Nach dem Bauchaortenaneurysma stellt das Poplitealarterienaneurysma (PAA) mit einer Häufigkeit von 80 % unter den peripheren Aneurysmen die zweithäufigste Aneurysmalokalisation dar [1]. Betroffen sind hauptsächlich Männer jenseits des 65. Lebensjahres. 80 % der PAA sind zum Zeitpunkt der Diagnosestellung symptomfrei. Unabhängig von der Größe des Aneurysmas stellt ein symptomatisches PAA eine Operationsindikation dar [2, 3]. Ein PAA wird in den meisten Fällen durch eine akute oder chronische Ischämie symptomatisch. Die akute oder chronische Ischämie wird vor allem durch Thrombosierung des Aneurysmas selbst bzw. durch rezidivierende Embolien aus dem Aneurysma in die Peripherie verursacht. In äußerst seltenen Fällen kommt es zur Ruptur des PAA. In der Literatur schwanken die Angaben der Häufigkeit einer Ruptur von 0,1–4 % [1, 2, 4, 5]. Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung sowie der unspezifischen klinischen Symptomatik mit Schmerzen und Beinschwellung bereitet die Diagnosestellung oft Schwierigkeiten. Da bekannt ist, dass in bis zu 75 % der Fälle eines rupturierten PAA eine Majoramputation erforderlich wird und bis zu 29 % der Majoramputationen letal enden, darf dieses Krankheitsbild nicht unterschätzt werden [6, 7].

Falldarstellung

Ein 85-jähriger Mann stellte sich in den Abendstunden in der Rettungsstelle aufgrund einer zunehmenden Schwellung des rechten Unterschenkels mit starken Schmerzen bei Beugung im Kniegelenk vor. Klinisch wurde bei intakter peripherer Durchblutung, Motorik und Sensibilität der Verdacht auf eine tiefe Beinvenenthrombose gestellt und somit der Patient zunächst in die Klinik für Innere Medizin stationär aufgenommen. Nebenbefundlich erhielt der Patient eine orale Antikoagulation mit Phenprocoumon bei bekanntem Vorhoffflimmern.

Zum Zeitpunkt der Aufnahme bestand eine Überdosierung mit Phenprocoumon mit einem INR von 3,81 (TZW 20 %, PTT 73 s) sowie ein normwertiger Hb von 7,58 mmol/l.

Am Folgetag erfolgte die weitere Diagnostik. Zu diesem Zeitpunkt fiel ein Hb-Abfall auf 6,31 mmol/l auf. Duplexsonographisch konnte eine tiefe Beinvenenthrombose ausgeschlossen werden. Es wurde vielmehr der Verdacht auf ein 11 × 4,8 × 4,4 cm großes Aneurysma spurium in der Fossa poplitea rechts mit Thrombosierung sowie eine Flüssigkeitseinlagerung im Subkutangewebe des Unterschenkels rechts geäußert. Der Patient wurde umgehend gefäßchirurgisch vorgestellt und eine CT-angiographische Darstellung durchgeführt.

CT-Angiographisch konnte kurz vor Übergang der A. femoralis superficialis in die A. poplitea ein zentral hyperdenses, peripher eher hypodenses Aneurysma von mindestens 5,5 × 10,5 cm dargestellt werden (Abb. 1 und 2). Bei sich in den medialen Unterschenkelweichteilmantel fortsetzenden Flüssigkeitssäumen wurde ein rupturiertes Poplitealarterienaneurysma mit ausgedehnter Hämatombildung am proximalen mediodorsalen Unterschenkel diagnostiziert.

Abb. 1
figure 1

Angiographische Querschnittsdarstellung des zentral hyperdensen, peripher eher hypodensen Aneurysmas von mindestens 5,5 × 10,5 cm am Übergang der A. femoralis superficialis in die A. poplitea

Abb. 2
figure 2

Frontale Ansicht des in Abbildung 1 dargestellten Aneurysmas

Es wurde eine dringliche Operationsindikation zum Extremitätenerhalt gestellt.

Klinisch zeigte sich zu diesem Zeitpunkt eine prall elastische Kniekehle rechts. Das große Aneurysma ließ sich nicht palpieren. Die Haut des proximalen dorsalen Unterschenkels wies ein ausgedehntes Hämatom auf. Sensomotorische Ausfälle zeigten sich nicht. Somit gab es keinen Anhalt für eine akute Ischämie der betroffenen Extremität. Trotz der zweizeitigen Rupturgefahr entschieden wir uns bei hoher Blutungsgefahr zunächst für eine Gerinnungsoptimierung in ständiger Operationsbereitschaft, sodass erst nach medikamentöser Normalisierung der Blutgerinnung die operative Therapie am 2. Tag nach der Aufnahme erfolgte.

