Einleitung

Gefäß(endo)protheseninfektionen (GEPI) nach offener Chirurgie oder nach interventioneller Behandlung sind gefürchtete Komplikationen mit weitreichenden Konsequenzen für die betroffenen Patienten. Die sehr hohen Morbiditäts- und Mortalitätsraten der traditionellen konservativen, grafterhaltenden Therapien mit reiner Antibiotikabehandlung und/oder einfacher Drainage führten dazu, dass die radikale Prothesenentfernung mit In-situ- oder extraanatomischer Rekonstruktion, teilweise kombiniert mit plastisch-chirurgischer Deckung, sich zum „golden standard“ der Behandlung solcher Infektionen entwickelte. Obwohl die Morbidität und Mortalität unter diesem „golden standard“ im Vergleich zur traditionellen konservativen Therapie klar abnahmen, blieben diese bis heute immer noch relativ hoch [1]. Im Versuch, diese hohen Morbiditäts- und Mortalitätsraten zu senken, wurden verschiedene weniger aggressive Behandlungstechniken vorgeschlagen, die durch Kombination mit begleitenden Therapien eine Erhaltung oder Teilerhaltung der Gefäß(endo)prothesen erlaubten. Stimuliert durch die Publikation von Demaria u. Giovannini [2], die 2 Patienten mit Leisteninfektionen nach Gefäßchirurgie erfolgreich mittels gezielter Anwendung einer Unterdrucktherapie behandelten, entwickelten wir 2002 am Universitätsspital Zürich (USZ) einen eigenen Therapiealgorithmus [3] zur Behandlung von Szilagyi [4] Grad 3 bzw. Samson [5] Grad 3–5 Infektionen. Es wurde, wenn möglich, grafterhaltend operiert, die Infektionsstellen sowie betroffene Prothesenanteile regelmäßig débridiert und mittels Unterdruckwundtherapie (NPWT, „negative pressure wound therapy“) bis zur Keimfreiheit behandelt. Keimfreiheit vorausgesetzt, wurde die Wunde je nach Befund sekundär verschlossen, offen behandelt bis zum Verschluss oder falls nötig plastisch-chirurgisch gedeckt (Abb. 1 und 2). Die konsequente Anwendung dieses standardisierten Algorithmus in einer Kohorte von 44 konsekutiven Patienten von 2002 bis 2009 führte zu einer 30-Tages-Mortalität von 0 % und einer 1‑Jahres-Mortalität von 16 % [3]. Die Gesamtmortalität betrug 41 %. Die Heilungsrate der Infektionen lag bei 91 % nach einem mittleren Follow-up von 43 Monaten [3]. Diese überaus positiven Resultate der retrospektiven Analyse gepaart mit der Unsicherheit über die Relevanz der verschiedenen Variablen ermutigten uns, ein biomedizinisches Forschungsprojekt einzureichen, das die prospektive Datenerfassung aller Patienten, die auf der Abteilung für Gefäßchirurgie des USZ operiert wurden und ihr Einverständnis dazu gaben, erlaubte. Dieses Projekt erforscht epidemiologische Daten zur Gefäß(endo)protheseninfektion, deren optimale Diagnose und Behandlung sowie den Einfluss der NPWT auf die Langzeitprognose. Das Projekt wird seit 2013 vom Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (SNF) finanziell unterstützt.

Abb. 1
figure 1

Prothesen erhaltender Behandlungsalgorithmus von Szilagyi Grad 3 bzw. Samson Grad 3–5 Infektionen. NPWT(i)* Unterdruck-Wundtherapie mit/ohne Instillation eines Antiseptikums direkt (ohne Distanzgitter) auf die infizierte Gefäß(endo)prothese gelegt. (Mod. nach [3])

