Kaum eine Diagnose ist so geeignet, dem Menschen bei ihrer Mitteilung den Boden unter den Füßen wegzuziehen, wie die einer Krebserkrankung: Unerträgliche Schmerzen, Leiden, Siechtum und schließlich der Tod halten in diesem Augenblick bei den meisten Betroffenen und ihren Angehörigen Einzug in ihre Vorstellungswelt. Es bedarf zumeist mehrerer Gespräche, um eine sachgerechte Einschätzung der Prognose – über wahrscheinliche Kuration bis hin zu längerer oder kürzerer Palliation – zu etablieren.

Krebs ist somit eine besondere – ja fast sogar geheimnisvolle – Erkrankung. Sieht man von den familiären, zumeist genetisch bedingten Karzinomerkrankungen ab, so ist die Kausalität selbst dort, wo man um die Risikofaktoren wie z. B. Rauchen, Alkoholgenuss und Exposition gegenüber ionisierenden Strahlen oder karzinogenen Substanzen weiß, nicht eine zwingende: bei gleichem Gefährdungspotenzial erkrankt der eine Mensch und der andere nicht. Warum ist das so? Diese Frage beschäftigt nicht nur GrundlagenforscherInnen und BehandlerInnen seit Jahrzehnten, sondern auch PatientInnen und ihre Familien machen sich auf ihre persönliche Ursachensuche. Von einer Antwort auf diese Frage nach der Kausalität erhoffen sie sich Sicherheit, wollen sie ihre Selbstkompetenz zurückgewinnen. Diese die reine somatische Dimension deutlich überschreitende Komplexität der Bedürfnisse und Fragen hat zur Etablierung des multiprofessionellen Behandlungsteams geführt. Die Bedeutung einer intakten Sozialstruktur für Compliance und Resilienz hat den Blick für die Anliegen der Angehörigen geschärft, aber auch vice versa deren Leid und insbesondere das der Kinder und Jugendlichen in den Familien der Erkrankten in den Fokus gerückt. Eindrücklich berichten K. Oechsle und P. Klose und Team über die spezifischen Möglichkeiten ihrer Begleitung. Ihr Gelingen erfordert die Berücksichtigung der kulturellen, sozialen, ethnischen und religiösen Diversität unserer Gesellschaft, deren Auswirkungen W. Gießler und M. Voswinkel beleuchten. „Die Diagnose Krebs führt aber auch zur Suche nach dem inneren Geist, aus dem heraus ein Mensch sich versteht, woraus er sein Leben gestaltet, er Sinn erfährt und womit er auch Krankheit, Sterben und Trauer zu bestehen sucht.“ (E. Weiher) [1]. Was sie ausmacht und wie ihr zu begegnen ist, ist Gegenstand des Artikels von A. Büssing. Die Äußerung des Todes- oder Sterbewunsches will wahrgenommen und beantwortet werden, wie U. Kremaike et al. praxisnah erläutern. Und was, wenn das Abschiednehmen zum Lebensende hin unausweichlich wird, wenn die Trauer einzieht? K. Jentschke zeigt empathisch Wege des Umgangs mit diesem allumfassenden Gefühl auf. Die Einbeziehung von ambulanten Hospizdiensten gilt heute schon als der Goldstandard insbesondere in fortgeschrittenen Erkrankungssituationen. Ihr Beitrag zur umfassenden (Für‑)Sorge für die Patienten und ihre Familien ist gleichbedeutend mit dem zur kontinuierlichen Ausrichtung an medizinethischen Prinzipien des onkologischen Tuns, wie U. Kreutzberg darlegt.

Krebs ist eine Erkrankung, deren leitliniengerechte Therapie zum Credo einer qualitätsgesicherten Medizin geworden ist. Die S3-Leitlinien-begründenden Studien wurden jedoch zumeist an sehr homogenen Patientengruppen durchgeführt, Menschen mit intellektuellen und/oder komplexen Behinderungen sowie demenziell Erkrankte selten eingeschlossen. Deren Rechte auf die bestmögliche Behandlung sowie auf ihre Selbstbestimmung sind unbestritten, stellen jedoch alle Beteiligten vor besondere Herausforderungen. Die Erfordernisse individualisierter Therapieentscheidungen, eines intensiven Monitorings der Therapie und einer wesentlich aufwendigeren multiprofessionellen Begleitung werden eindrücklich von J. Meran sowie von M. Kloke und M. Zabel dargestellt. Die Berücksichtigung der zu erwartenden Akzeptanz und die Kompetenz im Umgang mit den Folgen einer chirurgischen Krebstherapie sind eine Conditio sine qua non für eine Rehabilitation ins Leben trotz oder mit einer Krebserkrankung, wie A. Conradi und C. Bruns alltagsnah beschreiben.

Krebs ist eine Erkrankung, deren leitliniengerechte Therapie zum Credo qualitätsgesicherter Medizin wurde

Werden diese immer den einzelnen Menschen betreffenden Besonderheiten bei Therapieplanung und -umsetzung außer Acht gelassen, kann Krebs zwar jeden treffen, eine lege artis und damit zum Wohl des individuellen Patienten durchgeführte Therapie aber nicht.

Die Schriftführer danken dem Herausgeber Professor Klaus Höffken sowie dem Verlag für die Bereitschaft, mit diesem Sonderheft Themen, die abseits des Mainstreams sind, in den Fokus zu rücken. Damit soll die Onkologie in ihrer gesamten Bandbreite von einem maximal wissenschaftlich begründeten Fachgebiet bis hin zu einem im umfassenden Sinn individualisierten Konzept, in dessen Mittelpunkt stets der Leidende – der Patient – steht, beleuchtet werden. Es wird deutlich, dass die von Beauchamp und Childress beschriebenen medizinethischen Prinzipien – Autonomie, Benefizienz, Non-Malefizienz und Angemessenheit – im Alltag um die von Maio beschriebene Sorgerationalität ergänzt werden sollten [2, 3]:

„Medizin wird erst dann zur Medizin, wenn sich in ihr eine Kultur der Sorge manifestiert. Wo die Sorge fehlt, verkommt die Medizin zu einer anonymen Durchschleusungsmaschine, zu einem kühlen Reparaturbetrieb.“

Für die Schriftleitung

Marianne Kloke

Birgitt van Oorschot

Lena-Christin Conradi

Für die Herausgebenden

Klaus Höffken