Zu unserem Artikel haben wir erstaunlich viel Rücklauf erhalten, sowohl aus Ingenieurbüros, als auch aus dem wissenschaftlichen Bereich. Selbst aus dem benachbarten Ausland (Belgien, Niederlande), wo die Sichardt-Gleichung ebenfalls bekannt ist, haben wir Rückmeldungen erhalten. Dabei waren die verschiedensten Reaktionen dabei. Neben den Fürsprechern der Sichardt-Gleichung waren auch Personen dabei, die unseren Verbesserungsvorschlag in ihre Praxis übernehmen wollen und natürlich auch kritische Stimmen, die „den Sichardt“ ablehnen und auf andere, bessere Verfahren verweisen. Zu Letzteren zählt der Beitrag von Frieder Haakh.

Die Diskussion über die Bedeutung und die Vielzahl der Bestimmungsmethoden der Absenkreichweite ist übrigens nicht auf Deutschland beschränkt (siehe dazu rezente Artikel von El-Hames 2020; Bresciani et al. 2,3,a, b; Zhai et al. 2021; Louwyck et al. 2022). Die internationale Debatte ist sogar recht hitzig: Louwyck et al. (2022) nennen die derzeitigen Bestimmungsmethoden einen „Mythos“ und Zhai et al. (2021) gehen soweit, die Absenkreichweite „A parameter with little scientific and practical significance that can easily be misleading [Ein Parameter mit geringer wissenschaftlicher und praktischer Bedeutung, der leicht in die Irre führen kann]“ zu nennen. Die entfachte Diskussion zeigt, dass es an der Zeit ist, dieses Thema kritisch zu beleuchten.

Warum wir uns überhaupt mit der Sichardt-Gleichung beschäftigt haben, ist der Tatsache geschuldet, dass sie immer noch in hydrogeologischen Lehrbüchern genannt wird, darunter praktisch allen deutschsprachigen, und – wie die Rückmeldungen zeigen – in zahlreichen Ingenieurbüros weiterhin genutzt wird. Besonders häufig wird sie bei der Bemessung von Brunnen genutzt. Wenn aus ihrer Anwendung grobe Fehlbemessungen resultieren würden, wäre das in den vergangenen fast 100 Jahren ihrer Nutzung sicher aufgefallen. Unser Anliegen war es daher hauptsächlich zu testen in welchen Parameterbereichen die Sichardt-Gleichung brauchbare Werte ergibt und, in einem zweiten Schritt, diese Bereiche durch Korrekturfaktoren zu erweitern. Dazu haben auch wir analytische Gleichungen als Referenz herangezogen.

Die von Frieder Haakh in seinem Kommentar anschaulich hergeleitete Gleichung ist auch uns gut bekannt und wir hatten sie in unserer Publikation ausführlich berücksichtigt; sie wird bei uns als Cooper-Jacob-Bear-Modell (CJB) bezeichnet (unsere Gl. 13). Wir stimmen zu, dass dieser mathematisch hergeleiteten Gleichung der Vorzug gegenüber einer empirischen, nicht dimensions-gerechten Formel wie der Sichardt-Gleichung zu geben ist. Wir haben sie daher explizit genutzt, um alle empirischen Verfahren auf ihre Eignung zu bewerten (unsere Abb. 3, 4 und 6). Zu beachten ist aber, dass das CJB-Modell streng genommen nur für gespannte Grundwasserleiter gilt, während Sichardt explizit aus Erfahrungswerten von freien Grundwasserleitern Norddeutschlands abgeleitet wurde. Bei nicht allzu großer Absenkung im freien Grundwasserleiter kann man aber, wie auch in unserem Manuskript erläutert, dann doch das CJB-Modell anwenden.

Der Hinweis „… dass der Vorfaktor bei der CJB-Lösung aus der Reihenentwicklung der Brunnenfunktion folgt und nicht empirischen Ursprungs ist.“ ist korrekt, aber eine empirische Herkunft haben wir auch nicht behauptet. Lediglich bei den Formeln von Weber (1928) und Kusakin sind die Vorfaktoren empirisch, auch wenn diese Formeln ansonsten praktisch identisch mit der von CJB sind. Wir sind der Meinung, dass unser Hinweis, dass die deutlich früher entwickelten empirischen Gleichungen schon – bis auf den Vorfaktor – die später analytisch hergeleitete CJB-Gleichung vorwegnehmen, relevant ist.

Wir stimmen Herrn Haakh zu, dass es bessere Verfahren als das von Sichardt gibt, darunter auch solche, die nicht viel schwieriger in der Anwendung sind, z. B. das auch von uns als Referenz genutzte CJB-Modell für gespannte Grundwasserleiter. Darüber hinaus stehen inzwischen das recht komplexe analytische Modell von Louwyck et al. (2022) und die iterativen Verfahren von El-Hames (2020) und Bresciani et al. (2020a) zur Verfügung. Es gab in der Tat auch Rückmeldungen aus der Praxis, bei denen Anwender darüber berichteten, dass sie – angeregt durch unsere Publikation – das Verfahren von Bresciani et al. (2020a) bereits programmtechnisch umgesetzt hatten und nun standardmäßig anwenden würden. Die genannten Verfahren erfordern jedoch ein wenig Erfahrung in der Programmierung. Zudem ist, aufgrund der vergleichsweise guten Erfahrungen mit der Sichardt-Formel in den letzten fast 100 Jahren, für viele eine Einarbeitung in die komplexeren Verfahren nicht von besonderer Priorität. Daher war es uns ein Anliegen, eine bessere Abschätzung der Reichweite nach Sichardt, bei gleichzeitiger schneller und einfacher Anwendung zu ermöglichen.

Das Wichtigste ist jedoch, dass sich alle, egal welches Verfahren sie nutzen, über die Einschränkungen der verschiedenen Modelle im Klaren sind, d. h. z. B. welcher Typ von Grundwasserleiter (frei/gespannt) betrachtet wird und in welchen Parameterbereichen die Methode überhaupt brauchbare Werte liefern kann. Wenn wir dies mit unserem Artikel und der nachfolgenden Diskussion erreicht haben, so sind wir schon einen Schritt weiter.