Wir wählten einen dorsalen Zugang. Das Aneurysma wurde vollständig reseziert (Abb. 3). Die A. poplitea (erstes Segment) zeigte sich zirkulär stark verkalkt, sodass sie endarteriektomiert wurde. Anschließend erfolgte die terminoterminale Anastomosierung der V. saphena parva im Bereich des kranialen und kaudalen Poplitealarterienstumpfes als gedrehtes Veneninterponat. Im subfaszialen Raum fand sich reichlich Hämatom, das entfernt wurde. Zur Verhinderung eines Kompartmentsyndroms bei stark gespanntem proximalem Unterschenkel entschieden wir uns zur Fasziotomie dorsal in der Mittellinie bis einschließlich zum mittleren Unterschenkel. In der proximalen Kniekehle konnte die Faszie verschlossen werden. Die distale Wunde wurde mit Polyurethan-Schaum temporär abgedeckt. Die perioperative antibiotische Prophylaxe wurde mittels Breitspektrumantibiotikum Sultamicillin realisiert.

Abb. 3
figure 3

Operationssitus

Die postoperative Überwachung und intensivmedizinische Therapie erfolgte auf der chirurgischen Wachstation. Der Patient erhielt eine postoperative Heparinisierung mit unfraktioniertem Heparin mit 800 IE/h als Dauerinfusion mittels Perfusor. Hierbei wurde eine Ziel-PTT von 50–60 s realisiert. Am 1. postoperativen Tag erfolgte die Umstellung auf niedermolekulares Heparin in körpergewichtsadaptierter Dosierung (15.000 IE Dalteparin s.c./Tag). Insgesamt war die Transfusion von 2 Erythrozytenkonzentraten nötig. Der postoperative Verlauf gestaltete sich prolongiert bei kardialer Komorbidität mit Tachyarrhythmia absoluta bei bekanntem Vorhofflimmern sowie ausgeprägtem demenziellem Syndrom mit Fehlhandlungen. Die Wundverhältnisse zeigten sich zu jedem Zeitpunkt regelrecht mit guter Heilungstendenz, sodass wir in Anbetracht der Komorbidität des Patienten auf einen operativen sekundären Wundverschluss verzichteten. Der Patient wurde bei reizloser sekundär heilender Wunde und regelrechter peripherer Durchblutung, Motorik und Sensibilität am 32. postoperativen Tag in die Geriatrie entlassen.

Diskussion

Epidemiologie

Das PAA ist mit einer Inzidenz von 0,1–2,8 % selten. Sie betrifft vorrangig Männer in der Altersgruppe über 65 Jahre. In der Literatur finden sich wenige Fallberichte rupturierter PAA. Sie werden mit einer Häufigkeit von 0,1–4 % beschrieben [1, 2, 4, 5, 8]. Auch in diesem Fallbericht ist ein 85-jähriger Mann betroffen.

Klinisches Bild

Die klinische Symptomatik des Patienten war unspezifisch. Die Symptome eines schmerzhaften, geschwollenen Unterschenkels lenkten die Verdachtsdiagnose auf eine tiefe Beinvenenthrombose. Hinweise auf eine akute Ischämie fanden sich nicht. Die D-Dimere wurden nicht bestimmt, da es sich dabei um einen sehr unspezifischen Wert handelt. Es ist aber anzunehmen, dass in diesem Fall die D-Dimere ebenfalls bei der gesteigerten Gerinnungsaktivität eines rupturierten PAA erhöht gewesen wären. Bei klinisch hoher Wahrscheinlichkeit auf eine tiefe Beinvenenthrombose mit Schmerzen, Umfangsvermehrung und Schwellung des betroffenen Beins kann die verzögerte Diagnostik gerechtfertigt werden. Dennoch hätten die Überdosierung mit Phenprocoumon und der Hb-Abfall unklarer Genese zu einer erneuten Überprüfung der gestellten Diagnose führen sollen.

Coskun et al. untersuchten in einer Fallstudie bestehend aus 7 Patienten mit rupturiertem PAA unter anderem die klinische Symptomatik zum Zeitpunkt der Aufnahme [8]. Alle Patienten in dieser Studie zeigten eine popliteale Schwellung sowie eine ausgeprägte Schmerzsymptomatik. Eine Ischämiesymptomatik zeigten nur 3 Patienten, wobei die Sensomotorik erhalten war. Die anderen 4 Patienten zeigten keinerlei Hinweise auf eine periphere Ischämie. Alle Patienten dieser Studie waren Männer mit einem Durchschnittsalter von 50 Jahren. Die Ergebnisse der Fallstudie von Coskun et al. werden auch durch den vorliegenden Fallbericht unterstützt.

