Einleitung

Das Netz der deutschen Bundeswasserstraßen umfasst ca. 7350 km Binnenwasserstraßen, von denen ca. 340 km unter dem Tideeinfluss der Nordsee stehen (BMVI 2014). Für einen sicheren und reibungslos fließenden Schiffsverkehr sind Ausbau‑, Neubau- sowie Unterhaltungsmaßnahmen unerlässlich. An schiffbaren Binnenwasserstraßen in Deutschland bestehen schwere technische Deckwerke im Regelfall aus einer Schutzschicht, einer Filterschicht und dem anstehenden Boden (BAW 2008). Die Schutzschicht, welche zusammen mit dem (natürlichen) Boden den Filter umschließt, wird in der Regelbauweise aus Wasserbausteinen hergestellt. Die Schutzschicht schützt den Filter vor verschiedenen hydraulischen und physikalischen Einwirkungen. Im tidebeeinflussten Bereich sind Deckwerke als Teil der Wasserstraße insbesondere für den Schutz der Ufer und der Wasserstraße notwendig. Sie sind über die gesamte Lebensdauer unterschiedlichen mechanischen und instationären hydraulischen Einwirkungen, wie z. B. natürlichen und schifffahrtsinduzierten Wellen, Wasserstandsschwankungen und Erosionsprozessen ausgesetzt. Daher werden Deckwerke aus Wasserbausteinen an Binnenwasserstraßen für eine Lebensdauer von bis zu 40 Jahren bemessen (Kayser 2006). Deckwerke von Küstenschutzbauwerken werden hingegen für eine Lebensdauer bis 100 Jahre bemessen (KFKI 2020). Ein wesentlicher Bestandteil eines Uferdeckwerkes ist die Filterschicht, die zur Stabilität des Deckwerks beiträgt. Sie hält das feinere Material des Untergrundes zurück, während die hydraulische Durchlässigkeit erhalten bleibt, um den Aufbau eines steigenden Porenwasserdrucks zu vermeiden (BAW 2008). In Anbetracht der Tatsache, dass diese Mechanismen (Bodenrückhalt und hydraulische Durchlässigkeit) sich in gewissem Maße beeinflussen, muss eine Filterbemessung mit verschiedenen Ansätzen zur Gewährleistung der Filterstabilität durchgeführt werden. Die Abb. 1 zeigt einen Querschnitt durch ein typisches Uferdeckwerk mit den wichtigsten Elementen und den maßgebenden hydraulischen Einwirkungen.

Abb. 1 Fig. 1
figure 1

Querschnitt eines Ufers mit maßgebenden hydraulischen Einwirkungen infolge natürlicher und anthropogener Einflüsse

Cross section of a riverbank with relevant hydraulic impacts due to natural and anthropogenic influences

Bei einer Filterbemessung nach dem aktuellen Stand der Technik wird das Thema der Verockerung nur erwähnt, aber nicht in der Bemessung berücksichtigt (BAW 2021). Die Verockerung beschreibt die Verstopfung von Filtern infolge ockerhaltiger Produkte wie z. B. ausgefälltes Eisen (Dachroth 2017). So kam es in der Vergangenheit bis heute immer wieder in Einzelfällen (Gebken und Glasker 2013; Abromeit 2000; BAW 1993) zu schweren Schäden an Deckwerken infolge von verockerten Filtern. Beispielsweise erforderte eine flächendeckende Verstopfung und ein dadurch entstandener Funktionsverlust eines geotextilen Filters eine aufwändige Reparatur eines Deckwerks an der Unterweser. Dieser Schadensfall wurde von Abromeit (2000) ausführlich beschrieben und ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die signifikante Reduzierung der Wasserdurchlässigkeit um 99,5 % infolge der Verstopfung durch Verockerungsprodukte zurückzuführen. Die Verockerungsprodukte lagerten sich an der Unterseite und im Geotextil an (Abromeit 2000). Ähnliche Prozesse führten zur Verockerung geotextiler Filter in der Gezeitenzone der Ems (siehe Abb. 2). Auch hier führte die Verockerung zu erheblichen Schäden am Deckwerk, sodass eine umfangreiche Sanierung des Deckwerks erforderlich war (Gebken und Glasker 2013; BAW 1993). Sterpejkowicz-Wersocki (2014) beschreibt die starke Verockerung am Erddamm Podgaje in Polen, an dem das Vorhandensein von eisenhaltigem Grundwasser zur Bildung eines undurchlässigen Films auf der Oberfläche des Geotextils des Drainageelements führte.

Abb. 2 Fig. 2
figure 2

Deckwerk an der Tideems im Bereich Rhede mit erheblichem Schaden. Im geotextilen Filter wurden Verockerungsprodukte nachgewiesen. (Aufgenommen im Jahr 2006, ©Hans-Hermann Schmitz, WSA Ems-Nordsee)

Revetment on the tidal ems in the Rhede area with significant damage. In the geotextile filter, ochreous products were documented. (Taken in 2006, ©Hans-Hermann Schmitz, WSA Ems-Nordsee)

Es zeigt sich, dass die Verockerungsproblematik an verschiedenen wasserbaulichen Filteranlagen (z. B. Filter in Deckwerken, Deichen, Küstenschutzbauwerken oder Drainagen) in unterschiedlichen Einsatzgebieten auftritt und somit eine weitere Untersuchung in Bezug auf technische und ökonomische Faktoren erforderlich ist. So müssen u. a. nachfolgend formulierte Forschungsfragen aufgearbeitet werden.

  1. 1.

    Welche Parameter beeinflussen eine Verockerung von wasserbaulichen Filteranlagen?

  2. 2.

    Wie wirkt sich die Verockerung auf die hydraulische Durchlässigkeit von geotextilen und mineralischen Filterkonstruktionen aus?

  3. 3.

    Wie kann die Kolmationssicherheit von wasserbaulichen Filteranlagen gegenüber Verockerungsprodukten experimentell geprüft und nachgewiesen werden?

