Hirnmetastasen beim Mammakarzinom

Hirnmetastasen (HM) treten beim metastasierten Mammakarzinom relativ häufig auf. Während die Wahrscheinlichkeit der Hirnmetastasierung bei Erstdiagnose der Metastasierung mit 2–10 % noch relativ gering ist, haben 3 Jahre nach Diagnosestellung 8–30 % der Patientinnen HM entwickelt. Am häufigsten entwickeln Patientinnen mit HER2-positivem Mammakarzinom HM. Patientinnen mit HM eines Mammakarzinoms haben eine schlechtere Prognose als Patientinnen mit anderen Lokalisationen der Metastasierung. Sie sind außerdem oft durch eine hohe Symptomlast in ihrer Lebensqualität deutlich eingeschränkt. Patientinnen mit HER2-positiven Metastasen haben eine bessere Prognose als Patientinnen mit HER2-negativen Metastasen und tripel-negative die schlechteste Prognose.

Das mediane Überleben nach der Diagnose HM in einer deutschen Registerstudie beträgt 7 Monate

Das mediane Überleben nach der Diagnose HM in einer deutschen Registerstudie beträgt 7 Monate, die Einjahresüberlebensrate liegt bei 37 % [60]. Prognostisch besonders ungünstig ist das Auftreten einer Meningeosis carcinomatosa mit einer medianen Überlebenszeit von nur 3 Monaten.

Lokale Therapie

Zunächst steht bei HM die lokale Therapie im Vordergrund, die durch eine systemische Therapie ergänzt werden kann.

Strahlentherapie

Primäre radioonkologische Therapie

Die Lebenserwartung von Patientinnen, bei denen metastasierender Mammakarzinom diagnostiziert wurde, ist v. a. aufgrund von verbesserten systemischen Behandlungsoptionen gestiegen [29]. Die verlängerte Überlebenszeit bei Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom hat zu einer erhöhten Inzidenz von HM geführt [33]. Die Überlebensrate nach der Erstdiagnose von Fernmetastasen hängt u. a. von den betroffenen Organen ab, wobei eine Beteiligung des zentralen Nervensystems (ZNS) die ungünstigste Prognose aufweist [58]. Trotz der verlängerten Lebensdauer durch systemische Behandlung zeigen die meisten dieser Optionen nur begrenzte Wirkungen auf HM. Lokale Behandlungsoptionen wie Chirurgie und Strahlentherapie haben sich als vorherrschende Therapieansätze für HM etabliert [36]. In der Behandlung von HM bei Mammakarzinom stehen 2 hauptsächliche strahlentherapeutische Ansätze im Fokus: die Ganzhirnbestrahlung („whole brain radiation therapy“, WBRT) und die stereotaktische Radiochirurgie („stereotactic radiosurgery“, SRS). Die Entscheidung für eine der beiden Strategien hängt von mehreren Faktoren ab, darunter die Anzahl, Größe und Lokalisation der HM, der Gesundheitszustand der Patientin sowie ihre prognostischen Merkmale. In den letzten Jahren hat die lokal ablative Behandlungsstrategien aufgrund verbesserter chirurgischer Techniken und der zunehmenden Verfügbarkeit der SRS verstärkte Aufmerksamkeit erfahren, während der Einsatz der WBRT aufgrund einer wachsenden Sensibilisierung für kognitive Nebenwirkungen nach der Strahlentherapie abgenommen hat [10, 11]. Somit ist die SRS die präferierte Strahlentherapieoption, sofern die Patientinnen die entsprechenden technischen und klinischen Kriterien erfüllen. Die Auswahl der geeigneten Therapieoptionen wie WBRT oder SRS basiert in erster Linie auf dem Gesundheitszustand der Patientinnen, dem Ausmaß der kranialen und extrakraniellen metastatischen Erkrankung, der Anzahl und Größe der metastatischen Läsionen im Gehirn sowie der zu erwartenden Lebensdauer [22, 36]. Unter diesen Faktoren kommt der Anzahl der Hirnläsionen höchste Bedeutung zu. Generell werden chirurgische Resektion oder SRS bevorzugt, wenn wenige zugängliche Läsionen vorliegen. WBRT wird bevorzugt, wenn Läsionen in Größe oder Anzahl übermäßig sind oder chirurgisch nicht zugänglich sind.

