Einleitung

In der Medizingeschichte sind arterielle Aortenaneurysmen seit über 3500 Jahren bekannt. Seit dem Papyrus Ebers, der überlieferten erstmaligen Schrift über das menschliche Herz, Aorta und Aneurysmen, stellt sich die Frage nach einer optimalen Therapie des abdominellen Aortenaneurysmas (AAA). Wurden im alten Ägypten noch magische Heilmittel verabreicht, stehen heutzutage bereits moderne endovaskuläre Techniken zur chirurgischen Therapie zur Verfügung [1]. Oft ist die entscheidende Frage bei Patienten mit AAA allerdings, wie lange man den Zeitpunkt, bis eine operative Versorgung unumgänglich ist, hinauszögern kann. Der folgende Artikel gibt einen Überblick zu bisherigen therapeutischen Strategien und Empfehlungen zur medikamentösen Therapie. Der Fokus liegt hierbei auf klinischen Studien zu Arzneimittelgruppen, welche auf ihre Wirksamkeit hin untersucht wurden, die Wachstumsrate von abdominellen Aneurysmen zu verringern. Als Beispiel einer aktuell laufenden Studie wird das Vienna MetAAA Trial vorgestellt.

Bisherige Forschungsergebnisse

Für das Ziel, die Progression oder die Ruptur eines AAA zu vermeiden, erscheint zunächst die konsequente Therapie der behandelbaren Risikofaktoren naheliegend. Der negative Einfluss von gesundheitsschädlichem Rauchverhalten und die zudem klar positive Assoziation der Dosis-Wirkungs-Beziehung zur AAA-Wachstumsrate steht wissenschaftlich außer Frage. Die Aufgabe des Rauchverhaltens kann bei Patienten die AAA-Wachstumsrate um bis zu 20 % reduzieren [2,3,4]. Eine randomisiert kontrollierte Studie sowie eine rezent durchgeführte Metaanalyse in Bezug auf die Sicherheit und Wirksamkeit von Bewegungstraining bei AAA-Patienten zeigten keinen Einfluss auf die AAA-Wachstumsrate und weder der Trainingsstatus noch das Fitnessniveau beeinflussten die AAA-Progression signifikant. Angeleitetes Bewegungstraining zeigte sich zumindest bei Patienten mit AAA im Allgemeinen als sicher [5, 6].

