Liebe Leserinnen und Leser der Gefässchirurgie!

Im Heft 1 der Zeitschrift war die curriculare Weiterbildung in der Gefäßmedizin das Hauptthema. Dazu passend möchte ich Sie als österreichischer Mitherausgeber dieser Zeitschrift in der nun vorliegenden Ausgabe über wesentliche Neuigkeiten in Hinblick auf die Aus- und Weiterbildung in unserem Land informieren. Begonnen hat alles im Frühsommer 2011. Die Ausgangslage dazu: Der Status der Gefäßchirurgie in Österreich ist derzeit sehr unvorteilhaft. Gefäßchirurgie ist in unserem Land ein sog. Additivfach des Sonderfaches Chirurgie. Additivfächer sind ein österreichisches Spezifikum. Einer sechsjährigen Ausbildung zum Facharzt im Hauptfach – in unserem Fall zum „Facharzt für Chirurgie“ folgen weitere drei Jahre Zusatzfachausbildung, sodass die Ausbildung zum Additivfacharzt für Gefäßchirurgie im Regelfall neun Jahre dauert. Doch nicht genug damit: Österreichische Additivfacharztqualifikationen werden im Gegensatz zu allen Sonderfächern im EU-Ausland und der Schweiz nicht automatisch anerkannt, was ein politisches Versäumnis der damaligen EU-Beitrittsverhandlungen darstellt und nicht mehr änderbar ist.

Bilaterale Abkommen zur wechselseitigen automatischen Anerkennung mit Deutschland und der Schweiz, die auf Anregung der ÖGG 2011 seitens der Österreichischen Ärztekammer initiiert wurden, scheiterten letztlich am österreichischen Ärztegesetz, welches für Additivfächer zwar eine freiwillige, aber keine verpflichtende Facharztprüfung wie überall sonst vorsieht. Und offenbar war und ist es nicht möglich, dieses Gesetz entsprechend anzupassen, um den internationalen Standards Genüge zu tun. Das bedeutet bis heute für österreichische Gefäßchirurginnen und -chirurgen neben der überlangen Ausbildung eine weitere Hürde: Will man sich im EU-Ausland bzw. der Schweiz beruflich niederlassen oder für eine leitende Position bewerben, muss die Facharztqualifikation „Gefäßchirurgie“ in jedem Zielland individuell beantragt werden!

Eine von meinem Nachfolger als ÖGG-Präsident, Herrn Prim. Dr. Franz Hinterreiter, Anfang 2013 durchgeführte Urabstimmung erbrachte ein deutliches Votum der ÖGG-Mitglieder für die Verselbstständigung der Gefäßchirurgie als eigenes Sonderfach in Österreich. Als eigenes Sonderfach reduziert sich die Ausbildungszeit für Gefäßchirurgen auf die üblichen 6 Jahre, die Abschlussprüfung ist auch in unserem Land für alle Sonderfächer, und somit auch für unser Fach verpflichtend und als Sonderfach wird die gefäßchirurgische Facharztqualifikation automatisch EU-weit anerkannt. Eine Win-win-Situation, die sich allerdings in den Köpfen der Ausbildungsverantwortlichen im Ministerium und insbesondere der Ärztekammer erst festsetzen musste. Auf ÖGG-Vorstandsbeschluss hin erfolgte im Herbst 2013 durch Präsident Hinterreiter die Beantragung des eigenen gefäßchirurgischen Sonderfaches im zuständigen Wissenschaftsministerium.

Die Gefäßchirurgie verselbstständigt sich in Österreich als eigenes Sonderfach

Der Zeitpunkt war sehr günstig gewählt, läuft doch gerade seitens der Ärztekammer die bundesweite Erstellung neuer Aus- und Weiterbildungsordnungen für alle medizinischen Sonderfächer in Österreich. Im aktuellen Entwurf dazu findet sich die Gefäßchirurgie nun bereits als eigenes Sonderfach gleichrangig mit allen anderen chirurgischen Sonderfächern im neuen Curriculum wieder!