Stereotaktische Radiochirurgie wird für Patientinnen mit einer begrenzten Anzahl von 1–4 HM empfohlen

SRS wird für Patientinnen mit einer begrenzten Anzahl von HM (1–4) empfohlen. Diese Empfehlung basiert auf den Leitlinien der European Association of Neuro-Oncology (EANO) und der European Society for Medical Oncology (ESMO) [36] wie auch der deutschen S3-Leitlinie Mammakarzinom [1]. SRS kann in Betracht gezogen werden, wenn Patienten eine höhere Anzahl von HM aufweisen (5–10). Für die Behandlung von multiplen HM, die nicht für SRS geeignet sind, sollte die Ganzhirnbestrahlung in Erwägung gezogen werden. Diese Entscheidung hängt von Faktoren wie dem Vorhandensein neurologischer Symptome, der Größe, Anzahl und Lage der HM sowie der Wahl und Verfügbarkeit systemischer Therapie mit zentralnervöser Aktivität ab. Neuere Daten deuten darauf hin, dass die Schonung des Hippocampus bei der Radiotherapie zu einer geringeren neurokognitiven Verschlechterung führt („whole-brain radiotherapy – hippocampal avoidance“, WBRT-HA) [11]. Eine aktuelle Studie untersuchte, ob die Zugabe einer Induktionstherapie mit Bevacizumab, Etoposid und Cisplatin (BEEP) das progressionsfreie Überleben („progression-free survival“, PFS) nach WBRT verbessert. In dieser randomisierten klinischen Studie wurden Patienten mit metastasierendem Mammakarzinom und HM entweder dem experimentellen Arm (3 Zyklen BEEP mit anschließender WBRT) oder dem Kontrollarm (nur WBRT) zugeteilt. Die Ergebnisse zeigen, dass die BEEP-Induktion vor WBRT das hirnspezifische PFS möglicherweise verbessert, was auf eine präzise Abstimmung von systemischen Therapieoptionen vor WBRT hinweisen könnte [12].

In Fällen von multiplen HM, bei denen SRS nicht möglich ist und ein schlechter Performance-Status vorliegt, sollte eine supportive Therapie („best supportive care“, BSC) mit Verzicht auf WBRT in Erwägung gezogen werden.

Nebenwirkung Radionekrose

Neben der Sorge um eine mögliche neurokognitive Verschlechterung beim Einsatz der WBRT steht bei der SRS die Radionekrose (RN) als wichtigste Nebenwirkung im Vordergrund. Durch ein verlängertes Überleben steigt auch die Chance, im Verlauf eine Radionekrose zu entwickeln. Pseudoprogression und RN treten häufig bei Patientinnen mit HM nach einer Strahlentherapie auf, und die Unterscheidung zwischen echter RN und Pseudoprogression ist oft herausfordernd.

Eine Radionekrose gilt als dosislimitierende Toxizität für die Strahlentherapie

RN gilt als dosislimitierende Toxizität für die Strahlentherapie, insbesondere in Bereichen mit Beteiligung kritischer Strukturen wie dem Hirnstamm. Derzeit gibt es keine definierten Leitlinien für die Behandlung und Diagnose von RN. Mehrere Leitlinien empfehlen bereits den Einsatz von Steroiden und Bevacizumab zur Behandlung von RN, obwohl keine festgelegten Behandlungsalgorithmen existieren [2]. Da Schrankenstörungen selbstlimitierend und reversibel sein können, ist eine Behandlung nicht immer zwingend erforderlich. Andererseits erfordern die schnelle Progression und das tumorartige Wachstumsmuster von RN sowie die damit verbundenen klinischen Symptome oft einen raschen Therapiebeginn mit Kortikosteroiden, Bevacizumab oder einer Operation. Hochdosierte Strahlentherapie bietet in vielen Situationen eine exzellente Behandlungsoption, und RN kann in diesem Kontext als akzeptierte Nebenwirkung betrachtet werden. Die Diagnose und Behandlung von RN erfordert multidisziplinäre Versorgungsstrukturen und definierte Prozesse. Die Diagnose muss auf interdisziplinärer Ebene unter Einbeziehung des gemeinsamen Wissens eines Neuroradiologen, Strahlentherapeuten, Neurochirurgen, Neuropathologen und Neuroonkologen erfolgen. Wenn die Diagnose von Störungen der Blut-Hirn-Schranke oder RN wahrscheinlich ist, sollte je nach Symptomen, Lage und Dynamik der Läsion eine Behandlung eingeleitet werden. Es stehen mehrere Behandlungsoptionen zur Verfügung (wie Beobachtung, Chirurgie, Steroide und Bevacizumab), und der optimale Ansatz sollte in einem interdisziplinären Rahmen diskutiert werden. Detaillierte Behandlungsalgorithmen wurden in der Practice Guideline der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie und Strahlentherapie (DEGRO) veröffentlicht [8].