Im Jahr 2015 lieferte eine systematische Übersichtsstudie eine evidenzbasierte Zusammenfassung der Daten bezüglich pharmakologischer Therapiemöglichkeiten zur Stabilisierung oder zukünftigen Unterbindung des AAA-Wachstums und schlussfolgerte, dass zurzeit nur unzureichende Evidenz vorliegt und keine bisherig verfügbare medikamentöse Intervention das AAA-Wachstum verringern kann [7]. Trotz umfassender, weltweiter Forschungsanstrengung konnte bis heute keine Arzneimittelgruppe oder einzelnes Medikament mit der Fähigkeit zur Wachstumsratenreduktion beim abdominellen Aortenaneurysma identifiziert werden. Diese bisherigen Strategien haben initial vielversprechende therapeutische Daten und Berichte gemein, die sich nachfolgend in größer angelegten Studien nicht bestätigen konnten. Im Spektrum der bereits untersuchten Arzneimittel liegen verschiedene Klassen an antihypertensiven Medikamenten wie Beta-Adrenozeptor-Antagonisten, ACE-Inhibitoren, Kalziumkanalantagonisten und Diuretika. So konnte bei Adrenozeptor-Antagonisten wie zum Beispiel Propanolol weder in Fall-Kontroll- oder Kohortenstudien noch in randomisierten, kontrollierten Studien ein signifikanter Effekt auf das AAA-Wachstum festgestellt werden [8,9,10,11,12,13]. Ebenfalls konnte für ACE-Inhibitoren kein positiver Effekt auf die AAA-Wachstumsrate nachgewiesen werden [10, 14, 15]. Eine prospektive Kohortenstudie mit 1701 Patienten zeigte sogar eine Assoziation zwischen der Einnahme von ACE-Inhibitoren und schnellerem AAA-Wachstum [16]. Die Hypothese, dass AAA-Wachstum in der Regel mit Infektionen zusammenhängen könnte und eine entsprechende antimikrobielle Therapie hier vorteilhaft wäre, wurde in Studien mittels Makroliden wie Roxithromycin und Azithromycin widerlegt [17, 18]. Auch Tetrazykline, insbesondere Doxycyclin, von dem berichtet wurde, dass es eine signifikante Reduktion von pathophysiologisch wichtiger MMP-9-Aktivität bedingt, konnten keine AAA-Wachstumsratenreduktion zeigen [7, 19, 20]. Die Wirkung von HMG-CoA-Reduktase-Inhibitoren (Statinen) auf das AAA-Wachstum ist aufgrund unterschiedlicher Studienergebnisse nicht eindeutig und wird durchaus kontrovers diskutiert [21, 22]. Drei Kohortenstudien und eine klinische Studie bezüglich Azithromycin demonstrierten, dass die Verwendung von Statinen mit der Reduktion von AAA-Wachstumsraten assoziiert ist. Die durchschnittliche Verringerung des AAA-Wachstums in Patienten mit Einnahme von Statinen betrug zwischen 0,9 und 1,2 mm pro Jahr [23,24,25,26]. Allerdings konnten vier andere Studien mit höherer Fallzahl (zwei prospektive und zwei retrospektive Kohortenstudien) diesen Effekt nicht zeigen [16, 27,28,29]. Eine Metaanalyse folgerte, dass die Wirkung der Statintherapie auf die Wachstumsrate von der Größe des Aneurysmas abhängt und vorteilhafter ist, wenn der AAA-Durchmesser ≥36 mm beträgt [30]. Eine sehr rezente Metaanalyse im Jahr 2020 untersuchte 14 Studien mit insgesamt 38.749 AAA-Patienten, davon unterliefen 15.993 Patienten eine Therapie mit HMG-CoA-Reduktase-Inhibitoren, 22.756 Patienten erhielten ein Placebo. Die gepoolten Ergebnisse zeigten, dass die Einnahme von Statinen mit einer signifikant niedrigeren AAA-Wachstumsrate zusammenhängt. Der mittlere Unterschied zwischen den beiden Gruppen betrug 1,5 mm pro Jahr [31]. Aufgrund der Heterogenität der genannten und vielen anderen Studien findet sich zurzeit in den aktuellen Clinical Practice Guidelines der European Society for Vascular Surgery (ESVS) als auch in den Practice Guidelines der Society for Vascular Surgery keine Empfehlung zur medikamentösen Therapie mit HMG-CoA-Reduktase-Inhibitoren zum alleinigen Grund der AAA-Wachstumsratenreduktion [4, 32]. Allerdings erhalten AAA-Patienten Statine weitgehend, da diese indiziert sind, um das allgemeine kardiovaskuläre Risiko in AAA-Patienten zu senken. Dieser Umstand erschwert auch zukünftige Studien bezüglich der Wirkung von Statinen auf die AAA-Wachstumsrate. Die European Guidelines on cardiovascular disease prevention in clinical practice und die Guidelines on the Diagnosis and Treatment of Peripheral Arterial Diseases empfehlen bei allen Patienten mit peripher arterieller Gefäßerkrankung das Low-density-Lipoprotein-Cholesterin (LDL-C) auf <1,8 mmol/l (<70 mg/dl) zu reduzieren oder um 50 % zu reduzieren, wenn der anfängliche LDL-C-Spiegel zwischen 1,8 und 3,5 mmol/l liegt (70 und 135 mg/dl) [33, 34]. Einige Studien untersuchten zudem das Potenzial von Thrombozytenaggregationshemmern, vor allem mittels Acetylsalicylsäure, als Therapie zur Stabilisierung des AAA-Wachstums. Eine dänische Studie mit 148 Patienten, welche ein AAA zwischen 30 und 48 mm aufwiesen, zeigte nach einer medianen Beobachtungszeit von 6,6 Jahren, dass in Patienten, deren AAA anfänglich <40 mm Durchmesser hatte, eine ähnliche AAA-Wachstumsrate vorlag, unabhängig davon, ob Acetylsalicylsäure eingenommen wurde oder nicht. Allerdings zeigten abdominelle Aortenaneurysmen, die anfänglich bereits größeren Durchmesser als >40 mm hatten, eine signifikante Reduzierung ihrer Wachstumsrate in Patienten, die Acetylsalicylsäure eingenommen hatten (2,92 mm/Jahr versus 5,18 mm/Jahr) [35]. Im Gegensatz dazu wurde im UK Small Aneurysm Trial (UKSAT), in der Aneurysm-Detection-and-Management(ADAM)-Studie und in einer weiteren Kohortenstudie kein signifikanter Effekt einer thrombozytenaggregationshemmenden Therapie auf die AAA-Progression festgestellt [8, 16, 28]. Bezüglich der Thrombozytenaggregationshemmer gelten zurzeit ähnliche Richtlinien wie für die antihypertensiven und lipidsenkenden Therapieansätze zur allgemeinen Reduktion des kardiovaskulären Risikos bei AAA-Patienten [4, 32]. Eine große Studie aus dem Jahr 2016 untersuchte verschiedene pharmakologische Therapien an 12.485 AAA-Patienten und konnte zeigen, dass die 5‑Jahres-Überlebensraten signifikant erhöht waren für jene AAA-Patienten, die antihypertensive Medikation (62 % versus 39 %), Statine (68 % versus 42 %) oder thrombozytenaggregationshemmende Medikamente (64 % vs. 40 %) einnahmen, verglichen mit AAA-Patienten, die diese Arzneimittel nicht einnahmen [36].

Zusammenfassend besteht zurzeit keine ausreichende Evidenz für eine gültige Empfehlung laut internationalen Guidelines für Arzneimittelgruppen oder einzelne Medikamente, um die AAA-Progression zu verlangsamen oder gänzlich zu verhindern. Allerdings sollte ein gesunder Lebensstil einschließlich gesunder Ernährung und angeleitetem körperlichen Training sowie die medikamentöse Blutdruckkontrolle, lipidsenkende Therapie und Thrombozytenaggregationshemmung bei allen Patienten mit AAA in Betracht gezogen werden, falls keine Kontraindikationen vorliegen [4, 32].