Weiterhin berichten Lee W et al. in einem Fallbericht über einen 72-jährigen Mann, der ebenfalls mit der Symptomatik eines schmerzhaften, geschwollenen Beins ohne Zeichen einer akuten Ischämie aufgrund eines rupturierten PAA vorstellig wurde, bei dem zunächst der Verdacht einer tiefen Beinvenenthrombose gestellt wurde [9]. In diesem Fall überlebte der Patient nicht.

Und auch Sanjay et al. [4] beschreiben den Fall eines 78-jährigen Mannes, der aufgrund eines rupturierten PAA und seines raumfordernden Effekts eine tiefe Beinvenenthrombose mit folgender Lungenarterienembolie entwickelte. In diesem Fallbericht wird ebenfalls das klinische Bild eines schmerzhaften, geschwollenen Unterschenkels mit Sensibilitätsstörungen des dorsolateralen Fußes dargestellt.

Ferner berichten Illig et al. von einem 91-jährigen Mann mit rupturiertem PAA, der sich mit geschwollenem, geröteten Bein vorstellte. Bei dem Patienten bestand eine Anämie mit einem Hämatokrit von 25 % [10].

In Zusammenschau der vorliegenden Fallberichte kann sich das rupturierte PAA in Form eines schmerzhaften, geschwollenen Beins präsentieren, welches irrtümlich als tiefe Beinvenenthrombose interpretiert werden kann. Im Falle einer begleitenden Anämie oder oralen Antikoagulation sollte auch ein rupturiertes PAA in die differenzialdiagnostischen Überlegungen einbezogen werden.

Diagnostik

Aufgrund des unspezifischen klinischen Bildes eines rupturierten PAA gestaltet sich die Diagnostik schwierig. Bei bestehendem Risikoprofil (Mann, Alter > 65 Jahre, anamnestisch bekanntes Aneurysma einer anderen Lokalisation) ist eine Ultraschalluntersuchung angezeigt [1]. Die farbkodierte Duplexsonographie ist hierbei die diagnostische Methode der Wahl, wie auch im vorliegenden Fallbericht und der Fallstudie von Coskun et al. [1, 8]. Diese Untersuchungsart ist schnell, nichtinvasiv, fast überall verfügbar sowie kostengünstig. Zur Planung des operativen Procederes führten wir eine CT-Angiographie durch, wie es auch in der Literatur empfohlen wird [1, 8, 10].

Indikationsstellung zur Operation

Zweifelsfrei besteht beim symptomatischen PAA (akute/chronische Ischämie, Kompression, Ruptur) die Indikation zur operativen Therapie. Beim symptomfreien PAA wird ab einer Aneurysmagröße von 2 cm eine Operation empfohlen [1]. Im vorliegenden Fallbericht hatte das Aneurysma zum Zeitpunkt der Ruptur eine Größe von 5 cm. Auch in der Fallstudie von Coskun et al. lag die minimale Größe des rupturierten PAA bei 5 cm [8].

Operatives Vorgehen

Hinsichtlich der Therapie eines rupturierten PAA bestehen grundsätzlich die Möglichkeiten sowohl eines operativen als auch eines in neueren Publikationen beschriebenen endovaskulären Vorgehens [5, 8, 11, 12]. In einer neueren Arbeit konnten Huang et al. [12] in einer Studie, in der 120 Patienten im Zeitraum von 2005–2012 mit einem PAA behandelt wurden, keine Überlegenheit des endovaskulären gegenüber dem operativen Vorgehen zeigen.

Wir entschieden uns bewusst für eine offene chirurgische Therapie in Form einer Aneurysmaresektion mit Veneninterponat, um in gleicher Sitzung die Hämatomentlastung sowie Fasziotomie als adäquate Therapie des drohenden Kompartments durchzuführen. Wir verwendeten ein gedrehtes Veneninterponat, wie es auch in der Literatur empfohlen wird. Alternativ besteht die Möglichkeit der Verwendung eine PTFE-Prothese, wobei aber ein erhöhtes Risiko für einen thrombotischen Verschluss besteht [1, 8, 11].

Fazit für die Praxis

  • Ein unerkanntes und unbehandeltes PAA kann zu einer akuten Ischämie und damit zum Extremitätenverlust führen. Die Ruptur eines PAA stellt eine seltene Komplikation dar, die in ihrem Verlauf aber lebensbedrohlich werden kann. Die Diagnose muss zügig gestellt werden.

  • Dies stellt sich in Anbetracht der Seltenheit der Erkrankung sowie der unspezifischen Beschwerdesymptomatik als schwierig dar. Unter Würdigung des vorliegenden Fallberichts sollte bei Patienten mit Zeichen einer tiefen Beinvenenthrombose, Beinschwellung, Kompartmentsyndrom sowie Anämie unklarer Genese immer ein rupturiertes PAA in die differenzialdiagnostischen Überlegungen einbezogen und nach der klinischen umgehend eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt werden.