Zusammenfassung
Mit zunehmender Anzahl an Grundwasserwärmepumpenanlagen steigt auch das Potenzial an Nutzungsüberlagerungen. Im Rahmen des wasserrechtlichen Genehmigungsverfahrens ist es daher erforderlich, u. a. die von einer Anlage ausgehenden Temperaturfahnen im Grundwasser zu berechnen. In Baden-Württemberg wurde als Erweiterung des für Anlagen ≤ 45.000 kWh/a gültigen Leitfadens des Umweltministeriums Baden-Württemberg das Thermische Online-Modell (TOM) entwickelt. Hierbei handelt es sich um ein vereinfachtes, browserbasiertes, numerisches Grundwassermodell. Ziel dieser Studie ist, die mit TOM berechneten Ausdehnungen von Temperaturfahnen durch mit analytisch und einem kalibrierten numerischen Modell berechnete Temperaturfahnen zu evaluieren. Der Vergleich mit den analytischen Berechnungsmethoden zeigt, dass diese die Ausbreitung der Temperaturfahnen in Relation zu den numerischen Modellen grundsätzlich überschätzen. Für kleine und mittlere Anlagen (< 10 l/s) wurden mit TOM vergleichbare Ergebnisse wie mit einem kalibrierten numerischen Modell berechnet. Für größere Anlagen (> 10 l/s) ist aufgrund der weiträumigeren Ausbreitung der Temperaturfelder die Simulation mit einem kalibrierten numerischen Planungsmodell zu empfehlen.
Abstract
With increasing numbers of groundwater heat pump systems, the potential for user conflicts is also increasing. As part of the approval process, it is therefore necessary to delineate the temperature plumes in groundwater emanating from those wells. Hence, in the state of Baden-Württemberg, the thermal online model (TOM) was developed as an extension to the existing guidelines for open systems ≤ 45,000 kWh/a. TOM is a simplified, browser-based, numerical groundwater model. The objective of this study is to evaluate the temperature fields calculated using TOM with analytically calculated temperature fields and calculations using a calibrated numerical model. The results show that analytical calculation methods generally overestimate the extent of the temperature plumes in relation to the numerical models. For smaller and medium-sized systems (< 10 l/s), comparable results were calculated with TOM as with a calibrated numerical model. For larger systems (> 10 l/s), simulation with a calibrated numerical model is recommended.
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Einleitung
Die Bedeutung von Grundwasserwärmepumpenanlagen (GWWP) zur klimafreundlichen Beheizung und passiven Kühlung von Gebäuden, technischen Anlagen oder Infrastruktureinrichtungen wird in Zukunft weiter zunehmen (VDE 2015). Dabei wird oberflächennahes Grundwasser (GW) aus einem Entnahmebrunnen entnommen, über einen Wärmetauscher Energie entzogen (für Heizzwecke) bzw. zugeführt (für Kühlzwecke) und anschließend über einen Infiltrationsbrunnen wieder zurück in den Grundwasserleiter gegeben (z. B. Stauffer et al. 2014). Die lokale Veränderung der natürlichen Grundwassertemperaturen stellt grundsätzlich einen Eingriff in die natürliche Grundwasserbeschaffenheit dar (Blum et al. 2021). Weiterhin kann es zu Überlagerungen mit anderen Grundwassernutzungen kommen. Dies begründet die Notwendigkeit entsprechender Regelungen, um den Grundwasserschutz zu gewährleisten und Konflikte mit anderen Grundwassernutzungen zu vermeiden.
Einen umfassenden Überblick über die nationale und internationale Rechtslage zur thermischen Nutzung oberflächennaher Geothermie ist in Haehnlein et al. (2010a, 2013) sowie in Tsagarakis et al. (2020) zu finden. Entwicklungskonzepte für das Management von thermischen Ressourcen in städtischen Gebieten wurde u. a. für die Metropolregionen München (Boettcher et al. 2019), Basel (z. B. Epting et al. 2017, 2019; Mueller et al. 2018; Becker und Epting 2021), London (Fry 2009), Turin (Bucci et al. 2017), Zaragoza (García-Gil et al. 2015) sowie in theoretischen Studien (z. B. Pophillat et al. 2018; Piga et al. 2017) und Karlsruhe (Tissen et al. 2019) untersucht. Hierzu wurden unterschiedliche analytische und numerische Modelle verwendet (z. B. Hecht-Méndez et al. 2010). In der Schweiz und u. a. auch in Deutschland wird beispielsweise das vereinfachte numerische Modell „Groundwater Energy Designer“ (GED) zur Planung und Dimensionierung von Grundwasserwärmepumpenanlagen eingesetzt (Poppei und Schwarz 2011).
Das Land Baden-Württemberg hat unter Federführung des Umweltministeriums einen Leitfaden zur Nutzung von Erdwärme mit Grundwasserwärmepumpen herausgegeben (UM BW 2009a). Der Anwendungsbereich beschränkt sich dabei auf kleinere Anlagen mit einem Energieentzug bis 45.000 kWh pro Jahr. Hauptanwendungsbereich dieser Anlagen ist derzeit das Heizen sowie die Warmwasserbereitstellung privater Wohngebäude. Im Leitfaden werden genehmigungsrechtliche Aspekte von GWWP unter Berücksichtigung des Grundwasserschutzes beschrieben und das Genehmigungsverfahren durch die unteren Verwaltungsbehörden schematisch dargestellt. In einer zugehörigen Arbeitshilfe zum Leitfaden (UM BW 2009b) wird die Problematik zur Ermittlung und Berechnung der resultierenden Temperaturfelder behandelt. Hauptausschlusskriterien für eine Genehmigung von GWWP sind unverträgliche Veränderungen der natürlichen Grundwassertemperaturen und Konflikte mit anderen Nutzungen. Die Berechnung der Temperaturfelder erfolgt in der Arbeitshilfe mit einer vereinfachten analytischen Näherungslösung für den Jahres- und den Winterbetrieb, die auf Anlagen mit einem Energieentzug < 45.000 kWh/a und Entnahmebreiten der Brunnen unter 30 m abzielt. Vorgänge wie Interaktionen zwischen Anlagen und Vorflutern, Veränderung der Fließgeschwindigkeit und -strömungsrichtung, konvektive Wärmezu- oder -abflüsse sowie instationärer Anlagenbetrieb werden mit analytischen Lösungen allerdings nicht abgebildet.
