Anamnese und klinischer Befund

Zwei Tage nach Herzkatheteruntersuchung mit mehrfachen Drug-eluting-Stentimplantationen bei einer 83-jährigen adipösen Patientin mit Zugang über die rechte Arteria femoralis communis klagte diese über mittelgradige, jedoch stetig zunehmende Schmerzen und eine zunehmende Weichteilschwellung mit livider Hautverfärbung in der rechten Leistenregion. Im Vergleich zum präinterventionellen Labor zeigte sich ein geringer Hb-Abfall um einen Hb-Punkt. Weitere laborchemische Auffälligkeiten bestanden nicht. Ein postinterventioneller Druckverband wurde angelegt. Postprozedural bestand eine doppelte Plättchenhemmung per os mit ASS 100 mg und Clopidogrel 75 mg. Die Thrombozytenzahl periprozedural betrug 670 G/l [Referenzwert: 150–450 G/l].

In der körperlichen Untersuchung waren periphere Durchblutung, Motorik und Sensibilität der rechten unteren Extremität intakt. Die arteriellen Femoralgefäße waren sonographisch regelhaft perfundiert. Im B‑Bild zeigte sich auf Höhe der Punktionsstelle eine große zystisch imponierende Formation von etwa 4,9 cm × 3,2 cm × 3,0 cm Größe ventral angrenzend an die rechte Arteria femoralis communis (Abb. 1). In der farbkodierten Duplexsonographie (FKDS) präsentierte sich diese Formation mit einem äußerst interessanten und einprägsamen, pulsatil modulierten bidirektionalen Perfusionssignal, dem sog. Yin-Yang-Zeichen (Abb. 2 und 3).

Abb. 1
figure 1

Sonographie der rechten Leiste. Im B‑Bild Darstellung einer ovalären echofreien Formation ventral der Arteria femoralis communis

Abb. 2
figure 2

Farbkodierte Duplexsonographie (FKDS). Hier zeigt sich die Formation mit einem pulsatil modulierten bidirektionalen Perfusionssignal, dem sog. Yin-Yang-Zeichen (Symbol rechts oben)

Abb. 3
figure 3

Farbkodierte Duplexsonographie (FKDS). Aneurysma spurium ventral der Arteria femoralis communis (AFC) rechts mit Nachweis des Aneurysmahalses, der aus der AFC entspringt

Diagnose

Postinterventionelles Aneurysma spurium (AS) ausgehend von der A. femoralis communis.

Therapie und Verlauf

In unserem präsentierten Fall erfolgte der Versuch einer sonographisch gesteuerten Thrombininjektion, unter der initial eine erfolgreiche Ausschaltung erzielt wurde und die Patientin am Folgetag entlassen werden konnte (Abb. 4). Die Patientin stellte sich jedoch kurze Zeit später erneut mit einem zunehmend schmerzhaften Hämatom in der rechten Leiste vor. Die diesmalige Sonographie war aufgrund des ausgeprägten Hämatoms nicht aussagekräftig, sodass eine weiterführende Diagnostik mittels kontrastmittelgestützter Computertomographie (CT) den Nachweis eines reperfundierten AS erbrachte (Abb. 5). Dieses wurde letztlich chirurgisch ausgeschaltet.

Abb. 4
figure 4

Sonographie der rechten Leiste. B‑Bild-Darstellung des leicht echoreichen Aneurysma spurium ventral der Arteria femoralis communis nach Thrombininjekion

Abb. 5
figure 5

Kontrastmittelgestützte Computertomographie (CT). Korrelierend zum sonographischen Befund zeigt sich ventral der Arteria femoralis communis (AFC) in der axialen (a) und der sagittalen (b) Reformation eine kontrastierte Formation im Sinne eines Aneurysma spurium (AS). Der Aneurysmahals lässt sich als schmale Verbindung zur AFC flau abgrenzen (Pfeil)

Diskussion

Ein AS (syn. Pseudoaneurysma, falsches Aneurysma) ist neben einem lokalen Hämatom oder einer arteriovenösen (AV-)Fistel eine der möglichen lokalen vaskulären Komplikationen nach arteriellen Interventionen, zumeist im Zugangsbereich der peripheren Extremitätenarterien. Beim femoralen Zugang (über die A. femoralis communis) ist bei diagnostischen Koronarangiographien in 0,5 % und bei therapeutischen Koronarangiographien in 4,6 % der Fälle mit dem Auftreten eines AS zu rechnen [1]. Bis zu 80 % der peripheren AS sind iatrogener Ursache, können aber auch in Fällen von Traumata, Infektionen und Malignomen prinzipiell an allen Körperarealen vorkommen, beispielsweise an viszeralen Gefäßen bei akuter/chronischer Pankreatitis [2, 3]. Die AV-Fistel ist mit 0,86 % der Fälle eine seltenere Komplikation bei femoralem Zugang und zumeist selbstlimitierend, kann jedoch selten bei entsprechendem Shunt-Volumen Symptome einer Herzinsuffizienz hervorrufen. Ein AS und eine AV-Fistel können auch kombiniert auftreten [4]. Im Kontext interventioneller Prozeduren sind große Schleusendurchmesser, mehrfache arterielle Punktionen, Punktionsversuche ohne sonographische Führung, Punktionen unterhalb der Femoralisbifurkation, Verkalkungen im Punktionsbereich, eine unzureichende postinterventionelle Kompression oder auch die Gerinnungssituation des Patienten (u. a. Thrombozytenzahl < 200 G/l, fortgesetzte Antikoagulation) und ein erhöhter Body-Mass-Index (BMI) prädisponierend [2, 5].

