Im Zertifizierungssystem der DKG für Onkologische Zentren ist ein psychosoziales Belastungsscreening zur Erfassung des psychoonkologischen Unterstützungs- und Behandlungsbedarfs seit Langem gut etabliert. Das Screening wird mit dem Distress-Thermometer (DT) durchgeführt und in einer Kennzahl abgebildet. Die Erfassung des metabolischen Risikos durch Screening mit der Nutritional Risk Scale (NRS) wird bei allen Patienten, spätestens bei stationärer Aufnahme, empfohlen. Bei Patienten mit metastasierten Krebserkrankungen sollen Symptome und Belastungen mit den in der S3-LL Palliativmedizin für nicht heilbare Krebspatienten empfohlenen Selbsteinschätzungsbögen MIDOS (Minimales Dokumentationssystem) oder IPOS (Integrated Palliative Outcome Scale) möglichst häufig erfasst werden. Die neue palliativmedizinische Kennzahl „Symptom- und Belastungserfassung mit MIDOS/IPOS bei Patienten mit primär metastasierten Krebserkrankungen oder neu aufgetretenen Metastasen“ wurde im Frühjahr und Sommer 2022 in 29 DKG-zertifizierten Organzentren und Onkologischen Zentren pilotiert (KeSBa-Projekt, [1, 13]). Das Onkologische Zentrum des Universitätsklinikums Würzburg (OZW), Standort Würzburg des Comprehensive Cancer Center Würzburg-Erlangen-Regensburg-Augsburg (CCC WERA), beteiligte sich am KeSBa-Projekt mit der Erfassung von Symptomen und Belastungen mittels IPOS bei Patienten, die im Tumorboard für endokrine Tumoren, im Tumorboard für Sarkome sowie im molekularen Tumorboard (MTB) vorgestellt wurden. Damit wurde in Würzburg kontrastierend zu den übrigen KeSBa-Zentren in nichtflächendeckend vorhandenen Tumorboards gescreent. Um einen ersten Eindruck von den Belastungen, dem Informationsbedarf und der Akzeptanz eines kombinierten Supportivscreenings zu erhalten, wurden die Zielpatienten gemeinsam von Psychoonkologie und Palliativmedizin in einem kombinierten 3‑teiligen Multisymptom-Fragebogen gescreent, welches das Distress-Thermometer (DT), die integrierte Palliativ-Outcome Scale (IPOS) und die Nutritional Risk Scale (NRS) enthält. Die Erfahrungen der Pilotphase sollen im Folgenden vorgestellt und diskutiert werden.

Fragestellungen

  1. 1.

    Über welche Symptome, Belastungen und Risiken berichten die Patienten in den einzelnen Screenings?

  2. 2.

    Wie viele Patienten sind in mehr als einem Screening auffällig und könnten von einem abgestimmten Vorgehen der unterstützend-therapeutischen Bereiche profitieren?

  3. 3.

    Über welche Supportivangebote wollen die Befragten näher informiert werden und welche Herausforderungen ergeben sich unter Beachtung der Entfernung vom Wohnort zum Behandlungsort OZW?

  4. 4.

    Wie wird der Multisymptom-Fragebogen akzeptiert?

