Geschätzte Leserinnen und Leser,

Leitthema des vorliegenden Heftes sind die „arteriovenösen Malformationen“ (AVM). Es handelt sich um seltene Erkrankungen, wobei die meisten der AVM intrakraniell liegen und damit insbesondere von Neuroradiologen und seltener auch von Neurochirurgen behandelt werden. Ihre Seltenheit macht die korrekte Diagnostik und Behandlung schwierig. Sehr grob gesagt, kann man zwischen „low-(slow-)flow“ und „high-(fast-)flow“ Malformationen unterscheiden. Der Therapeut muss die aktuellen Einteilungen kennen, um entsprechend der Genese korrekt zu handeln. Und tatsächlich kann durch eine unsachgemäße Therapie die Erkrankung sogar aggraviert werden: Beispielsweise wird der Versuch, die Feeder transarteriell zu embolisieren oder zu unterbinden, ohne den Nidus zu beseitigen, eher zu einem Wachstumsreiz der AVM führen [1]. Daher gibt es sehr unterschiedliche Strategien, und die Entscheidung, welcher Therapieweg eingeschlagen wird (perkutan, transarteriell, offen-chirurgisch, welches Embolisat etc.) sollte interdisziplinär erfolgen. Nun bin ich schon ein wenig länger in meinem Beruf tätig und musste feststellen, dass es auch hier Hardliner gibt, die ganz klar nur eine Form der Therapie für sinnvoll halten. Natürlich wird ein Spezialist, der nichts anderes macht, mit seiner Form der Behandlung bessere Ergebnisse erzielen. Allein: Nur die wenigsten werden sich derart spezialisieren. Auch erinnern mich solche Diskussionen an ein Zitat von Albert Einstein:

Der Horizont vieler Menschen ist wie ein Kreis mit Radius Null. Und das nennen sie dann ihren Standpunkt.

Und obwohl wir heute über mehr Informationstechnologie denn je verfügen, ist es erstaunlich, wie viele Ärzte (und viele Berufsgruppen mehr) auf Standpunkten beharren. Und – Sie kennen es schon, wenn Sie regelmäßig meine Editorials lesen – ich muss an meine alten Oberärzte denken, die auf die Ideen des damals jungen Assistenten folgendermaßen antworteten: „das war schon immer so“ und: „da könnte ja jeder kommen“.

Ein weiteres Zitat des weisen Physikers hat heute ebenfalls mehr Gültigkeit denn je:

Wir leben in einer Zeit vollkommener Mittel und verworrener Ziele.

Obwohl die Technik so weit fortgeschritten ist, und man sich deshalb auch ethisch Gedanken machen muss [2], hat man den Eindruck, dass alles schwieriger wird. Immer mehr spezielle Behandlungen erfordern eine stetige Auseinandersetzung mit den Methoden. Oder wird die künstliche Intelligenz uns diese Aufgabe abnehmen (wollen wir das überhaupt)? Zuletzt habe ich gelesen, dass mit Hilfe des „deep learnings“ Maschinen inzwischen genauso gut (oder gar besser) Tumoren auf Röntgenbildern erkennen können wie Radiologen [3]. Auf jeden Fall muss der Arzt von heute auf dem Laufenden bleiben. Dabei brauchen wir Zugriff auf die aktuelle Literatur – sowohl als Praktiker, als auch als Autor. Dabei soll das Projekt DEAL wesentlich mithelfen:

Im Rahmen dieses Projekts wird „das Ziel verfolgt, bundesweite Lizenzverträge für das gesamte Portfolio elektronischer Zeitschriften (E-Journals) großer Wissenschaftsverlage ab dem Lizenzjahr 2017 abzuschließen […]. Auftraggeber für das Vorhaben ist die Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen – vertreten durch die HRK – Hochschulrektorenkonferenz.“ [4]. Das klingt zunächst einmal ganz hervorragend. Aber Zeitschriften des Elsevier-Verlags sind derzeit nicht mit inbegriffen, da nach Ansicht des Projekts DEAL die Forderungen des Verlags überhöht seien. Zeitschriften aus diesem Verlag sind u. a.: Journal of Vascular Surgery, European Journal of Vascular and Endovascular Surgery und Lancet.

Einige Bibliotheken haben aufgrund des Projekts DEAL keine separaten Verträge mehr mit den Verlagen abgeschlossen. Dies hat zur Folge, dass wir am UKE derzeit keinen „kostenlosen“ Zugang zu diesen Zeitschriften haben, wie die Jahre zuvor. Und die Fronten scheinen weiter verhärtet, was den Bogen zu dem schönen Zitat von Albert Einstein oben wieder spannt. Das Beharren auf Standpunkten ist kontraproduktiv. Und um ein weiteres Zitat des gebürtigen Ulmers zu nennen:

In der Mitte von Schwierigkeiten liegen die Möglichkeiten.

Ich hoffe also sehr, dass im Sinne der Wissenschaft sich Projekt DEAL und der Elsevier-Verlag bald einig werden, und Patienten mit AVM von interdisziplinär denkenden Spezialisten behandelt werden. Die vorliegende Ausgabe soll Ihnen dabei helfen. Frau Rohlffs hat es geschafft, sehr renommierte internationale Autoren/Spezialisten für die vorliegende Ausgabe zu gewinnen! Aber auch weitere interessante Artikel finden Sie in diesem Heft, insbesondere zur Aorta: Voran die S2k-Leitlinie zur Typ-B-Aortendissektion (Torsello), den Stellenwert von Biomarkern (Gombert) und Zugangswege zum Gefäß (CME, Dorweiler). Neben dem interessanten Fall (Zerwes) möchte ich insbesondere auch auf den Artikel zur Sekundäranalyse der Behandlung der A. carotis (Kühnl) und den im Alltag wichtigen Umgang zur Überbrückung unter Antikoagulation (Schellong) hinweisen. Es ist also wieder eine schöne Mischung aus Praxis und Wissenschaft.

Herzlichst, Ihr

figure b

Prof. Dr. A. Larena-Avellaneda