Radioonkologische Therapie der Meningeosis carcinomatosa

Meningeosis carcinomatosa (MC), wie durch die aktuellen Leitlinien der EANO-ESMO definiert, bezieht sich auf eine i. d. R. multifokale Ausbreitung von Tumorzellen auf die Leptomeningen (Pia oder Arachnoidea) und/oder die zerebrospinale Flüssigkeit (CSF) [34]. Die häufigsten Histologien, die zu MC führen, sind Mammakarzinom (12–35 %), Lungenkarzinom (10–26 %) und Melanom (5–25 %). Die Gesamtinzidenz von MC zeigt einen aufwärts gerichteten Trend, möglicherweise aufgrund der zunehmenden Verfügbarkeit wirksamer systemischer Therapien und infolgedessen verlängerter Überlebenszeiten. Fortschritte in Bildgebung und diagnostischen Möglichkeiten können ebenfalls zu einer steigenden Anzahl von MC-Diagnosen beitragen.

Die klinische Präsentation kann eine breite Palette neurologischer Symptome umfassen, am häufigsten Kopfschmerzen und Übelkeit (25–39 %), motorische oder sensorische Dysfunktion (17–21 %), veränderten mentalen Status (16 %) oder Defizite der Hirnnerven (11–14 %) [14, 19, 59]. Bemerkenswerterweise ist MC in 50–80 % der Fälle mit zusätzlichen HM im Parenchym assoziiert. Die Inzidenz von MC beim Mammakarzinom ist höher bei jüngeren Patientinnen und solchen mit einem größeren Primärtumor, fortgeschrittenem nodalem Befall, histologischem Grad 3, negativem Östrogenrezeptor (ER), positivem humanem epidermalem Wachstumsfaktorrezeptor 2 (HER2), tripel-negativem Typ und einem hohen Proliferationsindex. Das lobuläre Karzinom ist besonders mit MC assoziiert und macht etwa 35 % der Fälle mit Mammakarzinom aus [20].

Mit einer berichteten medianen Gesamtüberlebenszeit („overall survival“, OS) von 10–15 Wochen ist die Prognose sehr limitiert, und die therapeutischen Optionen sind begrenzt [19]. Mehrere Ansätze wurden etabliert, um Symptompalliation zu ermöglichen [9, 35, 37]. Mit der zunehmenden Vielfalt verfügbarer zielgerichteter Therapien und den Fortschritten in der molekular informierten Entscheidungsfindung hat sich die Wirksamkeit einiger dieser Medikamente im ZNS gezeigt [44]. In den wenigen verfügbaren Daten erscheint v. a. der Performance-Status der PatientInnen als relevantester Faktor für das Überleben nach Therapie. Die Strahlentherapie wird häufig in Form einer WBRT eingesetzt, insbesondere, wenn zusätzliche HM diagnostiziert wurden. Um Symptompalliation zu erreichen und die neurologische Funktion zu erhalten, wird dies oft mit fokaler Strahlentherapie von symptomatischen spinalen Läsionen kombiniert [19]. Retrospektive Ergebnisse zeigen eine neurologische Symptomkontrolle auf die Behandlung in Form einer Stabilisierung oder Verbesserung bei 75,5 % der behandelten Patienten [19].

Die sorgfältige Selektion der Patienten für kraniospinale Bestrahlung ist bei MC entscheidend

Die kraniospinale Bestrahlung („craniospinal irradiation“, CSI) ist eine aggressive und umfassendere Form der Strahlentherapie und impliziert eine Gesamt- oder Teilbestrahlung aller Kompartimente des zentralen Nervensystems (ZNS), einschließlich des gesamten Gehirns und typischerweise der gesamten Wirbelsäule. Für die palliative Behandlung von metastatischer MC gibt es sehr begrenzte Daten, die den Einsatz der CSI unterstützen, und die klinische Erfahrung ist begrenzt auf spezialisierte Zentren [19]. Kritische Überlegungen müssen mehreren klinischen sowie technischen Aspekten gewidmet werden, die die CSI zu einem anspruchsvollen Therapiekonzept machen. Auf der klinischen Seite kann die dosisbegrenzende Toxizität, hauptsächlich die Myelosuppression, den potenziellen Nutzen gefährden und die hämatologischen Reserven, die für die anschließende systemische Therapie benötigt werden, aufbrauchen.

