Geschätzte Leserinnen und Leser,

wenn Sie die Zeitschrift von vorne nach hinten durchlesen, sind Sie schon auf das Editorial von Dittmar Böckler gestoßen und haben es hoffentlich gelesen. Auch von meiner Seite möchte ich dem scheidenden Präsidenten, Thomas Schmitz-Rixen, herzlichen Dank aussprechen. Das hat in dem Fall aber weniger mit seinem Posten als „Commander“ zu tun, als vielmehr mit der zeitgleichen Funktion als geschäftsführender Herausgeber der Zeitschrift Gefässchirurgie. Wie Sie auf der Herausgeberseite erkennen können, gibt es neben dem Schriftleiter („Chief Editor“) drei Herausgeber. Diese drei Herausgeber werden von den Fachgesellschaften gestellt. Da die DGG über doch deutlich mehr Mitglieder verfügt, obliegt dem Vertreter der DGG der Posten als „geschäftsführender Herausgeber“. Dabei erfolgt die Ernennung der Herausgeber unterschiedlich: In der DGG wird automatisch der Präsident der Gesellschaft als Herausgeber benannt. Damit ist auch ein Wechsel alle 2 Jahre vorprogrammiert, und für mich wird Dittmar Böckler bereits der 3. geschäftsführende Herausgeber sein. Umso sinnvoller ist eine geordnete Stabübergabe – sonst fängt man bei Null an. Die ÖGG und SGG dagegen benennen die Herausgeber unabhängig von der Funktion in der Fachgesellschaft, sodass hier deutlich seltener Wechsel stattfinden.

Mir persönlich hat das Beispiel der Internationalen Raumstation (ISS) sehr gut gefallen, und es sind mir sofort viele Fragen dazu eingefallen. Mein erster Gedanke war: Hm, das ist wohl eines der Dinge, die ich in diesem Leben nicht mehr schaffen werde. Für die ISS bin ich zu alt, und für Weltraumflüge mit der SpaceShipTwo reicht mein Gehalt nicht.

Wenn man sich das Leben an Bord (die Stimmung ist bestimmt gut) vorstellt, denkt man ja unwillkürlich auch an Dinge des täglichen Lebens. Während die ersten Weltraummissionen (Apollo-Programm) noch nicht darüber verfügten, besitzt die ISS tatsächlich Weltraumtoiletten, die auch durchaus in den Medien thematisiert werden. So war zuletzt die einzige Toilette im russischen Modul defekt und musste repartiert werden [1]. Bemerkenswert fand ich den folgenden Satz: „Der Bau einer zweiten Toilette im russischen Segment lässt seit Jahren auf sich warten“. Dies hat mich irgendwie an den Berliner Flughafen und an so manche Abläufe im Alltag erinnert. Auch konnte ich mich an ein Interview mit einem Mitarbeiter der NASA erinnern, das ich vor Jahren einmal in einer Sonntagszeitschrift gelesen hatte [2]. Demnach kann es zu deutlichen olfaktorischen Schwierigkeiten kommen, wenn man nicht aufpasst: Viele Gegenstände fangen nach einer Zeit an zu riechen, und man sollte sich gut überlegen, welche man mit auf eine Raumfahrtmission mitnimmt. George Aldrich macht den Job seit 40 Jahren, und mit seiner besonderen Fähigkeit ist er in der Lage, üble Gerüchte in Zukunft „vorhersehen“ zu können. Dies hat ihm bereits den selten verliehenen „Silver Snoopy Award“ der NASA eingebracht ([3]; Abb. 1).

Abb. 1
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Silver Snoopy Award der Mission STS-116 (Space Transportation System). Es handelte sich um den 20. Flug einer US-Raumfähre zur ISS. (Quelle: Nitrorat – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=16695382)

