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Zum Auftreten einer spinalen Ischämie nach endovaskulärer Versorgung von Aneurysmata gibt es in der Literatur schwankende Angaben zwischen 0,21 % [1] und 17,7 % [2]. Pathophysiologisch liegt eine von zuführenden arteriellen Ästen entstehende verminderte Durchblutung des ventralen Rückenmarks zugrunde. Das Risiko steigt mit der Anzahl der überstenteten Lumbalarterien.
Zur Therapie eines A.-spinalis-anterior-Syndroms erfolgt die Blutdruckanhebung, die Anlage eines spinalen Katheters und die intensivmedizinische Überwachung. In einigen Fällen führt dies zur Regredienz der Symptomatik [3].
Wir berichten über einen Fall einer Paraparese nach endovascular aortic repair (EVAR) der infrarenalen Aorta und deren mögliche Differentialdiagnosen zum A.-spinalis-anterior-Syndrom.
Anamnese
Es erfolgt die Übernahme eines 84-jährigen multimorbiden Patienten (art., pulmonale Hypertonie, Vorhofflimmern [VHF], Schrittmacher [SM], Niereninsuffizienz) aus einem externen Haus aufgrund abdomineller Schmerzen bei seit Jahren bekanntem infrarenalen Aortenaneurysma (AA). Bisher wünschte der Patient keine Versorgung des bestehenden Aneurysmas.
Befund und Diagnose
Stationäre Aufnahme des Patienten zur Blutdruckeinstellung, international normalized ratio (INR)-Normalisierung bei Entgleisung und kardialen Abklärung. Zur weiteren Diagnostik erfolgt eine Sonographie des Abdomens, eine Computertomographie-Angiographie (CT-A) zur Darstellung des Aneurysmas und zum Ausschluss weiterer Pathologien.
In der Sonographie und CT‑A zeigt sich ein infrarenales AA mit 7,7 cm Durchmesser (Abb. 1).
Nebenbefundlich zeigt sich eine Kontrastmittel aufnehmende RF der linken Niere ca. 4,6 cm Durchmesser und hoch suspekt auf ein Nierenzellkarzinom. Zudem zeigt sich eine osteolytische RF am linken oberen Schambeinast, passend zu einer ossären Metastase.
Der Patient wünscht nun ausdrücklich die operative Versorgung des AA bei fortbestehender abdomineller Symptomatik und Rupturgefahr. Präoperativ erfolgt die urologische Vorstellung und ergänzend ein Staging-CT-Thorax. Eine pulmonale Raumforderung wird ausgeschlossen. Weitere Metastasen werden nicht detektiert.
Die weitere Tumorabklärung ist aufgrund der dringlichen Versorgungsindikation für den postoperativen Zeitraum geplant.
Therapie und Verlauf
Es erfolgt die endovaskuläre Versorgung des Patienten mittels Standardprothese: EVAR, TREO 26/14/100, Re: 15/15/140, li: 15/15/140. Bei ausgeprägter Verkalkung erfolgt zudem eine perkutane transluminale Angioplastie (PTA) der Arteria Iliaca communis (AIC) und der Arteria Iliaca externa (AIE) mit Stentanlage Advanta 10 × 38 mm sowie eine Thrombendarteriektomie (TEA) der linken Leiste mit boviner Patchplastik.
Die OP-Dauer beträgt bei komplexer Anatomie etwa 5 h mit intraoperativer Heparingabe von 8000 IE. Der Blutverlust ist gering, der Patient erhält kreislaufunterstützende Medikation, die nach Beendigung der Narkose ausgeschlichen wird.
Postoperativ sind bds. dopplersonographisch Pulse ableitbar. Noch im Aufwachraum fällt eine Hypästhesie und Hypalgesie ab Th12/L1 bds. abwärts mit hochgradiger linksbetonter Paraparese der Beine auf sowie ein bds. positives Pyramidenbahnzeichen. Bei einliegendem Herzschrittmacher (SM) erfolgt zunächst notfallmäßig ein CT von BWS und LWS zum Ausschluss einer Blutung. Bei V. a. spinale Ischämie im Rahmen eines A.-spinalis-anterior-Syndroms erfolgt die Anlage eines spinalen Katheters zur Druckentlastung.
Im weiteren Verlauf keine Besserung der Symptomatik, sodass trotz SM ein MRT der Wirbelsäule erfolgt. Hier zeigt sich eine ausgedehnte osteolytische Metastase in den dorsalen Anhangsgebilden des BWK 6 mit Myelonkompression. (Abb. 2). Eine spinale Ischämie zeigt sich nicht.
Es besteht die Indikation zur sofortigen dorsalen Tumordekompression. Bereits während der Narkoseeinleitung ist der Patient kreislaufinstabil und benötigte eine hoch dosierte medikamentöse Kreislaufunterstützung. Nach Tumorlaminektomie musste das Tumordebulking aufgrund der instabilen Hämodynamik bei starken Blutungen mehrfach unterbrochen werden. Der Patient bot schließlich eine Asystolie, was zu einem Abbruch der Operation und einer Reanimation führte.