Größere Anlagen, wie beispielsweise industrielle Anlagen (> 45.000 kWh/a), können mit dieser Arbeitshilfe nicht behandelt werden und benötigen komplexere Arbeitsansätze zur Wärmetransportmodellierung. Der Einfluss solcher großen Anlagen auf den Temperaturhaushalt des Grundwassers ist vergleichsweise deutlich ausgeprägter und großräumiger. Die daraus resultierenden erweiterten Anforderungen an die Berechnungsmethoden und Modelle umfassen einerseits die Erweiterung der im Modell berücksichtigten physikalischen Prozesse wie z. B. die Auswirkung des instationären Brunnenbetriebs auf Strömung und Transport sowie den Wärmeaustausch mit den liegenden Schichten und der Atmosphäre sowie Mischungsprozesse durch hydrodynamische Dispersion. Andererseits kann es erforderlich sein, Modellparameter, wie z. B. den Durchlässigkeitswert (kf-Wert), räumlich zu variieren und das Strömungsmodell zu kalibrieren. Eine optimale Berechnung von Temperaturfeldern kann letztendlich nur mit dem Einsatz von dreidimensionalen hydraulisch-thermischen Grundwassermodellen mit einer stationären und/oder instationären Kalibrierung der Strömung und des thermischen Modells erreicht werden.
In der technischen Regel DVGW W 107 (A) (2016) werden verschiedene Kategorien von numerischen Grundwassermodellen hinsichtlich der Güte der Abbildung des natürlichen Grundwassersystems, auch Wiedergabetreue genannt, unterschieden. Die niedrigste Wiedergabetreue hat hierbei die Kategorie „Prinzipmodell“. Bei einem Prinzipmodell müssen Strömungs- und Transportprozesse richtig abgebildet sein, es bedarf aber keiner Kalibrierung. Die nächst-höhere Wiedergabetreue hat die Kategorie „Planungsmodell“. Hier ist eine Kalibrierung bzw. ein Modelltest erforderlich. Die höchste Wiedergabetreue erreicht ein „Bewirtschaftungsmodell“, welches aus einem Planungsmodell entsteht, das durch kontinuierliche Datenerhebung und Modellanpassung fortgeschrieben wird. Der Aufwand für Datenerhebung und Modellerstellung sowie die Ansprüche hinsichtlich der Belastbarkeit der Ergebnisse steigen deutlich zwischen diesen Kategorien. In Tab. 1 findet sich eine von uns vorgeschlagene Übersicht des anzuwendenden Berechnungsmodells zur Auswirkung von GWWP in Abhängigkeit der Anlagengrößen. Die nachfolgend betrachteten Berechnungsmethoden und Modellierungen werden in Anlehnung an diese Kategorien eingeordnet.
Zur Schaffung geeigneter praxisnah und einfach anzuwendender Berechnungsmethoden für Temperaturfelder im Rahmen von Genehmigungsverfahren für große Grundwasserwärmepumpenanlagen mit Jahresentnahmen > 45.000 kWh und Förderraten unter 10 l/s wurde im Auftrag des Umweltministeriums Baden-Württemberg von der Ingenieurgesellschaft Prof. Kobus und Partner GmbH und dem Lehrstuhl für Hydromechanik und Hydrosystemmodellierung der Universität Stuttgart das webbasierte Thermische Online-Modell (TOM) entwickelt (Kobus und Partner 2020). Hierbei handelt es sich um ein stark vereinfachtes numerisches Grundwassermodell, das online über einen Web-Browser erstellt und ausgewertet werden kann. Als Grundlage verwendet TOM den numerischen (Open-Source) Simulator DuMux (Flemisch et al. 2011; Koch et al. 2020), der im konkreten Fall dieser Anwendung dreidimensionalen Strömungs- und Wärmetransport in porösen Medien berechnet. Dadurch entfallen die oben genannten Einschränkungen analytischer Modelle und die dreidimensionalen Strömungs- und Transportprozesse können abgebildet werden. Darüber hinaus kann ein instationärer Anlagenbetrieb berücksichtigt werden. Weiterhin soll TOM die Simulation von mehreren sich gegenseitig beeinflussenden GWWP-Anlagen ermöglichen. Die Wahl der Eingangsparameter erfolgt dabei bewusst vereinfacht, um auch Anwendern ohne einschlägige Modelliererfahrung die Bedienung zu ermöglichen (Kobus und Partner 2020). Die mit TOM erreichte Wiedergabetreue entspricht ungefähr der Wiedergabetreue eines Prinzipmodells nach DVGW W 107. Somit soll TOM einen Mittelweg zwischen vereinfachten analytischen Modellen und daten- und arbeitsintensiven Planungsmodellen für Anlagen mit einer Entzugsleistung von > 45.000 kWh und Förderraten < 10 l/s bieten.
Das Ziel der hier vorgelegten Studie ist, die Ergebnisse des thermischen Online-Modells (TOM) für ein realistisches Fallbeispiel durch Vergleiche mit zwei analytischen Modellen (linear advective heat transport model, LAHM, und planar advective heat transport model, PAHM) sowie einem kalibrierten numerischen Modell (FEFLOW Version 7.4) zu evaluieren. Durch die Berechnung der Strömungs- und Wärmetransportverhältnisse eines Fallbeispiels mit verschiedenen Berechnungsmodellen unterschiedlicher Modellkomplexität, soll aufgezeigt werden, welchen Einfluss die gewählte Methode unter den Anforderungen eines Wasserrechtsantrags auf die berechneten Temperaurfelder hat.
Hierfür wurde ein Untersuchungsgebiet im südlichen Oberrheingraben mit mehreren industriell genutzten Anlagen mit stationären und instationären Anlagenbetrieben zu Kühl- und Heizzwecken und potenziellen Nutzungsüberlagerungen der Anlagen ausgewählt.