Der vorliegende Beitrag behandelt umfangreich die erste Forschungsfrage. Der Beitrag gliedert sich in eine Darstellung der Mechanismen der Verockerung sowie bereits durchgeführter Untersuchungen im Forschungsgebiet der Verockerung, aus denen maßgebende Parameter herausgearbeitet werden, die die Verockerung beeinflussen. Anschließend werden die drei großen Nordsee-Ästuare Ems, Weser und Elbe hinsichtlich ihrer Oberflächenwasser- und der angrenzenden Grundwasserbeschaffenheit untersucht, um die theoretischen und tatsächlichen Milieubedingungen zu vergleichen. Aus diesen Untersuchungen werden Kriterien für ein Modellkonzept erarbeitet, anhand dessen zukünftige experimentelle Untersuchungen zur Verockerungsneigung von wasserbaulichen Filtern unter kontrollierten und reproduzierbaren Bedingungen durchgeführt werden sollen.

Mechanismus der Verockerung und Darstellung bisheriger Untersuchungen

Als Verockerung bezeichnet man den chemischen und/oder biologischen Prozess der Ausfällung von Eisen, Mangan und anderen Stoffen in unterschiedlichen Erscheinungsformen (Dachroth 2017). Die wichtigste Grundvoraussetzung für die Ockerbildung, die durch Oxidation initiiert wird, ist das Vorhandensein von Sauerstoff im Boden, Grund- bzw. Bodenwasser (Kuntze 1978) sowie gelöstem Eisen. Maßgebende Erkenntnisse über die Verockerung von Porenkanälen durch biologische oder chemische Faktoren stammen vor allem aus dem Bereich der Brunnentechnik oder der Enteisenung von Trinkwasser (Houben und Treskatis 2020; Weidner 2015; Henkel et al. 2012; Fischer et al. 1990; Brauckmann et al. 1990; Olthoff 1986; Krems 1980; Kittner 1968; Hünerberg 1966). Verockerung kann in den Geotextilien und Kornfiltern oder auch im natürlich gewachsenen Boden auftreten und ist im Wesentlichen von den Milieubedingungen des Filtersystems abhängig. Durch die Anlagerung von Ocker an die Bodenmatrix bzw. das Geotextil wird die Porosität des Bodens in der Nähe des Filters bzw. die Porosität der Filter selbst herabgesetzt, sodass sich die hydraulische Durchlässigkeit des Bodens bzw. des Filters verringert. Die Ausfällungen treten überwiegend in der Kontaktzone zwischen Luft und Grundwasser auf (Sterpejkowicz-Wersocki 2014). Die Kontaktzone ist hierbei der Übergang vom Grundwasserleiter zu den durch die Tide oder durch Wellengang beeinflussten Filterschichten. Mendonca et al. (2003) beschreiben die Problematik und den Prozess als Anstieg des Porenwasserdruckes im Boden bzw. im Filterelement, verbunden mit einer Instabilität des Bodengefüges des Uferbereichs oder einer Änderung der Fließrichtung.

Mit dem Fokus auf die Wechselwirkungen zwischen Gewässer und Ufer bzw. Oberflächen- und Grundwasser wurden bereits mehrere Forschungsvorhaben durchgeführt und publiziert (Nuber et al. 2017; Hölting und Coldewey 2013; Führböter 2004; Schulz-Terfloth 1987). Diese behandeln vornehmlich lokale zeitliche Veränderungen der Grundwasserbeschaffenheit oder großräumige Versalzungs- und Aussüßungserscheinungen infolge anthropogener Einflüsse und Bewirtschaftung. Diese Forschungen gehen jedoch nicht explizit auf die Problematik der Verockerung von wasserbaulichen Filtern ein, die durch den bidirektionalen Wasseraustausch begünstigt und initiiert werden kann. Der Austritt von Grundwasser (Exfiltration) ist in tidebeeinflussten Flüssen keine stetige, unidirektionale Strömung, da Fließrichtung und Fließgeschwindigkeit je nach Tidehub variieren. Ebenso verhält es sich mit dem Eintritt von Oberflächenwasser in das Grundwasser (Infiltration).

Geotextile und mineralische Filter

Grundsätzlich wird zwischen einem mineralischen und geotextilen Filteraufbau unterschieden. Dabei unterscheidet sich der Filteraufbau sowohl in Bezug auf die Wirkungsweise als auch auf die Filterbemessung z. T. erheblich. In Tab. 1 ist eine aktuelle Übersicht über maßgebende Regelwerke zur Anwendung von mineralischen und geotextilen Filtern im Bereich der Bundeswasserstraßen dargestellt.

Tab. 1 Table 1 Übersicht über die Regelwerke zur Anwendung von mineralischen und geotextilen Filtern im Bereich der Bundeswasserstraßen in DeutschlandOverview of regulations for the application of granular and geotextile filters in the area of german federal waterways

Für beide Filterbauweisen wird die mechanische und hydraulische Filterwirksamkeit mittels verschiedener Filterkriterien nachgewiesen (vgl. Schürenkamp 2017; Heibaum 2014). Für geotextile Filter ist es zusätzlich notwendig, Robustheitskriterien und die Vermeidung von Kolmation nachzuweisen (Heibaum 2014). Zur Funktionsweise von geotextilen und mineralischen Filtersystemen im Wasserbau, insbesondere zur Veränderung der Durchlässigkeit, zur Kolmation und zur Filterbemessung bei instationärer und bidirektionaler Durchströmung, wurden bisher zahlreiche Untersuchungen durchgeführt (Schürenkamp 2017; Veylon et al. 2016; Kayser 2016; Heibaum 2014; Giroud 2010; Chen et al. 2008).

