Geschätzte Leserinnen und Leser,

kennen Sie ChatGPT? Dies ist der neue Stern am Himmel der künstlichen Intelligenz. Wenn man den Begriff einmal gehört hat, gibt es keinen Tag, an dem man hierzu nichts in der (Laien-)Presse findet. Und seitdem ich es auf meinem Handy installiert habe, schaue ich immer wieder dort hinein – bereits die erste Anwendung hatte mich tief beeindruckt. Im Grunde geht es um Algorithmen und wie menschlich sich das gegenüberstehende Computersystem verhält. Tatsächlich ist es unfassbar, wie gut dieser Algorithmus antwortet. Die folgenden Zeilen hat ChatGPT erstellt, nachdem ich „Schreibe ein Editorial zur PAVK“ eingegeben habe:

„Um die PAVK besser zu erfassen und zu behandeln, ist es wichtig, dass sowohl Patienten als auch Ärzte über die Erkrankung informiert sind. Patienten sollten auf mögliche Symptome wie Schmerzen beim Gehen oder Wunden, die schlecht heilen, achten und bei Verdacht auf eine PAVK einen Arzt aufsuchen. Ärzte sollten ihrerseits frühzeitig an eine PAVK denken und gezielt danach suchen, insbesondere bei Risikopatienten wie Rauchern oder Menschen mit Diabetes.

Es ist an der Zeit, dass die PAVK mehr Aufmerksamkeit erhält. Denn nur so lässt sich verhindern, dass Betroffene unnötig leiden und schwerwiegende Komplikationen entstehen. Eine frühzeitige Diagnose und Therapie können dazu beitragen, dass die Lebensqualität von Betroffenen erhalten bleibt und sie ein aktives und gesundes Leben führen können.“

Besser hätte es ein Gefäßspezialist nicht formulieren können. Geben Sie mal „Differenzialdiagnose chronische Wunde“ ein. Sind diese künstlichen Intelligenzen ein Segen? Tatsächlich wird ChatGPT bei Amazon als Co-Autor (!) von zahlreichen Büchern genannt, die sich auch mit ganz alltäglichen Themen wie Golf, Mentaltraining und Feminismus beschäftigen. ChatGPT kann auch Lieder schreiben und zahlreiche andere Inhalte erstellen. Thomas Schmitz-Rixen, aktueller Generalsekretär der DGCh, und langjähriger Mitstreiter für die Belange der Gefäßchirurgie, hat zuletzt ChatGPT interviewt und dies im Mitteilungsblatt der chirurgischen Fachgesellschaften publiziert [1].

Wie immer, gibt es (mindestens) zwei Seiten. So können mithilfe dieser Software auch viele missbräuchliche Anwendungen durchgeführt werden. Die EU mit ihrer Bürokratie wird wohl nicht in der Lage sein, einen entsprechenden Rahmen zu setzen [2]. Italien hat aktuell ChatGPT landesweit gesperrt [3]. Auch andere Autoren beschreiben eine dunkle Seite dieser Intelligenz, wie beispielsweise Anleitungen zum Bau einer Bombe [4]. Es gibt einen offenen Brief an alle Firmen, die künstliche Intelligenz entwickeln, mit der Forderung, die weiterführende Forschung an künstlicher Intelligenz, die über ChatGPT4 (aktuelle Version) hinausgeht, für 6 Monate zu pausieren [5]. Unterschrieben haben zahlreiche namhafte Wissenschaftler, Wirtschaftler und Prominente, u. a. Steve Wozniak, der als das Computergenie bei der Gründung von Apple gilt (Steve Jobs war der Marketing-Visionär), Elon Musk und Yuval Noah Harari, den ich in vorangegangenen Editorials auch schon mehrfach zitiert habe. Interessanterweise finden sich nur sehr wenige Ärzte in der Unterschriftenliste, die bisher (06.04.2023) 13.324 Unterschreiber umfasst.