Die sorgfältige Selektion der PatientInnen erweist sich im Kontext der MC als von entscheidender Bedeutung, um die Belastung durch eine übermäßige Therapie in einer hochgradig palliativen Situation mit erheblich eingeschränkter Prognose zu vermeiden. In der klinischen Routine ist dies deshalb i. d. R. PatientInnen vorbehalten mit geringer extrazerebraler Tumorlast und einem guten Performance-Status.

Neurochirurgische Optionen

PatientInnen mit HM werden in den letzten Jahren vermehrt vorstellig zur operativen Therapie. Dies hat neben dem längeren Überleben auch mit veränderten Behandlungsalgorithmen, z. B. aufgrund der therapeutischen Bedeutung des Rezeptorstatus, zu tun [5]. Die Behandlung von HM gewinnt hierdurch erhöhte Bedeutung im neurochirurgischen Spektrum, und es werden komplexere Lokalisationen wie Motorkortex, Thalamus, Stammganglien, Pyramidenbahn oder Hirnstamm als operabel klassifiziert. Im folgenden Abschnitt wird diese aktuelle und moderne Praxis der neurochirurgischen Therapie innerhalb des interdisziplinären Gerüstes dargestellt.

Indikationen und Chancen

Die Indikation zur operativen Therapie beinhaltet verschiedene Gesichtspunkte, die allesamt für eine gemeinsame Entscheidungsfindung innerhalb einer interdisziplinären Behandlungsstruktur Beachtung finden müssen.

Typische Indikationen, die für eine operative Therapie sprechen, sind heute:

  • neurologisches Defizit, insbesondere psychomotorische Verlangsamung, Paresen, Sprachstörungen,

  • wiederholte epileptische Anfälle,

  • erneutes Wachstum nach erfolgter Resektion/Bestrahlung,

  • medikamentös nicht kontrollierbare progrediente RN,

  • Kleinhirnmetastasen mit Hydrozephalus durch Liquorabflussstörung,

  • Relevanz des intrakraniellen Rezeptorstatus; dieser ändert sich in 23–26 % der Fälle [24, 55].

Weitere mögliche Aspekte, die in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen werden, sind die intraoperative Bestrahlung [17] sowie heute noch wissenschaftlich unbeantwortete Fragestellungen, wie Pharmakokinetik und Dosisresponse systemischer Therapien [13]. Diese Aspekte spielen zzt. noch eine untergeordnete Rolle, werden aber in den kommenden Jahren an Relevanz gewinnen und sollten daher von den Behandelnden bereits im Auge behalten werden.

Die neurochirurgische Therapie hat meist die Symptomminderung als primäres Behandlungsziel. In diesem Sinne zielt die neurochirurgische Therapie insbesondere auf den Erhalt der Lebensqualität ab [28].

Während vor einigen Jahren HM als streng abgetrennte Struktur im Parenchym angesehen wurden, sind sie heute eher als infiltrative Läsionen zu sehen, die ähnlich wie hirneigene Tumoren keine klare Trennschicht zum gesunden Hirngewebe haben [5]. Während die klinischen Studien zur Wirksamkeit postoperativer Bestrahlung für genau diese Infiltrationszone sprechen, gibt es bislang keine Daten zum Rezidivverhalten nach Resektion der umgebenden Infiltrationszone, wie es heute der Anspruch sein muss. Dieser Limitation in der Datenlage und in der geänderten postoperativen Ausgangslage muss man sich bei Therapieentscheidungen genauso bewusst sein wie der eingeschränkten Möglichkeiten zu derlei erweiterten Resektionen in manchen Lokalisationen. Diese Gesichtspunkte machen klar, dass selbst primär offensichtliche Behandlungsentscheidungen mehr Aspekte haben können, als es eine Fachrichtung überblicken kann.