Material und Methoden
Untersuchungsgebiet
Das Untersuchungsgebiet befindet sich im südlichen Oberrheingraben bei Freiburg. Den geologischen Rahmen bildet die Freiburger Bucht. Diese liegt zwischen dem Kaiserstuhl im Westen und dem Schwarzwald im Osten. Die Freiburger Bucht ist vorwiegend aus quartären Sanden und Kiesen mit Mächtigkeiten von bis zu 240 m aufgebaut, die sich von den Austrittstälern des Schwarzwalds halbkreisförmig in die Vorbergzone des südlichen Oberrheingrabens vorbauen (LUBW 2006). Die folgende Lockergesteinsabfolge, vom Hangenden zum Liegenden, wird für die stratigraphische Gliederung in LGRB (2007) verwendet:
Die rötlichgrauen, sehr hoch bis hoch durchlässigen Kiese der Neuenburg-Formation (qN) mit wechselnden Sandgehalten bilden den ungespannten Oberen Porengrundwasserleiter (OGWL). Die Neuenburg-Formation besitzt stellenweise Einschaltungen von Hochflutsedimenten mit geringerer hydraulischer Durchlässigkeit. Im Gebiet des Fallbeispiels hat die Neuenburg-Formation Mächtigkeiten zwischen 13 und 18 m und hydraulische Durchlässigkeiten zwischen 0,1 und 2 ∙ 10−3 m/s. Darunter folgt die Breisgau-Formation (qBS). Hierbei handelt es sich um meist stark bis sehr stark verwitterte, unterschiedlich dicht gelagerte, sandig-schluffige Kiese, herabtransportiert aus den östlich gelegen Höhen des Schwarzwalds, die den Unteren Grundwasserleiter (UGWL) in der Freiburger Bucht bilden. Stellenweise sind geringmächtige Schlufflinsen eingelagert. Die hydraulische Durchlässigkeit der Breisgau-Formation variiert zwischen 0,07 und 11,2 ∙ 10−3 m/s. Im Bereich des Untersuchungsgebiets liegt der Mittelwert bei 2,5 ∙ 10−4 m/s. Die Mächtigkeit beträgt im Gebiet des Fallbeispiels ca. 100 m. Der feinklastische Riegel-Horizont (qRH) ist eine hydraulisch wirksame Lage innerhalb des oberen Abschnitts der Breisgau-Formation innerhalb der Freiburger Bucht. Er besteht aus schwach feinsandigen schluffigen Tonen und tonigen Schluffen. Der Horizont hat im Untersuchungsgebiet eine durchschnittliche Mächtigkeit von 2 bis 3 m. Die Feinsedimente des Horizonts besitzen eine hydraulische Durchlässigkeit im Bereich von 10−7 m/s. Der Festgesteinsuntergrund (t) besteht im Untersuchungsgebiet aus gering durchlässigen tertiären Tonmergel- und Mergelsteinen (LGRB 2007). In Abb. 1 und in Tab. 2. finden sich die für diese Studie verwendeten schichtspezifischen hydrogeologischen Parameter.
Modellaufbau und Modellparametrisierung
Das Hydrogeologische Konzeptmodell (HKM) basiert auf den großräumigen Daten zum hydrogeologischen Bau des Oberrheingrabens (LGRB 2007). Anzahl und Mächtigkeiten der in den Modellen (FEFLOW, TOM, LAHM/PAHM) implementierten Schichten sowie die schichtspezifischen Parameter sind in Tab. 2 aufgeführt.
Für die analytischen Lösungen zur Temperaturfeldberechnung wurden die Parameter der Neuenburg- und Breisgau-Formation gemäß ihrer Mächtigkeit gewichtet gemittelt und in ein 1‑Schichtmodell übertragen. Da es sich bei den im nächsten Abschnitt erläuterten Anlagen um unvollkommene Brunnen handelt, wurde gemäß UM BW (2009a) die dreidimensionale Trennstromfläche der Rückgabebrunnen ermittelt und als Ersatztiefe abgeschätzt. Die Abbildung der Anlagen erfolgt bei den analytischen Modellen stationär über den Jahresmittelwert. Die Kühlung der Anlage D wurde gemäß des Leitfadens in beiden analytischen Methoden dabei vernachlässigt.
Die numerischen Wärmeberechnungen von TOM und FEFLOW beruhen beide auf ungesättigten Strömungsmodellen. Da TOM derzeit auf die Berücksichtigung von zwei Modellschichten limitiert ist, wurde der geringmächtige Riegel-Horizont in der Berechnung nicht berücksichtigt. Ein konduktiver Wärmeaustausch mit der Atmosphäre über die ungesättigte Zone ist in TOM als Festpotenzialrand mit konstanter Druckhöhe (RB 1. Art, Dirichlet) implementiert (Mittlere Tagesmitteltemperatur von 12,7 °C). Die Abgrenzung des Modellgebietes in FEFLOW erfolgte unter Verwendung des Mittelwasserstand-Grundwassergleichenplans 1986 des Regionalverbands südlicher Oberrhein (RVSO 1986). Die nordwestliche und die südöstliche Modellgrenze wurden als Festpotenzialrand auf Basis der GW-Isolinien 206 mNN (Südost) und 190 mNN (Nordwest) implementiert. Sie sind senkrecht zu den Grundwassergleichen konstruiert, sodass kein Grenzaustausch stattfindet (RB 2. Art, Neumann, mit Q = 0). Die Geometrie des FEFLOW-Modells ist keilförmig. Die Gesamtmächtigkeit nimmt von 75 m, am südöstlichen Rand, gegen Nordwesten auf 20 m ab. Die Abschätzung des Wärmeaustausches mit der Atmosphäre erfolgte zum einen über eine Dirichlet-Randbedingung mit einer mittleren Tagestemperatur von 12,7 °C entlang der ersten Modellslice als auch, zu Vergleichszwecken, über eine Cauchy-Randbedingung mit einer Transferrate Φ nach Gl. 10, als Quotient aus der mittleren Wärmeleitfähigkeit der ungesättigten Zone λNF von 2,40 [W/K · m] und räumlich berechnetem Flurabstand d bei MW 1986 abgeschätzt. Die Verwendung von mittleren Luft- und GW-Jahresdurchschnittstemperaturen bei FEFLOW soll der besseren Vergleichbarkeit mit den mit TOM erzielten Ergebnissen dienen. Je nach saisonaler Nutzung und Temperatur-Variabilität kann dies allerdings einen großen Einfluss auf die Temperaturfahnen haben.
Die Abbildung der Anlagen erfolgt für die numerischen Modelle TOM und FEFLOW instationär mit monatlichen Zeitschritten und Monatsmittelwerten für einen Berechnungszeitraum von 5 Jahren. Die Brunnen sind gemäß ihrer Dimensionierung und Filterstrecke und -tiefe in die Modelle auf Basis ihrer mittleren monatlichen Entnahmeraten eingebaut.
