Liebe Leserinnen und Leser der Gefässchirurgie,

aktuell wird seitens des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) überprüft, ob ein Ultraschallscreening auf abdominale Aortenaneurysmen (AAA) auch in Deutschland zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht bzw. verordnet werden darf [1, 2]. Vorausgegangen war ein Antrag der Patientenvertretung im G-BA vom Februar 2013 [3] auf Prüfung der Methode „Ultraschallscreening auf abdominale Bauchaortenaneurysmen“. Der Unterausschuss „Methodenbewertung“ des G-BA wurde mit der Durchführung der Prüfung beauftragt und rief im Oktober 2013 zu einer ersten Einschätzung des „angekündigten Beratungsgegenstandes“ auf [2], woraufhin die Task Force „AAA-Screening“ der DGG im Dezember 2013 einen Fragenkatalog zur Art und Prognose der Erkrankung, zur Ultraschalldiagnostik, zur Versorgungssituation in Deutschland und zur Wirtschaftlichkeit eines AAA-Screenings in einer ausführlichen schriftlichen Stellungnahme beantwortete.

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) wurde seitens des G-BA im November 2013 mit der Bewertung des „Ultraschallscreenings auf Bauchaortenaneurysmen“ beauftragt. Hierzu wurde im Januar 2014 ein vorläufiger Berichtsplan erstellt, zu welchem die DGG ebenfalls eine ausführliche Stellungnahme abgegeben hat. Im Mai 2014 wurde ein aktualisierter Berichtsplan inkl. der oben genannten DGG-Stellungnahme auf der Homepage des IQWIG veröffentlicht [4]. Auf Basis dieses Berichtplans wird derzeit ein Vorbericht erarbeitet, der ebenfalls zur Anhörung noch im Jahr 2014 veröffentlicht werden wird. Dieser Vorbericht wird auch einem externen Review unterzogen werden. Im Anschluss an diesen Prozess wird das IQWIG einen Abschlussbericht erstellen, der dann dem G-BA vorgelegt und ebenfalls einige Wochen später auf der IQWIG-Homepage veröffentlicht werden wird.

Warum diese komplizierten Detailinformationen in einem Editorial der Gefässchirurgie? Nun, das AAA-Screening ist in greifbare Nähe gerückt! Der Gang durch die Institutionen ist beschlossen und auf einem guten und übrigens auch methodisch sehr transparenten Weg. Das ist eine überaus erfreuliche Entwicklung und die DGG wird sich so aktiv und konstruktiv wie irgend möglich in diesen Prozess einschalten. Deshalb auch ein Schwerpunktheft der Gefässchirurgie zum Ultraschallscreening auf abdominale Aortenaneurysmen (AAA). Wir danken an dieser Stelle allen Autoren, für ihre spontanen Zusagen, die zugedachten Artikel zu verfassen. Ganz besonders wichtig ist aus unserer Sicht auch die ausführliche Darstellung der bereits etablierten Screeningprogramme in England, Schweden, den USA sowie eines regionalen Programms in Polen. Unser Dank gilt auch der Deutschen Gesellschaft für Angiologie (DGA), die ein nationales AAA-Screening-Programm vorbehaltlos und aktiv unterstützt.

Das AAA-Screening ist in greifbare Nähe gerückt!

Im Gast-Editorial der DGA wird richtigerweise an die 10 klassischen Kriterien für ein erfolgreiches Screeningprogramm der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus dem Jahr 1968 erinnert, die beim AAA-Screening nahezu 100%ig erfüllt werden [5] (Tab. 1). Diese Kriterien wurden in einem aktuellen Artikel des Bulletin of the World Health Organization präzisiert und aktualisiert [6]. Die Gegenüberstellung dieser aktualisierten Anforderungen und deren möglicher Übertragbarkeit auf ein AAA-Screening in Deutschland zeigen, dass im Detail noch viele logistische Aufgaben bei der konkreten Realisation eines landesweiten AAA-Screening-Programms zu bewältigen sind. Sehr kritisch muss auch die bisher nur freiwillige Qualitätskontrolle/-sicherung der AAA-Operationen in Deutschland gesehen werden. Sehr wahrscheinlich ist ein AAA-Screening nur dann zu verantworten, wenn gleichzeitig alles getan wird, um die operative Therapie des AAA so sicher wie irgend möglich anzubieten. Diese Überlegungen beinhalten dann auch die in Deutschland bislang unzureichende Analyse des Volume-Outcome-Zusammenhangs bei der Behandlung des AAA. Die Daten des AAA-Qualitätssicherungsprogramms der DGG (siehe Trenner et al. in diesem Heft) deuten darauf hin, dass zumindest bei der offenen AAA-Therapie höhere Fallzahlen zu besseren Ergebnissen führen. Derzeit wird dieses Ergebnis in Zusammenarbeit mit dem Statistischen Bundesamt auf Bundesebene überprüft. Eine AAA-Behandlung in mehr als 500 Krankenhäusern ist mittelfristig sicherlich nicht zu rechtfertigen [6].

Tab. 1 Übertragbarkeit der WHO-Kriterien auf ein AAA-Screening in Deutschland

Wir hoffen sehr, dass vielleicht in 2015/2016 auch in Deutschland ein durch die gesetzlichen Kassen mitgetragenes AAA-Screening eingeführt werden wird. Die Evidenz liegt auf dem Tisch, die Machbarkeit erscheint gegeben, packen wir’s also an. Für die Gefäßchirurgie ergibt sich die wirklich einmalige Chance, in der allgemeinen Krankheitsvorsorge und Krankenversorgung eine Indikatorleistung zu erbringen, die uns von keinem anderen Fach streitig gemacht werden kann. Ein kassenfinanziertes AAA-Screening würde helfen, die Marke „Gefäßchirurgie“ in der öffentlichen Wahrnehmung signifikant nach vorn zu bringen und uns damit auch aus der manchmal geliebten aber letztendlich doch unbefriedigenden Nische des Spezialistentums sichtbarer hervortreten lassen. Vielleicht kann dieses Schwerpunktheft dazu einen Beitrag leisten.

In diesem Zusammenhang möchten wir Sie sehr herzlich zum Münchner AAA-Screening-Symposium am 4. Dezember 2014 einladen. In dieser gemeinsamen Veranstaltung der DGG und der MUNICH AORTIC & CAROTID CONFERENCE (MAC) wollen wir zusammen mit Vertretern des G-BA, der Krankenkassen, der Politik und weiterer Entscheidungsebenen über die konkreten Umsetzungsmöglichkeiten eines AAA-Screenings in Deutschland diskutieren. Hierzu werden wir auch auf internationale Erfahrungen zurückgreifen können, da wichtige Repräsentanten laufender Screeningprogramme in England, Schweden etc. ihre Teilnahme und Unterstützung bereits zugesagt haben [8].

Hans-Henning Eckstein