Die Behandlung des Zervixkarzinoms wurde in einer durch die europäischen Gesellschaften für gynäkologische Onkologie, Strahlentherapie und Pathologie gemeinsam erarbeiteten Leitlinie vereinheitlicht und besteht bereits für auf die Cervix uteri begrenzte Stadien aus einer primären Radiochemotherapie, sofern es sich um große Tumoren handelt. Durch die Anwendung moderner strahlentherapeutischer Techniken lassen sich dabei unter optimaler Schonung der umliegenden Risikoorgane Dosen applizieren, die zu exzellenter lokaler Kontrolle und sehr guten Gesamtüberlebensraten führen.

Inzidenz

Trotz Primärprävention (HPV-Impfung) und Sekundärprävention (Screening mittels Zytologie) bleibt das Zervixkarzinom mit einer Inzidenz von derzeit (2020) 8,4/100.000 Frauen in Österreich [1] eine schwerwiegende Erkrankung. Eine interdisziplinäre Behandlung ist anzustreben. Jeder suspekte makroskopische Befund an der Portio sollte mittels Kolposkopie und kolposkopisch gezielter Biopsie weiterführend abgeklärt werden.

Symptomatik

Obwohl sich das Zervixkarzinom in Frühstadien oft asymptomatisch präsentiert, gibt es manchmal klinische Hinweise wie postkoitale Kontaktblutungen, Blutungsanomalien wie beispielsweise Metrorrhagien oder Blutungen in der Postmenopause und/oder bräunlich oder blutig tingierten, häufig übelriechenden Fluor.

In fortgeschrittenen Stadien kommt es u. a. zu Blutungen, Dysurie, Schmerzen im Becken, Lumbalgien, Obstipation

In fortgeschrittenen Stadien kommt es darüber hinaus zu Dys‑/Pollakisurie durch Harnwegsinfekte, Ureterkompression bzw. -infiltration mit teils rezidivierender Pyelonephritis bei Hydronephrose, Harnblaseninfiltration, Schmerzen im Beckenbereich, Lumbalgien durch Infiltration des Plexus sacralis, Obstipation durch Rektumkompression bzw. -infiltration und/oder Schwellung der unteren Extremität(en) durch Lymphödem oder Thrombose.

Diagnostik

Die initiale Abklärung erfolgt durch klinische Untersuchung inklusive Kolposkopie und bei Verdacht auf ein Malignom auch durch eine Biopsie der Cervix uteri. Die weiterführende Bildgebung besteht einerseits aus einer Computertomographie (CT) von Thorax und Abdomen zur Beurteilung der Lymphknoten, zum Ausschluss von Fernmetastasen und zum Ausschluss einer Hydronephrose. Mittels Magnetresonanztomographie (MRT) des kleinen Beckens können andererseits Tumorgröße, Infiltration der Parametrien und Tumorausdehnung in Nachbarorgane wie Blase und/oder Rektum beurteilt werden. Bei zeitnaher Verfügbarkeit bietet sich aufgrund der höheren Sensitivität für Lymphknotenmetastasen die Durchführung einer Positronenemissionstomographie-CT (PET-CT) statt der CT von Thorax und Abdomen an.

Staging

Die Stadieneinteilung erfolgt zumeist nach FIGO (Fédération Internationale de Gynécologie et dʼObstétrique), wobei seit dem FIGO Cancer Report 2018 auch bildgebende und pathologische Befunde in das Staging einfließen. Außerdem wird das Stadium FIGO IB seitdem in 3 Untergruppen aufgeteilt, und es wurde ein zusätzliches Stadium FIGO IIIC zur Beschreibung von Lymphknotenmetastasen eingeführt [2].

Mittels MRT werden tendenziell höhere Stadien festgestellt

Beim Vergleich zwischen gynäkologischer Untersuchung und MRT kommt es bei etwa einem Viertel der Patientinnen zu divergierenden Lokalstadien, wobei mittels MRT tendenziell höhere Stadien festgestellt werden. Für die Beurteilung einer möglichen lymphogenen Metastasierung bietet sich neben dem chirurgischen Sampling bzw. Sentinel-Exstirpation vor Resektion kleiner Tumoren v. a. eine PET-CT an [3,4,5,6]. Zunehmend wird jedoch entsprechend der Empfehlung der 2018 publizierten und in Bälde aktualisierten ESGO-ESTRO-ESP Guidelines (European Society of Gynaecological Oncology, ESGO; European SocieTy for Radiotherapy and Oncology, ESTRO; European Society of Pathology, ESP) [7] auch das TNM-System angewandt.