Der Patient wurde stabilisiert und auf die Intensivstation verbracht. Dort Festlegung eines palliativen Therapieregimes. Der Patient verstarb im Verlauf.
Diskussion
Die weitere Tumorabklärung mittels Skelettszintigraphie im Vorfeld der Operation hätte die bis dahin nicht detektierte Metastase auf Höhe von BWK 6 ggf. darstellen können. Zudem ist in der Nachschau bei genauer Auswertung der CT-Bildgebung die Metastase bereits im CT sichtbar, wurde jedoch nicht beschrieben. Eine weitere langwierige Abklärung bei fehlender Symptomatik bzgl. des Nierenzellkarzinoms bzw. der bestehenden WS-Metastase wäre bei dringlicher OP-Indikation nicht infrage gekommen. Das Therapieregime wäre wohl auch bei Vorliegen der Skelettszintigraphie nicht geändert worden, da keinerlei neurologische Symptomatik vorlag. Allerdings wäre postoperativ sicherlich nicht zunächst eine spinale Ischämie in Erwägung gezogen worden, sondern die tumorbedingte Querschnittssymptomatik hätte früher erkannt werden können. Zusätzlich ist zu beachten, dass bei spinaler Ischämie typischerweise Motorikstörungen sowie Störungen der protopathischen Sensibilität auftreten, jedoch kein Fehlen der epikritischen Sensibilität wie in diesem Fall ([4]; Tab. 1).
Da anhand der vorliegenden Bildgebung und der direkt postoperativ aufgetretenen Klinik zunächst von einer spinalen Ischämie ausgegangen wurde und eine MR-Untersuchung durch den SM nur verzögert stattfinden konnte, wurde die komplette Spinalkanalstenose erst spät diagnostiziert. Da bei Knochenmetastasen von Nierenzellkarzinomen häufig eine ausgeprägte Vaskularisation vorliegt, hätte man zur Reduktion des Blutungsrisikos eine präoperative Embolisation der Metastase erwägen können [5]. Die Embolisation verringert dabei nicht nur den Blutverlust, sondern verkürzt auch die OP-Dauer [5]. Es ist zu beachten, dass durch die Embolisation auch ein A.-spinalis-anterior-Syndrom verursacht werden kann [5]. Zudem ist eine vollständige Embolisation nicht immer möglich [5]. Insgesamt stellt die Embolisation jedoch ein sicheres Verfahren zur Reduktion des intraoperativen Blutverlustes dar [5].
Metastasen von Nierenzellkarzinomen weisen in 60–70 % eine Hypervaskularisierung auf, wodurch ein erhöhtes perioperatives Blutungsrisiko sowie postoperatives Rezidivblutungsrisiko vorliegt [5]. In Abhängigkeit von Komorbiditäten, ASA-Score und Ausprägung der Metastasierung weisen Patienten wie in dem vorgestellten Fall selbst ohne Operation hohe Mortalitätsraten auf. Sollte eine spinale Tumoraussaat zur Kompression des Rückenmarks mit neurologischen Defiziten führen, wird je nach Lokalisation und Stabilität eine Tumordekompression empfohlen. Eine präoperative Embolisation von Nierenzelltumormetastasen soll erwogen werden. Bezüglich des klinisch relevanten Nutzens existiert bislang keine eindeutige evidenzbasierte Empfehlung [5]. Auch sind periprozedurale schwerwiegende Komplikationen der endovaskulären Intervention wie zerebrale/spinale Ischämie oder ödematöse Schwellung des intraspinalen Tumorgewebes durch die Embolisatpartikel zu berücksichtigen, die jedoch selten auftreten. Ein eindeutiges Zeitintervall zwischen Embolisation und dem chirurgischen Eingriff besteht nicht, generell wird eine Operation innerhalb von 48 h angestrebt [5]. Im vorliegenden Fall wurde eine Embolisation in Anbetracht der Schwere des neurologischen Defizites mit rapider Verschlechterung nicht durchgeführt.
Ein spezifischer diagnostischer Algorithmus sollte bei neurologischem Defizit nach EVAR vorliegen (Abb. 3).
Fazit für die Praxis
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Bei großen Karzinomen mit Neigung zu ossärer Metastasierung sollte differentialdiagnostisch auch an eine metastasenbedingte Myelonkompression gedacht werden.
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Da Knochenmetastasen von Nierenzellkarzinomen häufig gut vaskularisiert sind, sollte eine präoperative Embolisation erwogen werden.
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Eine genaue neurologische Untersuchung mit Beachtung der Sensibilitätsqualität ist für eine frühe Diagnosestellung essenziell.
Literatur
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Poeck K, Hacke W (2006) Neurologie, 12. Aufl. Springer, Berlin, Heidelberg. ISBN 3‑540-29997‑1
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Kuchar, J., Sommer, B., Shiban, E. et al. Spinaler Querschnitt nach EVAR bei bestehendem Nierenzellkarzinom. Gefässchirurgie 26, 635–638 (2021). https://doi.org/10.1007/s00772-021-00829-2
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