Beim AS handelt es sich um eine perfundierte Hämatomhöhle nach Disruption der Arterienwand. Diese kann je nach Größe und Lage Kompressionen benachbarter Gefäße und Nerven mit einhergehenden Schmerzen verursachen [6]. Das AS ist zudem insbesondere wegen des Rupturrisikos mit konsekutiver Blutung als potenziell lebensbedrohliche Komplikation einzustufen und sollte nach Eingriffen am arteriellen System zuverlässig ausgeschlossen werden [2, 3, 6].

Oft präsentieren sich die Patienten mit zunehmenden lokoregionären Schmerzen, Schwellung und Hämatombildung im Punktionsbereich, wie auch in unserem Fall. Andere klinische Zeichen (z. B. pulsierender Tumor, schwirrendes Strömungsgeräusch) sind selten und unspezifisch sowie teils von der Größe des AS abhängig [1]. Bei der klinischen Untersuchung sollte die Perfusion nachgeschalteter Gefäßabschnitte beachtet werden, da es ausgehend von einem AS zu einer distalen Embolisierung kommen kann [7]. Auch sind selten tiefe Venenthrombosen aufgrund einer Kompression benachbarter Venen möglich [5].

Die farbkodierte Duplexsonographie (FKDS) stellt als nichtinvasives, schnell verfügbares und kostengünstiges Verfahren ohne Einsatz ionisierender Strahlung den Goldstandard in der Abklärung etwaiger AS der Extremitätengefäße dar und zeigt Detektionsraten mit einer Sensitivität von 94 % und Spezifität von 97 % [6]. In nicht eindeutigen Fällen oder bei erschwerten Untersuchungsbedingungen (z. B. Adipositas, großes Hämatom) können schnittbildgebende Verfahren wie die kontrastmittelgestützte CT zur weiteren Klärung beitragen [6].

Das weltbekannte Yin-Yang-Symbol stammt aus der chinesischen Philosophie und beschreibt die perfekte Balance zwischen gegensätzlichen Kräften, die zueinander komplementär und miteinander verbunden sind [8].

In der Ultraschallkunde handelt es sich bei dem Yin-Yang-Zeichen um ein interessantes wenngleich wenig spezifisches sonographisches Zeichen, das in einem AS oder auch gelegentlich in größeren wahren (sakkulären) Aneurysmen detektiert werden kann [6]. Seltener wird auch die Bezeichnung „Pepsi-Zeichen“, entsprechend dem Symbol der bekannten Getränkemarke, verwendet [9].

Das Yin-Yang-Zeichen ist in der konventionellen B‑Mode-Sonographie nicht sichtbar. Das AS zeigt sich hier zumeist im Zugangsbereich ventral der punktierten Arterie als rundlich-ovale, echofreie/-arme, zystische Raumforderung (Abb. 1) unterschiedlichster Größe, evtl. gekammert mit teils echoreicheren intraläsionalen Anteilen im Sinne einer Teilthrombosierung [6, 8]. Ein definitiver Ausschluss eines AS bei Vorliegen derartiger Strukturen kann allein durch die B‑Mode-Sonographie nicht sicher erfolgen und prinzipiell auch als Zyste, Serom oder Hämatom verkannt werden [3, 6]. Gegebenenfalls lässt sich bereits im B‑Bild der kommunizierende Stichkanal als schmaler Aneurysmahals, aus dem benachbarten arteriellen Gefäß entspringend und in die Hämatomhöhle ziehend, abgrenzen [6, 8].

Nach Sichtung der morphologischen Gegebenheiten und Erfassung der Metrik im B‑Bild sollten die Perfusionsverhältnisse des detektierten Befunds geklärt werden. Die Darstellung mittels FKDS dient dabei der Abgrenzung eines AS zu anderen Formationen, da im AS intraläsional typischerweise ein pulsatiler Fluss nachweisbar ist [3, 6, 8].