Materialtechnologisch unterscheiden sich die Filter unter anderem dahingehend, dass geotextile Filter über eine Zugfestigkeit von > 12,0 kN/m gem. TLG verfügen müssen, wohingegen mineralische Filter aufgrund ihrer Struktur keine Zugfestigkeit besitzen. Insofern ist das in Abromeit (2000) beschriebene und in Abb. 2 zu erkennende Aufbrechen des Deckwerkes nach derzeitigem Kenntnisstand mit einem mineralischen Filter nicht möglich, da dieser nur lokal und nicht großflächig versagen würde. Diese Erkenntnis spiegelt sich auch in den Neubau- und Sanierungsempfehlungen (BAW 2021) wider, die mineralische Filteraufbauten für den Neubau und die Sanierung von Filtern in verockerungsgefährdeten Wasserstraßenabschnitten empfehlen. Die Empfehlungen basieren allerdings nicht auf systematischen Untersuchungen sowie einem systematischen Vergleich zur Verockerung beider Filtermaterialien.

In einigen spezifischen Fragen in Bezug auf Filterkonstruktionen in tidebeeinflussten Wasserstraßen besteht noch Forschungsbedarf, obwohl das Problem der Verstopfung von geotextilen Filteranlagen durch Verockerungsprodukte in der Fachöffentlichkeit bekannt ist (Sterpejkowicz-Wersocki 2014; Gebken und Glasker 2013; Abromeit 2000; BAW 1993). Dennoch finden sich in den zahlreichen und umfangreichen Regelwerken für den Einsatz von Filtermaterialien im Wasserbau bisher keine Verfahrens- oder Konstruktionshinweise, die explizit die Verockerung von mineralischen oder geotextilen Filtersystemen und die Auswirkung der Verockerung auf deren Funktionsfähigkeit beschreiben. Es wird lediglich die Anwendung einer möglichst durchlässigen Kornfilterbauweise empfohlen, wenn eine Verockerungsgefahr besteht (siehe z. B. BAW 2021). Klar definierte Grenzwerte oder Kriterien zur Beurteilung der Verockerungsgefahr werden nicht genannt (ebd.).

Verockerungsprozess

Die chemische Verockerung beruht auf der Oxidation von zweiwertigem zu dreiwertigem Eisen bzw. von zweiwertigem zu vierwertigem Mangan. Im Folgenden wird nur die Oxidation von zweiwertigem Eisen betrachtet. Bei den Reaktionen liegt das gelöste zweiwertige Eisen entweder als Eisenion Fe2+-Ion oder seltener als Eisenhydrogencarbonat Fe(HCO3)2 vor. Im Fall des gelösten Fe2+-Ions wird der Verockerungsprozess nach Houben und Treskatis (2020) mit folgender Reaktionsgleichung beschrieben:

$$4\,\mathrm{Fe}^{2+}+10\,\mathrm{H}_{2}\mathrm{O}+\mathrm{O}_{2}\leftrightarrow 4\,\mathrm{Fe}(\mathrm{OH})_{3}\downarrow +8\,\mathrm{H}^{+}$$
(1)

Die zweiwertigen Eisenionen (Fe2+-Ionen) oxidieren zu dreiwertigem Eisen, welches aufgrund seiner geringen Löslichkeit in Wasser als Eisenoxid (Fe(OH)3) ausfällt (Houben und Treskatis 2020). Die Mechanismen der Alterung werden mit Verweis auf Houben und Treskatis (2020) sowie Krems (1980) hier nicht weiter beschrieben.

Für die chemische Verockerung müssen im Grundwasser und am Filter bestimmte Milieubedingungen vorliegen. Zu diesen Bedingungen gehören notwendigerweise das Vorhandensein von Sauerstoff und Fe2+-Ionen. Der pH-Wert hat einen entscheidenden Einfluss auf die Reaktionsgeschwindigkeit der Oxidation bzw. den Stoffumsatz von zweiwertigem zu dreiwertigem Eisen (Houben und Treskatis 2020; Fischer et al. 1990). Die Reaktion verläuft bei höheren pH-Werten schneller (Houben und Treskatis 2020).

Neben dem pH-Wert als maßgeblichem Faktor für die Geschwindigkeit des Oxidationsprozesses ist das Redoxpotenzial (EH-Wert) ein Maß für die Bereitschaft, Elektronen aufzunehmen bzw. abzugeben. Es kann auch mit dem Verhältnis von im Wasser gelösten Mengen oxidierender und reduzierender Substanzen (Hünerberg 1966) beschrieben werden. Damit Fe2+-Ionen im Grundwasser vorliegen können, sind reduzierende Grundwasserverhältnisse notwendig. So müssen z. B. im neutralen Milieu (pH = 7) negative Redoxpotenziale (EH < 0 V) vorliegen (Hölting und Coldewey 2013). Für die Oxidation und damit verbundene Ausfällung des Eisens sind Redoxpotenziale zwischen 0 und 0,5 V notwendig (Houben und Treskatis 2020). Im hier vorliegenden Fall wird die Oxidation infolge der Mischung von sauerstoffarmem Grundwasser und sauerstoffreichem Oberflächenwasser initiiert.

Beide Parameter, pH-Wert und Redoxpotenzial, haben Auswirkungen auf die Löslichkeit von zwei- bzw. dreiwertigem Eisen. Je nach pH- und Redox-Bedingungen entstehen bei der Oxidation unterschiedliche Eisenprodukte. Die unterschiedlichen Bildungscharakteristika sollen an dieser Stelle mit Verweis auf Cornell und Schwertmann (2003), Génin et al. (1998) und Olthoff (1986) nicht näher erläutert werden.

Bei der biologischen Verockerung sind maßgeblich eisen- und manganspeichernde Bakterien beteiligt (Krems 1980). Im Folgenden werden nur noch Eisenbakterien berücksichtigt. Diese Eisenbakterien sind in der Lage, gelöstes zweiwertiges Eisen aufzunehmen und dann in unlöslicher Form wieder auszuscheiden. Vor allem Bakterien der Gattungen Gallionella, Leptothrix, Siderocapsa und Siderococcus werden von Krems (1980) und Hässelbarth und Lüdemann (1967) als maßgebliche Organismen der biologischen Verockerung erwähnt. Die Mikroorganismen scheiden das umgewandelte dreiwertige Eisen als Eisenoxidhydrate aus und lagern es an sich ab (Hässelbarth 1980), sie haben also eine eisenspeichernde Wirkung.