Abb. 2
figure 2

Komplette Wundheilung nach Samson-Grad-4-Infektion inguinal rechts eines aortobifemoralen Bypasses durch NPWT. a Patient von extern ans USZ überwiesen, mehrere Wochen nach aortobifemoralem Bypass aus Polyester mit rechtsseitiger inguinaler Prothesenschenkelinfektion (koagulasenegative Staphylokokken, Enterobacter spp. im Abstrich und den Gewebebiopsien). b Intraoperativer Situs nach ausgiebigem Débridement der Gewebe und der Polyesterprothese. c Klinischer Befund 4 Wochen nach komplett prothesenerhaltender Operation und Anwendung von NPWT; begleitend wurde für 6 Wochen eine Antibiotikatherapie mit Avalox und Rimactan durchgeführt. d Klinische Langzeitkontrolle nach 21 Monaten ohne Anhaltspunkte für eine Infektion (bestätigt durch die erweiterte infektiologische Kontrolle). Der Patient blieb in der weiteren Langzeitkontrolle (51 Monate) infektionsfrei. NPWT Unterdruckwundtherapie; USZ Universitätsspital Zürich

Methodik

Multidisziplinäres Setting

Patienten mit Gefäß(endo)protheseninfektionen sind in der Regel polymorbid und deren Diagnose, Behandlung und Erforschung sind komplex. Um dieser Komplexität Rechnung zu tragen, wurden Experten aus den relevanten Fachgebieten wie Angiologie, Gefäßchirurgie, Infektiologie, Mikrobiologie, Radiologie, Nuklearmedizin und Pathologie von Anfang an ins Investigatoren- und Behandlungsteam miteinbezogen. Jeder Patient mit Verdacht auf GEPI wird unverzüglich multidisziplinär besprochen und das weitere Prozedere gemäß Studienprotokoll festgelegt. Ziel ist es, dass der spezifische Fall spätestens innerhalb von 24 h von einem Gefäßchirurgen, Infektiologen, Radiologen und Nuklearmediziner gemeinsam beurteilt wird. Bei dringenden Notfällen treffen sich die beteiligten Parteien spontan zu bilateralen Besprechungen. Des Weiteren finden wöchentliche Boards statt, in denen der Kurz- und Langzeitverlauf der Patienten in der Kohorte diskutiert wird und wichtige Entscheidungen wie Antibiotikastopp oder Art der allenfalls notwendigen Untersuchungen oder Interventionen getroffen werden.

In multidisziplinären Forschungssitzungen werden laufend die vorhandenen Daten analysiert und besprochen. Anhand der jeweilig gewonnenen Erkenntnisse werden einzelne Fragestellungen genauer betrachtet und relevante Daten multidisziplinär veröffentlicht (s. unten).

Prospektive-Vascular-Graft(VASGRA)-Kohorte

Alle Patienten, die eine Gefäßprothese (intra- und/oder extrakavitär) erhalten und am USZ operiert werden, werden in die „Vascular Graft Cohort Study, VASGRA“ aufgenommen. VASGRA ist eine prospektive, offene Intervallkohortenstudie mit einem einzigen Zentrum, die zwei Studienkohorten (Abb. 3) umfasst:

Abb. 3
figure 3

VASGRA Kohorten-Flowchart. USZ Universitätsspital Zürich, GEPI Gefäß(endo)protheseninfektion

Bei der VASGRA-Kohorte A handelt es sich um eine prospektive Studie aller Patienten mit Gefäß(endo)prothesen, die ab Oktober 2012 am USZ operiert wurden.

Die VASGRA-Kohorte B ist eine prospektive Studie aller Patienten mit einer Infektion der Gefäßprothese ab Oktober 2012, [6] wobei die Kohorte B1 alle Patienten umfasst, die zuvor am USZ operiert wurden und erneut zur Reoperation überwiesen werden, und die Kohorte B2 diejenigen Patienten, die an externen Kliniken operiert wurden und mit Verdacht auf eine GEPI an das USZ überwiesen werden.

Ziele und Fragestellungen der prospektiven VASGRA-Kohortenstudie

  1. 1.