Innerhalb eines AS können in der FKDS verschiedene Perfusionsmuster auftreten. Ein besonders charakteristisches Muster unter diesen ist das erwähnte Yin-Yang-Zeichen. Es handelt sich dabei um die Darstellung pulssynchroner bidirektionaler Flüsse und wird durch die turbulenten internen Verwirbelungen in diesen vaskulären Aussackungen bedingt, wie auch im vorliegenden Fall ([6]; Abb. 2).

Zur weiteren Diagnosesicherung sollte auch der speisende Aneurysmahals, welcher mit der benachbarten punktierten Arterie kommuniziert und sich in Länge und Kaliber variabel zeigen kann, aufgesucht werden (Abb. 5). Ergänzend ist in diesem eine Flussmessung mit Darstellung der entsprechenden Geschwindigkeits-Spektralkurve im PW(pulsed-wave)-Modus durchzuführen. Ein hier typisches pulssynchrones, sägezahnartiges Flusssignal, das sog. „To-and-fro-Muster“ gilt als beweisend für ein AS [6]. Es handelt sich dabei um ein kurzes hochsytolisches, antegrades Flussmuster mit nachfolgend prolongiertem diastolisch retrogradem Flussmuster [6]. Dabei können, abhängig u. a. vom Aneurysmahals und dem betroffenen Gefäßabschnitt, Spitzenflussgeschwindigkeiten bis zu 400 cm/s abgeleitet werden (vgl. übliche Flussgeschwindigkeit in der A. femoralis communis ca. 100 cm/s) [2, 6]. Differentialdiagnostisch ist das Flussmuster einer AV-Fistel eindeutig von diesem zu unterscheiden und zeigt einen monophasischen Fluss mit hoher systolischer und erhöhter diastolischer Spitzengeschwindigkeit aufgrund des niedrigeren Widerstands im venösen System.

Therapeutisch stehen verschiedene Optionen zur Verfügung 10. Dazu gehören die sonographische manuelle Kompression, sonographisch gesteuerte Thrombininjektion/Coilembolisation und die chirurgische Ausschaltung. Diese Optionen sind je nach Aneurysmagröße/-konfiguration, Lokalisation, Intensität der Perfusion und Patientenzustand zu evaluieren [6]. Thrombininjektionen sollten aufgrund eines erhöhten Embolisierungsrisikos und der Gefahr einer akuten Beinischämie bei Aneurysmasackgrößen unter 1 cm Durchmesser als auch bei bestehenden AV-Fisteln und der damit verbundenen Gefahr von Lungenembolien nicht durchgeführt werden [5]. Die periphere Durchblutung ist nach Injektion stets zu prüfen. Bei Aneurysmasackgrößen über 3 cm Durchmesser und langen schmalen Aneurysmahälsen ist eine Thrombininjektion bei nachgewiesen hohen Erfolgsraten zu präferieren. Die in unserem Fall initial durchgeführte Thrombininjektion zeigte leider ein Aneurysmarezidiv. Dieses wird in der Literatur mit einem Risiko von 3,4 % beschrieben [5]. Als Risikofaktor für ein Versagen der Thrombininjektion sind u. a. tief gelegene Pseudoaneurysmen (> 2 cm) sowie großkalibrige Katheter und Schleusen beschrieben, da sie einen kurzen und breiten Aneurysmahals verursachen, was eine erfolgreiche Thrombosierung mit Thrombin potenziell erschwert [11, 12]. Um eine möglichst hohe Erfolgsrate bei der Thrombininjektion zu erreichen und eine periphere arterielle Embolie zu vermeiden, sollte die Injektion entfernt vom Aneurysmahals unter langsamer Injektion erfolgen. Die Sonographie eignet sich hierfür ideal zur Überprüfung in Echtzeit.

Wir plädieren mit diesem Fallbericht für das Vermitteln des leicht einzuprägenden Yin-Yang-Zeichens, das im vaskulären Ultraschall ungeübten ärztlichen Kollegen ein Bezugsmuster liefern kann, um ein mögliches AS zu detektieren, weiter abzuklären und einer adäquaten Behandlung zuzuführen.

Fazit

  • Perivaskuläre raumfordernde Formationen – insbesondere nach arteriellen Eingriffen – müssen auf das Vorliegen eines Aneurysma spurium abgeklärt werden.

  • Die farbkodierte Duplexsonographie ist Bildgebung der ersten Wahl und erlaubt durch die Kombination morphologischer und hämodynamischer Informationen die Identifizierung und Quantifizierung eines Aneurysma spurium.

  • Der intraläsionale Nachweis des philosophisch inspirierten Yin-Yang-Zeichens im Farbdoppler deutet auf ein Aneurysma spurium hin.

  • Eine weitere Suche nach dem Aneurysmahals mit Flussmessung ist obligat und sichert die Diagnose.