Grundwasserwärmepumpenanlagen
Als Fallbeispiel dienen vier industriell genutzte Anlagen in Umkirch bei Freiburg im Breisgau. Die Anlagen A und B werden zu reinen Kühlzwecken (industrielle Kühlwasseranlagen) betrieben (Abb. 2). Die Anlagen B und C sind mit stationären Raten ganzjährig in Betrieb, wobei Anlage C ausschließlich zu Heizzwecken eingesetzt wird. Anlage D wird kombiniert zur Kühlung im Sommer und Heizung im Winter eingesetzt.
Alle Brunnen erschließen den Oberen Grundwasserleiter der Neuenburg-Formation. Nur bei der Anlage B reichen die Brunnen und deren Filterstrecken drei Meter in die Breisgau-Formation hinein. Alle Anlagen übersteigen mit ihren jährlichen mittleren Energieentzügen deutlich den Nutzungsumfang von 45.000 kWh pro Jahr und liegen damit außerhalb des Geltungsbereichs des Leitfadens für Baden-Württemberg (UM BW 2009a). Die in Monatsschritten zusammengefassten Entnahmen (Tagesmittelwerte) sind in der Abb. 2 dokumentiert. Die Art der Temperaturnutzung des Grundwassers ist in der Abb. 2 jeweils auf der rechten Ordinate abgebildet (positive Werte: Kühlung, negative Werte: Heizung). Die Entnahmeraten entsprechen den Rückgaberaten. Die angegebenen Temperaturdifferenzen gelten für die Rückgabe in den Grundwasserleiter. Die in der Abb. 2 gemachten Angaben gelten summarisch für die jeweilige Gesamtanlage. Den größten Energieumsatz hat, mit 2123 GW pro Jahr, Anlage B.
Grundlagen der Wärmeausbreitung
Der Wärmetransport im Grundwasser erfolgt im Wesentlichen durch Wärmeleitung (Wärmediffusion/Konduktion), Advektion/Konvektion und Dispersion (Sauty 1980). Grundlagen des Stoff- und Wärmetransports finden sich z. B. in Bear (1972), De Marsily (1980), Häfner et al. (1992) und Stauffer et al. (2014). Bei der Berechnung wird grundsätzlich zwischen dem konduktiven und dem konvektiven Wärmetransport sowie zwischen stationären und instationären Bedingungen unterschieden (Hähnlein et al. 2010b).
Analytische Modelle
Analytische Modelle beruhen auf analytischen Lösungen des Anfangs- und Randwertproblems, welches sich aus den berücksichtigten physikalischen Prozessen und den daraus resultierenden Differenzialgleichungen ergibt (Kinzelbach 1987). Sie bieten dann die Möglichkeit, mit wenigen Eingabeparametern und geringem Berechnungsaufwand die hydraulischen und thermischen Prozesse im idealisierten und isotropen Grundwasserleiter abzuschätzen. Vorgänge wie Interaktionen zwischen Anlagen und Vorflutern, Veränderung der Fließgeschwindigkeit und -strömungsrichtung und konvektive Wärmezu- oder -abflüsse sowie instationärer Anlagenbetrieb können dabei jedoch nicht berücksichtigt werden. Im vorliegenden Fall wurden die analytischen Berechnungen mit den Verfahren LAHM und PAHM durchgeführt (s. unten). Die Berechnungen erfolgen bei LAHM und PAHM entsprechend des im Leitfaden (UM BW 2009b) genannten Lastfalls „Jahresmittelwert“. Dieser soll die langfristige Beeinflussung, bei Dauerbetrieb einer Anlage unter Annahme einer konstanten Entnahmerate und Spreizung, beschreiben.
Linear advective heat transport model (LAHM)
Das als LAHM bezeichnete analytische Berechnungsverfahren wurde von Kinzelbach (1987) entwickelt und wird in der Arbeitshilfe zum „Leitfaden zur Nutzung von Erdwärme mit Grundwasserwärmepumpen für Ein- und Zweifamilienhäuser oder Anlagen mit Energieentzug bis zirka 45.000 kWh pro Jahr“ verwendet (UM BW 2009b). Gemäß dem Leitfaden ist die Anwendung des LAHM auf Fließgeschwindigkeiten von über 1 m/Tag (für den stationären Fall) und für Anlagen mit Energieentzug unter 45.000 kWh pro Jahr begrenzt. Beschrieben wird das Temperaturfeld einer kontinuierlichen Punktquelle infolge einer konvektiven und dispersiven Ausbreitung in einem homogenen, gespannten Porengrundwasserleiter bei instationären Bedingungen:
mit:
- ∆T::
-
Gesuchte Isotherme als Differenz zur unbeeinflussten Grundwassertemperatur [K]
- Q::
-
Injektionsrate [m3/s]
- Tinj::
-
Differenz zwischen der Injektionstemperatur und der unbeeinflussten Grundwassertemperatur [K]
- ne::
-
effektive Porosität [–]
- M::
-
genutzte, grundwassererfüllte Mächtigkeit [m]
- va::
-
Abstandsgeschwindigkeit [m/s]
- αL,T::
-
Längs- und Querdispersivität [m]
- x, y::
-
Längs- und Querkoordinaten [m]
- t::
-
Zeit [s]
- R::
-
Retardation [–]
- r::
-
radialer Abstand vom Injektionsbrunnen [m]
Planar advective heat transport model (PAHM)
PAHM wurde von Domenico und Robbins (1985) als ein zweidimensionales Transportmodell für instationäre Bedingungen mit einer homogenen, parallel gerichteten Grundwasserströmung entwickelt und von Hähnlein et al. (2010b) für die Berechnung zur Ausdehnung der Temperaturfahne umformuliert. Die Anwendung ist begrenzt auf Grundwasserfließgeschwindigkeiten zwischen 1 und 10 m pro Tag. Eine umfassende Erläuterung findet sich in Pophillat et al. (2018). Im Gegensatz zu LAHM wird der Wärmeeintrag nicht als Punktquelle, sondern als vertikale Fläche senkrecht zur Grundwasserströmung in einem homogenen, gespannten Grundwasserleiter abgebildet. Dadurch sollen große lokale hydraulische Gradienten im Bereich des Infiltrationsbrunnens besser repräsentiert werden (Pophillat et al. 2018).