    Unterhalt einer prospektiven Beobachtungsstudie „Vascular Graft Cohort Study“ (VASGRA) und einer Biobank mit Gewebe- (periprothetische Gewebebiopsien, Prothesenmaterial, NPWT-Schwämme) und Blutproben von Patienten mit GEPI

  2. 2.

    Beantwortung folgender primärer Forschungsfragen

    1. a.

      Resultate der komplett oder teilweise grafterhaltenden Therapie bei GEPI hinsichtlich der Prothese

      I. Rate an Reinfektionen

      II. Sekundäre Ausbaurate und deren Gründe

    2. b.

      Resultate der kompletten oder teilweise grafterhaltenden Therapie bei GEPI bezüglich Überleben

  3. 3.

    Beantwortung folgender verschachtelter Forschungsfragen

    1. a.

      Epidemiologie

      I. Bestimmung der Inzidenz und des Ergebnisses von Komplikationen nach dem Einbau einer Gefäßprothese

      II. Bestimmung der Risikofaktoren, der besten Behandlungsstrategien und des Ergebnisses von GEPI

      III. Bestimmen des Einflusses verschiedener Antibiotikaschemata auf das Ergebnis von GEPI aufgrund verschiedener bakterieller Pathogene

    2. b.

      Bildgebende Verfahren

      I. Bestimmung der Genauigkeit von PET/CT bei der Beurteilung des Ansprechens auf die Behandlung bei GEPI

      II. Bestimmung der Genauigkeit von MRI, Angio-CT und PET/CT für die Diagnose von GEPI

    3. c.

      Mikrobiologie

      I. Bestimmung der bakteriellen Diversität vaskulärer Wunden mittels Breitband-PCR

      II. Bestimmung des Einflusses der NPWT auf die bakterielle Diversität bei GEPI unter Verwendung der Breitband-PCR

    4. d.

      Biomarker

      I. Bestimmung der Cut-off-Werte von Blutleukozytenzahl, BSR, CRP und Prokalzitonin, die den Verdacht auf eine GEPI erwecken

    5. e.

      Histopathologie

      I. Bewertung der histopathologischen Merkmale von Gewebe und exzidierten Gefäß(endo)prothesen

Die Kohorten VASGRA B1 und VASGRA B2 dienen als Infrastruktur für weitere zusätzliche Projekte mit spezifischen Forschungsfragen innerhalb des Themas der GEPI.

In den Jahren 2012–2020 wurden Informationen über etwa 1500 Operationen gesammelt, die bei >700 gefäßchirurgischen Patienten durchgeführt wurden. Fremdkörperreaktionen, Blutungen, Thrombosen, Zersetzung von Gefäß(endo)prothesen sowie neue Gefäß(endo)protheseninfektionen sind prospektiv dokumentiert. Die Endpunkte werden von einem Team aus Gefäßchirurgen und Spezialisten für Infektionskrankheiten überprüft und beurteilt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben wir umfassende Informationen zu 180 prospektiven Patienten mit GEPI in der Datenbank (Tab. 1). Die Indexoperationen bei diesen Patienten mit GEPI waren Operationen der thorakalen Aorta (31 %), der abdominalen Aorta und/oder der Iliakalarterien (51 %) sowie infrainguinale Gefäßoperationen (18 %).

Tab. 1 Charakteristik der am USZ behandelten Patienten mit GEPI von 2012 bis 2020

Es wurde am Institut für Medizinische Mikrobiologie der Universität Zürich (IMM) eine Biobank eingerichtet. Blut- und Gewebeproben von allen Patienten mit GEPI wurden am IMM gelagert. Gegenwärtig wurden Informationen über >200 verschiedene Bakterienstämme gesammelt.

Datenerfassung und Relevanz

Die Art und Häufigkeit der Datenerfassung sind in den Tab. 2 und 3 zusammengefasst.