Methodik

Im Pilotierungszeitraum vom 15.05.–08.08.2022 wurden die Zielpatienten für das IPOS-Screening durch eine geschulte Mitarbeiterin (SZ) während des Tumorboards identifiziert. Allen OZW-Patienten, die wegen primärer oder sekundärer Metastasierung oder wegen eines Rezidivs vorgestellt wurden, wurde der Multisymptom-Fragebogen mit einem gemeinsamen Anschreiben von Psychoonkologie und Palliativmedizin per Post mit frankiertem Rückumschlag zugesendet. Für die neue Routine waren die drei Selbsteinschätzungsbögen in einem zusammenhängenden Papierfragebogen hintereinander gereiht und um eine Frage nach dem Informationswunsch über verschiedene Unterstützungsangebote am Standort Würzburg des CCC WERA sowie um eine kurze Einschätzung des Fragebogens ergänzt (Belastung, Verständlichkeit, Länge). Die zurückgesendeten Fragebögen wurden von einer Palliativmedizinerin gesichtet, und dem Patientenwunsch entsprechend wurde gezielt Informationsmaterial versandt (BO). Die Bögen wurden retrospektiv ausgewertet. Dabei wurden die Schwellenwerte für psychoonkologischen Bedarf gemäß DT, für das NRS-Hauptscreening und für klinisch relevante Beeinträchtigung durch Symptome oder Probleme gemäß IPOS aus der Literatur übernommen [10, 12]. Für den Bedarf an spezialisiert-palliativmedizinischem Assessment bzw. Mitbetreuung wurde der von Ramsenthaler et al. vorgeschlagene und auch in der KeSBa-Arbeitsgruppe konsentierte Schwellenwert zugrunde gelegt: starke Beeinträchtigung durch mindestens 3 Symptome/Probleme oder sehr starke Beeinträchtigung durch mindestens 2 Symptome/Probleme. Zur Bewertung des Multisymptom-Fragebogens folgten eine Frage zur Fragebogenlänge (Antwortoptionen: zu lang, passend, zu kurz), eine Frage zur Verständlichkeit der Fragen (insgesamt verständlich, überwiegend verständlich, teilweise unverständlich, insgesamt unverständlich) sowie eine Frage nach der Belastung beim Ausfüllen des Fragenbogens (Likert-Skala von 0 [= keine Belastung] bis 10 [= maximale Belastung], [17]) und danach, ob die Bearbeitung des Fragebogens als angenehm oder unangenehm empfunden wurde (4 Antwortoptionen: insgesamt angenehm, teilweise angenehm, teilweise unangenehm, insgesamt unangenehm). Soziodemografische und krankheitsbezogene Daten sowie die Entfernung vom Wohnort zum UKW zur Abschätzung des Vernetzungsbedarfs mit wohnortnahen oder digital gestützten Supportiv‑/Palliativangeboten wurden der elektronischen Patientenakte entnommen. Eine Unbedenklichkeitsbescheinigung der Ethikkommission zur retrospektiven Auswertung der Fragebögen liegt vor (202200302 01).

Ergebnisse

Im Pilotierungszeitraum (15.05.–08.08.2022) wurden 709 Patienten in den 3 Tumorboards vorgestellt, darunter 152 Patienten zur Zweitmeinung (152/709, 21,4 %) und 118 Patienten mit primärer oder sekundärer Metastasierung oder Rezidiven (= Zielpatienten für das Screening, 118/709; 16,6 %). Die meisten Zielpatienten wurden im molekularen Tumorboard identifiziert (53/178; 37,8 %), gefolgt vom Sarkom-Board (35/377; 12,9 %) und dem Tumorboard für endokrine Tumoren (30/254; 17,9 %). Der Rücklauf betrug 49,1 % (58/118 verschickten Fragebögen).

Soziodemografie und tumorbezogene Daten

Die Hälfte der Patienten, die sich an der Befragung beteiligten, war männlich (29/58; 50,0 %), im Mittel waren die Teilnehmer 58,5 Jahre alt. Die meisten Screening-Patienten waren über das molekulare Tumorboard identifiziert (24/58; 41,4 %) und wurden wegen erstmaliger oder progredienter Metastasierung in einem der Tumorboards vorgestellt (35/58; 60,4 %). 29/58 Patienten wohnten näher als 50 km Luftlinie vom UKW entfernt (50,0 %, im Detail: Tab. 1).

Tab. 1 Soziodemografie (n = 58 Patienten)