Die Lebensbedingungen der Eisenbakterien und somit indirekt die biologische Verockerung wird übereinstimmend in der Literatur an vier notwendige Bedingungen geknüpft (nach Brauckmann et al. 1990; Hässelbarth 1980; Krems 1980; Van Beek 1980; Hünerberg 1966):

  1. 1.

    Es müssen Eisenbakterien vorhanden sein, deren Existenz in jedem natürlichen Grundwasservorkommen zu erwarten ist.

  2. 2.

    Zweiwertige Eisenionen müssen im Grundwasser vorhanden sein. In der Literatur wird ein unterer Grenzwert von 0,2 mg/l Fe2+-Ionen genannt, der zur Verockerung führen kann.

  3. 3.

    In einem langsam fließenden natürlichen Grundwasserstrom kann sich kein Massenwachstum entwickeln, da die Bakterien nicht genügend Nahrung bekommen. Die Bedingungen für ein Massenwachstum aufgrund der erhöhten Nährstofffracht sind bei Geschwindigkeiten von min. 0,1 m/h gegeben.

  4. 4.

    Es muss ein bestimmter rH-Wert im Wasser vorliegen, der nach Hässelbarth und Lüdemann (1967) mit rH ≥ 14,5 ± 1 angegeben wird. Der rH-Wert wird als negativer dekadischer Logarithmus des Wasserstoff-Partialdrucks definiert und beschreibt eine pH-Wert unabhängige Größe für das Redoxpotenzial (Hölting und Coldewey 2013). Nach Untersuchungen von Schweißfurth (1981) wird für die mikrobielle Eisenoxidation ein Redoxpotenzial größer als 0,2 bis 0,25 V vorausgesetzt. Olthoff (1986) knüpft an die Redox-Bedingung einen oberen Grenzwert des Sauerstoffgehalts mit 0,01 bis 2 mg/l O2, da hier gerade das erforderliche Redoxpotenzial erreicht sei. Höhere Sauerstoffkonzentrationen führen nach Olthoff (1986) eher zur chemischen Verockerung.

Verstopfung durch Verockerungsprodukte

Das infolge chemischer oder biologischer Verockerung ausgefällte Eisen kann sich in geotextilen oder mineralischen Filtern anlagern. Dieser Anlagerungsprozess wird von Fischer et al. (1990) als Adsorptionsprozess bewertet, der entweder chemisch geprägt ist (Chemisorption) oder auf intermolekularen Kräften (Physisorption), z. B. Coulomb’schen Anziehungskräften zwischen der Feststoffmatrix und den verschiedenen Oxiden, Hydroxiden oder Oxidhydraten des Eisens beruht. Demzufolge kolmatieren die Verockerungsprodukte die Filter nicht als bewegliche Partikel, sondern haften an der Filterstruktur an und verstopfen diesen. Daher wird auch der Begriff der Verstopfung anstelle von Kolmation verwendet.

Die Stärke der Wechselwirkungskräfte ist unterschiedlich. Nach Hoinkis (2015) sind die Wechselwirkungskräfte zwischen dem adsorbierenden Material (Ocker) und der Oberfläche (Filtermaterial) des Feststoffs bei der Chemisorption höher als bei der Physisorption. Während des Adsorptionsprozesses wird ein Gleichgewicht zwischen adsorbiertem und nicht adsorbiertem Material erreicht. Der Gleichgewichtszustand ist abhängig von der Stärke der Wechselwirkungskräfte, der Konzentration, der Temperatur und dem Druck. Nach dem Langmuirschen Modell des Adsorptionsprozesses wird das Material so lange adsorbiert, bis die Oberfläche mit einer monomolekularen Schicht des adsorbierten Materials bedeckt ist und somit der Adsorptionsprozess in Abhängigkeit der Zeit ein Wachstum der Anlagerungen bewirkt (Atkins et al. 2019; Hoinkis 2015; Fischer et al. 1990). Die Eisenphasen verfestigen sich durch einen sogenannten Reifungsprozess, der hauptsächlich auf der Kristallisation von Eisen beruht (Houben und Treskatis 2020). Correia et al. (2017) stellten fest, dass die Verockerungsprodukte an den Filamenten des Vliesstoffes anhafteten, anstatt beweglich als Partikel die Porenräume zwischen den Filamenten zu kolmatieren. Beobachtungen von Kuntze (1978) ergaben, dass Eisenocker auf Kunststoffen sehr unterschiedlich stark anhaften kann. Hinsichtlich der Adhäsion von Biofilmen auf Textilfasern konnten Zhang et al. (2021) keine signifikanten Unterschiede zwischen Polypropylen (PP), Polyester (PES) und Polyvinylalkohol (PVA) feststellen. Diese Beobachtung kann durch Untersuchungen von Mendonca et al. (2003) für PP und PES bestätigt werden. Materialtechnologisch wird eher ein Einfluss infolge der spezifischen inneren Oberfläche der Geotextilien vermutet (Mendonca et al. 2003). Bezogen auf die Permeabilität von Geotextilien führten Mendonca und Ehrlich (2006) vergleichende Untersuchungen an zwei geotextilen Vliesstoffen durch, bei denen infolge Verockerung eine Verringerung der Durchlässigkeit um den Faktor 7,5–45,3 gegenüber den unbelasteten Geotextilien gemessen wurde. Untersuchungen zur Verringerung der Durchlässigkeit von ausschließlich durch Eisenoxide verstopftem mineralischem Filtermaterial wurden bisher nur von Weidner (2015), Weidner et al. (2012) bzw. Henkel et al. (2012) für Vertikalfilterbrunnen durchgeführt. Eine Übersicht verschiedener Mechanismen und Modelle zur Verringerung der Durchlässigkeit von mineralischen Böden infolge Biofilmbildung ist in Bonala und Reddi (1998) dargestellt.

