Einführung

Ein Aneurysma ist eine lokale Aussackung eines Blutgefäßes, die sich aufgrund einer Schwächung oder Schädigung der Gefäßwand entwickelt. Aneurysmen können überall im Körper auftreten, am venösen System hingegen sind sie extrem selten [3], da wiederum am häufigsten im venösen Poplitealsegment [4, 6, 10].

Das Ziel des wissenschaftlichen „Case Reports“ ist es, anhand einer repräsentativen Kasuistik den sehr seltenen Fall eines V.-jugularis-interna-Aneurysmas und basierend auf:

  • ausgewählten Referenzen der medizinisch-wissenschaftlichen Literatur (sowie)

  • eigenen klinischen, fallspezifisch gewonnenen Managementerfahrungen,

Anamnese-, Symptomatik-, Befund-, Diagnostik- und Therapie- als auch Outcome- sowie Nachsorge-assoziierte Aspekte des konkreten Falles und allgemein zu venösen Aneurysmen zu umreißen.

Kasuistik

Anamnese und Befunde

Bei einer 62-jährigen Patientin wurde durch die Endokrinologen ein primärer Hyperparathyreoidismus diagnostiziert. In der Sonographie der Nebenschilddrüsen wurde lediglich ein fraglicher Befund rechts-kaudal gesehen. Eine MIBI-Nebenschilddrüsenszintigraphie ergab keinen Nachweis eines Nebenschilddrüsenadenoms. Im F‑18-Cholin-PET/CT zeigte sich eine allenfalls geringe Mehrspeicherung am rechten Schilddrüsenlappen kaudal. Die eindeutige Darstellung eines Nebenschilddrüsenadenoms lag nicht vor, sodass eine selektive Halsvenenkatheterisierung erfolgte, in der sich eine Lateralisierung der Parathormonsekretion auf der rechten Seite zeigte. Dies erhärtete den Verdacht auf ein Nebenschilddrüsenadenom rechts-kaudal. Bei vorliegender Osteoporose und beginnender Nephrolithiasis wurde die Indikation zur Exstirpation des Nebenschilddrüsenadenoms gestellt.

Des Weiteren wurde bei der Patientin ein Aneurysma der V. jugularis interna dextra bei Pseudoxanthoma elasticum während der 18-F-Cholin-PET/CT („deutliche aneurysmatische Aufweitung der V. jugularis interna dextra“) und Halsvenenkatheteruntersuchung diagnostiziert. Daher wurde gefäßchirurgischerseits die Indikation zur Simultan-OP mit Raffung der V. jugularis interna rechts gestellt (Abb. 1 und 2).

Abb. 1
figure 1

PET-CT mit venösem Aneurysma rechts-zervikal in transversaler (a) und frontaler Ansicht (b)

Abb. 2
figure 2

Phlebographie der Halsvenen mit Darstellung des venösen Aneurysmas

Therapie und Verlauf

Bei bekanntem Vorhofflimmern erfolgte das übliche präoperative Bridging der Antikoagulationstherapie.

Präoperativ erfolgte zunächst die Planung zu einer tangentialen Resektion des Aneurysmas und Raffungsnaht. Anschließend war eine Exstirpation des Nebenschilddrüsenadenoms rechts-kaudal vorgesehen. Perioperativ erfolgte die intravenöse Antibiotikaprophylaxe mittels Cefuroxim (1,5 g; Cefuroxim-ratiopharm®, ratiopharm GmbH; Ulm, Deutschland).