Tab. 2 Flowchart der Datenerfassung der VASGRA-Kohorte A. (Grundlegende Charakteristika von Patienten am Universitätsspital Zürich mit Gefäßimplantaten [auch im SwissVasc-Register registriert]. Alle Patienten, die im Universitätsspital Zürich zur Implantation von Gefäß(endo)prothesen hospitalisiert sind.)
Tab. 3 Flowchart der Datenerfassung der VASGRA-Kohorten B1 und B2. (Beurteilung von postoperativen Komplikationen [Gefäß(endo)protheseninfektion, andere nichtinfektiöse Komplikationen wie Fremdkörperreaktion, Blutung, Verschluss, Thrombose, Gefäßruptur und Tod] bei Patienten, die initial am Universitätsspital Zürich gefäßoperiert wurden oder anderweitig operiert wurden und zur gefäßchirurgischen Reoperation an das Universitätsspital Zürich überwiesen wurden.)

Biomarker sind Substanzen im menschlichen Körper, die das Vorhandensein einer Krankheit widerspiegeln. Da fortlaufend neue solcher Marker entdeckt werden, ist es unmöglich, diese umfassend zu bestimmen. Serumanalysen ermöglichen über die Identifizierung von Antigenträgern den Nachweis von speziellen Krankheitserregern. Andererseits können durch den spezifischen Nachweis bestimmter Antikörper im Blut Krankheiten diagnostiziert werden. Um eine zusätzliche Messung zu einem späteren Zeitpunkt zu ermöglichen, werden die entnommenen Blut- und Gewebeproben in einer sog. „Biobank“ im Institut für Medizinische Mikrobiologie der Universität Zürich gelagert.

Organisation des Follow-up

Das klinische Follow-up gemäß Studienprotokoll findet auf der Klinik für Infektiologie am USZ statt. Wenn immer möglich, werden die Patienten multidisziplinär in Anwesenheit des VASGRA-Investigators der Abteilung für Gefäßchirurgie und/oder des Operateurs selbst gesehen. Die Befunde werden vorgängig in einem multidisziplinären Meeting und dann mit dem Patienten anlässlich seiner Visite besprochen. Je nach Befund wird dem Patienten direkt die diagnostische oder therapeutische Konsequenz mitgeteilt und/oder der Patient wird zur multidisziplinären detaillierten Besprechung angemeldet.

Resultate

Schlüsselergebnisse und Publikationen

In den letzten 8 Jahren hat die VASGRA-Kohorte bedeutende Fortschritte gemacht, und es wurden mehrere Unterprojekte abgeschlossen, die zur Verbesserung der Patientenversorgung beitragen. Es wurde nach den Ursachen und der Inzidenz von GEPI gesucht [7]. Wir haben große Erfahrung in der Bildgebung und der Mikrobiologie von GEPI gesammelt und diese in mittlerweile 8 Publikationen veröffentlicht [8,9,10,11,12,13,14,15]. Bei allen VASGRA-Patienten mit Verdacht auf eine GEPI wurden prospektiv 18F-FDG-PET/CT durchgeführt und die diagnostische Genauigkeit mit einem neuen 5‑Punkte-Score zur visuellen Einstufung bewertet [9]. Wir untersuchten die 18F-FDG-PET/CT zur Therapiekontrolle bei Patienten mit Gefäß(endo)protheseninfektion in zwei Studien [8, 13] und kamen zu dem Schluss, dass konsekutive 18F-FDG-PET/CT die klinische Entscheidungsfindung bei Patienten mit GEPI in naher Zukunft beeinflussen könnten. Die neueste Untersuchung der Bildgebung beurteilt die Sensitivität und Spezifität von F18-FDG-PET/CT im Vergleich zur kontrastmittelverstärkten Computertomographie bei der Infektion von unbehandelten Aortenaneurysmen [15]. Des Weiteren wurden mikrobiologische Studien mit Schwerpunkt auf die Diagnostik [10, 12] und Therapie [11] durchgeführt.

Konkret konnten aufgrund unserer Analysen der prospektiven VASGRA-Kohorte folgende Schlüsse gezogen werden:

  • Die Inzidenzrate von GEPI beträgt 7,0/100 Personenjahre (95 %-Konfidenzintervall [KI] 5,1–9,6) [7].