Diskussion und Zwischenfazit

Aus der Literaturrecherche lassen sich maßgebliche Verockerungsparameter (DOCP = decisive ochre clogging parameters) ableiten. Das Vorkommen von gelöstem Sauerstoff im Grundwasser ist neben dem Vorhandensein von gelöstem Eisen wichtigste Grundvoraussetzung für die Verockerungsreaktion. Gelöstes Eisen kann nur bei bestimmten pH- und Redox-Bedingungen vorliegen. Die Temperatur hat sowohl auf das Ionenprodukt des Wassers (Kw) bzw. den pH-Wert, als auch auf den Sauerstoffgehalt (Balke et al. 2000) und die Wechselwirkungskräfte zwischen Eisenocker und Feststoff einen Einfluss. Daher wird die Temperatur ebenfalls als DOCP betrachtet. Entsprechend werden die fünf Parameter Sauerstoffgehalt, Eisengehalt, Redoxpotenzial, pH-Wert und Temperatur als DOCP behandelt und sowohl in Felduntersuchungen als Zielparameter als auch als Entscheidungskriterien betrachtet. Der rH-Wert als resultierender kalkulatorischer Wert wird zur Bewertung der biologischen Verockerungsneigung ebenfalls angegeben.

Dadurch, dass die Verockerungsprodukte die Filter bzw. Porenräume nicht als bewegliche Partikel verstopfen, sondern physikochemisch an deren Oberfläche gebunden werden, können klassische Filterkriterien zur Vermeidung oder Verringerung der Verockerungsgefahr nach aktuellem Stand der Forschungen nicht herangezogen werden. Dies ist damit zu begründen, dass die Übertragbarkeit der klassischen Filterkriterien noch nicht auf die Verockerung hin überprüft wurde und die materialtechnologischen Auswirkungen infolge der Verstopfung und Verengung der Porenkanäle des Filters noch nicht ausreichend untersucht wurden. Auch ein mechanisches Ausspülen der Verockerungsprodukte ist aufgrund der Bindung nicht möglich. Die Verockerung ist relevant für die Durchlässigkeit bzw. Leistungsfähigkeit der Filter und es ist bisher nicht hinreichend quantifiziert worden, in welchem Maße die Verockerungsprodukte die technische Lebensdauer von mineralischen und geotextilen Filteranlangen beeinflussen bzw. verringern. Sie kann in Wasserstraßen derzeit nicht durch technische Maßnahmen rückgängig gemacht oder reduziert werden. Entsprechend kann die Verockerung mit ökonomischen und ökologischen Nachteilen durch eine vorzeitige Instandsetzung der Filteranlage einhergehen.

Die Literaturstudie hat gezeigt, dass bisher keine Studien mit dem Fokus auf das Verstopfen mineralischer und geotextiler Filteranlagen an Wasserstraßen infolge von Verockerungsprodukten bei bidirektionaler Durchströmung existieren. Zudem wurden in keiner der hier aufgeführten Studien Differenzierungen zur Herkunft der Verockerungsprodukte bei In-situ-Untersuchungen gemacht. Ob die Verockerungsprodukte durch einen biologischen Prozess oder durch einen rein chemischen Prozess entstanden sind, kann nur durch zusätzliche mikrobiologische Untersuchungen (z. B. DNA-Sequenzanalysen) beurteilt werden.

Nicht ausreichend untersucht wurden die Auswirkungen der Verstopfung durch Verockerungsprodukte auf die Durchlässigkeit von Geotextilien und mineralischen Filtern. Zwar wurden verschiedene Textilien mit unterschiedlichen Materialparametern und Polymeren geprüft (u. a. Mendonca und Ehrlich 2006), aber nicht in ausreichender Quantität, um daraus materialtechnologische Optimierungen abzuleiten. Die untersuchten Textilien waren außerdem bezogen auf die Materialparameter nicht für den Einsatz als Uferfilter geeignet. Die von Bonala und Reddi (1998) dargestellten Modelle zur Reduzierung der Durchlässigkeit infolge einer Biofilmbildung sind auf ihre Anwendbarkeit im Falle einer biologisch oder chemisch induzierten Verstopfung durch Verockerungsprodukte zu prüfen.

Analyse der hydrochemischen Parameter tidebeeinflusster Flussabschnitte an Ems, Weser und Elbe

Im vorliegenden Beitrag wurden die Oberflächenwasserbeschaffenheit an unterschiedlichen Messstellen nahe der drei großen Nordsee-Ästuare sowie deren Grundwasserbeschaffenheiten untersucht (siehe auch Abb. 3). Die Abb. 3 stellt das Untersuchungsgebiet bzw. die Gebiete dar, an denen die Verockerungsneigung von wasserbaulichen Filteranlagen im Rahmen des vorliegenden Beitrags betrachtet wird. Die Untersuchungsgebiete liegen im hydrogeologischen Großraum des nord- und mitteldeutschen Lockergesteinsgebiets und überwiegend im Raum Marschland der Nordseemarschen (LBEG 2017). Ein Abschnitt der Tideems zwischen Herbrum und Papenburg liegt im hydrogeologischen Teilraum der Hunte-Leda-Moorniederung (ebd.). Im Marschland steht nach LBEG (2017) im oberen Grundwasserleiter aufgrund des Eindringens von Brack- und Nordseewasser in der Regel versalztes Grundwasser an.