Unter „Jugularis-Schnittführung“ wurde die Vorderseite des M. sternocleidomastoideus dexter im zentralen Bereich dargestellt. Die V. jugularis interna dextra wurde teils stumpf, teils scharf präpariert und freigelegt. Diese war aneurysmatisch auf 50 mm erweitert. Die Seitenäste im proximalen Bereich wurden mittels Vicryl 3‑0 (Johnson & Johnson Medical Devices Companies Deutschland, Norderstedt, Deutschland) ligiert und durchtrennt. Es erfolgte die Fortführung der Präparation der V. jugularis interna nach proximal. Hier wurde die V. facialis dargestellt und an der Einmündungsstelle zur V. jugularis interna mittels Vicryl 3‑0 (Johnson & Johnson Medical Devices Companies Deutschland) ligiert und durchtrennt. Danach wurde die Vene distal und proximal des Aneurysmas (distal: über der Einmündungsstelle der V. facialis/proximal: direkt über der Einmündungsstelle in die V. subclavia dextra) freipräpariert und mittels „vessel loops“ angeschlungen (Abb. 3 und 4). Es erfolgte die systemische Gabe von 3000 IE Heparin. Nunmehr wurde die Vene proximal und distal mittels Gefäßklemmen abgeklemmt, dann wurde das Aneurysma auf ca. 10 cm Länge tangential an der Vorderwand mit spindelförmigem Wandpräparat abgetragen (Abb. 5). Hiernach erfolgte die lokale Spülung der Venotomie mit Heparin-Kochsalzlösung und anschießend die longitudinale Raffungsnaht auf der gesamten Länge mittels 6‑0 Prolene (Johnson & Johnson Medical Devices Companies Deutschland) in fortlaufender Nahttechnik. Anschließend Freigabe des Blutstroms zunächst nach zentral, dann von distal. Im Anschluss wurde die Operation an die beteiligte endokrine Chirurgin zur Exstirpation des Nebenschilddrüsenadenoms übergeben, das adäquat zu lokalisieren und zu entfernen war.

Abb. 3
figure 3

Intraoperative Darstellung: Anschlingung des venösen Aneurysmas proximal und distal mittels „vessel loops“

Abb. 4
figure 4

Tangentiale Resektion der Vorderwand des venösen Aneurysmas (a) und gewonnenes Gewebepräparat (b) für die (histo-)pathologische Untersuchung

Abb. 5
figure 5

Intraoperativer Situs – erfolgte tangentiale Resektion des Aneurysmas (a) und Raffungsnaht auf 10 cm Länge (b)

Postoperativ war bei unauffälligen Laborparametern ein lokales Wundserom zu verzeichnen. Unter lokaler Kühlung zeigte sich dies regredient.

Hinsichtlich des entfernten Nebenschilddrüsenadenoms kehrten postoperativ iPTH und Kalzium zu Normwerten zurück.

Die Histopathologie des aneurysmatisch erweiterten Venenwandpräparates beschrieb Texturstörungen und luminale Anteile eines Parietalthrombus ohne Anhalt für eine Infektion oder Malignität. Das Nebenschilddrüsenadenom wurde histologisch nachgewiesen.

Bei der Entlassung erfolgte die Wiederumstellung auf Lixiana® 60 mg Filmtabletten (Daiichi Sankyo Deutschland GmbH, München, Deutschland).

Die Nachsorge wird in der hiesigen gefäßchirurgischen Ambulanz zur klinischen und duplexsonographischen Verlaufskontrolle realisiert. Es zeigte sich in der klinischen Verlaufskontrolle eine reizlose Narbe. In der Duplexsonographie ergab sich an der V. jugularis interna zum stationären Entlassungszeitpunkt eine regelrechte Konfiguration, normalkalibrig und ohne Anhalt für Thromben. Auch die 3‑Monate-Verlaufsduplexsonographie zeigte keine Auffälligkeiten hinsichtlich Aneurysmarezidiv, Stenosierung oder Perfusionsbeeinträchtigung (Abb. 6).

Abb. 6
figure 6

Postoperative Duplexsonographiekontrolle 3 Monate nach stationärer Entlassung (a longitudinal, b transversal) mit regelrechten Verhältnissen des rekonstruierten venösen Gefäßsegments

Diskussion

Als Aneurysma bezeichnet man definitionsgemäß eine pathologische Erweiterung der Wand eines Blutgefäßes (Arterie, Vene).

Venöse Aneurysmen sind im Vergleich zum arteriellen System extrem selten [3].

Bei den venösen Aneurysmen liegt ursächlich am häufigsten eine Wandschwäche vor. Andere Ursachen sind Traumata, Entzündungen, degenerative Prozesse, mechanische Belastungen und venöser Hochdruck [2].