  • Wir identifizierten die Eingriffszeit, eine unzureichende perioperative Prophylaxe, insbesondere bei Patienten mit einer etablierten Antibiotikabehandlung, und mehrere postoperative infektiöse und nichtinfektiöse Komplikationen als modifizierbare Prädiktionsfaktoren für GEPI und damit als Schlüssel zu verbesserten Überwachungsprogrammen und Präventionsstrategien [7].

  • Ein neu eingeführter 5‑Punkte-Score für die visuelle Einstufung und eine frühzeitige Bildgebung vor der antimikrobiellen Behandlung können die Diagnosegenauigkeit des 18F-FDG-PET/CT bei GEPI weiter verbessern [9].

  • Wir kamen zum Schluss, dass konsekutive 18F-FDG-PET/CT die klinische Entscheidungsfindung bei Patienten mit GEPI in naher Zukunft beeinflussen könnten [13].

  • Die Kombination der hohen Sensitivität von 18F-FDG-PET/CT bei der Erkennung metabolisch aktiver Herde bei Infektionen und der hohen Spezifität von Angio-CT bei der Erkennung anatomischer Veränderungen scheint der Grund dafür zu sein, dass die kombinierte Bildgebung der Einzelbildgebung überlegen ist [13].

  • Die diagnostische Genauigkeit von 18F-FDG-PET/CT beim Nachweis von infizierten Aortenaneurysmen (n = 13) ist hoch und höher als bei Kontrastmittel verstärkter CT. Während das 18F-FDG-PET/CT eine ausgezeichnete Sensitivität aufweist, ist seine Spezifität aufgrund falsch-positiver Befunde beeinträchtigt [15].

  • Der diagnostische Wert von mikrobiologischen Kulturen aus NPWT-Schwämmen war schlecht. Daher sollte sich die antimikrobielle Therapie in erster Linie auf tiefe Wundkulturen konzentrieren, während Bakterien, die aus NPWT-Schwämmen gewonnen werden, weniger wichtig zu sein scheinen [10].

  • Kombinierte Kulturen und die Breitband-PCR des 16S rRNA-Gens aus periprothetischem Gewebe und/oder explantierten Gefäß(endo)prothesen erhöhten die diagnostische Genauigkeit bei der GEPI, insbesondere bei Patienten, die zum Zeitpunkt der Wiederherstellungsoperation bereits antimikrobiell behandelt wurden [12].

  • Subinhibitorische Konzentrationen von Clindamycin lösen über den alternativen Sigma-Faktor B (σ(B)) eine transkriptionelle Stressantwort in S. aureus aus und reguliert die Expression der wichtigsten biofilmassoziierten Gene atlA, lrgA, agrA, der phenollöslichen Moduline (psm) Gene, und der fibronektinbindenden Proteine fnbA und fnbB hoch. Die Daten legen nahe, dass subinhibitorische Konzentrationen von Clindamycin die Fähigkeit von S. aureus zur Bildung von Biofilmen verändern und die Zusammensetzung der Biofilmmatrix zu einem höheren extrazellulären DNA(eDNA)-Gehalt verschieben [11].

Um eine wirkliche longitudinale, längerfristige Entwicklung aufzeigen zu können, haben wir bisher bewusst auf die Publikation von klinischen Daten verzichtet. Neben einer sehr niedrigen 30-Tages-Mortalität und 1‑Jahres-Mortalität im Pilotprojekt [3] können wir nun eine äußerst niedrige 2‑Jahres-Mortalität sowohl der extrakavitären als auch intrakavitären GEPI bestätigen aufgrund unserer längerfristigen Studienergebnisse (Abb. 4). Die durch einen GEPI direkt bedingte Langzeitmortalität in der VASGRA-B-Kohorte beträgt 8 %.

