Liebe Kolleginnen,

liebe Kollegen,

„Irren ist menschlich“ suggeriert zweierlei: Der Mensch ist fehlbar und sein Irrtum verzeihlich-menschlich. Die Folgen von Fehlern können gravierend sein. In dem vor gut 15 Jahren erschienenen wegweisenden Buch „To Err is Human“ wird dieser Sachverhalt thematisiert. Seither ist Patientensicherheit ein wichtiges Thema in der Medizin geworden und der Untertitel des Buches „Building a Safer Health Care System“ wurde Programm [1].

Schon länger haben andere Bereiche mit geringer Fehlertoleranz wie die Luftfahrt-, Raumfahrt- und Atom-Industrie Strategien und Konzepte erarbeitet, um unerwarteten Ereignissen adäquat begegnen zu können. In diesem Sog hat die Ärzteschaft ebenfalls begonnen, sich mit Fehlern und deren Ursachen und Prävention auseinanderzusetzen. „Critical Incident Report-Systeme“ wurden aufgebaut, wo Fehler und Beinahe-Fehler aufgearbeitet werden. In Mortalitäts-und Morbiditätskonferenzen werden unerwünschte Ereignisse vorgestellt, analysiert und Konsequenzen für Verbesserungen gezogen. Ein neuer Ansatz geht dahin, auch besonders erfolgreiche klinische Aktivitäten zu studieren, um von diesem positiven Ansatz her das Gesundheitssystem weiter zu verbessern.

„Building a Safer Health Care System“ wurde Programm

Persönlichkeiten wie Charles Vincent aus Großbritannien und Robert M. Wachter aus den USA haben sich ebenfalls systematisch mit Fehlern in der Medizin auseinandergesetzt, um eine Sicherheitskultur aufzubauen [2, 3]. Mittlerweile beschäftigen sich verschiedene nationale und internationale Gremien mit dem Thema, weil Fehler – neben der persönlichen Tragweite für die Patienten und die behandelnde Person – immer auch immense Kosten verursachen können.

Die vorliegende Ausgabe von Gefässchirurgie hat sich dem Thema Patientensicherheit gewidmet. Zwar fokussieren die einzelnen Artikel auf die Shuntchirurgie, doch sind viele Beurteilungen und Empfehlungen vorbehaltlos auf andere Bereiche in der gefäßchirurgischen Versorgung anwendbar.

Bei der Patientensicherheit spielen die Beziehungen zwischen Menschen, die behandelt werden und solchen, die behandeln, eine wichtige Rolle. Neben dieser emotionalen Ebene kommt der evidenzbasierten Medizin und ihrer praktischen Umsetzung im klinischen Alltag eine große Bedeutung zu. Oftmals wissen wir, was zu tun wäre, doch sind wir nachlässig in unseren täglichen Aktivitäten. Hier kommt Edukation ins Spiel, wenn es darum gehen muss, unser Verhalten zu ändern, in dem wir uns im Spitalalltag z. B. an die Händehygiene halten, Checklisten im Operationssaal anwenden oder stets an die Strahlenschutzvorschriften denken.

In der Betreuung von Hämodialysepatienten gibt es viele Partner, die am Erfolg oder Misserfolg einer Intervention teilhaben. Eine offene Kommunikation in einem Team erlaubt es, die nötige Sicherheitskultur aufzubauen. Dieses Heft lässt deshalb auch Nicht-Gefäßchirurgen zu Wort kommen, die ihren Anteil zu einer guten Shuntchirurgie leisten müssen, können und wollen.

David Schwappach von der Patientensicherheit Schweiz gibt einen generellen Überblick, was wir eigentlich unter Patientensicherheit zu verstehen haben. Als Nephrologe weiß Pietro Cippà, mit welchen Problemen der Shuntchirurg täglich kämpft und welche Unterstützung er vom Patienten und den Nephrologen erwarten kann und darf. Röntgeninterventionen können für Patienten, aber auch für die behandelnden Ärzte gefährlich sein, weil Schäden erst kumulativ und mit Verzögerung auftreten. Lars Kamper gibt Empfehlungen zu diesem Thema.

In der Chirurgie von Gefäßzugängen gibt es ebenfalls viele Sicherheitsaspekte, doch soll in diesem Heft der Fokus auf die Peritonealdialyse gerichtet sein, die zu Unrecht eine Nebenrolle als Nierenersatzverfahren spielt, wie der Artikel von Corinne Geppert zeigt.

Zuletzt setzt sich Philipp Schuch in seiner Arbeit damit auseinander, wie die Shuntchirurgie im Umfeld der „großen“ Gefäßchirurgie mehr Gewicht erhalten könnte. Darüber wären viele Dialysepatienten froh, die oftmals aus Kapazitätsgründen nur an Randstunden Platz in einem Operationsprogramm finden.

Die Vascular Access Society, eine vornehmlich in Europa aktive Vereinigung, welche sich interdisziplinär und interprofessionell für die Verbesserung der Zugangschirurgie einsetzt, hat 2015 eine Patientensicherheitsinitiative lanciert, bei der der Schreibende federführend war. Er sah es deshalb als gegeben an, dieses Thema als Rubrikverantwortlicher dieser Zeitschrift für Nierenersatztherapie auch im deutschen Sprachraum und bei Gefäßchirurgen im Besonderen zur Sprache zu bringen [4].

Nehmen Sie dieses Leitthema zum Anlass, Ihre tägliche ärztliche, chirurgische und/oder interventionelle Arbeit kritisch zu hinterfragen und dabei auch die Patientensicherheit mit einzubeziehen. Die Patienten und ihre Angehörigen werden es Ihnen danken.

Ihr

M.K. Widmer

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