Anamnese

Die 76-jährige Patientin wurde uns aufgrund eines gedeckt rupturierten thorakoabdominellen Aortenaneurysmas (TAAA) Typ I nach Crawford zugewiesen. Bei Aufnahme war sie hämodynamisch sowie respiratorisch stabil und klagte über Thoraxschmerzen dorsal im Bereich der Wirbelsäule. An Vorerkrankungen war nur eine arterielle Hypertonie bekannt. Die Patientin war in altersentsprechend gutem Allgemeinzustand, bisher uneingeschränkt mobil und versorgte sich selbst. Sie wünschte eine operative Therapie.

Befund

Bereits in der auswärts initial durchgeführten Röntgenübersichtsaufnahme des Thorax war eine Verschattung des rechten Hemithorax aufgefallen (Abb. 1). Die CT-Angiographie (CTA) zeigte das TAAA Crawford Typ I mit medial gelegener Rupturstelle und – als Besonderheit dieses Falles – rechtsseitigem Hämatothorax (Abb. 2). Der Maximaldurchmesser des Aneurysmas betrug 56 mm auf Höhe des 10. Brustwirbelkörpers. Die supraaortalen sowie viszerorenalen Arterien waren regelrecht perfundiert.

Abb. 1
figure 1

Verschattung des rechten Hemithorax im konventionellen Röntgen, präoperativ

Abb. 2
figure 2

Präoperative Computertomographie-Angiographie (CT-Angiographie) (multiplanare Rekonstruktion) mit Darstellung von medialer Rupturstelle und rechtsseitigem Hämatothorax

Die CTA wurde hinsichtlich der Möglichkeit einer endovaskulären Versorgung evaluiert: Eine ausreichende proximale Landungszone in Zone 2 des Aortenbogens war vorhanden (Aortendurchmesser: 36 mm). Eine distale Landungszone oberhalb des Truncus coeliacus (Zone 5 der Aorta, Abb. 3) war als nicht ideal, jedoch für die Notfallversorgung ausreichend einzustufen (Aortendurchmesser: 35 mm). Es bestanden keine relevanten Stenosen der Zugangsgefäße iliacofemoral.

Abb. 3
figure 3

Distale Landungszone in der präoperativen CT-Angiographie (multiplanare Rekonstruktion)

Therapie und Verlauf

Die Patientin wurde zur notfallmäßigen endovaskulären Versorgung mittels thorakaler Endoprothese (TEVAR) und Chimney-Stentgraft (CS) für die linke A. subclavia aufgeklärt und willigte ein. Der Eingriff verlief problemlos. Es wurden als TEVAR proximal eine Relay® Pro 50–40 mm (Terumo Aortic, Inchinnan, Schottland) und distal eine Zenith Alpha™ Thoracic 46–46 mm (Cook Medical, Bloomington, IN, USA) implantiert, als CS wurde ein BeGraft Peripheral 10 × 57 mm (Bentley innomed GmbH, Hechingen, Deutschland) implantiert. Die Abschlussangiographie zeigte eine suffiziente Ausschaltung der Rupturstelle, kein Endoleak, eine regelrechte Kontrastierung der supraaortalen Äste sowie des Truncus coeliacus. Die postoperative CT-Angiographie (Abb. 4) verdeutlicht jedoch noch einmal die Problematik der distalen Landungszone; ein längerfristiges adäquates Ergebnis würde hier nur mit Verlängerung nach distal erreichbar sein.

Abb. 4
figure 4

Die postoperative CT-Angiographie zeigt die gelungene Abdichtung der Ruptur, jedoch auch die problematische distale Landungszone; für einen längerfristigen Erfolg würde eine Verlängerung nach distal erforderlich sein

Präoperativ war aufgrund der Notfallsituation bewusst auf eine Spinaldrainagenanlage verzichtet worden. Sofort nach Beendigung der Operation erfolgte die Extubation und neurologische Beurteilung. Da die Patientin neurologisch unauffällig war, wurde auch postoperativ – unter Maßgabe engmaschiger neurologischer Kontrollen, Erhalt eines adäquaten arteriellen Mitteldruckes und Hämoglobingehaltes – auf eine Spinaldrainagenanlage verzichtet.

