auch herausforderndes Feld der interdisziplinären Gefäßmedizin. Mit derzeit etwa 75 % aller Revaskularisationen steht die Gefäßchirurgie, die grundsätzlich beide Verfahren anbieten kann, dabei in der ersten Reihe und die Ergebnisse sind im internationalen Vergleich seit Jahren nicht zu beanstanden [1,2,3]. In einer aktuellen epidemiologischen Screeningstudie aus Deutschland wurde außerdem die große Bedeutung der Atherosklerose der Karotis unterstrichen: 35 % der Männer zwischen 45 und 74 Jahren und 23 % der gleichaltrigen Frauen hatten bereits eine pathologische Intima-Media-Verdickung. Eine bemerkenswerte Prävalenz, die auch im Einklang mit internationalen Daten steht [4, 5]. In einem Land mit ca. 83 Mio. Einwohnern und einer im internationalen Vergleich hohen Anzahl an Krankenhausbehandlungen ist es daher nicht verwunderlich, dass laut aktueller Bundesstatistik pro Jahr etwa 32.000 invasive Prozeduren in etwa 570 Zentren durchgeführt werden [6]. Diese Zahl macht übrigens etwa 6 % der weltweit 500.000 geschätzten Prozeduren pro Jahr aus.

Zahlreiche nationale und internationale Leitlinien geben derweil Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie dieser Erkrankung [7,8,9]. Dabei scheint die Interpretation bzw. Umsetzung dieser Empfehlungen international zu variieren, wenn man beispielsweise den Anteil an asymptomatischen Patient:innen vergleicht. Während etwa im hochzentralisierten Dänemark fast keine Prozeduren ohne läsionsassoziierte Symptomatik durchgeführt werden, beträgt der entsprechende Anteil in Italien fast 80 % (ca. 56 % in Deutschland). Insgesamt ließ sich in den Analysen des International Consortium of Vascular Registries (ICVR) und VASCUNET eine Assoziation mit dem Erlössystem nachweisen, was den Einfluss externer Faktoren unterstreicht [2]. Überhaupt muss man allerdings festhalten, dass fast alle zugrunde liegenden Registerdaten auf die kurzfristige periprozedurale Episode, also in aller Regel den stationären Aufenthalt beschränkt blieben. Mit nur wenigen Tagen umfasst diese Zeitperiode zwar einige wichtige, aber nicht alle relevanten Endpunkte. Das war und ist auch in Deutschland so und betrifft sowohl die Krankenhausdiagnosestatistiken des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) als auch die Qualitätssicherungsdaten des Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG). Die beiden letztgenannten Datenquellen, die auch öffentlich für Sekundäranalysen zur Verfügung stehen, ermöglichen beeindruckend große Zahlen und einen fast vollständigen Einblick in die Versorgungsrealität. Während die Validierung durch die Medizinischen Dienste der Krankenkasse einen grundsätzlichen Vorteil gegenüber vielen internationalen Registern nahelegt, sind ein sogenanntes „Upcoding“ der Fallschwere in Abrechnungsdaten und eine unvollständige Erfassung von Komplikationen in Qualitätssicherungsdaten nicht in letzter Instanz auszuschließen. Grundsätzlich ist die Validität dabei kontextspezifisch zu verstehen und sollte nicht zu sehr vereinfacht werden [10].

Dass die perioperativen Ergebnisse, z. B. die Krankenhaussterblichkeit bei der Behandlung des Bauchaortenaneurysmas, nicht unbedingt mit der Sterblichkeit nach der stationären Entlassung übereinstimmen, wurde häufig kontrovers diskutiert. Bereits nach 30, 60 und 90 Tagen ließ sich demnach eine 2–3 × höhere Sterberate nach der Entlassung und in entsprechenden Daten nachweisen, was den Nutzen von Krankenhausergebnissen substanziell einschränkt [11,12,13]. Allerdings stehen besser geeignete Ergebnisqualitätsindikatoren, die eine längere Zeitspanne einschließen, in den meisten Registern bisher nicht vollständig zur Verfügung.