mit:
- ∆T::
-
Gesuchte Isotherme als Differenz zur unbeeinflussten Grundwassertemperatur [K]
- ∆T0::
-
Temperaturdifferenz am Injektionspunkt [K]
- ∆Tinj::
-
Differenz Injektionstemperatur und unbeeinflusste Grundwassertemperatur [K]
- F0::
-
Energieeinspeisung über die Länge des Brunnens [W/m]
- qh::
-
injizierte Wärmeenergie [W]
- cw::
-
Volumenbezogene spezifische Wärmekapazität von Wasser [J/K · m3]
- Q::
-
Injektionsrate [m3/s]
- M::
-
Aquifermächtigkeit [m]
- va::
-
Abstandsgeschwindigkeit [m/s]
- ne::
-
effektive Porosität [–]
- Y::
-
Länge der Quelle [m]
- x, y::
-
Längs- und Querkoordinaten [m]
- t::
-
Zeit [s]
- R::
-
Retardation [–]
- DL,T::
-
longitudinaler und transversaler hydrodynamischer Dispersionskoeffizient [m2/s]
- αL,T::
-
Längs- und Querdispersivität [m]
- λm::
-
Wärmeleitfähigkeit des porösen Mediums [W/m · K]
Numerische Modelle
Software FEFLOW
FEFLOW ist ein weit verbreitetes, vielseitiges Finite-Elemente-Simulationssystem zur zwei- und dreidimensionalen Berechnung von Strömungs‑, Wärme- und Stofftransportprozessen im Grundwasser. Die entsprechenden Gleichungen für die Wärmetransportmodellierung sind in Diersch (2014) beschrieben. FEFLOW wurde bereits in einer Vielzahl von verwandten Studien zur Simulation der thermischen Grundwassernutzung durch GWWP und durch Erdwärmesonden angewendet (z. B. Wagner et al. 2012; Lo Russo et al. 2014; Rivera et al. 2016; Steiner et al. 2016; Attard et al. 2016; Epting et al. 2017; Pophillat et al. 2018, 2020, Becker und Epting 2021). FEFLOW ermöglicht die Berechnung von gespannten und ungespannten Verhältnissen in gesättigten, variabel gesättigten und ungesättigten porösen Medien. Die Berechnung in dieser Studie erfolgte über die Richards-Gleichung für ungesättigte Strömungen. Die verwendeten Modellgeometrien und die Parametrisierung finden sich in Tab. 3. Die Berechnung der effektiven Wärmeleitfähigkeit erfolgt in FEFLOW als arithmetisches Mittel der beteiligten Medien nach der Gl. 9 (Diersch 2014):
mit:
- λeff::
-
effektive Wärmeleitfähigkeit des Aquifers [W/K · m]
- λs::
-
Wärmeleitfähigkeit poröses Medium [W/K · m]
- λw::
-
Wärmeleitfähigkeit Wasser [W/K · m]
- ne::
-
effektive Porosität [–]
FEFLOW erlaubt die Abschätzung des Energieverlustes bzw. -gewinns mit der Atmosphäre entweder als Dirichlet-Randbedingungen als Festpotenzial oder Cauchy-Randbedingung mittels einer Transferrate (3. Art, Cauchy-Randbedingung).
Die Transferrate ist der Wärmedurchgangskoeffizient Φ, der die Eigenschaften der ungesättigten Zone zwischen der Lufttemperatur TLuft und der Grundwassertemperatur TGW beschreibt. Der Wärmedurchgangskoeffizient Φ für ein Material ist definiert als Quotient der Wärmeleitfähigkeit der ungesättigten Zone λ und ihrer Mächtigkeit d.
Thermisches Online-Modell (TOM)
TOM ist eine numerische Simulationsplattform, welche als Webanwendung zur Simulation von Wärmetransportvorgängen von GWWP-Anlagen (offene Systeme) in Grundwasserleitern genutzt werden kann. Sie wurde von Kobus und Partner (2020) im Auftrag des Umweltministeriums Baden-Württemberg entwickelt und ist eine Erweiterung der im Leitfaden des Landes Baden-Württemberg (UM BW 2009a) vorgegebenen Methode zur Berechnung von Temperaturfeldern für Anlagen über 45.000 kWh pro Jahr. Durch TOM sollen die Einschränkungen der analytischen Lösungen weitgehend entfallen. Des Weiteren kann die vertikale Wärmeausbreitung berücksichtigt werden, und es ist möglich, mehrere sich gegenseitig beeinflussende, instationär betriebene Anlagen zu berücksichtigen. TOM verwendet als numerisches Simulationsmodell DuMux, einen Open-Source Simulator für Strömungs- und Stofftransportprozesse in porösen Medien (Flemisch et al. 2011, Koch et al. 2020). Realisierbar ist sowohl die Modellierung von gespannten Verhältnissen (Ein-Phasen-Modell mit Wasser als einziger Fluid-Phase und konstanter Transmissivität bei stationärem Strömungsfeld, konstante Transmissivität unabhängig vom GW-Stand, Berechnung von stationärem Strömungsfeld für jeden Monat) als auch von ungespannten Verhältnissen (ungesättigtes Zwei-Phasen-Modell, Berechnung mit Richards-Gleichung, Transmissivität abhängig vom Grundwasserstand bei instationärem Strömungsfeld für jeden Monat). Der Wärmetransport berücksichtigt die Prozesse Advektion, hydrodynamische Dispersion, Konduktion und Wärmespeicherung in Gestein und Wasser. Der konduktive Wärmeaustausch mit der Atmosphäre und der unterlagernden Schicht wird ebenfalls berücksichtigt. Monatlich variierende Brunnenraten sind implementierbar. Basierend auf den Eingangsparametern wird automatisch ein Verfeinerungsbereich des Modellnetzes erzeugt, welches vorab automatisch mittels des PAHM-Modells bestimmt wird. Der konduktive Wärmeaustausch mit der Atmosphäre ist über einen Festpotenzialrand (Dirichlet-Randbedingung) implementiert. Eine Ausgabe der Ergebnisse erfolgt als standardisierter Ergebnisbericht mit den verwendeten Inputparametern und einem Ergebnisteil inklusive Geodatenformat Shapefile.
