Die Komplexität einer metastasierenden Tumorerkrankung mit unbekanntem Primärtumor („cancer of unknown primary“ [CUP-Syndrom]) stellt immense Herausforderungen an unsere diagnostischen und therapeutischen Optionen und Algorithmen. Die oftmals schwierigste, und leider manchmal dennoch erfolglose, Suche nach dem Primärtumor erfordert ein enges und ärztlich erfahrenes Zusammenspiel im basisdiagnostischen, bildgebenden, histologischen und heute zunehmend molekularpathologischen und -biologischen Bereich.

Die Suche nach dem unbekannten Primärtumor darf die Einleitung einer Therapie nicht maßgeblich verzögern

Die aufwendige Suche nach dem unbekannten Primärtumor darf aber wiederum die Einleitung einer Therapie bei teilweise sehr aggressivem Tumorwachstum nicht maßgeblich verzögern. Genau dieses Spannungsfeld, erzeugt durch einen unbekannten „Täter“ und weiter entstehenden Schaden, ist ein Wettlauf mit der Zeit und damit durchaus mit so manchem Fall aus der Kriminalistik vergleichbar. Aber zurück zur Medizin: Eine metastasierende Erkrankung mit unbekanntem Primärtumor behandeln zu müssen, ist in den meisten Fällen das Gegenteil einer heutzutage angestrebten „zielgerichteten onkologischen Therapie“, und genau hieraus ergibt sich unser Arbeitsauftrag. In diesem Zusammenhang wird die wichtige CUPISCO-Studie an verschiedenen Stellen diskutiert werden.

Es ist also wichtig und richtig, sich diesem Thema in der vorliegenden Ausgabe von Die Onkologie intensiv zu widmen. Drei Fragen drängen sich hier besonders auf:

  1. 1.

    Status quo – wo stehen wir aktuell beim CUP Syndrom?

    Gerdt Hübner stellt im ersten Beitrag die Wichtigkeit der initialen und möglichst strukturierten Basisdiagnostik heraus, welche ein rasches Staging und in manchen Fällen auch die Identifikation des Primärtumors ermöglichen soll.

  2. 2.

    Welche diagnostischen und therapeutischen Optionen stehen uns heute zu Verfügung und wie bringen wir diese interdisziplinär und multimodal in Einklang?

    Kurz et al. spezifizieren im zweiten Beitrag die radiologische Spurensuche und stellen diese in den interdisziplinären Kontext. Tilmann Bochtler und Kollegen erarbeiten anschließend das hochkomplexe Themenfeld der histologischen und zunehmend molekularpathologischen Profilierung des Tumorgewebes. Hambsch und Nicolay streichen folgend den Stellenwert der Strahlentherapie heraus, ebenfalls unter Einbezug des multimodalen Gesamtkontexts. Auch die onkologische Chirurgie darf hier nicht fehlen: Karl Knipper und Kollegen beleuchten chirurgische Indikation und Strategie beim CUP-Syndrom. Last but not least strukturieren Kubuschok und Stahl im letzten Beitrag die onkologische Therapie, um der interdisziplinären und multimodalen Komplexität abschließend Rechnung zu tragen.

  3. 3.

    Blick über den Tellerrand – sind neue Techniken wie künstliche Intelligenz und Machine Learning gerade bei komplexen medizinischen Situationen wie dem CUP-Syndrom künftig gewinnbringend?

    Eine druckfrische Publikation, welche im August 2023 in Nature erschienen ist, zeigt in diesem Zusammenhang eine sehr vielversprechende technisch innovative Entwicklung. Ein KI-Modell wurde hierbei in Boston mit den Daten von mehr als 36.000 onkologischen Patienten gefüttert. Diese Daten zur genetischen Sequenzierung kombiniert mit klinischen Daten führten zu einer korrekten diagnostischen Prädiktion des Primärtumors bei über 41 %, als man diesem neuronalen Netzwerk Genomdaten von knapp 1000 Patientinnen mit CUP-Syndrom präsentierte. Sollte sich dies in der Praxis bestätigen, würde das einen enormen diagnostischen Fortschritt bedeuten [1].

Unser ausdrücklicher Dank richtet sich an alle ExpertInnen des CUP-Syndroms, die mit Ihren exzellenten Beiträgen dieses Themenheft möglich gemacht haben.

Wir wünschen Ihnen eine spannende und inspirierende Lektüre

Mit den besten Grüßen

Für die Schriftleitung

Markus Diener

Für die Herausgebenden

Christiane Bruns