Am 3. postoperativen Tag (POD) erfolgte bei Verschlechterung der Lungenfunktion und persistierendem Transfusionsbedarf eine Kontroll-CTA. Diese zeigte eine Progredienz des rechtsseitigen Hämatothorax mit, in der venösen Phase, Restperfusion durch ein Typ-II-Endoleak (T2EL) über Intercostalarterien (Abb. 5). Es wurde die Indikation zur notfallmäßigen Exploration der Aorta descendens via Linksthorakotomie gestellt. Die Rupturstelle konnte identifiziert werden und wurde vorsorglich mittels Umstechungsnaht versorgt. Eine aktive Blutung war intraoperativ nicht darstellbar. Nach Präparation zwischen Ösophagus und Aorta wurde ein Sauger nach rechts thorakal eingebracht und es konnten ca. 3 l altes Blut entlastet werden. Der Gasaustausch besserte sich sofort, eine Extubation war jedoch auch im Verlauf bei wiederholter respiratorischer Erschöpfung nicht möglich und eine Tracheotomie erfolgte.

Abb. 5
figure 5

Die CT-Angiographie am 3. postoperativen Tag zeigt ein Typ-II-Endoleak, welches den rechtsseitigen Hämatothorax weiter speist

Am 7. POD entwickelte die Patientin beidseits eine akute Beinischämie mit Verschlüssen der A. poplitea und Unterschenkelarterien. Da keine periphere arterielle Verschlusskrankheit vorbekannt war, vermuteten wir eine Embolisation aus der distalen Landungszone. Intraoperativ zeigten sich jedoch auch relevante arteriosklerotische Gefäßveränderungen/-verschlüsse, sodass die alleinige Thrombektomie nicht ausreichend war und die beidseitige Anlage femorocruraler Prothesenbypässe (distal origin) erfolgte.

Bei weiterhin ausbleibendem Weaning-Erfolg und CT-graphisch trotz suffizienter Ausschaltung von Ruptur und Endoleak fortbestehendem relevanten subpleuralen Hämatom und gekammertem Pleuraerguss rechts wurde die Indikation zur Entlastung mittels videoassistierter Thorakoskopie (VATS) gestellt. So konnten eine suffiziente Entfaltung der rechten Lunge und Verbesserung des Gasaustausches erreicht werden.

Circa 2–3 Wochen nach Erstoperation trat bei der Patientin zunächst eine linksseitige Hemiplegie auf, ohne dass die Akutdiagnostik mittels Duplexsonographie der Carotiden und kranieller Computertomographie eine Ursache zeigte. Auch der CS in der linken A. subclavia war regelrecht perfundiert. Zeitlich verzögert fiel eine persistierende beidseitige Beinparese auf. Aufgrund des langwierigen Verlaufs und des klinischen Gesamtbildes mit ausgeprägter allgemeiner Schwäche wurde eine Critical-illness-Polyneuropathie und/oder -Myopathie (CIP/CIM) als am wahrscheinlichsten eingestuft, wobei zwischenzeitlich differentialdiagnostisch auch eine verzögert aufgetretene Spinalischämie („delayed onset“ SCI) erwogen wurde. Die Patientin wurde zur Weiterbehandlung in eine neurologische Rehabilitationsklinik verlegt. Auf eine zusätzliche spezifische apparative neurologische Diagnostik vor Verlegung wurde mangels unmittelbarer therapeutischer Konsequenz verzichtet. Im Verlauf, ca. 2 Monate nach Erstoperation, erfolgte in der Rehabilitationsklinik eine Neurographie, welche bei Nachweis einer schweren axonalen Polyneuropathie der Arm- und Beinnerven beidseits den Verdacht auf CIP bestätigte.

Prinzipiell muss, aufgrund der suboptimalen distalen Landungszone, eine Komplettierung der endovaskulären Aneurysmaausschaltung mittels fenestrierter Endoprothese im Verlauf mit der Patientin diskutiert werden. Ob sie angesichts des komplizierten bisherigen Verlaufes hierfür als operabel einzuschätzen sein wird, wird jedoch ebenso wie der mögliche Operationszeitpunkt vom weiteren Rehabilitationsprozess und, nach entsprechender Risikoaufklärung, auch vom Patientenwunsch abgängig gemacht werden müssen.