Neben der Resektion von HM besteht von neurochirurgischer Seite zudem die noch sehr neue Therapie der „laser-induced interstitial thermal therapy“ (LITT) sowie die Möglichkeit der Anlage eines Ommaya-Reservoirs als Zugang zum Liquorraum [43]. Letzteres bietet v. a. bei leptomeningealer Beteiligung die Möglichkeit der Applikation von Therapeutika jenseits der Blut-Hirn-Schranke; die Evidenz hierzu ist bislang jedoch spärlich und daher eher auf individuelle Heilversuche begrenzt [51].

Eine weitere nichtresektive neurochirurgische Therapie ist die Anlage von Liquorshunts oder die endoskopische Fensterung des Bodens des IV. Ventrikels. Diese erlauben bei malresorptivem oder okklusivem Hydrozephalus die Beherrschung der Liquorabflussstörung, ohne jedoch deren Ursache zu behandeln [3]. Während beim malresorptiven Hydrozephalus die leptomeningeale Aussaat kein chirurgisches Ziel darstellt, kann der okklusive Hydrozephalus auch ursächlich durch Resektion von Metastasen im Bereich von Kleinhirn oder Aquädukt behandelt werden. Auch hier spielt die Abwägung mit interdisziplinärer Betrachtung der Gesamterkrankung eine wichtige Rolle.

Limitationen und Risiken

Die operativen Zugänge können heute sehr klein gewählt werden, und die auftretenden Komplikationen sind selten. Eine relevante Limitation ist der Verzicht auf adjuvante Therapie für mehrere Wochen nach der Operation, um die Wundheilung zu sichern. In diesem Zusammenhang ist die Betrachtung der Systemerkrankung von hoher Relevanz, um den systemischen Behandlungsdruck und die operativ notwendige Behandlungspause gegeneinander abzuwägen.

Schlechte Evidenz besteht noch immer, wenn es um Patienten mit schlechtem Allgemeinzustand oder fortgeschrittener Systemerkrankung geht. In diesen Fällen muss die Entscheidung für oder gegen eine operative Therapie ebenfalls im interdisziplinären Konsens getroffen werden. Ist die Hirnmetastase für eine neurologische Beeinträchtigung und damit den schlechten Allgemeinzustand bzw. Status gemäß Eastern Cooperative Oncology Group (ECOG) verantwortlich, so muss dies ebenfalls als Behandlungschance mit in die Betrachtungen Eingang finden.

Ein Drittel aller PatientInnen mit Rezidivmetastasen sterben aufgrund neurologischer Beeinträchtigungen

Sowohl bei der PatientInnenaufklärung als auch der gemeinsamen Therapieentscheidung sollten die möglichen chirurgischen Komplikationen ebenfalls berücksichtigt werden. Während der postoperative Karnofsky-Performance-Index absolut entscheidend für den weiteren postoperativen Verlauf ist, sollte man ebenso beachten, dass ein Drittel aller PatientInnen mit Rezidivmetastasen aufgrund neurologischer Beeinträchtigungen zu Tode kommen [23]. Je nach Erfahrung der Behandler sind einzelne Lokalisationen bei der Resektion mehr oder weniger problematisch. Eine frontale Metastase mit psychomotorisch stark verlangsamten PatientInnen stellt eine klare Indikation zur Operation dar, während die Metastase der Capsula interna mit hochgradiger Hemiparese eine klare Abwägung der Behandler gemeinsam mit der Patientin oder dem Patienten erfordert, die je nach Behandlungswunsch auch in der Überweisung an hierin erfahrenere KollegInnen münden kann.

Technische Hilfsmittel

Je nach Lokalisation werden heute nicht nur evozierte Potenziale zur Überwachung der Pyramidenbahn oder der sensorischen Bahnen im OP verwendet, sondern es können bereits präoperative Karten der funktionellen Anatomie durch nichtinvasive Verfahren erstellt werden, die eine deutlich präzisere Beratung der PatientInnen wie auch eine Risikoadjustierung erlauben.

