Einleitung

Als Leriche-Syndrom wird ein aortoiliakaler Verschluss mit der Symptomtrias aus Claudicatio der unteren Extremität, fehlenden tastbaren Leistenpulsen sowie dem Vorliegen einer erektilen Dysfunktion bei Männern beschrieben [1]. Eine akute Manifestation mit Ischämie der unteren Extremität ist in der klinischen Praxis selten und geht mit einer signifikant erhöhten Morbidität und Mortalität einher [2]. Als bekannte Risikofaktoren des Leriche-Syndroms gelten vor allem die arterielle Hypertonie, Dyslipidämie, Diabetes mellitus und der Nikotinabusus [3]. Im klinischen Verdachtsfall ist eine abdominelle computertomographische (CT-)Angiographie mit Darstellung der Becken‑/Beinstrombahn zur Diagnosefindung Mittel der Wahl [2, 3].

Wir stellen den Fall einer Patientin mit Leriche-Syndrom in Kombination mit einer ausgedehnten, infizierten Gangrän des rechten Beins sowie des Genitals vor. Zusätzlich bestand eine Sepsis, was differentialdiagnostisch zunächst an eine nekrotisierende Fasziitis mit ausgeprägter Hautweichteilnekrose denken ließ [4].

Fallbericht

Eine 57-jährige Patientin wurde in Notarztbegleitung mit Verdacht auf (V. a.) nekrotisierende Fasziitis des rechten Oberschenkels vorstellig.

Die Patientin zeigte sich zu diesem Zeitpunkt wach und teilweise orientiert. Laut ihrem begleitenden Ehemann habe seit ca. 4 Tagen ein kutaner Abszess an der rechten Flanke bestanden, welcher durch die Patientin mit Zugsalbe behandelt worden war. Zudem habe seit mehreren Tagen eine Claudicatio-Symptomatik beider Beine bestanden, seit den letzten 24 h habe die Patientin schmerzbedingt nicht mehr gehen können. Fieber oder Schüttelfrost seien nicht aufgetreten, Wasserlassen sei zu jeder Zeit möglich gewesen.

Aus der Vorgeschichte sei keine manifeste Gefäßerkrankung bekannt, es hätten jedoch seit längerer Zeit Schmerzen beider Beine bei längerem Gehen bestanden. Die Patientin gab einen Nikotinabusus von aktuell ca. 20–30 Zigaretten pro Tag an.

Die Patientin zeigte sich in deutlich reduziertem Allgemein- und Pflegezustand sowie einem kachektischen Ernährungszustand (Body Mass Index von 17,3 kg/m2).

Zum Aufnahmezeitpunkt war sie kardiopulmonal stabil mit 2 L/min Sauerstoff über die Nasenbrille und einer peripheren Sauerstoffsättigung von 95 %, einem arteriellen Blutdruck von 110/60 mm Hg und einer Herzfrequenz von 63 Schlägen pro Minute. Die Körpertemperatur betrug 36,6 °C, der GCS betrug 15 Punkte. Der Blutglukosewert lag bei über 500 mg/dl.

Nach Entkleiden der Patientin fiel eine grün-bräunliche Verfärbung des dorsalen rechten Oberschenkels, der äußeren Schamlippen sowie der Perinealregion bis nach gluteal reichend auf. Zudem zeigten beide Beine, insbesondere ab Kniegelenkshöhe, eine Marmorierung sowie livide Verfärbung (s. Abb. 1a–c).

Abb. 1
figure 1

Aufnahmen des klinischen Befundes (ac). Man erkennt eine livide Marmorierung der Beine sowie eine grün-bräunliche Verfärbung des Hautweichteilmantels rechts gluteal, genital sowie des rechten Oberschenkels im Sinne einer ausgeprägten Gangrän

Leisten‑/Popliteal- und Fußpulse konnten beidseits nicht palpiert werden. Beide Beine fanden sich bei Palpation kühl, der rechte Oberschenkel sowie die rechte Glutealregion zeigten bei Palpation eine Krepitation der Weichteile. Auf Aufforderung konnte, laut Patientin schmerzbedingt, keine aktive Bewegung der Beine demonstriert werden. Die Sensibilität beider Beine über die Leistenregion hinaus war aufgehoben.