Therapie

Die Behandlung des Zervixkarzinoms wurde in Europa im Rahmen der ESGO-ESTRO-ESP Guidelines homogenisiert. Ab dem Stadium T1b2/T2a2 N0 bzw. bei positiven Lymphknoten wird darin die definitive Radiochemotherapie inklusive Brachytherapie empfohlen, um eine mit einer höheren Morbidität verbundene Kombination aus Resektion und Bestrahlung zu vermeiden [7].

Die Radiotherapie besteht zunächst aus einer Teletherapie des Primärtumors inklusive des gesamten Uterus sowie der Beckenlymphabflusswege über 5 Wochen bis zu einer Gesamtdosis von 45–50,4 Gray (Gy) bei einer Einzeldosis von 1,8 Gy täglich. Idealerweise wird sie nach CT- und MRT-gestützter Planung mittels intensitätsmodulierter Radiotherapie (IMRT) bzw. „volumetric modulated arc therapy“ (VMAT) durchgeführt, um eine optimale Schonung der umgebenden Risikoorgane zu gewährleisten. Ein weiterer Ansatz zur Schonung des umliegenden Gewebes ist eine, je nach Blasenfüllung und Lage des Uterus, täglich adaptierte Anordnung des Zielgebiets, um ein „geographical miss“ zu vermeiden. Positive Lymphknoten können mit einer höheren Einzeldosis pro Tag bis zu einer Äquivalenzdosis von 60 Gy ausgelastet werden (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Simultan integrierter Boost der Lymphknoten, Positronenemissionstomographie-Computertomographie(PET-CT)-Planung. a PET-CT (axial) mit positivem Lymphknoten im Bereich der Iliakalgefäße rechts. b Bestrahlungsplanungs-CT (axial) mit Dosisverteilungen. Blau die das gesamte Behandlungsareal umschließende 45-Gy-Isodosis. Rot bzw. weiß die den mittels simultan integriertem Boost behandelten Lymphknoten umschließende 54/57-Gy-Isodose. c Bestrahlungsplanungs-CT (frontal) mit Dosisverteilungen. Darstellung eines weiteren Boostvolumens im Bereich der Iliakalgefäße links. Wegen des Lymphknotenbefalls in diesem Patientenbeispiel auch Aufnahme der paraaortalen Lymphknotenstationen in das Zielvolumen

Konkomitant wird einmal wöchentlich Cisplatin in einer Dosierung von 40 mg/m2 Körperoberfläche über 5 Zyklen verabreicht [8]. Bei eingeschränkter Nierenfunktion stehen alternativ Carboplatin [9] bzw. Mitomycin/5-Fluorouracil zur Verfügung [10].

Die Brachytherapie sollte bevorzugt als „image-guided adaptive brachytherapy“ durchgeführt werden

Gegen Ende der Teletherapie wird ohne zeitliche Latenz eine Brachytherapie im Bereich des Resttumors angeschlossen. Um ein eventuelles Tumorshrinking vor Brachytherapie zu ermöglichen, sollten zumindest 38 Gy mittels Teletherapie appliziert worden sein. Die Brachytherapie sollte bevorzugt als „image-guided adaptive brachytherapy“ (IGABT), welche als Goldstandard gilt, durchgeführt werden. Im Regelfall werden dabei nach MRT-gestützter Planung im HDR(High-Dose-Rate)-Verfahren nochmals 40–50 Gy Äquivalenzdosis in 2 Sitzungen über 4 Fraktionen appliziert, sodass am Tumor in Summe aus Tele- und Brachytherapie 85–95 Gy verabreicht werden. Sofern es die Resttumorgröße erfordert, sollte ein interstitielles Verfahren mit einer Kombination aus Stift‑/Ringapplikator und Hohlnadeln gewählt werden (Abb. 2). Die Gesamtbehandlungsdauer aus Tele- und Brachytherapie sollte 45–50 Kalendertage nicht überschreiten, da jeder zusätzliche Tag das Gesamtüberleben nach 5 Jahren um jeweils ein Prozent reduziert [11].