Abb. 3 Fig. 3
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Übersicht über die drei großen Nordsee-Ästuare mit Grenze der Tidebeeinflussung. (Erweiterte Karte auf Grundlage von © Land NRW, dl-de/by-2‑0 (www.govdata.de/dl-de/by-2-0) https://www.elwasweb.nrw.de 29.11.2021)

Overview on the three major North Sea estuaries with tidal influence. (Extended map based on © Land NRW, dl-de/by-2‑0 (www.govdata.de/dl-de/by-2-0) https://www.elwasweb.nrw.de 29.11.2021)

Oberflächenwasserbeschaffenheit der Nordsee-Ästuare Ems, Weser und Elbe

In den in Abb. 3 dargestellten Gebieten existieren mehrere Gütemessstationen für die Oberflächenwasserqualität der Nordsee-Ästuare. Zwei Stationen liegen im Bereich der Tideems (Gandersum und Terborg), drei Stationen im Bereich der Tideweser (Nordenham, Brake und Farge) und drei Stationen im Bereich der Tideelbe (Grauerort, Seemannshöft und Bunthaus). Die Stationen werden von der BfG (Bundesanstalt für Gewässerkunde), dem Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) und dem Institut für Hygiene und Umwelt Hamburg betrieben. Es werden kontinuierlich Messungen der Wassertemperatur, der elektrischen Leitfähigkeit, des Sauerstoffgehaltes und des pH-Wertes durchgeführt. Die Messung erfolgt etwa einen Meter über der Gewässersohle. In den Jahren 2000 bis 2020 wurden die Parameter gelöster Sauerstoff (Anzahl n = 39.217), pH-Wert (n = 37.172) und Wassertemperatur (n = 40.241) ausgewertet (siehe Abb. 4). Zudem wurde ein „average value“ berechnet. Dieser Wert repräsentiert die arithmetischen Mittelwerte der Güteparameter der drei Ästuare von Ems, Weser und Elbe.

Abb. 4 Fig. 4
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Zusammenfassung der Gütemessungen des Oberflächenwassers zwischen 2000 und 2020. a Gelöster Sauerstoff; b pH-Wert; c Temperatur. (Datenquellen: BfG, NLWKN, Institut für Hygiene und Umwelt Hamburg)

Summary of the quality measurements of the surface water body 2000 and 2020. a Dissolved oxygen; b pH-value; c Temperature. (Data sources: BfG, NLWKN, Institut for Hygiene und Environment Hamburg)

Die in Abb. 4 dargestellten Daten zeigen, dass im Mittel O2 = 8,7 mg/l beträgt und damit in der Kontaktzone von Grund- und Oberflächenwasser ausreichend Sauerstoff zur Verfügung steht, sodass eine Verockerung eintreten kann, falls die Kontaktzone durch den Tidehub nicht ohnehin mit Luftsauerstoff in Verbindung gerät. Der durchschnittliche pH-Wert aller Ästuare von 7,8 kann zu einer beschleunigten Oxidation bzw. einem beschleunigten Stoffumsatz von zweiwertigem zu dreiwertigem Eisen gegenüber neutralen Bedingungen führen. Das arithmetische Mittel der Oberflächenwassertemperatur liegt um 1,8 K höher, als das des Grundwassers (siehe Grundwasserbeschaffenheit der Uferbereiche), sodass eine geringfügige Beschleunigung der Reaktionskinetik in der Kontaktzone auftreten kann (vgl. Balke et al. 2000).

Grundwasserbeschaffenheit der Uferbereiche

Zur Ermittlung relevanter Grundwassergüteparameter wurden 20 tidebeeinflusste Grundwassergütemessstellen (vgl. Abb. 3), die vom NLWKN und der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft Hamburg (BUKEA) betrieben werden, ausgewertet. Dazu wurden die erhobenen Daten zwischen den Jahren 2000 bis 2020 verwendet. Die betrachteten Messstellen binden in den oberen Grundwasserleiter ein und wurden i. d. R. einmal jährlich beprobt. Es wurden die Parameter Wassertemperatur (n = 347), Leitfähigkeit (n = 349), gelöster Sauerstoff (n = 234), pH-Wert (n = 339), Eisengehalte (Fe(tot): n = 181, davon zusätzlich Fe2+: n = 16) und das Redoxpotenzial (n = 110) ausgewertet. Die Zusammenfassung der Ergebnisse ist der Tab. 2 zu entnehmen. Hier zeigen insbesondere die Eisengehalte und Redoxpotenziale zwischen dem 1. und 3. Quartil größere Schwankungen. Detaillierter ist in Abb. 5 die Auswertung der DOCP Sauerstoff, pH-Wert und Eisen dargestellt. Es fällt auf, dass beim Sauerstoffgehalt der Ems das 1. Quartil dem Minimum entspricht und O2 = 0,1 mg/l beträgt. Auch bei den Messwerten der GW-Messstellen nahe der Weser wurde ein Minimum von O2 = 0,1 mg/l festgestellt. Hier entspricht das 1. Quartil statistisch gesehen dem Median. Das liegt an der Datengrundlage: sämtliche O2-Messwerte an der Ems und an der Weser werden mit einer Schrittweite von 0,1 mg/l angegeben und Werte von O2 ≤ 0,1 mg/l werden nicht weiter spezifiziert. Für das Grundwasser des durchschnittlichen Ästuars entspricht statistisch gesehen der Median des Sauerstoffgehaltes dem 3. Quartil. Die Sauerstoffgehalte aller Messstellen liegen im 3. Quartil so niedrig, dass reduzierende Verhältnisse vorliegen können. Als Grenze bzw. Grenzbereich zwischen oxidierenden und reduzierenden Verhältnissen werden Sauerstoffkonzentrationen zwischen 0,001 und 0,7 mg/l O2 angegeben (Mattheß 1994), wobei in Feldmessungen auch höhere Sauerstoffkonzentrationen bei reduzierenden Verhältnissen gemessen wurden (ebd.). Zusätzlich kann mithilfe des rH-Wertes die Grenze zwischen reduzierenden und oxidierenden Verhältnissen eingegrenzt werden. Demnach liegen für den Median, das arithmetische Mittel und das 3. Quartil vorwiegend schwach reduzierende Wässer vor (siehe auch Tab. 2). Für das Minimum und das 1. Quartil liegen stark reduzierende Grundwässer und für das Maximum indifferente Systeme gemäß Definition nach Hölting und Coldewey (2013) vor. Die Eisengehalte Fe(tot) sowie Fe2+ weisen für das 1. Quartil bereits deutlich höhere Konzentrationen auf als für die biologische Verockerungsreaktion notwendig sind. Für die chemische Verockerungsreaktion sind keine Grenzwerte der Literatur zu entnehmen, wobei die Verockerung grundsätzlich stattfinden kann, sobald gelöstes Eisen vorliegt und oxidieren kann. Die 16 gemessenen Fe2+-Werte stammen aus drei Grundwassergütemessstellen an der Ems sowie aus vier Messstellen an der Weser.