Abb. 4
figure 4

Gesamtüberlebenskurve für Patienten mit Gefäß(endo)protheseninfektionen. Die Kurve wurde nach 2 Jahren zensuriert, um ein realistisches Bild wiederzugeben. In den ersten 6 Monaten war die Mortalität von infrainguinalen GEPI niedriger als bei intrakavitären GEPI. Nach Zensurierung der Daten nach 2 Jahren besteht kein signifikanter Unterschied mehr in der Sterblichkeit. Der Grund für den Unterschied zu anderen publizierten Kohorten ist wahrscheinlich das lange Follow-up von 4,5 Jahren pro Patienten

Diskussion

Trotz relativ niedriger Inzidenz von GEPI [1, 7] stellt deren Management eine große Belastung für die Patienten, Leistungserbringer und das Gesundheitswesen dar. Bis vor wenigen Jahren bestand das kurative Management von GEPI darin, nach erfolgter Diagnostik die Implantate in toto auszubauen, anatomisch oder extraanatomisch zu rekonstruieren und wenn nötig plastisch-chirurgisch zu decken. Heute liegen eine Reihe von Studien vor, die die erfolgreiche Implantat erhaltende Therapie von inguinalen GEPI durch Anwendung von NPWT mit niedriger Morbidität und Mortalität aufzeigen [5, 16,17,18,19,20,21].

Dieses Wissen ist in die neuen „European Society for Vascular Surgery (ESVS) 2020 Clinical Practice Guidelines on the Management of Vascular Graft and Endograft Infections“ und deren Empfehlungen eingeflossen [1]. Bei deren genauer Analyse wird jedoch klar, dass nach wie vor große Unsicherheit über das beste Management von inguinalen GEPI herrscht. So wird z. B. empfohlen, dass die Behandlungsmodalität auf den Zustand des Patienten, auf die Verfügbarkeit einer autologen Vene, eines kryokonservierten Allotransplantats oder eines alternativen Gefäßersatzes sowie auf die Erfahrung des Chirurgen zugeschnitten sein sollte.

Implantate können durch Anwendung von NPWT und multidisziplinäres Management erhalten werden

Während das Konzept der grafterhaltenden Therapie und die Anwendung von NPWT bei inguinalen und peripheren GEPI in den letzten Jahren immer mehr Akzeptanz erfuhr und in die „European Society for Vascular Surgery (ESVS) 2020 Clinical Practice Guidelines on the Management of Vascular Graft and Endograft Infections“ Einzug fanden, wurde dieses Konzept für die intrakavitären GEPI kaum erforscht. So wird denn auch heute noch gefordert, infizierte thorakale [1, 22] und abdominale [1, 23] Prothesen zum Aortenersatz komplett auszubauen und zu ersetzen, trotz hoher Mortalitäts- und Morbiditätsraten. In einem Systematic Review inkl. Metaanalyse ist die Frühmortalität mit 37 % und die Langzeitmortalität mit 46 % beziffert und in einer weiteren Metaanalyse fand man eine 1‑Jahres-Mortalität von 37 % für thorakale intrakavitäre GEPI mit Totalersatz des Implantats [24, 25]. Für abdominale intrakavitäre GEPI sind Frühmortalitäten von bis zu 48 % für In-situ-Rekonstruktionen [1, 26] und bis zu 45 % für extraanatomische Rekonstruktionen [1, 27] beschrieben worden.