Während intraoperativ durch transkranielle oder direkt kortikal platzierte Elektroden motorisch evozierte Potenziale (EMG) ausgelöst und via Elektromyographie (EMG) gemessen und überwacht werden können [30], ist es für die Beratung der PatientInnen sehr hilfreich, die funktionelle Anatomie um die Metastase herum bereits vor der Operation zu kenne. Diese Visualisierung erlaubt die sog. navigierte transkranielle Magnetstimulation (nTMS), die den Kortex sowohl evozierend wie hemmend beeinflussen kann. Kombiniert man diese kortikale Lokalisationsdiagnostik mit einer Faserbahndarstellung via Diffusionstensorbildgebung, so können die funktionell relevanten Netzwerke (insbesondere Motorik, Sprache, Rechnen, Sehbahn) um den Tumor herum und im Zugangsbereich visualisiert werden. Dies erlaubt nicht nur ein stringentes operatives Vorgehen und eine bessere Aufklärung der PatientInnen, sondern ermöglicht ebenso eine dezidierte Risikoadjustierung anhand objektiver Daten ([31, 54]; Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Präoperative Kartierung mittels navigierter transkranieller Magnetstimulation (nTMS) und Diffusionstensorbildgebung mit Darstellung von Pyramidenbahn (gelb) und sprachassoziierter Faserbahnen (pink) bei einer linkshändigen Patientin mit thalamischer Metastase rechts

Intraoperativ erlaubt heutzutage Natrium-Fluoreszein die Identifikation der Infiltrationszone und ermöglicht so eine homogenere Visualisierung von Tumorgewebe durch intraoperative Fluoreszenzverfahren [53]. Bisherige Daten zeigen bei Verwendung dieser intraoperativen Fluoreszenzverfahren [53] ähnlich wie bei Gliomen ein höheres Resektionsausmaß und ein längeres Gesamtüberleben.

Systemische Therapie

Es konnte schon vor einigen Jahren gezeigt werden, dass die Gabe einer systemischen Therapie nach Diagnose der Hirnmetastasierung mit einer besseren Prognose assoziiert ist (medianes Überleben mit systemischer Therapie 13 vs. 3 Monate ohne systemische Therapie) [47]. In Abhängigkeit von dem Allgemeinzustand der Patientin, extrakranieller Metastasierung und Vortherapien können je nach Subtyp des Primärtumors verschiedene Substanzen ausgewählt werden.

Nachdem über Jahre hinweg Patientinnen mit HM aus klinischen Studien ausgeschlossen wurden, haben neuere Studien explizit Frauen mit HM zugelassen bzw. das Auftreten von HM unter Therapie ausgewertet. Bei der Auswahl der systemischen Therapie richtet man sich nach dem Subtyp der Primärerkrankung bzw. der Histologie der Metastasierung. Sollte die viszerale Metastasierung stabil sein, stellt die zerebrale Metastasierung keinen Grund für eine Therapieumstellung dar.

HER2-negatives Mammakarzinom

Beim HER2-negativen metastasierten Mammakarzinom gibt es keine Substanz, die eine besondere Aktivität für Frauen mit HM gezeigt hat. Das Medikament Etirinotecan-Pegol zeigte sich in der Phase-II-Studie BEACON besonders effektiv in der Subgruppe der Frauen mit HM[15], die Phase-III-Bestätigungsstudie ATTAIN war jedoch negativ. In einer Phase-II-Studie mit dem CDK4/6-Hemmer Abemaciclib bei 165 Frauen mit HM konnte in einer Kohorte gezeigt werden, dass die Abemaciclib-Konzentration im Gehirn hoch war, allerdings ohne gesteigerte Effektivität [56]. In die ASCENT-Studie wurden PatientInnen mit einem metastasierten tripel-negativen Mammakarzinom nach 2 oder mehr Therapielinien eingeschlossen. Als Einschlusskriterium galt auch eine stabile ZNS-Metastasierung, die – im Abstand von 4 Wochen mittels Magnetresonanztomographie (MRT) untersucht – nicht größenprogredient sein durfte. Die PatientInnen mussten mindestens 2 Wochen ohne antikonvulsive Therapie oder Kortikosteroide ausgekommen sein, bevor sie als stabil definiert werden konnten. Dies war in der Studie bei 61 von insgesamt 529 PatientInnen (12 %) der Fall. Die PatientInnen erhielten das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Sacituzumab-Govitecan vs. Behandlung nach Wahl des Arztes. Die Überlebensdaten unterschieden sich wenig von der Gesamtkohorte (PFS 2,8 vs. 1,6 Monate, OS 6,8 vs. 7,5 Monate [18]). Die Interpretation der Daten ist durch die kleine Subgruppe limitiert. Von den PatientInnen mit einer BRCA-Keimbahnmutation, die im Rahmen der EMBRACA-Studie eine Therapie mit dem PARP-Inhibitor Talazoparib erhielten, wurde eine Subgruppe mit bei Studieneinschluss stabilen HM vorgestellt. Hier zeigte sich wie in der Gesamtgruppe ein Vorteil für das mediane PFS bei den mit Talazoparib behandelten PatientInnen: 5,7 (95 %-Konfidenzintervall, 95%-KI: 4,1–8,1) Monate mit Talazoparib vs. 1,6 Monate (95%-KI: 1,2–4,3) mit Chemotherapie nach Wahl des Arztes [42].

