Am 02.09.2020 vollendete sich im 86. Lebensjahr in Jena ein erfolgreiches und erfülltes chirurgisches und akademisches Leben.

Geboren in Wuitz (Sachsen-Anhalt) und als jüngster Bub von drei Jungen am Ufer der Saale in einem bäuerlichen Betrieb aufgewachsen, begann Martin Bartel nach dem Abitur in Weißenfels das Studium der Medizin an der Universität in Leipzig und beendete dies an der Medizinischen Akademie Erfurt. Nach einer ersten Assistenzarztzeit in Hohenmölsen konnte er von 1958 bis 1961 bei Prof. Becker in Erfurt ausgebildet werden und auch erfolgreich promovieren. Prof. Becker wurde zum Ordinarius auf den chirurgischen Lehrstuhl nach Jena berufen und Martin Bartel folgte ihm an die Jenaer Universität. Hier schloss er 1964 seine Facharztausbildung ab und habilitierte sich 1969 zum damals neuen Verfahren der Mediastinoskopie. Im Jahr 1971 erfolgte die Ernennung zum Hochschuldozenten, die Subspezialisierung in der Gefäßchirurgie 1976, 1978 die außerordentliche Professur und 1982 die ordentliche Professur für Chirurgie.

In Jena begründete er unter Prof. Becker die Gefäßchirurgie als zunehmend eigenständige Disziplin ebenso wie die Thoraxchirurgie. Die rasante Entwicklung in beiden Fachbereichen führte zu einer folgerichtigen und von ihm maßgeblich geprägten Eigenständigkeit. Im Jahr 1990 wurde Martin Bartel auf den neu gegründeten Lehrstuhl für Thorax- und Gefäßchirurgie der Universität Jena berufen. Die Entscheidung der Universität, diesen Lehrstuhl mit seiner Emeritierung im Jahr 2000 aufzuheben, ist auch jetzt im Rückblick von 20 Jahren als ausgesprochen unglücklich zu werten.

Neben der Betreuung von zahlreichen Diplomanden, Promovenden und Habilitanten zeugen über 250 Publikationen und über 500 Vorträge von seiner wissenschaftlichen Expertise und Kompetenz [1]. Seine Vorlesungen wurden immer gut besucht und wurden auch nach seiner Emeritierung gern gehört (Abb. 1).

Sprichwörtlich war sein operatives Geschick mit einem ausgeprägten „Gewebegefühl“, zielstrebiger Strukturexposition und Operationsvollendung. Lange Operationszeiten waren ihm suspekt und wurden hinterfragt. Als eines seiner Markenzeichen galt seine Flexionshaltung der Schere für die atraumatische Gefäßfreilegung. Eine überlegte Urteilsbildung sowie scharfe Analysefähigkeit waren die Basis für seinen Umgang mit schwierigen operativen Situationen. Methodische Pionierarbeit leistete er mit der weltweit ersten Spiegelung des Retroperitonealraumes mit einem umgebauten Rektoskop. Dieser operative Zugang ist heute Grundlage retroperitonealer minimal-invasiver Operationen.

Seine Schüler mussten zuerst operieren können, bevor sie zu weiteren akademischen Ehren vordringen konnten. Er förderte uns ohne „Verletzungen“, Demütigungen oder Vorführungen, welche in der damaligen Zeit in einem operativen Fach eher üblich waren. So ausgerüstet haben seine Schüler leitende Stellungen immer operativ voll ausfüllen können. Im Mittelpunkt des Arztes Martin Bartel stand immer der Patient. Sein großes Pflichtbewusstsein war uns Vorbild und Gradmesser in der zukünftigen Berufsausübung. Der Patient mit seiner Erkrankung, seinen Sorgen und Nöten; alles andere war zweitrangig, trat hinter dem uneingeschränkten Dienst am Patienten zurück. Wenn ich gebraucht werde, so seine Devise, bin ich da und helfe.

Er lebte uns vor, wie wichtig es ist, insbesondere in der Chirurgie, ein persönliches Vertrauensverhältnis zum Patienten aufzubauen. Nur das ausführliche Gespräch zwischen Operateur und Patient vor einem Eingriff schafft Vertrauen. Es war undenkbar, dass er einen Eingriff durchführte, ohne den Patienten vorher gesehen zu haben.

Seine Verdienste im Fach Gefäßchirurgie haben im Jahr 2003 zur Ehrenmitgliedschaft in der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie geführt.

Eine letzte Krankheit – von der er wusste, dass er sie nicht besiegen konnte – hat sein erfülltes und reiches Leben dann doch ganz plötzlich und unerwartet friedlich beendet. Viele seiner Tugenden und vorbildhaften Eigenschaften und sein meisterliches Können leben in seinen Schülern und damit in den nächsten Chirurgengenerationen weiter. Seiner Frau Rita, die ihn auf seinem Weg immer unterstützt und begleitet hat, und seinen beiden Töchtern mit ihren Familien versichern wir unser Mitgefühl.

Abb. 1
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Prof. Dr. Martin Bartel während einer „Vorlesung“ für ehemalige Absolventen 2014