Die VASGRA-Kohortenstudie [6] wurde vor 8 Jahren mit dem Ziel initiiert, generell vorhandene Unsicherheiten und Unklarheiten zu erforschen und einen allgemeingültigen Managementpfad für GEPI zu entwickeln, der idealerweise die Morbiditäts- und Mortalitätsraten zu senken vermag. Der neue Ansatz bestand darin, GEPI mit einem möglichst minimal-invasiven, die Prothese erhaltenden oder teilerhaltenden Konzept unter lokaler NPWT-Behandlung konsequent für alle GEPI (extra- und intrakavitär) anzuwenden und zu erforschen. Dabei wurde schon bei der Planung definiert, dass die Erforschung dieses komplexen Gebiets unbedingt ein multidisziplinäres Konzept mit einem konsequenten longitudinalen Follow-up möglichst aller Patienten erfordert. Dieses konsequente longitudinale, multidisziplinäre Gesamtkonzept hat unserer Ansicht nach wesentlich zur Senkung der Morbidität und Mortalität der VASGRA-Kohorte (direkt bedingte Langzeitmortalität in der VASGRA-B-Kohorte von 8 %) im Vergleich zur Literatur beigetragen. Die sehr niedrige, nicht signifikant unterschiedliche 2‑Jahres-Mortalität der extrakavitären und intrakavitären GEPI im Vergleich mit anderen Kohorten erklärt sich am ehesten durch das lange Follow-up von 4,5 Jahren pro Patienten (s. Kommentar zu Abb. 4).

Natürlich braucht es eine größere, multizentrische, idealerweise multinationale Kohorte zur Bestätigung unserer Resultate.

Der Nachweis einer GEPI ist nach wie vor teilweise schwierig und es existiert eine Vielfalt an Bildgebungsverfahren zu deren Nachweis [1]. Ein Schwerpunkt der prospektiven VASGRA-Kohortenstudie war deshalb die genaue Analyse und Weiterentwicklung der bildgebenden Diagnostik von GEPI. Ein neu eingeführter 5‑Punkte-Score für die visuelle Einstufung und eine frühzeitige Bildgebung vor der antimikrobiellen Behandlung sorgte für die Verbesserung der Diagnosegenauigkeit des 18F-FDG-PET/CT bei GEPI [9]. Konsekutiv durchgeführte 18F-FDG-PET/CT beeinflussten die klinische Entscheidungsfindung bei unseren Patienten mit GEPI wesentlich (z. B. Dauer der Antibiotikagabe) [13]. Es wurde zudem aufgezeigt, dass die Kombination der hohen Sensitivität von 18F-FDG-PET/CT bei der Erkennung metabolisch aktiver Herde bei Infektionen und der hohen Spezifität von Angio-CT bei der Erkennung anatomischer Veränderungen der Einzelbildgebung überlegen ist [13]. Die während der Studie gewonnen Erkenntnisse über die Bildgebung flossen laufend in unser Gesamtkonzept des Managements von GEPI ein. Inwieweit die konsequente Durchführung der erweiterten Bildgebung zu den guten Resultaten unserer Studie beigetragen hat, muss durch weitere Studien erhärtet werden.

Die kombinierte Bildgebung ist der Einzelbildgebung überlegen

Eine weitere Herausforderung und einen Schlüsselpunkt stellt die mikrobiologische Diagnostik und deren Wertigkeit dar [28]. Durch eingehende Analyse unserer VASGRA-Kohorte haben wir festgestellt, dass der diagnostische Wert von mikrobiologischen Kulturen aus NPWT-Schwämmen schlecht war und sich deshalb die antimikrobielle Therapie in erster Linie auf tiefe Wundkulturen konzentrieren sollten [10]. Kombinierte Kulturen und die Breitband-PCR des 16S rRNA-Gens aus periprothetischem Gewebe und/oder explantierten Gefäß(endo)prothesen erhöhten die diagnostische Genauigkeit bei der GEPI, insbesondere bei Patienten, die zum Zeitpunkt der Wiederherstellungsoperation bereits antimikrobiell behandelt wurden [12]. Diese Erkenntnis erlaubte es uns, die GEPI möglichst gezielt und effektiv zu behandeln. Auch hier müssen weitere Studien folgen, die es noch gezielter erlauben, die relevanten Keime zu behandeln und somit möglicherweise die Ergebnisse von GEPI zu verbessern.

Die prospektive VASGRA-Kohortenstudie weist folgende Stärken auf:

  • Sie basiert auf dem Datensatz des nationalen SwissVasc-Registers.

  • Sie ergänzt das nationale SwissVasc-Register um das wichtige Kapitel der Gefäßinfektionen.