Screening-Ergebnisse

46/58 Patienten gaben im DT einen Belastungswert an (79,2 %, MW 5,6, Median 6,0, SD 2,8111), und 33/58 Patienten waren DT-Screening-positiv (Distresswerte ≥ 5; 56,8 %). Bei 48/58 Patienten war das NRS-Vorscreening vollständig (82,7 %). 10/58 Patienten waren im Vorscreening auffällig (20,8 %). 3/58 Patienten hatten ein manifestes Ernährungsrisiko (≥ 3 Punkte im NRS, 5,1 %). Nach Murtagh et al. [10]. waren alle Patienten im IPOS klinisch relevant beeinträchtigt (≥ 1 mäßige, starke oder extrem starke Beeinträchtigung durch ≥ 1 Symptom/Problem, 58/58). Unter Zugrundelegung des höheren Schwellenwerts gemäß dem Entwicklerteam der Palliative care Outcome Scale [3] und Ostgathe et al. [12] waren 45/58 Patienten klinisch relevant beeinträchtigt (77,6 % Patienten mit ≥ 1 starken oder extrem starken Beeinträchtigung durch ≥ 1 Symptom/Problem). 27 Patienten waren durch mindestens 2 Symptome/Probleme extrem stark beeinträchtigt oder durch 3 Symptome/Probleme stark beeinträchtigt (= Bedarf SPV-Assessment und ggf. Mitbetreuung nach [14], 46,6 %). Zu der Beeinträchtigung durch Symptome/Probleme im Detail: Tab. 2.

Tab. 2 Deskriptive Statistik und Verteilung der Beeinträchtigung durch Symptome/Probleme, Prävalenz = Anteil Patienten mit mäßiger (2), starker (3) oder sehr starker (4) Beeinträchtigung/Belastung, Angaben in gültigen Prozent, Darstellung der Symptom‑/Problembereiche analog [10]

Mehrfachpositivität

Von 46 Befragten liegen Ergebnisse aller drei Screenings vor (46/58, 79,3 %). 13 Befragte waren in allen 3 Screenings unauffällig, 11 Befragte waren nur im DT auffällig, 19 Befragte waren sowohl im DT als auch im IPOS positiv, 1 Befragter war im DT und im NRS positiv, und 2 Befragte waren in allen drei Screenings positiv (im Detail dazu Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Mehrfachpositivität, n = 46 Patienten, DT+ = Einbezug Psychoonkologie/Psychosomatik/Psychiatrie/Sozialarbeit/Seelsorge empfohlen, IPOS+ = Einbezug palliativmedizinischer Spezialisten empfohlen, NRS+ = Ernährungsberatung (Erstellung Ernährungsplan) empfohlen

Wunsch nach Information über Unterstützungsangebote

50 Befragte beantworteten die Fragen zur gewünschten Information über die Unterstützungsangebote des CCC WERA am Standort Würzburg (50/58; 86,2 %). 31 Befragte wünschten zu mindestens einem Angebot nähere Informationen (31/58; 53,4 %). Am häufigsten wurde Informationen über Ernährungsberatung, „Sport und Krebs“, Mind-Body-Verfahren und Unterstützungsmöglichkeiten bei sozialen und rechtlichen Fragen oder familiären Problemen gewünscht (38,0 %; 36,0 %; 28,8 % und 27,5 %). 35 der insgesamt 130 Nennungen erfolgten von Befragten, die mehr als 100 km vom Behandlungsort UKW entfernt wohnen (im Detail dazu: Tab. 3).

Tab. 3 Informationswunsch über die therapiebegleitenden Angebote des CCC Mainfranken und Entfernung UKW – Patientenwohnort, Mehrfachnennungen möglich, gelistet nach absteigender Häufigkeit der Nennungen

Bewertung des Fragebogens

57/58 Patienten bewerteten die Länge des zusammengesetzten Fragebogens. 45/58 Patienten fanden die Länge passend (77,6 %,) und 7/58 Patienten fanden den Fragebogen zu umfangreich (12,1 %). 53/58 Befragten fanden den Fragebogen insgesamt verständlich (91,4 %), ein Befragter fand den Fragebogen teilweise unverständlich (1,7 %), und zwei Befragte fanden den Fragebogen überwiegend unverständlich (3,4 %). Ein Befragter wünschte sich eine Erklärung der „Fatigue-Sprechstunde“, ein zweiter Befragter gab eine kritische Rückmeldung zum IPOS-Item „Praktische Probleme“ („Wurden praktische Probleme angegangen?“ Von wem? Von mir schon, aber nicht vom zuständigen Arzt, Klinik, Krankenkasse!). 53 Befragte beantworteten die Frage nach der Belastung durch die Bearbeitung des Fragebogens (MW 2,0; Median 1,0; SD 2,5580; Spannweite 0–9). 47 Befragte fanden den Fragebogen überwiegend angenehm (47/58; 81,0 %), 5 Befragte fanden ihn teilweise unangenehm (5/58; 8,6 %) und 2 Befragten fanden den Fragebogen insgesamt unangenehm (2/58; 3,4 %). Als Verbesserungsvorschläge wurden die Erklärung von Fremdwörtern genannt, ein Befragter berichtete, dass das Ausfüllen eines Fragebogens generell persönlich sehr belastend sei, „zu viel Stress“.