HER2-positives Mammakarzinom

Da der Anteil an Patientinnen mit metastasiertem HER2-positivem Mammakarzinom mit bis zu 40–50 % der Fälle im Erkrankungsverlauf sehr hoch ist, haben sich in den letzten Jahren vermehrt Studien mit dieser Kohorte auseinandergesetzt (Tab. 1; [46]). Die Studie HER2CLIMB schloss als erste Studie explizit PatientInnen auch mit neu diagnostizierten unbehandelten oder progredienten HM eines HER2-positiven Mammakarzinoms nach Behandlung mit Trastuzumab/Pertuzumab sowie Trastuzumab-Emtansin (T-DM1) ein. Sie machten 50 % der Studienkohorte aus. In der Studie wurden PatientInnen mit aktiven HM (definiert als asymptomatisch unbehandelt, n = 66, und progredient nach Behandlung, n = 108) und behandelten, stabilen HM (n = 177) eingeschlossen. Die PatientInnen erhielten den Tyrosinkinasehemmer Tucatinib oder Placebo in Kombination mit Trastuzumab und Capecitabin. Bei PatientInnen mit HM lag das PFS im Median bei 9,5 Monaten mit Studienmedikament vs. 4,1 Monate im Placeboarm. Der Anteil der nach einem Jahr progressionsfrei Überlebenden betrug im experimentellen Arm 35 %, im Placeboarm 0 % [38]. In einer aktualisierten Analyse nach einer zusätzlichen Nachbeobachtungszeit von 15,6 Monaten (insgesamt 29,6 Monate) führte Tucatinib in Kombination mit Trastuzumab und Capecitabin zu einem Gesamtüberlebensvorteil von 9,1 Monaten bei PatientInnen mit HM. Bezogen auf PatientInnen mit aktiven HM betrug die Überlebensverlängerung 9,6 Monate, bezogen auf PatientInnen mit behandelten stabilen HM 5,2 Monate. Die Dauer des Therapieansprechens war im Tucatinib-Arm im Vergleich zum Kontrollarm fast verdreifacht [40].

In einer Subgruppenanalyse der randomisierten Studie DESTINY-Breast03, die Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd) mit T‑DM1 verglichen hat, zeigte die T‑DXd-Behandlung in allen Subgruppen einen konsistenten Wirksamkeitsvorteil (PFS und „overall response rate“) gegenüber T‑DM1 [16]. In die Studie konnten PatientInnen mit stabilen HM eingeschlossen werden. Der Vorteil für den primären Endpunkt PFS war mit einer Hazard Ratio von 0,28 deutlich positiv. In einer Subgruppenanalyse zeigte sich, dass die Behandlung mit T‑DXd im Vergleich zu T‑DM1 zu einer größeren Wirksamkeit bei PatientInnen mit und ohne HM führte. Die T‑DXd-Behandlung ist mit einem deutlichen intrakraniellen Ansprechen und einem Rückgang der ZNS-Erkrankung verbunden: 27,8 % intrakraniell komplettes Ansprechen für T‑DXd vs. 2,8 % für T‑DM1, 2,8 % intrakranielle Progression für T‑DXd vs. 22,2 % für T‑DM1 bei allerdings kleiner Fallzahl [25].

Darüber hinaus wurden Daten der einarmigen TUXEDO-1-Studie publiziert, die die intrakranielle Effektivität von T‑DXd bei 15 PatientInnen auch mit progredienten HM untersuchte [6]. TUXEDO‑1 erreichte ihren primären Endpunkt mit einer Ansprechrate von 73,3 % (komplettes und partielles Ansprechen sowie stabile Erkrankungssituation). Erste Daten der Studie DEBBRAH, in der die Effektivität von T‑DXd bei stabilen, unbehandelten und progredienten HM mit HER2-Überexpression, aber auch niedrigem HER2 („HER2 low“) untersucht wird, deuten ebenfalls auf eine Wirksamkeit der Substanz bei ZNS-Metastasen hin [49].