In der Folge darf ich Ihnen diesen Entwurf der Österreichischen Ärztekammer zur neuen postpromotionellen Ausbildung für medizinische Sonderfächer in Österreich kurz vorstellen:

Vorweg wird eine begriffliche Vereinheitlichung zum benachbarten Ausland vorgenommen: von „Ausbildung“ sprechen wir nur mehr im Rahmen des Medizinstudiums, postpromotionell wird ab nun auch bei uns in Österreich von „Weiterbildung“ gesprochen. Eine Zusatzweiterbildung beinhaltet dann die Spezialisierung in Weiterbildungsinhalten, die zusätzlich zu den Facharzt- und Schwerpunktweiterbildungsinhalten abzuleisten sind.

Die neue fachärztliche Weiterbildung dauert insgesamt 6 Jahre und beginnt für alle Sonderfächer mit einem einheitlichen, 9-monatigen sog. „common trunk“, in dem Grundkenntnisse der operativen und konservativen Fachbereiche (aus den 15 häufigsten regionalen WHO-Erkrankungen) vermittelt werden sollen. Zusätzlich ist hier der Erwerb einer notfallmedizinischen Basiskompetenz vorgesehen. Die Absolvierung des „common trunk“ bildet die Grundvoraussetzung zum Einstieg in alle folgenden Weiterbildungen.

Alle Weiterbildungen zum Facharzt setzen sich danach aus 36 Monaten fachspezifischem Curriculum und 27 Monaten vertiefenden Modulen zusammen. Die verpflichtende Absolvierung von Gegenfächern soll künftig wegfallen.

Für die gefäßchirurgische Facharztweiterbildung bedeutet dies im fachspezifischen Curriculum den Erwerb grundsätzlicher Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten im Gesamtfach Chirurgie und danach eine vertiefende Modulausbildung in der eigentlichen Gefäßchirurgie. Die Inhalte all dieser Weiterbildungsstufen werden wie bisher auch künftig von den wissenschaftlichen Fachgesellschaften erstellt und liegen seitens der ÖGG bereits in weitgehend aktualisierter Form vor [1]. Im Fachbereich der Chirurgie sollen künftig die einzelnen Schwerpunkte wie folgt bezeichnet werden:

  • Facharzt für Chirurgie und Viszeralchirurgie,

  • FA für Chirurgie und Gefäßchirurgie,

  • FA für Chirurgie und Herzchirurgie,

  • FA für Chirurgie und Thoraxchirurgie und

  • FA für Chirurgie und Kinderchirurgie.

Jeder dieser Schwerpunkte hat dabei den Status eines eigenen Sonderfachs. In Zukunft soll es auch möglich sein, durch den Erwerb mehrerer vertiefender Module mehrere Schwerpunkte eines Fachbereiches abzudecken. Dies ist notwendig, um die flächendeckende fachärztliche Versorgung unseres Landes auch künftig zu gewährleisten und die Realität in vielen gemischten chirurgischen Abteilungen weiterhin abzubilden. So gibt es in Österreich lediglich 8 eigenständige gefäßchirurgische Abteilungen, in 17 Krankenhäusern ist die Gefäßchirurgie Teil einer übergeordneten Struktur und 43 weitere allgemeinchirurgische bzw. herzchirurgische Abteilungen haben derzeit gefäßchirurgische Additivfachärzte in oberärztlicher und chefärztlicher Position beschäftigt, um in ihrem Haus auch die gefäßchirurgische Primärversorgung anbieten zu können.

Natürlich wird es noch eine Zeit der intensiven Verhandlungen mit der Kammer und der Akkordierungen unter den beteiligten medizinischen Fachgesellschaften benötigen, bis die neue österreichische Weiterbildungsordnung endgültig ausverhandelt ist und Gesetzeskraft erlangt. Die Zielvorgabe dazu liegt aktuell bei der Jahresmitte 2015. Für den gefäßchirurgischen Bereich in unserem Land ist es jedoch entscheidend, dass wir schon jetzt, in der Planung und besonders auch in den Verhandlungen, als künftiges, gleichwertiges Sonderfach gehandelt werden. Damit erhält die Gefäßchirurgie in Österreich einerseits endlich die volle EU-Kompatibilität und andererseits auch Chancengleichheit bei der Akquisition interessierten Nachwuchses, was für die weitere Zukunft unseres Faches ganz entscheidend ist! Mit diesen guten Nachrichten aus unserem Land wünsche ich Ihnen eine anregende und spannende Lektüre dieser Ausgabe!

Ihr

Prof. Dr. Wolfgang Trubel