Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

der Begriff Prozessmanagement erscheint primär abstrakt und eine gewisse Berührungsangst vonseiten des Klinikers ist daher durchaus nachvollziehbar. Nichtsdestotrotz kommt dem aktiven Gestalten von Prozessen in der eigenen Klinik auf verschiedensten Stufen eine zunehmende Bedeutung zu.

Da die Gefäßchirurgie naturgemäß mit einer Vielzahl angrenzender Fachgebiete bei Diagnose, Therapie und Nachsorge interdisziplinär verbunden ist (oder zumindest sein sollte), bedarf es einer Festlegung von Prozessen und deren flexibler Weiterentwicklung.

In der Vergangenheit galt die Automobilindustrie bezüglich der Optimierung ökonomischer und struktureller Gegebenheiten dem medizinischen Bereich als leuchtendes Beispiel. Besonders die Produktionssysteme bei Toyota hatten maßgebliche Vorbildfunktion für Krankenhäuser. Literatur zum Thema wie „Lean Hospital das Krankenhaus der Zukunft“ [1] zeigen, wie man potenziell von der Industrie und deren Prozessen lernen und diese in das komplexe Umfeld eines Krankenhauses übertragen kann. Exemplarisch entwickelte sich das Virginia Mason Medical Center (VMMC) in Seattle unter Anwendung des „Continuous Performance Improvement“ (CPI) aus einer wirtschaftlich kritischen Situation zu einem der ökonomisch erfolgreichsten Krankenhäuser der USA.

Selbstverständlich setzten solche Anpassungen prinzipiell eine Berücksichtigung des lokalen Umfeldes (Unternehmenskultur/landesspezifische Aspekte) voraus. Betrachtet man aktuell die Unternehmenskultur namhafter Automobilhersteller, scheint mir eine undifferenzierte Übernahme von industriellen Prozessen in die Medizin nicht unproblematisch …

In unserer Profession sind Patienten eben nicht lediglich Kunden. Kunden sind selbstbewusst und selbstbestimmt. Patienten dagegen delegieren ihrem behandelnden Arzt Verantwortung. Dieses Vertrauen ist Basis der Patienten-Arzt-Beziehung und darf keinesfalls kompromittiert werden. So gesehen bedeutet Prozessmanagement auch ein konsequentes Ausrichten einer Organisation auf die Patientenbedürfnisse.

Prozessmanagement bedeutet ein konsequentes Ausrichten auf Patientenbedürfnisse

Kulturelle Spezifika stellen einen nicht zu unterschätzender Faktor in Bezug auf das Prozessmanagement von medizinischen Abteilungen und Krankenhäusern dar. So unterscheidet sich beispielsweise die japanische (Toyota) wesentlich von der amerikanischen (VMMC) und diese wiederum von der europäischen Kultur. Selbst im deutschsprachigen Raum, dem Wirkspektrum dieser Zeitschrift, sind diese landesspezifischen Unterschiede relevant, ganz ungeachtet der unterschiedlichen wirtschaftlichen Abrechnungs- und Vergütungssysteme. Eine absolute Übertragbarkeit von Prozessen oder gar ein universell anwendbares Prozessmanagement ist daher schon aus Prinzip schwer möglich.

Frau J. Mauch hat diesbezüglich theoretische Prinzipien zum Prozessmanagement im Umfeld Klinik unter Berücksichtigung des Bereichs Gefäßmedizin beschrieben und darüber hinaus versucht, der grauen Theorie Farbe zu verleihen, was ihr meiner Meinung nach unter Berücksichtigung der Komplexität des Themas vorbildlich gelungen ist. Prozessmanagement ist in ihren Augen ein wesentlicher Beitrag zur effizienten Erbringung einer effektiven Leistung. So gesehen stehen die Ansprüche der Wirtschaftlichkeit (Effizienz) nicht im Gegensatz zum ärztlichen Ethos, der dem Patienten eine bestmöglich wirksame Behandlung anbieten will (Effektivität).

U. Ronellenfitsch als aktives Mitglied im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für klinisches Prozessmanagement DGKPM e. V., stellt eine aktuelle Übersicht über klinische Pfade zum Prozessmanagement in der Gefäßchirurgie vor. Bemerkenswert ist hierbei, wie wenig Literatur zum Thema vorhanden ist, und dass im Bereich der endovaskulären Chirurgie derzeit keine Publikationen hierzu vorliegen.

M. Storck besitzt eine ausgewiesene Expertise im Bereich der Qualitätssicherung. Seine Arbeit beschäftigt sich neben der Qualitätssicherung zusätzlich mit den klinischen Pfaden bei der Behandlung der Karotisstenose.

Frau E. Knipfer hat die entstehenden Kosten bei der Einführung komplexer endovaskulärer Behandlungsverfahren mithilfe fenestrierter und gebranchter Endoprothesen untersucht und die verschiedenen Behandlungsverfahren exemplarisch gegenübergestellt. Hierbei zeigte sich, dass nur transparente Prozesse und eine fundierte Berücksichtigung der wirtschaftlichen Besonderheiten bei der Einführung komplexer Therapien die behandelnden Kliniken vor relevanten finanziellen Einbußen schützen.

Sicherlich behandelt das aktuelle Themenheft, auf den ersten Blick nicht ganz leicht verdauliches, trotzdem werden Prozesse und das aktive Prozessmanagement unsere tägliche Arbeit in Zukunft immer mehr beeinflussen und bestimmen.

Abschließend möchte ich allen Autoren der Artikel herzlich für ihre aktive Mitarbeit danken. Unter Berücksichtigung der Ferienzeit bei der Erstellung und Bearbeitung der Manuskripte verdient dies besondere Anerkennung. Ebenso möchte ich den Reviewern für die kritische Durchsicht der Beiträge und deren konstruktive Anregungen danken.

Viel Vergnügen bei der Lektüre wünscht Ihnen

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Stefan Ockert