Es wurde umgehend eine Therapie der Hyperglykämie mittels subkutaner Injektion von Humaninsulin und entsprechender intravenöser (i.v.) Volumensubstitution eingeleitet. Zudem erfolgten eine intravenöse Analgesie mittels Piritramid und Anlage eines transurethralen Harnblasenkatheters.

Die initiale Labordiagnostik zeigte eine akut septische Konstellation mit deutlich erhöhtem CRP-Wert (53,1 mg/dl (< 1,0)), einem Procalcitoninwert von 3,0 ng/ml (< 0,5), einer Leukozytose von 27,4/nl (4–11), einem Spontan-Quick (TPZ) von 32 % (INR-Wert von 2,4 (0,8–1,2)) sowie einer deutlichen Creatin-Kinase(CK)- und Myoglobinwerterhöhung (> 6450 U/l (< 146) bzw. 3000 µg/l (< 90)).

Aufgrund des klinischen Bildes einer protrahierten Ischämie beider Beine sowie V. a. fulminante, gangränöse Infektion des rechten Oberschenkels und der Glutealregion wurde die Indikation zur kontrastmittelverstärkten CT-Angiographie des Abdomens, Beckens und der Beine gestellt.

In dieser zeigten sich ausgedehnte muskuläre Lufteinschlüsse des gesamten rechten Beins bis nach gluteal und an die rechte untere Bauchwand reichend (s. Abb. 2a, b). Zudem kamen Lufteinschlüsse entlang des rechten M. iliopsoas bis nach retroperitoneal, ca. auf Höhe von LWK 3, zur Darstellung (s. Abb. 2a).

Abb. 2
figure 2

Lufteinschlüsse retroperitoneal entlang des rechten M. iliopsas sowie entlang der rechten Oberschenkelmuskulatur (a, b)

Abb. 3
figure 3

Verschluss der Aortenbifurkation mit komplettem Verschluss der beidseitigen Beckenstrombahn (A. iliaca communis, externa und interna) bei insgesamt diffuser arterieller Verschlusskrankheit (AVK) vom Mehretagentyp (a, b)

Überdies zeigte sich ein Verschluss der Aortenbifurkation und der Arteria iliaca communis, externa et interna beidseits. Auch die Arteria epigastrica inferior beidseits fand sich nicht perfundiert. Das linke Bein zeigte keine Gefäßkontrastierung auf, rechts konnte eine Reperfusion der Arteria femoralis communis knapp distal des Leistenbandes nachgewiesen werden, bei insgesamt diffuser arterieller Verschlusskrankheit (AVK) vom Mehretagentyp (s. Abb. 3a, b).

Wir leiteten umgehend eine intravenöse antibiotische Therapie mit Piperacillin/Tazobactam (9 g) sowie Clindamycin (600 mg) ein. Die Patientin wurde in Anwesenheit ihres Ehemanns über den akut lebensbedrohlichen Zustand sowie den drohenden Verlust beider Beine aufgeklärt. Simultan erfolgte die Rücksprache mit der Klinik für Gefäßchirurgie.

Eine gefäßchirurgische Intervention zur Revaskularisation der unteren Extremität, endovaskulär wie auch offen-chirurgisch, wurde aufgrund der irreversiblen Ischämie beider Beine bis nach gluteal ziehend mit fulminanter, superinfizierter Gangrän der rechten Oberschenkel‑, Gluteal- und Beckenregion als nicht sinnvoll eingestuft. Aus chirurgischer Sicht hätte eine Hüftgelenkexartikulation rechts mit Resektion der glutealen und genitalen Hautweichteile bis zum Beckenknochen mit entstehendem ausgedehnten Hautweichteildefekt ohne sichere Deckungsmöglichkeit sowie auf der linken Seite eine Grenzzonenamputation auf Höhe des proximalen Oberschenkels mit unsicherer Heilungsprognose vorgenommen werden müssen. Ein ausreichendes chirurgisches Débridement erschien aufgrund der rasch progredienten Ausbreitung der infizierten Nekrosen der unteren Extremität nicht durchführbar.