Diskussion, Herausforderungen und Perspektiven

Die neue Palliativkennzahl wurde in Würzburg gemeinsam mit der Psychoonkologie im Rahmen eines breiter angelegten Symptom- und Belastungsscreenings in drei Organzentren des OZW pilotiert, die in Deutschland aufgrund der weniger häufig auftretenden Tumorentitäten nicht flächendeckend und wohnortnah für Patienten erreichbar sind. 27 % der Befragten lebten mehr als 100 km von Würzburg entfernt. Angesichts dieser Distanz sind mehr als punktuelle Beratungen durch Supportivspezialisten am Behandlungsort unrealistisch, sodass neue Wege für eine bedarfsorientierte supportive Unterstützung erforderlich sind. Darüber hinaus war ein hoher Anteil der Patienten nicht nur in einem Screening auffällig, sondern zwei Screenings oder gar alle drei Screenings zeigten überschwellige Werte bzgl. signalisierten Bedarf an spezialisiert-supportiver Unterstützung („Mehrfachpositivität“). Diese Ergebnisse belegen die Sinnhaftigkeit eines abgestimmten und regional vernetzten Vorgehens der supportiven Disziplinen.

Die Patienten berichten über klinisch relevante Beeinträchtigungen durch eine Vielzahl von Symptomen und Problemen, zumeist im psychosozialen Bereich. Im IPOS waren alle Patienten durch mindestens ein Symptom oder Problem klinisch so belastet, dass mögliche Ursachen und Behandlungs‑/Unterstützungsoptionen überprüft werden sollten. Die meistgenannten Belastungen fanden sich im emotionalen Bereich. In der hier vorliegenden Studie berichteten deutlich mehr Patienten über klinisch relevante Traurigkeit/Depressivität als in der Validierungsstudie mit Patienten in palliativmedizinischer Versorgung [10]. Die Belastung durch körperliche Symptome war bei den Befragten im Pilotierungsprojekt deutlich geringer (zwischen 5,2 % [Übelkeit] und 65,5 % [Schwäche, fehlende Energie] vs. 48,8 % [Kurzatmigkeit] und 84,8 % [Schwäche]). In Bezug auf die Items „Beunruhigung Patient“ und „Beunruhigung Familie“ waren die Werte in beiden Untersuchungen vergleichbar hoch (74,1 % vs. 51,9 % [Traurigkeit], 79,3 % vs. 71,0 % [Beunruhigung Patient], 87,9 % vs. 84,8 % [Beunruhigung Familie]), wobei die Befragten in der Validierungsstudie deutlich häufiger durch unzureichende Informiertheit belastet waren (83,5 % vs. 20,7 %). In beiden Studien berichteten mehr als ein Viertel der Befragten über ungelöste praktische Probleme (28,7 % in der Validierungsstudie vs. 27,6 % in der vorliegenden Untersuchung).