Die Berechnung in dieser Studie erfolgte über die Richard-Gleichung für ungesättigte Strömungen. Die effektive Wärmeleitfähigkeit des Aquifers wird in TOM als geometrisches Mittel nach Gl. 10 (Kobus und Partner 2020) berechnet. Dies liefert bei gleichen Eingangsparametern geringere effektive Wärmeleitfähigkeiten als das in FEFLOW verwendete Modell. In Menberg et al. (2013) wird mit dem geometrischen Mittel eine bessere Übereinstimmung zwischen berechneten und im Labor gemessenen Wärmeleitfähigkeiten erzielt.
mit:
- λeff::
-
effektive Wärmeleitfähigkeit [W/K · m]
- λs::
-
Wärmeleitfähigkeit Gestein [W/K · m]
- λw::
-
Wärmeleitfähigkeit Wasser [W/K · m]
- ne::
-
effektive Porosität [–]
Stationäre Modellkalibrierung
Als Basis für die beiden numerischen Modelle wurde der Mittelwasserstand-Grundwassergleichenplan 1986 des Regionalverbands südlicher Oberrhein (RVSO 1986) verwendet (Abb. 3). Innerhalb des Modellgebiets befindet sich nur eine Grundwassermessstelle. Daher wurden im Bereich des FEFLOW-Modellraums randomisiert 300 Punkte als digitale Behelfsmessstellen mit extrahierten Werten des interpolierten Grundwassergleichenplans bei der Kalibrierung verwendet. Bei FEFLOW wurde eine Detailkalibrierung über die Anpassung der Durchlässigkeitsbeiwerte innerhalb des von LGRB (2007) genannten Bereichs durchgeführt. Bei TOM wird das Fließfeld vom Bearbeiter definiert, indem ein Grundwasserstand für einen Bezugspunkt, der hydraulische Gradient und die Strömungsrichtung, der Aquiferaufbau (max. 2 Schichten) und die hydraulischen Durchlässigkeiten (konstant für die jeweilige Schicht) eingegeben werden. Das Strömungsfeld wird in TOM mit mittleren monatlichen Brunnenraten zunächst für den stationären Fall berechnet. Der mittlere relative Fehler zwischen den gemessenen und den berechneten Grundwassergleichen (nMAE) beträgt bei TOM 2,3 % und bei FEFLOW 1,3 %. Daher kann bei beiden Modellen von einer guten stationären Modellanpassung gesprochen werden (DVGW W 107).
Ergebnisse und Diskussion
Abb. 4 zeigt die berechneten Temperaturfelder der zwei analytischen Modelle (LAHM und PAHM), des numerischen Prinzipmodells (TOM) und des numerischen Planungsmodells (FEFLOW) für die Anlagen A–D im Untersuchungsgebiet. In den analytischen Lösungen werden die einzelnen Anlagen isoliert betrachtet, eine mögliche Wechselwirkung mit anderen Anlagen wird dabei vernachlässigt bzw. kann nicht abgebildet werden. Die Beurteilung der Anlagen erfolgt gemäß den Mindestanforderungen des Leitfadens zur Nutzung von GWWP in Baden-Württemberg (UM BW 2009a). Die Temperaturfeldberechnung mit analytischen Methoden erfolgt für den Lastfall mithilfe eines Jahresmittelwertes. Für die Anlagen B und C ergeben sich aufgrund der konstanten Rate keine Unterschiede. Bei der Betrachtung des Winterbetriebs der Anlagen A und D ergeben sich mit Sicherheit größere Fahnen. Die Berechnung der numerischen Lösungen erfolgt bei gleichzeitigem Betrieb aller Anlagen im Modell. Die mit TOM und FEFLOW berechneten Temperaturfelder zeigen die maximale Abkühlung und maximale Erwärmung über alle Modelltiefen während des Simulationszeitraums von 5 Jahren. Aufgrund der Überlagerung bei den numerischen Ansätzen werden die Fahnen der Anlagen C und D zusammengefasst. Die nach den analytischen Ansätzen berechneten Temperaturfelder wurden in das Strömungsfeld hineinprojiziert.
-
Anlage A (Kühlung, Betrieb Mai–Oktober, ∆T: 4 K, 96.256 kWh/a): Bei keinem der vier Modellergebnisse liegt eine unmittelbare Beeinflussung (∆T > 1 K) von im Abstrom gelegenen Anlagen B–D durch die Wärmefahne der Anlage A vor. Die stationäre Anlagenbetrachtung bei den analytischen Methoden führt zu deutlich längeren Fahnen im Vergleich zu den numerischen Methoden. Bereits geringe Variationen der Fließrichtung würden bei beiden analytischen Lösungen zu Überlagerungen mit den Anlagen B–D führen. TOM und FEFLOW liefern hier sehr ähnliche Ergebnisse. TOM erzeugt im Vergleich zu FEFLOW schmalere und etwas längere Temperaturfahnen.
-
Anlage B (Kühlung, ganzjährig, ∆T: 7 K, 2.123.772 kWh/a): Diese Anlage ist für über 90 % des Wärmeenergieeintrags der vier Anlagen verantwortlich. PAHM und LAHM erzeugen jeweils 1 K-Temperaturfahnen von über 500 m Längsausdehnung. Die laterale Ausbreitung der Temperaturfahnen ist bei der linearen analytischen Lösung (LAHM) deutlich geringer. Die durch TOM bestimmte Temperaturfahne hingegen ist mit einer Länge von 366 m zwar deutlich kürzer als bei den analytischen Modellen, aber rund 65 % länger und 35 % schmaler als die mit FEFLOW ermittelte Temperaturfahne. Die mit FEFLOW berechneten Temperaturfelder zeigen eine deutliche Tendenz hinsichtlich einer thermisch/hydraulischen Kurzschlussströmung in Richtung des Entnahmebrunnens der Anlage B. Alle vier Modelle zeigen eine Beeinflussung des Entnahmebrunnens der Anlage D von bis zu über 3 K, ausgehend von Anlage B. Bei FEFLOW und PAHM liegt der Entnahmebrunnen der Anlage C ebenfalls innerhalb des > 3 K Temperaturfeldes der Anlage B.
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Anlage C (Heizung ganzjährig, ∆T: −4 K, 111.767 kWh/a) und Anlage D (kombiniert, Heizung: September–April, Kühlung April–September, ∆T: ± 4 K, 327.892 kWh/a): Auch hier entwickeln sich bei den analytischen Lösungen deutlich längere Fahnen, besonders gegenüber der durch FEFLOW simulierten Fahne. TOM erzeugt gegenüber FEFLOW eine rund 35 % längere und 25 % schmalere Fahne.
