Der autologe Gefäßersatz ist aufgrund seiner optimalen Langzeitfunktion in vielen Situationen der Goldstandard in der rekonstruktiven Gefäßchirurgie – sowohl in der elektiven als auch in der Infektsituation. Nicht immer steht diese Möglichkeit zur Verfügung, und alloplastisches Material bietet sich nicht in jeder Situation als gangbare Alternative an. Zudem ist die autologe Vene aufgrund des zusätzlichen Entnahmetraumas mit einer eigenen Morbidität verbunden, sodass nicht selten Folgeeingriffe mit protrahiertem Hospitalaufenthalt erforderlich sind. Betrachtet man die im Vergleich zur altersadjustierten, gesunden Bevölkerung deutlich reduzierte Lebenserwartung dieser Patienten, so gewinnt der größtmögliche Erhalt der Lebensqualität eine hohe Priorität, die bislang häufig zu wenig in den Fokus gestellt wurde [2].

Ist der biologische Ersatz eine Alternative? Er blickt auf eine lange Historie zurück, verlor jedoch aufgrund der limitierten Langzeitfunktion durch Materialermüdung und späte Thromboseneigung seinen Stellenwert. Heute erleben Biomaterialien auch in der Gefäßchirurgie eine Renaissance – warum? Verwenden wir andere Materialien? Ist das homologe Material dem xenogenen vorzuziehen? Haben sich die Konservierungstechniken geändert? Oder ist eine immunsuppressive Therapie die Lösung zu einem optimierten Langzeitergebnis?

Die Ergebnisse nach Verwendung von Homografts sind heute heterogen. Eine Biodegenerationsneigung dieser Prothesen ist zwar immer noch nachweisbar, bewegt sich aber in einem eher niedrigen, im klinischen Alltag tolerierbaren Bereich. Dies liegt unter anderem an den unterschiedlichen Formen der Konservierung, der verwendeten Homografts, der verordneten Antikoagulation sowie der Immunsuppression. Da die Patienten in der Mehrzahl bereits (vielfach) voroperiert sind, geht es in dieser Situation vordringlich um den Beinerhalt. Unter diesen Bedingungen können Homografts viele Extremitäten erhalten [4]. Heute unterliegt die Lagerung und Verwendung von Homografts dem Gewebegesetz, das in seiner Neufassung 2009 hohe Auflagen vorschreibt und damit nur noch wenigen Gewebebanken in Deutschland eine Zulassung einräumt. Sowohl Arterien als auch Venen haben respektable mittelfristige Ergebnisse. Aufgrund der guten Lagermöglichkeit und dem damit jederzeit möglichen Einsatz kommen in den publizierten Untersuchungen zu Homografts meist kryokonservierte Gefäße zum Einsatz, häufig als Composite Grafts. Die Entnahme von arteriellen frischen Homografts dagegen ist im Gegensatz zu der auch bei Lebendspendern möglichen Entnahme der V. saphena magna nur bei hirntoten Spendern möglich und ist mit einem hohen Aufwand verbunden. Die Ergebnisse der Konservierung mit Glutaraldehyd erscheinen zwar besser als die anderer Konservierungsmethoden, diese ist aber nicht mehr verfügbar.

Die Verschärfung des Antikoagulationsschemas führt zu einer deutlichen Verbesserung der Offenheitsrate; in Anlehnung an die BOA-Studie (BOA) führt die Düsseldorfer Arbeitsgruppe eine Gerinnungshemmung mit oralen Antikoagulantien mit einem Ziel-INR zwischen 2,5 und 3,5 durch [1]. Eine ergänzende Therapie mit Thrombozytenaggregationshemmern kann im Einzelfall gerechtfertigt erscheinen.

Der klinische Einsatz von Immunsuppressiva bei Homografts ist eine Ausnahmeindikation. Bei der Wahl des verwendeten Immunsuppressivums beschränken sich viele Erfahrungen auf Cyclosporin, aufgrund der geringen Zahlen von Homografts ist in den nächsten Jahren keine Studie zum Vergleich verschiedener Immunsuppressiva zu erwarten.

Eine ebenso noch nicht ausreichend geklärte Frage ist die nach der Verwendung biologischer Materialien in der Infektsituation. Der Frühinfekt ist sicher anders als der Spätinfekt zu bewerten; die Virulenz der Keime steht hier im Fokus. Sind Biomaterialien überhaupt im Infekt einsetzbar? Die Integration von biologischen und biosynthetischen Prothesen in das Empfängergewebe imponiert als deutlich effektiver im Vergleich zu den bekannten synthetischen Materialien und ist daher möglicherweise mit einer vergleichsweise geringeren Neigung zu Infektionen vergesellschaftet [3]. Vieles deutet darauf hin, dass diese – unabhängig davon ob autolog, homolog, xenogen oder biosynthetisch – Vorteile gegenüber Kunststoffmaterialien haben [6]. Vergleichende Studien sind hierzu erforderlich – der Stellenwert von Biomaterialien in der Infektsituation ist noch nicht definiert.

Lesen Sie in diesem Heft über Aspekte von Biomaterialien, ihren Stellenwert aus aktueller Sicht und Möglichkeiten ihres Einsatzes in der rekonstruktiven Gefäßchirurgie. Es ist ein facettenreiches und spannendes Gebiet, das eine detaillierte Darstellung lohnenswert macht!

Mit herzlichen Grüßen, Ihr

E. Sebastian Debus

Schriftleiter