  • Die Datenerfassung ist prospektiv und somit umfassend.

  • Der diagnostische und therapeutische Ansatz ist multidisziplinär und erlaubt es, Konzepte zu entwickeln, die über die einzelnen Disziplinen hinausragen.

Es gibt jedoch auch Schwächen der prospektiven VASGRA-Kohortenstudie: Sie ist eine Single-Center-Studie und deshalb nicht generell aussagekräftig. Im Laufe der Jahre konnten wir jedoch beobachten, wie sich auf Kongressen und in der Literatur die Stimmen häuften, die zu ähnlichen Resultaten kamen, wie wir sie in der VASGRA-Kohortenstudie seit 2013 finden. Zweitens ist die Datenauswertung retrospektiv und nicht verblindet. Es existiert unseres Wissens jedoch keine andere prospektiv geführte Datenbank, die derart umfassend und langjährig ist, wie diejenige von VASGRA und die konsequent multidisziplinär betreut und ausgewertet wird. Drittens ist bei einem Teil der Patienten keine positive Bakteriologie vorhanden und erschwert deren Auswertung. Es handelt sich dabei jedoch meistens um Patienten, die vor Überweisung ans USZ „blind“ Antibiotika erhalten haben, jedoch wichtige Kriterien der Protheseninfektion erfüllen.

Ein Ausblick in die Zukunft

Die „European Society for Vascular Surgery (ESVS) 2020 Clinical Practice Guidelines on the Management of Vascular Graft and Endograft Infections“ bringen dieses uns seit Jahren wichtige und schwierige Themengebiet ins gebührende Rampenlicht [1]. Eine Erweiterung unserer prospektiven VASGRA-Kohortenstudie durch multidisziplinäre und fruchtbare Zusammenarbeit über die regionalen und internationalen Grenzen hinaus ist wünschenswert und unserer Ansicht nach zielführend bei der Erforschung des komplexen Themengebiets der GEPI. Die gemeinsame Analyse verschiedener nationaler Gefäßregister und deren Publikation haben auch anderweitig schon aufgezeigt, wie erkenntnisreich und synergetisch gebündelte Forschung sein kann [29,30,31,32,33]. Die VASGRA-Kohortenstudie des Universitätsspitals Zürich ist multizentrisch und international erweiterbar und bereit für diese Aufgabe.

Fazit für die Praxis

  • Auch nach der wertvollen Veröffentlichung der „European Society for Vascular Surgery (ESVS) 2020 Clinical Practice Guidelines on the Management of Vascular Graft and Endograft Infections“ besteht nach wie vor wenig prospektive Evidenz hinsichtlich der erfolgreichen Diagnostik und Behandlung von Gefäß(endo)protheseninfektionen (GEPI).

  • Unsere Erfahrungen und Lehren aus 8 Jahren prospektiver Begleitung der prospektiven VASGRA(Vascular-Graft-Infection)-Kohorte am Universitätsspital Zürich zeigen:

    • Ein minimal-invasiver, multidisziplinärer Ansatz erlaubt die erfolgreiche Behandlung von GEPI mit sehr niedriger Mortalität, Morbidität und Reinfektionsrate.

    • Der Einsatz des 18F-FDG-PET/CT ermöglicht eine relativ präzise Diagnostik und Verlaufsbeurteilung eines GEPI.

    • Die antimikrobielle Therapie sollte sich in erster Linie auf tiefe Wundkulturen konzentrieren, während Bakterien, die aus NPWT-Schwämmen gewonnen werden, weniger wichtig zu sein scheinen.

    • Kombinierte Kulturen und die Breitband-PCR des 16S rRNA-Gens aus periprothetischem Gewebe und/oder explantierten Gefäß(endo)prothesen erhöhen die diagnostische Genauigkeit bei der GEPI, insbesondere bei Patienten, die zum Zeitpunkt der Wiederherstellungsoperation bereits antimikrobiell behandelt wurden.