Vergleich von FEFLOW und TOM
Wichtigste Faktoren für die Art der Ausbreitung von Temperaturfahnen im Grundwasser sind die Parameter Abstandsgeschwindigkeit, Transmissivität, Dispersion, effektive Wärmekapazität und Wärmeaustausch mit der Atmosphäre. In Grundwassermodellen werden diese Einflussgrößen, je nach Datenlage und Modellstruktur, unterschiedlich stark abstrahiert. Da unter diesen eine Wechselwirkung besteht, ist eine Quantifizierung der Einflüsse der einzelnen Parameter jedoch nur bedingt möglich. Nichtsdestotrotz, wurden in vorherigen Arbeiten Sensitivitätsanalysen zum thermischen Einfluss von Grundwasserwärmepumpen mithilfe von vereinfachten numerischen und analytischen Modellen durchgeführt. Piga et al. (2017) sowie Pophillat et al. 2020 untersuchten den Einfluss von thermischen und hydraulischen Parametern (hydraulische Leitfähigkeit, hydraulischer Gradient, Filtergeschwindigkeit, Porosität, thermische Dispersivität etc.) sowie der Anlagenabbildung (stationär als Jahresmittel vs. instationär) auf die langfristige Entwicklung von Temperaturfahnen. Die Ergebnisse zeigen einen dominierenden Einfluss der Filtergeschwindigkeit (als Produkt der hydraulischen Durchlässigkeit und des hydraulischen Gradienten) sowie der Dispersionskoeffizienten.
Durch die vereinfachte Modellstruktur von TOM beträgt die Transmissivität für alle Brunnenstandorte 3 ∙ 10−2 m2/s (Abb. 5a). Bei FEFLOW variiert diese im Bereich zwischen 1,5–2,3 ∙ 10−2 m2/s. Die etwas geringeren Werte bei FEFLOW resultieren aus der variablen Schichtmächtigkeit der Neuenburg-Formation und dem hydraulisch wirksamen, geringmächtigen Riegel-Horizont im oberen Abschnitt der Breisgau-Formation. Eine geringere Transmissivität, bedingt durch eine geringere Aquifermächtigkeit, führt zu einer seichteren Ausbreitung und breiteren Temperaturfahnen. Gleichzeitig steigt das Potenzial für hydraulische und thermische Kurzschlüsse. Dies zeigt sich für Anlage B. Eine oberflächennahe Ausbreitung der Temperaturfahne führt aufgrund der größeren Kontaktfläche zu einer vergleichsweise höheren Wechselwirkung mit der Atmosphäre. In Abb. 5b ist der bilanzierte Atmosphärenaustausch für TOM (als Dirichlet-Randbedingung) und FEFLOW (sowohl berechnet als Dirichlet- als auch mit Cauchy-Randbedingungen) für die Gesamtheit aller Anlagen dargestellt. Bei den FEFLOW-Modellen wird insgesamt mehr Wärmeenergie aus dem System ausgetragen (vergleichsweise stärker negative Werte, d. h. es wird industriell erzeugte Abwärme über Konduktion vom Grundwasser an die Atmosphäre abgegeben). Der Energiestrom in die Atmosphäre steigt bei allen Modellen mit Größenzunahme der Warmwasserfahnen. Dies zeigt sich deutlich am Hauptproduzenten der Wärme, Anlage B, dessen Temperaturfahne bei FEFLOW früher einen stationären Zustand erreicht und daher im Vergleich zu der mit TOM ermittelten Fahne deutlich kürzer ausgeprägt ist.
Auch unterschiedliche modellinterne Berechnungsarten, wie die Berechnungen der effektiven Wärmeleitfähigkeit (Abb. 5c, d), können zu Unterschieden in den Simulationsergebnissen führen. Hier werden in TOM, bei gleichen Eingangsparametern, systematisch geringere effektive Wärmeleitfähigkeiten als bei FEFLOW simuliert. Eine hohe Wärmeleitfähigkeit begünstigt den konduktiven Wärmestrom in der ungesättigten Zone, die zum Austausch mit der Atmosphäre führt. Die Modelltopographie von FEFLOW nutzt in dieser Studie das digitale Geländemodell DGM10 (BKG 2020). Bei TOM wird die GOK eines Bezugspunkts für die gesamte Modellfläche verwendet. Dadurch ergeben sich weiterhin lokale Unterschiede des Flurabstandes bzw. des ungesättigten Bereichs und damit des konduktiven Austauschs.
Quantifizierung der Einflüsse von Modellvereinfachungen
Abb. 5e zeigt die in TOM und FEFLOW simulierten maximalen Ausbreitungen der 1 K-Isothermen der Anlagen A und B. Um die Auswirkungen einzelner Modellvereinfachungen aufzuzeigen, wurde die Komplexität des FEFLOW Modells schrittweise reduziert (Entfernung des Zwischenhorizonts, homogene kf-Wert-Verteilung und Flurabstand). Mit Entfernung der hydraulischen Trennschicht (Riegel-Horizont) nimmt, aufgrund der Transmissivitätszunahme, die Rückstromrate in Richtung der Entnahmebrunnen der beiden Anlagen A und B ab. Die Fahnenlänge der Anlage B wächst um 7 %, die Fahnenbreite nimmt um 10 % ab. Den stärksten Einfluss zeigt die Veränderung des Flurabstands. Der Wärmestrom durch die ungesättigte Zone in die Atmosphäre wird durch die Erhöhung des Flurabstands reduziert, die Fahne bei Anlage B deutlich länger (17 %). Wie stark der Einfluss des Wärmeaustausches zwischen Boden und Atmosphäre tatsächlich ist, zeigen die orangen 1 K-Fahnen (keine Atmosphärenrandbedingung).
In Abb. 6 ist die zeitliche Temperaturentwicklung im Grundwasserabstrom der Anlagen für die numerischen Modelle TOM und FEFLOW gegenübergestellt. Die Abbildungen geben die zeitliche und räumliche Temperaturfahnenentwicklung im Abstrom der Schluckbrunnen in den Entfernungen 25 m, 50 m, 100 m, 250 m, 500 m und 1000 m in der Tiefe der Filtermitte der Schluckbrunnen wieder. Die Lagen der Punkte sind zusätzlich in Abb. 4 als schwarze Kreuze dargestellt. Die resultierenden Temperaturberechnungen der Simulationen mit FEFLOW und TOM zeigen ähnliche saisonale Temperaturverläufe, Amplituden und Trends. Temperaturunterschiede zwischen FEFLOW und TOM an den gleichen Punkten liegen meist unter 0,5 K. Der leichte zeitliche Versatz der Zeitreihen von FEFLOW und TOM ist auf den oben genannten unterschiedlichen Modellaufbau, die unterschiedliche Parametrisierung und die zeitliche Diskretisierung sowie auf lokale Interaktion mit Anlagen im Abstrom zurückzuführen. Die Temperaturzunahme in 1000 m Entfernung zur Anlage A ist auf den Einfluss der Anlage B zurückzuführen.