Diskussion

Während die endovaskuläre Versorgung eines rupturierten infrarenalen Bauchaortenaneurysmas (rAAA) heutzutage zum gefäßchirurgischen Standard gehört, so stellt ein rupturiertes thorakoabdominelles Aortenaneurysma (rTAAA) aufgrund der Komplexität eine Ausnahmesituation dar.

Durch zunehmende Expertise in der endovaskulären Therapie verschiedenster Aortenpathologien, die Verfügbarkeit entsprechender thorakaler und thorakoabdomineller Endoprothesen auch im Notfall „off the shelf“ (z. B. Cook Zenith® t‑Branch®, Cook Medical) sowie aufgrund der niedrigeren Invasivität, Morbidität und Mortalität ist die endovaskuläre Versorgung auch bei rTAAA in der Regel Therapie der Wahl [1]. Die publizierte Mortalität der offen chirurgischen rTAAA-Versorgung liegt zwischen 12 % im hoch spezialisierten Zentrum und 43 % in kleineren Serien, während bei endovaskulärer Versorgung eine Mortalität von ca. 10–19 % erreicht werden kann [1].

Gefäßchirurgische Herausforderungen der endovaskulären rTAAA-Therapie

Hauptproblem bei der endovaskulären rTAAA-Versorgung ist die technische Machbarkeit aufgrund von anatomischen Limitationen. Wie bei jedem endovaskulären Eingriff muss dies zunächst anhand der CTA überprüft werden, was im Falle der Ruptur unter entsprechendem Zeitdruck erfolgen muss und daher die ausreichende Erfahrung des Operateurs sowie Kenntnis der „instructions for use“ (IFU) der jeweils verfügbaren Endoprothesen voraussetzt. Ferner müssen auch Alternativen bzw. ergänzende Maßnahmen ausreichend bekannt sein, um ggf. durch Wahl eines Hybridverfahrens zur Schaffung geeigneter Zugangswege (z. B. iliacofemorales Conduit) und/oder Landungszonen (z. B. supraaortales Debranching, Chimney-Technik) eine individuelle Notfalllösung zu ermöglichen. Im vorliegenden Fall mit proximaler Landungszone in Aortenbogenzone 2 sind die Anlage eines Carotis-Subclavia-Bypasses oder die Versorgung mittels CS die klassischen Optionen zur Revaskularisation der A. subclavia sinistra. Wir haben uns zwecks Reduktion der Operationsdauer für die zweite Lösung entschieden.

Unter Ausschöpfung aller Maßnahmen und ggf. Kombination verschiedener „Off-the-shelf-Endoprothesen“ sind knapp 60 % aller rTAAA endovaskulär versorgbar, ggf. mehr bei Akzeptanz moderater IFU-Abweichungen [1].

Ferner kann es bei der endovaskulären Notfallversorgung von Vorteil sein, zunächst einen Kompromiss bezüglich der Landungszonen einzugehen und eine endgültige Versorgung im Verlauf zu planen. Hier konnte die Rupturstelle durch TEVAR zunächst ausreichend abgedeckt und auf eine komplette thorakoabdominelle Versorgung verzichtet werden. Der wesentliche Vorteil eines solchen zweizeitigen Vorgehens ist die Reduktion der SCI-Rate, aber auch der Gesamtmortalität [5, 6], sodass die zweizeitige TAAA-Versorgung – wenn möglich – auch im Notfall zu bevorzugen ist [5].

(Interdisziplinäre) Probleme im postoperativen Verlauf

Der technische Erfolg der endovaskulären rTAAA-Versorgung liegt laut Literatur bei > 90 % [1, 4], wobei angesichts des anzunehmenden Selektionsbias die „Real-life-Erfolgsrate“ anwenderabhängig niedriger sein wird. Ferner sollte das Risiko relevanter Komplikationen während des frühen postoperativen Verlaufs nicht unterschätzt werden.