Die sicherlich wichtigste Frage, die einem durch den Kopf geht, ist natürlich – was für einen Sinn hat denn diese ISS? Immerhin werden die Kosten auf zwischen 100.000.000.000 € und 240.000.000.000 Dollar veranschlagt [4, 5]. Von den 3 Mrd. Dollar, die die NASA in 2015 für die ISS ausgab, entfielen 1,2 Mrd. Dollar auf Betrieb und Wartung und 1,5 Mrd. Dollar auf Crew- und Frachttransporte. Nur 10 %, also 300 Mio. Dollar, wurden für die Forschung veranschlagt. Und damit sind wir beim eigentlichen Punkt angelangt. Ich habe natürlich von der Forschung im Weltraum keine Ahnung, aber die Wissenschaftler sehen große Errungenschaften durch die Ergebnisse, die mit Hilfe der ISS erzielt wurden. Allein für den medizinischen Bereich findet man heute (12.12.2018) 1210 Artikel in „PubMed“ für den Suchbegriff „International Space Station“. Aus der eigenen Universitätsklinik wurde Sonja Schrepfer (Herzchirurgin) freigestellt und arbeitet mit der NASA zusammen, um Gefäße zu untersuchen – so wurden z. B. Mäuse auf die ISS geschickt, um den Einfluss auf das Gefäßsystem im Tier zu untersuchen [6]. Auch bei der geplanten Mars-Umrundung werden Experimente aus dieser Arbeitsgruppe durchgeführt werden („Heart in Space“).

Für die Astronomie und Physik wird es sicher Unmengen wichtiger und spannender Erkenntnisse geben. Und damit lande ich bei dem Stichwort Forschung. Während sich dem Kliniker der Sinn der Entwicklung neuer „Devices“ oder Behandlungsmethoden leicht erschließt, stellt sich die Frage nach dem Gegenwert der Forschung gegenüber den Kosten. Hierzu möchte ich Siegler et al. zitieren [7], welche sich wiederum auf einen Artikel von L. Thomas aus dem New England Journal of Medicine beziehen [8], wonach gilt: „Research that yields understanding of disease mechanisms and that can be applied to prevent or definitively treat disease will always prove to be cost-effective, even in a health system where incentives both for treatment and research may sometimes be less than optimal.

Somit steht medizinische Forschung nicht für sich selbst, sondern wird auf lange Sicht auch der Gesamtgesellschaft dienlich sein. Forschung ist eine der Kernkompetenzen auch von Chirurgen. Dies ist also eine wichtige Aufgabe für den neuen „Commander“: Es sollte für den gefäßchirurgischen Nachwuchs die Möglichkeiten und Umgebungen geschaffen werden, dass sinnvolle Forschung durchgeführt werden kann. Dies impliziert auch entsprechende Finanzierungen und Freiräume. Forschung ist heute viel zu komplex, als dass man nach Erledigung der klinischen Arbeit dann im Feierabend oder am Wochenende sinnvolle, nachhaltige Ergebnisse erzielen könnte.

Forschung ist eine wichtige Kernkompetenz der Chirurgie

Die Zeitschrift Gefässchirurgie ist sicher nicht das Hauptorgan zur Erstpublikation bahnbrechender Forschungsergebnisse. Dennoch ist es unser Anspruch, Sie auf dem Laufenden zu halten und für Kliniker in verständlicher Sprache lesenswerte Artikel zur Forschung zu veröffentlichen. In der vorliegenden Ausgabe geht es um einen Forschungsbereich, der zwar in der statistischen Methodik für den Durchschnittschirurgen schwer verstehen ist, aber inhaltlich sind die Ergebnisse und Schlussfolgerungen gut nachvollziehbar und von großer Wichtigkeit. Ich freue mich sehr, dass Christian Behrendt zahlreiche renommierte Autoren gewinnen konnte – so haben wir aufgrund der großen Anzahl an Artikel eine Teilung vorgenommen. Heft 1 und Heft 3 beschäftigen sich mit „real-world data“. Eine Einführung zum Thema finden Sie auf den folgenden Seiten. Außerdem finden Sie in dem vorliegenden Heft ein breites Spektrum weiterer, interessanter Artikel: Es geht um das Varizenregister des DIGG (Noppeney), offene Bypasschirurgie (Thermann), Grundlagenforschung (Simon), Ernährung (Grundmann), einen interessanten Fall (Garabet), Ultraschall bei Vaskulitis (Aschwanden) und als CME-Fortbildung „Gefäßerkrankungen bei Triathleten“.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß mit der vorliegenden Ausgabe und freue mich auf die Zusammenarbeit mit dem neuen geschäftsführenden Herausgeber für die nächsten 2 Jahre.

Herzlichst, Ihr

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Prof. Dr. A. Larena-Avellaneda