Ausblick auf zukünftige Therapiemöglichkeiten

Die Mehrzahl der bisher getesteten Medikamente zur Reduktion des Aneurysmawachstums ist auf Komorbiditäten ausgerichtet, denen man zum Teil überlappende Mechanismen der Pathogenese zuschreibt. So sind beispielsweise Hypertonie und Hyperlipidämie als Auslöser chronischer Entzündungsherde in der Atherosklerose bekannt, sind aber auch mit dem AAA assoziiert. Ein wirksames Therapeutikum zur Eindämmung der AAA-Progression sollte demnach der lokalen Zerstörung der Gefäßwand entgegenwirken, wie sie beispielsweise in Entzündungsreaktionen durch Kollagenasen oder reaktive Sauerstoffradikale ausgelöst wird. Interessanterweise hat sich das Antidiabetikum Metformin rezent als vielversprechende Therapieoption entwickelt, dessen pleiotrope Wirkmechanismen auch die Entzündungshemmung umfassen.

Retrospektive Studien sowie eine rezente Metaanalyse haben gezeigt, dass mit Metformin behandelte Typ-II-Diabetiker langsamere AAA-Progressionsraten aufweisen und weniger wahrscheinlich ein AAA entwickeln als Nichtdiabetiker [37,38,39,40]. Dieser Effekt wurde bei anderen antidiabetisch wirksamen Arzneimitteln nicht beobachtet und so konnte in einer rezenten prospektiven Kohortenstudie gezeigt werden, dass bei mit Metformin behandelte Diabetes Typ-II-Patienten die Mortalität bezogen auf die AAA-Rupturrate als auch die Notwendigkeit einer vorzeitigen Operation signifikant vermindert ist im Vergleich zu Patienten mit anderer antidiabetischen Medikation [41]. Die Entwicklung von AAA ist auch im Mausmodell signifikant reduziert, wenn normoglykämische Mäuse mit Metformin behandelt werden [37]. Aktuell wird in zwei europäischen Studien, dem schwedischen MAAAGI (Metformin for Abdominal Aortic Aneurysm Growth Inhibition) Trial (offen randomisierte, kontrollierte Studie) und dem von unserem Studienteam in Österreich initiierten Vienna MetAAA Trial, einer prospektiven, doppelblinden, randomisierten und placebokontrollierten Sicherheits- und Wirksamkeitsstudie, die Hypothese getestet, dass Metformin die AAA-Progression bei nichtdiabetischen Patienten reduziert [42, 43].

Insgesamt werden 170 nichtdiabetische Patienten mit einem infrarenalen abdominellen Aortenaneurysma von 30 bis 49 mm Durchmesser für die österreichische MetAAA-Studie rekrutiert. Nach einer zweiwöchigen Testphase (mit zunehmender Dosierung von Metformin), um Patienten mit Metformin verursachten Nebenwirkungen auszuschließen, werden die verbleibenden Patienten randomisiert und 12 Monate lang mit Placebo oder Metformin in einer Dosis von 2000 mg pro Tag behandelt. Mittels computertomographischer Angiographie werden in Intervallen von 6 Monaten das AAA-Wachstum, also der maximale Aortendurchmesser sowie das Aneurysmavolumen, bestimmt.

Interne präliminäre Daten zeigen bereits vielversprechende Ergebnisse und lassen hoffen, dass Metformin ein wissenschaftlich hochinteressantes und aussichtsreiches Medikament zur Begrenzung der AAA-Progression darstellen kann.

Fazit für die Praxis

Bisher konnte keine Arzneimittelgruppe oder einzelnes Medikament mit der Wirksamkeit zur Wachstumsreduktion beim abdominellen Aortenaneurysma wissenschaftlich nachgewiesen werden. Aus diesem Grund enthalten die aktuellen Clinical Practice Guidelines der European Society for Vascular Surgery (ESVS) als auch die Practice Guidelines der Society for Vascular Surgery diesbezüglich keine Empfehlungen zur medikamentösen Therapie des AAA. Aktuelle Studien, darunter das Vienna MetAAA Trial, werden wichtige Evidenz liefern, ob Metformin die hohen internationalen Erwartungen erfüllen und zukünftig als Medikament bei Patienten mit AAA einen zentralen Stellenwert einnehmen kann.

Die gegenwärtige klinische Praxis sieht vor allem die Reduktion des allgemeinen kardiovaskularen Risikos bei Patienten mit AAA vor. Dies inkludiert meist sogenannte Lifestyle-Veränderungen wie Raucherentwöhnung, angeleitetes körperliches Training und gesunde Ernährung. Als konservative medikamentöse Therapie (zur allgemeinen Reduktion des kardiovaskulären Risikos bei AAA-Patienten) stehen, neben einer optimalen Blutdruckeinstellung, Thrombozytenaggregationshemmer sowie HMG-CoA-Reduktase-Inhibitoren (Statine) zur Verfügung.