Nach eingehender interdisziplinärer Falldiskussion zwischen plastischer Chirurgie, Gefäßchirurgie sowie Intensivmedizin wurde die Prognose der Patientin als infaust eingestuft und daher ein palliatives Behandlungsregime eingeleitet. Die Patientin sowie ihr begleitender Ehemann wurden ausführlich über den Zustand aufgeklärt und erhielten supportive Betreuung durch einen Seelsorger. Die Patientin verstarb am Folgetag bei progredient septischem Krankheitsverlauf.

Das Ergebnis der Blutkulturen zeigte einen positiven Nachweis von Escherichia coli.

Diskussion

Dieser Fallbericht illustriert das Auftreten eines Leriche-Syndroms mit Ischämie beider Beine bei gleichzeitigem Vorliegen einer infizierten, fulminanten Gangrän des rechten Oberschenkels und der rechten Gluteal- und Beckenregion.

Das Leriche-Syndrom kann sowohl akut, in den meisten Fällen jedoch chronisch auftreten, wobei am ehesten eine generalisierte, stenosierende Arteriosklerose als Grunderkrankung vorliegt und die Perfusion der Beine über Kollateralen aufrechterhalten wird [5]. Eine akute Präsentation des Leriche-Syndroms ist deutlich seltener und wird zumeist durch eine arterielle Embolie ausgelöst, welche zu ca. 80 % kardialen Ursprungs ist [5]. In dem oben genannten Fallbericht liegt am ehesten ein chronisches Leriche-Syndrom vor bei CT-angiographischem Bild einer diffusen arteriellen Verschlusskrankheit vom Mehretagentyp sowie dem Nachweis von Kollateralen zur Perfusion des rechten Beins (s. Abb. 3a, b).

Im aktuellen TASC-Dokument (Transatlantic Inter-Society Consensus for the Management of Peripheral Artery Disease) von 2007 (TASC II) wird das Leriche-Syndrom als Typ D und somit als komplexeste Form der aortoiliakalen Verschlusskrankheiten klassifiziert [6]. Als empfohlene Therapieoption zur Revaskularisation gilt hier die aortobifemorale Bypassoperation, welche sich durch eine universelle Anwendbarkeit sowie eine verlässliche Beständigkeit mit 5‑Jahres-Offenheitsraten zwischen 85 und 94 % auszeichnet. Bei jedoch Mortalitätsraten zwischen 3,3 und 4,6 % und bis zu 25 % im Falle der Notwendigkeit einer chirurgischen Reintervention wurden zuletzt zunehmend auch endovaskuläre Maßnahmen zur Therapie von TASC II C- und D‑Läsionen mit erfolgreichem Outcome angewandt [7].

Im Falle der oben genannten Patientin konnte eine Revaskularisation jedoch aufgrund der bereits geschilderten irreversiblen Ischämie beider Beine nicht sinnvoll durchgeführt werden.

Das klinische Erscheinungsbild beider Beine und der Glutealregion ließ initial an eine nekrotisierende Fasziitis denken.