Und trotz aller künstlichen Intelligenz – bisweilen ist der Mensch als Therapeut den Maschinen (noch?) überlegen. So wurde kürzlich eine Studie publiziert, die festgestellt hat, dass die klinische Einschätzung eines Chirurgen jeglichen Scores überlegen ist [6]. Wobei man auch viele Jahre dachte, ein Computer könne niemals einen Schachweltmeister besiegen, bevor dies „Deep Blue“ von IBM im Jahre 1996 gegen Gary Kasparow gelang. Allerdings war „Deep Blue“ noch kein lernendes System [7]. Seitdem sind auch 27 Jahre vergangen (!).

Bisweilen ist der Mensch als Therapeut den Maschinen (noch?) überlegen

Dennoch – ChatGPT ist faszinierend und modern. Moderne Gefäßmedizin ist auch eines der Themen des vorliegenden Heftes, das die PAVK von verschiedenen Seiten betrachtet, wie Christian-Alexander Behrendt und Ulrich Rother es in der Hinführung zum Thema belegen. An dieser Stelle möchte ich auf ein anderes modernes Verfahren hinweisen – den da-Vinci-Roboter. Haben Sie mal an einer solchen Konsole gesessen? Zuletzt habe ich zum ersten Mal einen Patienten mit Dunbar-Syndrom zusammen mit unseren Viszeralchirurgen am Roboter operiert. Ehrlich gesagt, war es natürlich umgekehrt, die Kollegen haben operiert, und ich konnte zwischenzeitlich mal die Steuerung übernehmen. Da ich früher auch laparoskopisch operiert habe, war mir das nicht ganz fremd, aber auch hier war ich begeistert – über die Übersichtlichkeit und Vergrößerung. Noch nie habe ich einen derart freigeputzten Tr. coeliacus gesehen. Nachdem ich das gesehen habe, kann ich meinen Patienten, bei denen nicht simultan das Gefäß operiert wird, einen offenen Eingriff nicht mehr guten Gewissens empfehlen. Da die Lernkurve aber sehr flach ist, und es außer diesem Krankheitsbild doch sehr selten eine Anwendung dafür in der Gefäßchirurgie gibt, lohnt sich das Erlernen für mich nicht. – Ich werde diese Patienten wohl an die Viszeralchirurgie abgeben (außer, der Truncus wird in der gleichen Sitzung rekonstruiert). Aber dafür können die Kollegen dann auch die Nachbetreuung der Patienten übernehmen.

Aber nicht alle Roboter sind Heilsbringer. Kennt jemand von Ihnen das „Magellan“-System von Hansen Medical? Vor etwa 10 Jahren kam es auf den Markt, es sollte per Fernbedienung die Katheter im Rahmen von Interventionen steuern. Schon damals erschien mir der Mehr-Wert nicht klar, das Gerät sollte ca. 1 Mio. € kosten. Nicht alles Neue ist also disruptiv. Und manches Alte vielleicht auch besser als Neues – wie im Dezember in der BEST-CLI-Studie publiziert, wies der Venenbypass gegenüber allen anderen Verfahren das beste amputationsfreie Überleben auf [8]. Mal sehen, wie sehr ChatGPT und neue Technologien auf unseren Alltag und unseren Beruf Einfluss nehmen werden. Bis dahin wird wohl noch etwas Zeit vergehen, und Sie finden hier im Heft neben den Leitthemen-Artikeln zwei weitere aus der Rubrik „PAVK“ (C.-A. Behrendt, D. Dovzhanskiy). Ich freue mich sehr, wie viel in dieser Rubrik publiziert wird. In einer Übersichtsarbeit stellt A. Oberhuber die Eigenschaften verschiedener Drähte dar. A. Oberhuber ist auch der korrespondierende Autor der neuen, interdisziplinären Leitlinie zur Typ B Dissektion. Diese erscheint nun zunächst online in der Langfassung in englischer Sprache, und wird im Laufe des Jahres in Form einer Zusammenfassung in dieser Zeitschrift publiziert. Der besondere Fall stellt die Therapie eines Hepatika-Aneurysmas mittels Flow-Diverter dar (E. Spüntrup), und CME befasst sich mit Perfusionstechniken bei thorakoabdominellen Aneurysmen (S. Wipper, T. Schachner).

Herzlichst, Ihr

Axel Larena-Avellaneda