Fazit
Diese Studie zeigt, welchen Einfluss die Wahl des Berechnungsmodells und der Modell-komplexität auf die Simulationsergebnisse von Temperaturfeldberechnungen für Grundwasserwärmepumpenanlagen unter den Mindestanforderungen des Leitfadens zur Nutzung von GWWP in Baden-Württemberg haben. Es wurde der Anlagenbetrieb von vier industriellen Großanlagen jeweils mit zwei analytischen Modellen (LAHM, PAHM), einem Prinzipmodell (TOM) und einem Planungsmodell (FEFLOW) simuliert, und anschließend wurden die Ergebnisse verglichen.
Beide analytischen Modelle erzeugen deutlich längere und lateral unterschiedlich ausgedehnte Temperaturfahnen im Vergleich zu den numerischen Berechnungen. Gründe für diese Überschätzung bei den analytischen Lösungen sind der stationäre Anlagenbetrieb, die Vernachlässigung des vertikalen Wärmeaustauschs mit der Atmosphäre und dem Liegenden (Pophillat et al. 2018) sowie die Nichtberücksichtigung einer möglichen Interferenz mit anderen Anlagen.
Die Unterschiede der Temperaturfahnen von Prinzipmodell (TOM) und Planungsmodell (FEFLOW) sind hauptsächlich auf die bei TOM getroffenen Vereinfachungen, wie homogene Parametrisierung, reduzierter Schichtaufbau und deren Wechselwirkungen zurückzuführen. Vor allem der in den beiden Modellen implementierte unterschiedliche Wärmeaustausch mit der Atmosphäre hat einen großen Einfluss auf die laterale Ausbreitung der Temperaturfahne und führt zu kürzeren Fahnen bei FEFLOW. Mit zunehmender Kontaktfläche mit der ungesättigten Zone bei großen Fahnen tritt dieser Effekt zunehmend in den Vordergrund, weswegen ab einer Förderrate von ca. ≥ 10 l/s (im Jahresdurchschnitt) einem detaillierten Bewirtschaftungsmodell grundsätzlich der Vorzug zu geben ist.
Der direkte Vergleich zwischen TOM und FEFLOW ist nur bedingt möglich, da einerseits die unterschiedlichen Berechnungen der Wärmeleitfähigkeiten und andererseits die in FEFLOW zweifellos genauere Abbildung der Flurabstände Unterschiede in den Ergebnissen verursachen. Zwar zeigt ein Vergleich der Ergebnisse, zu welchen Abweichungen diese Unterschiede im Simulationsprozess führen, aber da letztlich die ‚realen Verhältnisse‘ als Referenz nicht bekannt sind, bleibt eine Bewertung schwierig.
Der Vergleich der Simulationsergebnisse für eine Fallstudie im Porengrundwasserleiter eines Gewerbegebiets in der Freiburger Bucht hat gezeigt, dass das Thermische Online-Modell TOM als Prinzipmodell den verwendeten analytischen Modellen deutlich überlegen ist und für Anlagen < 10 l/s vergleichbare Ergebnisse zu dem wesentlich komplexeren und rechenintensiveren FEFLOW-Modell liefert. Für die meisten Anwendungsfälle der oberflächennahen Geothermie (kleinere bis mittlere GWWP-Anlagen, homogene kf-Wert-Verteilung) bietet TOM gegenüber den vereinfachten analytischen Modellen daher einen Mehrwert an Vorhersagegenauigkeit.
Dies macht TOM zu einem praktischen und anwenderfreundlichen Werkzeug, das den wasserrechtlichen Genehmigungsprozess von kleineren bis mittleren Anlagen vereinfachen, standardisieren und transparenter machen kann. Allerdings ersetzt TOM kein detailliertes Wärmetransportmodell mit komplexen Randbedingungen wie beispielsweise jahreszeitliche Veränderungen, Vorfluter in nächster Umgebung der betrachteten Anlage oder thermische Austauschprozesse in urbanen Räumen. Ein komplexer Schichtaufbau, eine heterogene kf-Wert-Verteilung und Wechselwirkung mit Oberflächengewässern können damit nicht abgebildet werden. Durch den Aufbau eines hydrogeologischen Konzeptmodells muss beurteilt werden, ob die bei TOM getroffenen Vereinfachungen für die vorliegenden Begebenheiten zulässig und akzeptabel sind oder gegebenenfalls durch ein kalibriertes Detailmodell ergänzt werden müssen. Weiterhin sollten Variationsrechnungen durchgeführt werden, um die lokale Variabilität der Parameter abzuschätzen.
Sehr große Anlagen mit Förderraten von > 10 l/s erfordern aufgrund der möglichen Auswirkungen einen wesentlich größeren Untersuchungs- und Modellierungsaufwand und daher den Aufbau eines Planungs- oder Bewirtschaftungsmodells gemäß DVGW W107 (A).
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11 April 2022
Zu diesem Beitrag wurde ein Erratum veröffentlicht: https://doi.org/10.1007/s00767-022-00513-6
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Danksagung
Für die Unterstützung bei der Modellentwicklung des Thermischen Online-Modells (TOM) bedanken wir uns bei Bernhard Keim von der Ingenieurgesellschaft Prof. Kobus und Partner GmbH und Bernd Flemisch von der Universität Stuttgart. Ein weiterer Dank geht an Anja Hollerbach vom Landratsamt Karlsruhe, Amt für Umwelt und Arbeitsschutz und Thomas Gudera von der Landesanstalt für Umwelt Baden Württemberg (LUBW) für die Unterstützung dieser Arbeit. Für die konstruktiven Kommentare der beiden Gutachter möchten wir uns ebenfalls bedanken.
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Ohmer, M., Klester, A., Kissinger, A. et al. Berechnung von Temperaturfahnen im Grundwasser mit analytischen und numerischen Modellen. Grundwasser - Zeitschrift der Fachsektion Hydrogeologie 27, 113–129 (2022). https://doi.org/10.1007/s00767-022-00509-2
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