Die Lokalisation der venösen Aneurysmen ist am ehesten vom venösen Hochdruck abhängig. Daher sind die venösen Aneurysmen häufiger an den unteren Extremitäten und im Abdomen als im Kopf und am Hals zu finden. In einer Studie über 39 Aneurysmen bei 30 Patienten waren 30 Aneurysmen an den unteren Extremitäten, 4 an den oberen Extremitäten und 5 an der V. jugularis interna lokalisiert [5]. Venöse Aneurysmen können in jeder großen Vene auftreten. Aufgrund der Seltenheit dieses Krankheitsbildes kann das venöse Aneurysma als inguinale oder femorale Hernie falsch diagnostiziert werden [5, 8]. Die venösen Aneurysmen des tiefen Venensystems sind häufig verbunden mit einer tiefen Venenthrombose, einer Lungenarterienembolie, einer Thrombophlebitis oder einer akuten Blutung bei spontaner Ruptur [5].

Zur Diagnostik venöser Aneurysmen gilt die Duplexsonographie als Goldstandard [7]. Zur Komplettierung der Diagnostik und zum Ausschluss einer zentralen Erweiterung können zudem CT-Angiographie, MRT und Phlebographie durchgeführt werden [7]. Im vorgestellten Fall erfolgte im Zusammenhang mit dem primären Hyperparathyreoidismus bei unklarer Lokalisation des Nebenschilddrüsenadenoms ein 18-F-Cholin-PET/CT. Dieses zeigte eine deutliche aneurysmatische Aufweitung der V. jugularis interna dextra.

Die operative Behandlung der venösen Aneurysmen ist abhängig von der Lokalisation und der Symptomatik [2]. Die Indikation wird an den unteren Extremitäten bei erhöhter Komplikationsrate von 71 % (einschließlich tiefer Venenthrombose und Lungenarterienembolie) großzügig gestellt. Auf der anderen Seite wird die operative Behandlung venöser Aneurysmen des Abdomens unabhängig von der Symptomatik prophylaktisch empfohlen bei einer Komplikationsrate von 41 % sowie Letalität von 15,6 % [1]. Allerdings wird die Indikation zur operativen Behandlung bei venösen Aneurysmen speziell am Hals und im Kopf nur bei Symptomatik, kosmetischen Problemen oder in Zusammenhang mit anderen Krankheitsbildern wie im berichteten Fall gesehen [2].

Bezug nehmend auf die lokale Befundsituation und den präsentierten Kasus diskutierend, kam es im illustrierten Fallbeispiel wegen des zeitlichen und lokal-topografischen Zusammenhangs des venösen Aneurysmas mit dem vermuteten Nebenschilddrüsenadenom zu der Überlegung, ob hier ein kausaler Zusammenhang bestehen könnte.

  1. 1.

    Zur Diagnostik:

    • Der Stufenkatheter musste herangezogen werden, da die NSD-Adenomlokalisation nicht anders zweifelsfrei geklärt werden konnte und die extern in einer spezialisierten Klinik nach einem entsprechenden Schema durchgeführt wurde (Skizze und einzelne Werte nicht vorliegend), jedoch die zusammenfassende Einschätzung mit Lateralisierung der Parathormonsekretion auf der rechten Seite ergab.

    • Tc-99m-MIBI wird generell in den Mitochondrien der Zellen akkumuliert und ist zur Darstellung von mitochondrienreichem Gewebe geeignet. Die Größe, die zelluläre Zusammensetzung und die Aktivität der Nebenschilddrüsen können einen Einfluss auf die Detektionsrate haben.

  2. 2.

    Beim sekundären HPT führt eine nicht parathyreoigene Erkrankung zu einem Absinken des Serumkalziums, worauf die NSD sekundär mit einer Mehrsekretion an PTH reagiert, was zu einer generellen Hyperplasie meist mehrerer NSD führt. Die Ursachen können hierfür renal (typischerweise die chronischen Nierenerkrankungen), enteral (Malabsorption), selten hepatisch (gestörte Umwandlung oder Resorption von Vitamin D) oder in anderen Formen des Vitamin-D-Mangels begründet sein.

  3. 3.

    Es wurde die Indikation zur kombinierten Aneurysmaresektion und Resektion des Nebenschilddrüsenadenoms rechts-kaudal abgeleitet, was im Spektrum der OP-Indikation den Aspekt „Zusammenhang mit anderen Krankheitsbildern“ (neben „Lokalisation“ und „Symptomatik“) erfüllt, obwohl die Venenaneurysmalokalisation am Hals und im Kopf nur bei Symptomatik oder kosmetischen Problemen bzw. im Zusammenhang mit anderen Krankheitsbildern (wie im vorliegenden Fall) vorgenommen wird.

  4. 4.