Die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) stellt einen bekannten Risikofaktor für das Auftreten einer nekrotisierenden Fasziitis als auch eines Leriche-Syndroms dar, ebenso das Vorliegen von Diabetes mellitus, Adipositas oder Malnutrition [8, 9]. Bei der beschriebenen Patientin zeigten sich zudem eine ausgeprägte Hyperglykämie, ein kachektischer Ernährungszustand sowie das Vorliegen eines aortoiliakalen Verschlusses. Die progrediente Ischämie beider Beine auf dem Boden des Leriche-Syndroms begünstigte die rasche Ausbreitung der Weichteilinfektion. Der Nachweis von Escherichia coli in den Blutkulturen findet sich regelmäßig auch im Zusammenhang mit einer nekrotisierenden Fasziitis [10]. Hierbei sind durch gramnegative Bakterien ausgelöste Weichgewebsinfektionen mit einer höheren Rate an notwendigen Débridements, Fasziektomien und Amputationen assoziiert als durch andere, insbesondere grampositive Erreger ausgelöste Weichgewebsinfektionen [10]. Differentialdiagnostisch war auch an eine gasbildende Infektion durch anaerobe, sporenbildende Clostridium Subspezies zu denken, welche insbesondere im Initialstadium ein ähnliches klinisches Bild wie die nekrotisierende Fasziitis aufzeigt [11]. Ein anaerobes Milieu durch tief penetrierende Wunden begünstigt die Ausbreitung eines Gasbrands, wohingegen als Eintrittspforte der nekrotisierenden Fasziitis häufig lediglich oberflächliche Läsionen, wie ein kutaner Abszess, dienen [11]. Der Gasbrand zeichnet sich insbesondere durch rasch progrediente Muskelnekrosen aus, während es bei der nekrotisierenden Fasziitis typischerweise zu einer Ausbreitung der Nekrosen entlang der Faszien sowie des Subkutangewebes kommt [12]. In beiden Fällen ist das rasche radikale chirurgische Débridement des nekrotischen Gewebes die Therapie der Wahl, um das Fortschreiten der Infektion aufzuhalten [12]. Die sichere Differenzierung der Krankheitsbilder gelingt häufig erst im Rahmen des Erregernachweises durch intraoperativ gewonnene Gewebebiopsate.

In unserem Fall wäre aufgrund der, im oben aufgeführten CT-Befund beschriebenen, großflächigen Ausbreitung des nekrotischen Weichgewebes des rechten Oberschenkels bis nach retroperitoneal hin, eine Sanierung der Nekrosen nicht unter Erhalt des rechten Beins möglich gewesen. Als chirurgische Therapieoption wäre daher ausschließlich eine Hüftexartikulation rechts oder je nach Ausmaß der Nekrosen eine Hemipelvektomie rechts notwendig gewesen, jeweils unter radikalem Weichteildébridement der Genital- und Glutealregion bis zum Becken. Derartige Amputationen proximal des Kniegelenks sind mit einem signifikanten Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko assoziiert [13]. In dem Fall unserer Patientin stellte neben der klinischen Befundkonstellation die eingeschränkte Möglichkeit einer Deckung des zu erwartenden Defekts der rechten Beckenregion einen zusätzlichen, limitierenden Faktor in der möglichen kausalen Therapie des Krankheitsbildes dar.

Aufgrund des fulminanten Ausmaßes der bereits bestehenden irreversiblen Ischämie, des zu erwartenden hoch komplikativen postoperativen Verlaufs bezüglich Heilung des Wunddefekts und eingeschränkter Möglichkeit der Revaskularisation der linken unteren Extremität sowie des septischen Krankheitsbildes der Patientin erfolgte die gemeinsame, interdisziplinäre Entscheidung eines palliativen Vorgehens.

Dieser Fallbericht zeigt die Therapielimitierung bei gemeinsamem Vorliegen eines hochgradigen aortoiliakalen Verschlusses mit Ischämie der unteren Extremität sowie einer fulminanten gangränösen Infektion des Hautweichteilmantels auf. Die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit auf chirurgischem sowie intensivmedizinischem Gebiet ist im Rahmen eines solchen komplexen klinischen Falles unabdingbar zur ganzheitlichen Einschätzung der Prognose sowie zur Entscheidung über mögliche Therapieansätze oder Therapiebegrenzungen.