Abb. 2
figure 2

„Image-guided adaptive brachytherapy“, interstitielles Verfahren. a Frontale Ansicht. Stift im Zervikalkanal und (schemenhaft) Ringapplikator sowie 2 interstitielle Nadeln. b Axiale Ansicht. In der Mitte der Stift im Zervikalkanal, umgeben von 12 interstitiellen Nadeln. Resttumor rot umrandet, Harnblase gelb, Rektum grün. Außerdem Isodosenverteilungen; die den Tumor umschließende 85-Gy-Isodosis in Orange

Ergebnisse

Über alle Stadien hinweg kann mithilfe der beschriebenen Therapie eine lokale Kontrolle von 92 % nach 5 Jahren erreicht werden[12, 13]. Im Stadium T1b wird eine lokale Kontrolle von 98 % nach 5 Jahren erreicht [14]. Selbst bei fortgeschrittenen Tumoren in den Stadien T3b/T4 kann durch die Etablierung der MRT-gestützten Brachytherapie zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine lokale Kontrollrate von 92 % bzw. 91 % nach 5 Jahren erzielt werden [12]. Risikofaktoren für eine reduzierte lokale Kontrolle sind u. a. nichtplattenepitheliale Histologie, Tumorvolumen zum Zeitpunkt der Brachytherapie, Gesamtdosis am Primärtumor, Tumornekrose und Gesamtbehandlungszeit [15]. Das Volumen des Resttumors beeinflusst auch das Gesamtüberleben [16]. Das vom Tumorstadium unabhängige Gesamtüberleben nach 10 Jahren beträgt 67 % und ist damit um 25 % höher als nach einer Behandlung mittels alleiniger Teletherapie [12].

Nebenwirkungen

Bei 11 % der Patientinnen tritt kumuliert über die ersten 5 Jahre nach Behandlung eine Morbidität mit einem Grad ≥ 3 nach Common Terminology Criteria for Adverse Events (CTCAE) im Bereich des Gastrointestinal- und/oder Urogenitaltrakts auf [17], wobei Symptome wie Diarrhö [18], Bauchkrämpfe, Dysurie [19], Schmerz oder Übelkeit transienter Natur sind. Andere Symptome wie Abgeschlagenheit, erhöhte Harnfrequenz [20], Lymphödem oder Schlafstörungen können hingegen bei 10–15 % der Patientinnen nach subjektiver Einschätzung anhand des EORTC-QLC30-Fragebogens (European Organisation for Research and Treatment of Cancer Quality of Life – Cancer Questionnaire) persistieren [21]. Schwere Nebenwirkungen wie Fistelbildungen oder Nekrosen stellen eine Rarität dar [12].

Nachsorge

Die Nachsorge sieht Kontrollen alle 3 Monate mittels gynäkologischer Untersuchung ± MRT des Beckens sowie Bestimmung des Tumormarkers „squamous cell carcinoma antigen“ (SCC) für die ersten 2 Jahre vor, da die meisten Rezidive in diesem Zeitraum auftreten. Anschließend können die Intervalle bei Tumorfreiheit auf 6 Monate ausgeweitet werden.

Die Mehrzahl der Rezidive tritt innerhalb von zwei Jahren nach Therapieende auf

Nach 5 Jahren ist eine jährliche Kontrolle ausreichend. Zumindest einmal im Jahr sollte auch eine CT-Untersuchung von Thorax und Abdomen durchgeführt werden. Ob eine Ausweitung der Intervalle, basierend auf PET-CT- und MRT-Parametern, möglich ist (Stichwort: „Radiomics“) [4,5,6], müssen weitere Studien zeigen.

Fazit für die Praxis

  • Die Radiochemotherapie wird ab dem Stadium T1b2/T2a2 N0 als Standardtherapie des Zervixkarzinoms empfohlen.

  • Mittels primärer Radiochemotherapie lassen sich über alle Stadien lokale Kontrollraten von 92 % nach 5 Jahren sowie Gesamtüberlebensraten von 67 % nach 10 Jahren erreichen.

  • Das Staging gemäß FIGO (Fédération Internationale de Gynécologie et dʼObstétrique) wurde 2018 aktualisiert und beinhaltet nun auch bildgebende und pathologische Befunde sowie eine eigene Subgruppe für N1-Patientinnen.