    Der intraoperative Verlauf war komplikationslos, was die getroffene Entscheidung hinsichtlich der verfolgten OP-Strategie – aneurysmatische Venenvorderwandabtragung und Raffungsnaht, Kombinationseingriff in gleicher Sitzung und vorgenommener operativer Versorgung (konsekutiver gefäßchirurgischer/endokrin-chirurgischer Kombinationseingriff) – zusätzlich rechtfertigte. Postoperativ erfolgte bei aufgetretenem Serom die konservative Behandlung sowie die regelmäßige Duplexsonographie als geeignete und weithin verfügbare Bildgebung zur Verlaufskontrolle, die die regelrechte Befundkonstellation nach Rekonstruktion des betroffenen Gefäßsegments, insbesondere die einwandfreie Perfusion im Bereich des ausgeschalteten Venenaneurysmas demonstrierte.

  5. 5.

    Beim Pseudoxanthoma elasticum handelt es sich um eine seltene erbliche Erkrankung (auch Grönblad-Strandberg-Syndrom, autosomal-dominant oder -rezessiv vererbt, bei der die elastischen Fasern des Bindegewebes durch Einlagerung von Mineralsalzen (Calcium) verändert werden; die Fasern werden brüchig und zerfallen in kurze Bruchstücke). Das legt die mögliche ätiopathogenetische Mitbeteiligung für eine aneurysmatische Manifestation nahe, wobei in Anbetracht der nicht erfolgten genetischen Untersuchung ein kausaler Zusammenhang nicht zwangsläufig und definitiv abgeleitet werden kann. Intraoperativ ließen sich jedenfalls keine besonders brüchigen Gefäßwände eruieren. Prinzipiell ist anzunehmen, dass die Hyperkalzämie im Rahmen des pHPT das Pseudoxanthoma elasticum negativ beeinflussen kann.

  6. 6.

    Die Histopathologie zeigt üblicherweise am ehesten eine Verdickung und Fibrosierung der Intima [9]. Im dargestellten Kasus wurde über Texturstörungen und luminale Anteile eines Parietalthrombus ohne Anhalt für Infektion oder Malignität im Pathologiebefund berichtet. Auch diese Charakteristika bestätigten die klinisch, bildgebend und intraoperativ erhobenen Befunde und die abgeleitete Diagnose.

Als limitierend ist der begrenzt zu erzielende befundspezifisch ausgerichtete Erfahrungserwerb durch den berichteten, wenn auch repräsentativen Einzelfall und die eher selten vorkommende Befundkonstellation anzuführen. Bisher sind lediglich 2 Fallserien (n = 39 [1]; n = 5 [9]) neben Einzelfällen [2] in der zugänglichen medizinisch-wissenschaftlichen Literatur zu ermitteln.

Fazit

  • Ein Aneurysma ist eine lokale Aussackung eines Blutgefäßes, die sich aufgrund einer Schwächung oder Schädigung der Gefäßwand entwickelt.

  • Venöse Aneurysmen sind im Vergleich zum arteriellen System extrem selten.

  • Die Lokalisation der venösen Aneurysmen ist am ehesten vom venösen Hochdruck abhängig.

  • Zur Diagnose eines venösen Aneurysmas sowie zur postoperativen Verlaufskontrolle ist die Duplexsonographie sehr gut geeignet.

  • Die operative Behandlung der venösen Aneurysmen ist abhängig von der Lokalisation und der Symptomatik – ggf. kann bei Vertretbarkeit eine simultane operative Versorgung mit Begleitbefunden erfolgen.

  • Die Histologie zeigt am ehesten eine Verdickung und Fibrosierung der Intima.

  • Das V.-jugularis-interna-Aneurysma ist eine seltene Entität – die OP-Indikation wird in Abhängigkeit von der:

    • Lokalisation am Hals und im Kopf nur bei Symptomatik oder kosmetischen Problemen bzw. im Zusammenhang mit anderen Krankheitsbildern (wie im vorliegenden Fall) sowie

    • Symptomatik (Schwellung, Rötung, Schmerzen)

    gestellt.

  • Da es sich um eine Rarität handelt, liegt nur spärliche statistische Evidenz vor.

  • Wenn das Nebenschilddrüsenadenom nicht gewesen wäre, hätte man nach Literaturempfehlung mit hierzu herangezogenen Argumenten und Risiken nicht operieren müssen, wie es nahezuliegen scheint.