Tab. 2 Table 2 Zusammenfassung der Grundwassergütemessungen an 20 Messstellen zwischen 2000 und 2020. (Datenquellen: NLWKN, BUKEA)Summary of groundwater quality measurements at 20 monitoring stations between 2000 and 2020. (Data sources: NLWKN, BUKEA)
Abb. 5 Fig. 5
figure 5

Zusammenfassung der Grundwassergütemessungen an 20 Messstellen zwischen 2000 und 2020. a Gelöster Sauerstoff; b pH-Wert; c Eisengehalt Fe(tot). (Datenquellen: NLWKN, BUKEA)

Summary of groundwater quality measurements at 20 monitoring stations between 2000 and 2020. a Dissolved oxygen; b pH-value; c Iron content Fe(tot). (Data sources: NLWKN, BUKEA)

Diskussion und Zwischenfazit

Es existiert eine Vielzahl an Grundwassermessstellen, die regelmäßig (i. d. R. jährlich) hinsichtlich der Grundwassergüte beprobt werden. Die im Rahmen des vorliegenden Beitrags untersuchten Messstellen im Tidebereich der Ems, Weser und Elbe sind aufgrund der Zugänglichkeit grundsätzlich im Deichhinterland angeordnet. Zusammengefasst sind die Messstellen im Durchschnitt etwa 1250 m weit von der Wasserkante entfernt angeordnet. Ausnahmen hiervon bilden drei Messstellen an der Tideems bei Weener, Terborg und Oldersum, die im Deichvorland, also im Überschwemmungsgebiet angeordnet sind. Erfahrungen von Nuber et al. (2017) zeigen, dass bei Messstellen, die mehrere hundert Meter vom Ufer entfernt liegen, Veränderungen der Grundwasserbeschaffenheit mit einem zeitlichen Nachlauf von bis zu mehreren Jahren messbar werden (Nuber et al. 2017). Somit kann die Grundwassergüte anhand der vorliegenden Daten im Bereich der Wasserwechselzone bzw. im Uferbereich ausreichend qualifiziert werden. Um diese Annahmen zu verifizieren, besteht jedoch weiterer Informationsbedarf anhand zusätzlicher Grundwasseruntersuchungen unmittelbar am Ufer im Deichvorland an Orten, an denen die Verockerung tatsächlich auftritt. Zusätzlich zu den hydrochemischen Eigenschaften sind weitere Erkenntnisse über die Eindringtiefe und -häufigkeit des Oberflächenwassers in den Uferbereich notwendig.

In Tab. 3 sind aus den Untersuchungen abgeleitete Grenzwerte für die DOCP zusammengefasst. Die Parameter pH-Wert und Temperatur sind für die Löslichkeit des Eisens und die Geschwindigkeit der Verockerungsreaktion maßgebend und beeinflussen den rH-Wert des Wassers, sodass für diese keine Grenzwerte festgelegt werden können. Bei einer Unter- bzw. Überschreitung der genannten Grenzwerte und einer Vermischung mit oxischem Oberflächenwasser oder Luftsauerstoff kann die Verockerung initiiert werden. Im Vergleich der Grenzwerte aus Tab. 3 mit den Gütemessungen in Tab. 2 sowie Abb. 4 und 5 wird ersichtlich, dass die Verockerung grundsätzlich infolge der Grundwasser- und Oberflächenwasserbeschaffenheit bei exfiltrierenden Verhältnissen im Untersuchungsgebiet, dem tidebeeinflussten Bereich der Ems, Weser und Elbe auftreten kann. Es befinden sich aufgrund reduzierender Grundwasserverhältnisse Fe2+-Ionen im Grundwasser, welche beim Kontakt an der Übergangszone mit Luftsauerstoff oxidieren können. Der höhere Sauerstoffgehalt (und pH-Wert) des Oberflächenwassers in der Übergangszone kann die Verockerungsreaktion beschleunigen. Unmittelbar in der Übergangszone liegt der mineralische oder geotextile Filter, an denen die Verockerungsprodukte anhaften können. Diese Anhaftungen wurden in der Realität auch gefunden (Gebken und Glasker 2013; Abromeit 2000; BAW 1993).

Tab. 3 Table 3 Maßgebliche Verockerungsparameter (DOCP) des GrundwassersDecisive ochre clogging parameters (DOCP) of the groundwater

Es wird nach derzeitigem Kenntnisstand eher eine vorwiegend chemische Verockerung herbeigeführt, da die hydrochemischen Milieubedingungen in der Kontaktzone bzw. im Filter stetige, tideabhängige Veränderungen infolge der Strömungsumkehr erfahren. Insbesondere die Anforderungen an den EH- und rH-Wert (siehe Verockerungprozess) begünstigen eher eine chemische Verockerung.

Randbedingungen für zukünftige Untersuchungen

Abgeleitet aus den In-situ-Bedingungen, Forschungen zur biologischen Verockerung (vgl. Correia et al. 2017; Mendonca et al. 2003; und Fourie et al. 1994) sowie zur Brunnenverockerung (vgl. Weidner 2015; Weidner et al. 2012; und Henkel et al. 2012) werden im Folgenden einige wesentliche Kriterien für zukünftige Modell- und In-situ-Untersuchungen vorgestellt.