Während T2EL nach endovaskulärer Versorgung intakter Aneurysmen im Allgemeinen als primär harmlos gelten und allenfalls im Verlauf bei Persistenz und Aneurysmaprogredienz interventionsbedürftig sind, stellte hier das T2EL ein relevantes Problem im frühen Verlauf mit Indikation zur Notfalloperation dar. Eine endovaskuläre Versorgung (Coiling, Embolisation) war aufgrund der Lage nicht möglich. Auch die offen operative Therapie war aufgrund der Besonderheit mit Ruptur nach rechts thorakal erschwert. Es wurde eine Linksthorakotomie als Zugang gewählt, da von rechts die Aorta zwecks Übernähung nicht erreichbar gewesen wäre und durch vorsichtige Präparation am Ösophagus vorbei auch von links eine teilweise Entlastung des rechtsseitigen Hämatothorax gelingen kann. Nichtsdestotrotz stellt die Aortenruptur nach rechts thorakal eine Seltenheit dar und im Normalfall (linksseitiger Hämatothorax) ist die simultane Hämatomausräumung im Rahmen einer Linksthorakotomie unproblematisch. Insgesamt zählen respiratorische Probleme infolge eines Hämatothorax nach endovaskulärer rTAA(A)-Versorgung zu den häufigsten Komplikationen, die den postoperativen Verlauf stark negativ beeinflussen können. Idealer Operationszeitpunkt und -methode sind nicht immer eindeutig und eine interdisziplinäre Therapieplanung unter Hinzuziehung von Kollegen der Thoraxchirurgie ist zweifelsohne vorteilhaft. Eine möglichst frühe Hämatomausräumung bzw. -drainage nach endovaskulärer rTAA-Versorgung kann ggf. einen Überlebensvorteil bieten [2] und möglicherweise hätte eine frühzeitigere vollständige Hämatomausräumung auch hier den Gesamtverlauf durch Verkürzung der maschinellen Beatmungsdauer und des intensivmedizinischen Aufenthaltes günstig beeinflusst.

Neurologische Defizite nach operativer TAAA-Versorgung, v. a. Paraparese/Paraplegie, lassen auch bei zeitlich verzögertem Auftreten zunächst eine SCI befürchten und sollten immer Anlass zur umgehenden fachneurologischen Beurteilung sein. Der wichtigste Risikofaktor für eine zeitverzögerte („delayed onset“) SCI sind hypotone Phasen [3], z. B. im Rahmen von Sepsis, Schock oder auch Dialyse. Liegen diese wie hier nicht vor, muss bei generalisierter Schwäche bei kompliziertem intensivmedizinischen Verlauf differentialdiagnostisch eine CIP/CIM vermutet werden, welche in ca. 25–45 % der kritisch kranken Patienten auftritt [7]. Die Diskriminierung ist allerdings auch für den Fachneurologen nicht immer einfach, da die zielführende apparative Diagnostik in der Regel nicht während des intensivmedizinischen Aufenthaltes umsetzbar ist [7].

Insgesamt zeigt dieser Fall, dass es sich bei TAAA und v. a. rTAAA um hoch komplexe Krankheitsbilder handelt. Auch wenn man oftmals bei Rupturen und den heutigen Möglichkeiten zur endovaskulären Versorgung geneigt ist, sich auf die Vorteile der Minimalinvasivität und vergleichsweise niedrigen frühen Mortalität zu fokussieren, so dürfen jedoch die möglichen Komplikationen bzw. Morbidität mit ihren unter Umständen beträchtlichen Konsequenzen für die Lebensqualität der Patienten nicht außer Acht gelassen werden.

Fazit für die Praxis

  • Die Aortenaneurysmaruptur nach rechts thorakal ist selten.

  • Die bevorzugte Art der rTAAA-Versorgung ist endovaskulär, mehrzeitig und kann einen Kompromiss hinsichtlich der Landungszonen erfordern.

  • Typ-II-Endoleaks können beim rTAAA ein klinisch relevantes Problem sein und eine frühe Reoperation erfordern.

  • Die (Notfall‑)Versorgung von TAAA ist komplex und setzt neben endovaskulärer sowie offener operativer gefäßchirurgischer Expertise auch eine interdisziplinäre Versorgung auf hohem Niveau voraus. Die Verlegung in ein Zentrum (Maximalversorger, Aortenzentrum) ist unumgänglich.

  • Trotz erfolgreicher Initialversorgung eines rTAAA können postoperativ relevante Komplikationen auftreten mit u. U. beträchtlichen Konsequenzen für die Lebensqualität.