Die Kombination des Tyrosinkinasehemmers Neratinib mit Capecitabin wurde in der Phase-II-Studie TBCRC 022 und in der Phase-III-Studie NALA untersucht. Bei 30 Patientinnen ohne Capecitabin-Vorbehandlung lag die ZNS-Responserate in der TBCRC-022-Studie bei 49 % [21]. In der NALA-Studie lag das mediane PFS in der Gesamtgruppe lag bei 8,8 Monaten für Neratinib vs. 6,6 Monate für Lapatinib. Die kumulative Inzidenz der Intervention für ZNS-Metastasen lag bei 22,8 % für Neratinib vs. 29,2 % für Lapatinib [52].

Tab. 1 Studiendesign von Schlüsselpublikationen zu HER2+-Mammakarzinom und Hirnmetastasen

Systemische Therapie der Meningeosis carcinomatosa

Ein karzinomatöser Befall der Meningen als Meningeosis carcinomatosa (MC) ist mit einer sehr ungünstigen Prognose assoziiert.

PatientInnen mit lobulärem Subtyp und tripel-negativem Tumor haben ein erhöhtes MC-Risiko

PatientInnen mit lobulärem Subtyp und tripel-negativem Tumor haben ein relativ höheres MC-Risiko als PatientInnen mit anderen Subtypen des Mammakarzinoms. Typische klinische Anzeichen von MC – Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, psychische Veränderungen, Gangschwierigkeiten, Hirnnervenlähmungen mit Doppelbildern, Sehstörungen, Hörverlust, sensomotorische Defizite der Extremitäten und Cauda-equina-Syndrom, radikuläre, Nacken- und Rückenschmerzen – sollten differenzialdiagnostisch an eine MC denken lassen. In der Diagnostik werden die Durchführung einer kranialen MRT (cMRT) und eine Liquorpunktion empfohlen. Aufgrund der eher geringen Sensitivität einer Zytomorphologie sollte eine Liquorpunktion ggf. bis zu 3‑mal wiederholt werden, bis eine MC als Differenzialdiagnose ausgeschlossen werden kann. Zusätzlich zu der situationsspezifischen Systemtherapie kann eine intrathekale Therapie durchgeführt werden. Bei MC eines Mammakarzinoms ist neben liposomalem Cytarabin die intrathekale oder intraventrikuläre Verabreichung von Methotrexat (MTX) 10–15 mg, 2‑ bis 3‑mal pro Woche (mit/ohne Folsäure-Rescue) am häufigsten verwendet worden. In 2 kleinen prospektiven Studien wurde eine Effektivität der intrathekalen Anwendung von Trastuzumab beschrieben [61]. Eine Strahlentherapie kann bei isoliertem spinalem oder zerebralem Befall und nodulären Auflagerungen durchgeführt werden (siehe Absatz oben). Ob eine mit einer erhöhten Toxizität verbundenen Neuroachsenbestrahlung die Prognose bei MC verbessern kann, ist umstritten. Es gibt darüber hinaus begrenzte Daten für die Effektivität systemischer Therapieansätze [7].

Fazit für die Praxis

  • Durch bessere systemische Kontrolle und damit verlängerte Überlebenszeiten treten Hirnmetastasen (HM) beim Mammakarzinom häufiger auf.

  • Eine lokale Therapie der HM wird durch eine systemische Therapie ergänzt.

  • Die lokale Therapie besteht aus der stereotaktischen Bestrahlung von Metastasen oder der Ganzhirnbestrahlung oder ggf. einer operativen Resektion mit Nachbestrahlung des Tumorbetts.

  • Die Wahl der systemischen Therapie richtet sich v. a. nach der extrakraniellen Erkrankungssituation und richtet sich nach dem Subtyp des Mammakarzinoms.

  • Trotz der lokalen und systemischen Therapien bleibt die Prognose beim Auftreten von HM schlecht.

  • Unklar bleibt weiterhin, ob ein Screening von Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom auf das Vorliegen von HM mit einem Überlebensvorteil für die Patientin assoziiert ist, es sollte deshalb routinemäßig nicht erfolgen.