Modelluntersuchungen

In zukünftigen Untersuchungen soll die Verockerung von geotextilen und mineralischen Filteraufbauten mit Modellversuchen quantifiziert werden, um die beschriebenen DOCP zu verifizieren, die hydraulische Durchlässigkeit verockerter Filter zu untersuchen und deren Kolmationssicherheit zu prüfen und zu bewerten. Daher ist es notwendig, die Verockerung unter kontrollierten Bedingungen reproduzierbar nachzubilden und gleichzeitig möglichst naturgetreue Laborbedingungen zu schaffen.

  • Die Datenerhebungen und durchgeführten Berechnungen nach MAG (BAW 2021) führen zu einer laminaren Filterdurchströmung an den drei Ästuaren Ems, Weser und Elbe. Entsprechend sollte auch im Modellkonzept eine bidirektionale laminare Durchströmung gewählt werden.

  • Es müsste ein filterstabiler Versuchsaufbau mit einem Deckwerksausschnitt im Maßstab 1:1 gewählt werden, der den Transport von feinkörnigem Boden nicht berücksichtigt. Ziel der Untersuchungen sollte sein, eine rein chemische Verstopfung ohne gleichzeitige mechanische Kolmation zu initiieren. Zu diesem Zweck sollte eine Biofilmbildung technisch ausgeschlossen werden.

  • Die Datenauswertungen der Grundwässer ergaben schwach reduzierende Grundwässer. Zur Beschleunigung der Reaktionskinetik sollten stark reduzierende Grundwässer im Prozesswasser abgebildet werden, um ein Überangebot an gelöstem Eisen zu gewährleisten. Die Grenzwerte bzw. einzuhaltenden Parameter sind in Tab. 3 dargestellt.

  • Es sollte ein Überangebot an (Luft‑)Sauerstoff in der Kontaktzone vorhanden sein, um die Oxidation zu beschleunigen.

In-situ-Untersuchungen

Die Milieubedingungen und Uferbereiche, unter denen die Verockerung in Filteranlagen in-situ auftritt, also Schadensfälle und Problemstellen sind wie bereits beschrieben noch nicht hinreichend im Hinblick auf die DOCP und die Milieubedingungen im direkten Umfeld der Schadstellen untersucht worden. An verschiedenen Stellen an denen fortlaufende Verockerungserscheinungen auftreten, sollten die Milieubedingungen der Filter systematisch im Hinblick auf die Oberflächenwasser- und Grundwasserbeschaffenheit, Ufer- und Filterbeschaffenheit untersucht werden. Die hydrogeologischen Verhältnisse im Untersuchungsgebiet müssten bekannt sein.

  • Die Oberflächenwasser- und Grundwassergüte müsste über den Verlauf eines hydraulischen Jahres im Hinblick auf die DOCP untersucht werden.

  • Die Grundwassergütemessstellen sollten eine unmittelbare Tidebeeinflussung durch Anordnung im Deichvorland aufweisen.

  • Zur chemischen und geologischen Untersuchung müssten Proben des Filteraufbaus und Proben des anstehenden Aquifermaterials entnommen werden.

  • An den Verockerungsprodukten müssten Untersuchungen zur biologischen oder rein chemischen Herkunft der Eisenoxide durchgeführt werden.

Fazit und Ausblick

Es ist zu vermuten, dass die Verstopfung von Geotextilien infolge von Verockerungsprodukten keine klassische Kolmation darstellt, sondern einen physikochemischen Anhaftungsprozess an deren Oberfläche, der als Verstopfung bezeichnet wird. Entsprechend können für eine Vordimensionierung nach aktuellem Stand der Wissenschaft und Forschung keine klassischen Filterkriterien angewendet, sondern aktuell nur Grenzwerte für die Milieubedingungen bestimmt werden.

Auf Basis von theoretischen Untersuchungen und Datenanalysen konnten die für die Verockerung von wasserbaulichen Filteranlagen maßgebenden Verockerungsparameter (DOCP) ermittelt werden. Die Menge bzw. der Betrag von gelöstem Eisen und Sauerstoff, das Redoxpotenzial, der pH-Wert und die Temperatur beeinflussen sowohl die Möglichkeit des Auftretens der Verockerungen, als auch die Reaktionsgeschwindigkeit. Als wesentliche Grenzwerte für die Parameter gelöster Sauerstoff, gelöstes Eisen (Fe2+) sowie für den rH- und EH-Wert konnten folgende Grenzen abgeleitet werden, damit die Verockerung auftreten kann. Im Grundwasser müssen anoxische, reduzierende Verhältnisse vorliegen (O2 < 0,7 mg/l, EH < 0 V, rH < 17), und Eisen muss in gelöster Form vorliegen (Fe2+ > 0,2 mg/l). Im Oberflächenwasser bzw. in der Kontaktzone müssen gemäß Definition von Hölting und Coldewey (2013) indifferente oder oxidierende Verhältnisse vorliegen (O2 > 0,7 mg/l, EH = 0 − 0,5 V, rH > 14,5 ± 1) bzw. aerobe Verhältnisse existieren.

Die theoretischen Untersuchungen und abgeleiteten Kriterien für das Auftreten von Verockerungen lassen darauf schließen, dass gemäß der durchgeführten Datenerhebungen Verockerung im Bereich der tidebeeinflussten Wasserstraßen auftreten kann. Diese These wird durch die aufgetretenen und umfangreich aufgearbeiteten Schadensfälle an der Ems (Gebken und Glasker 2013; BAW 1993) und Weser (Abromeit 2000) bestätigt. Die Milieubedingungen und Uferbereiche werden an den Nordsee-Ästuaren in-situ zukünftig weiter untersucht, um die hier beschriebenen theoretischen Annahmen zu verifizieren und aus vergleichenden Laboruntersuchungen belastbare Grenzwerte abzuleiten.

Mit zukünftigen experimentellen Laboruntersuchungen soll eine Grundlage für systematische Untersuchungen weiterer Filterkonstruktionen geschaffen werden, um konstruktive und materialtechnologische Optimierungen zu erarbeiten, den Anlagerungsprozess besser nachvollziehen zu können und lebensdauerverlängernde Maßnahmen für die Filterkonstruktionen abzuleiten.