Auch die invasive Behandlung der asymptomatischen Karotisstenose gilt neben dem intakten Bauchaortenaneurysma in aller Regel als typischer prophylaktischer Gefäßeingriff. Der wissenschaftlich und klinisch relevanteste Endpunkt ist bei der Karotisstenose das langfristige Überleben ohne Schlaganfall. In den hochwertigen randomisierten kontrollierten Studien konnte nachgewiesen werden, dass die Revaskularisation der asymptomatischen Stenose einen geringen, aber statistisch signifikanten Vorteil bei der langfristigen Vermeidung des Schlaganfalls bringt. Die erforderliche Behandlungszahl zur Vermeidung eines einzigen Schlaganfalls ist dabei allerdings relativ hoch, weshalb die Leitlinienempfehlungen entsprechend differenziert ausfallen und die verbleibende Lebenserwartung immer wieder als Erwägungsgrund diskutiert wird [14,15,16,17]. Bei der symptomatischen Stenose ist der Nettonutzen dagegen offensichtlicher, was sich in der Ausgestaltung der stärkeren Leitlinienempfehlungen zur zeitnahen Therapie niederschlug [7,8,9].

In einer geplanten Analyse von gepoolten Daten der vier größten randomisierten kontrollierten Studien zur symptomatischen Stenose (EVA-3S, SPACE, ICSS, CREST) konnten nach einem Jahr Schlaganfallraten in Höhe von 6,4 % nach Karotis-Endarteriektomie (CEA) und 9,5 % nach Karotis-Stentangioplastie (CAS) nachgewiesen werden [18]. Ähnliche Schlaganfallraten ließen sich auch in einer aktuellen Routinedatenanalyse zu symptomatischen Läsionen finden. Während die perioperativen Sterbe- und Schlaganfallraten in dieser Studie durchaus den Ergebnissen aus dem Qualitätssicherungsregister des IQTIG entsprachen, erlitten etwa 3,4 % innerhalb eines Jahres nach CEA und 6,4 % nach CAS einen Schlaganfall (jede Seite). Die Unterschiede zwischen den Verfahren sollten dabei wegen der Gefahr des residuellen Confoundings entsprechend vorsichtig und eher hypothesengenerierend interpretiert werden [19].

Wichtiger als diese Details beim Verfahrensvergleich war allerdings die Tatsache, dass in entsprechend verknüpften Routinedaten erstmals eine ausgesprochen hohe Langzeitsterblichkeit und -schlaganfallrate nachgewiesen werden konnte. Nach einem Jahr erlitten 7,3 % nach CEA und 10,2 % nach CAS einen Schlaganfall (jede Seite) oder starben. Nach fünf Jahren betrug die alleinige Schlaganfallrate 7,4 % nach CEA und 9,0 % nach CAS. Besonders auffällig war dies in der Gruppe der asymptomatischen Patient:innen (5,9 % vs. 7,6 %), deren Ereignisraten in den randomisierten kontrollierten Studien niedriger ausfielen.

Betrachtet man diese Ergebnisse und die internationale Debatte über kurzfristige Unterschiede zwischen technischen Verfahren oder Subgruppen aus einer eher übergeordneten Perspektive, erscheint der allgegenwärtige Fokus auf die Krankenhausbehandlung von der eigentlichen Herausforderung abzulenken.

Die patientenindividuelle holistische Therapie von Menschen mit Gefäßkrankheiten beginnt nicht im Krankenhaus und endet nicht mit der stationären Entlassung. Bereits in früheren Beobachtungsstudien konnte das exorbitant hohe Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse in dieser Zielgruppe mit polyvaskulären Erkrankungen unterstrichen werden. Aktuelle Leitlinien betonen daher besonders den Stellenwert des sogenannten Best Medical Treatment bei allen peripheren arteriellen Gefäßerkrankungen (hoch dosierte Statintherapie, Rauchentwöhnung, Blutdruckeinstellung, antithrombotische Therapie, körperliche Aktivität etc.). Aus der Versorgungsrealität zur peripheren arteriellen Verschlusskrankheit wissen wir, dass insbesondere die Statintherapie, aber auch die antithrombotische Therapie in der Flächenversorgung noch nicht leitliniengerecht erfolgt [20, 21].

Dass diese überlebenswichtigen Maßnahmen auch in modernen Gesundheitssystemen mit hohen Gesundheitsausgaben noch nicht erfolgreich umgesetzt werden, ist bedauerlich und gibt Anlass zum Nachdenken.

Unser Fach hat sich in der Vergangenheit stets offen und aufgeschlossen weiterentwickelt und ist heute zentraler Partner bei der offen-chirurgischen und endovaskulär-interventionellen Behandlung der gefäßmedizinischen Leistungsgruppen. Es ist an der Zeit, dass wir auch die konservative Therapie unserer Patient:innen als integralen Part des holistischen Ansatzes verstehen und diese Verantwortung übernehmen.