Die Durchführung und erste Bewertung eines Symptom- und Belastungsscreenings gehören in die Hände des primär behandelnden onkologischen Teams. Wie in vergleichbaren anderen Studien berichteten die Befragten auch im Pilotierungsprojekt eine Vielzahl von Symptomen und Problemen, zumeist im psychosozialen Bereich [2, 11]. Gleichzeitig verweist der Anteil von über 40 % Patienten mit klinisch relevantem Schmerz auch auf Handlungsbedarf im Bereich körperlicher Belastungen. Angesichts dieser Bedarfe ist die Sinnhaftigkeit einer strukturierten und wiederholten Symptom- und Belastungserfassung nicht anzuzweifeln. Allerdings ist auch bekannt, dass „Screening an sich“ keinen nachweislichen patientenbezogenen Nutzen hat [2, 5]. Zur Verbesserung der Versorgung trägt Symptom- und Belastungsscreening nur dann bei, wenn die Zuständigkeiten und das Vorgehen bei positivem Screening und ggfs. für den Einbezug der Spezialisten über Behandlungspfade transparent geregelt sind und ein Qualitätsmanagement etabliert ist [2, 5, 6, 15]. Es ist Gegenstand aktueller Diskussionen, welche Berufsgruppe und zu welchen Zeitpunkten das Symptom- und Belastungsscreening durchführen und die Ergebnisse sichten soll. Vielfach führen Fachpflegende das Screening durch oder sind bei der digital gestützten Erhebung für dessen Durchführung verantwortlich (für den deutschen Kontext dazu aktuell [9] sowie auch [16]). In den NCCN-Einrichtungen wird das Distress-Screening auch vom primär behandelnden Team bewertet, oft ebenfalls von Pflegenden, medizinischem Assistenzpersonal oder Sozialarbeiten, ebenso aber auch von Ärzten oder Psychologen [4]. Im Setting eines Symptom- und Belastungsscreenings bei onkologischen Patienten unter Therapie sollten die behandelnden Ärzte insbesondere in die Einordnung von körperlichen Symptomen einbezogen sein, um kausal behandelbare Ursachen und Therapienebenwirkungen nicht zu übersehen. Insgesamt sind Patientenselbsteinschätzungsbögen wertvolle Instrumente zur Sensibilisierung des primär behandelnden Teams für die Patientenbelange (s. dazu auch [1]). Die Bestandsaufnahme vor Beginn der Pilotierung der neuen Palliativzahl im Rahmen des KeSBa-Projektes zeigte, dass auch in den deutschen Zentren verschiedene Berufsgruppen am Screening beteiligt sind. In 19/29 an der Pilotierung beteiligten Zentren gab es Handlungsanweisungen bzw. SOP (Standard Operating Procedure) für das Vorgehen bei positivem Screening, und in 16/29 Zentren war ärztliches Personal in den Kliniken und Ambulanzen in die Durchführung des Screenings einbezogen [8].

Mehr als die Hälfte der Befragten waren screeningpositiv in Bezug auf spezialisierte supportiv-therapeutischer Unterstützung. Bei der Pilotierung in Würzburg wurde zwischen klinisch relevanten Belastungen durch einzelne Symptome/Probleme im IPOS und screeningpositiven Patienten mit Bedarf an spezialisierter supportiv-therapeutischer Unterstützung (inkl. Palliativmedizin) differenziert. Basierend auf den Schwellenwerten für den Einbezug der Psychoonkologie, der spezialisierten Palliativmedizin und der Ernährungsberatung waren 11/46 Patienten in einem Screening (DT), 20/46 in zwei Screenings (19-mal DT + IPOS, einmal DT + NRS) und 2/46 Patienten in allen drei Screenings positiv. In der hier befragten Patientengruppe wurden alle screeningpositiven Patienten mittels DT identifiziert. Nach unserem Wissen ist die vorliegende Auswertung die erste, in der ein Screening mit DT und IPOS in Bezug auf die Screening-Ergebnisse abgeglichen wurden. Angesichts des retrospektiven Designs, der geringen Stichprobengröße und der Patientenselektion in der vorliegenden Auswertung ist es zu früh für weitergehende Schlussfolgerungen. Auch wenn die Überlegung naheliegt, inwieweit der zeitgleiche Einsatz der beiden Instrumente zur Identifikation des Bedarfs an psychoonkologischer und/oder spezialisierter palliativmedizinischer Unterstützung möglicherweise durch ein abgestuftes Vorgehen abgelöst werden könnte. Eine prospektive Studie ist in Vorbereitung.

Angesichts des relevanten Anteils an Patienten, die in mehr als einem Screening positiv sind, scheint ein gemeinsames Screening mit abgestimmten Algorithmen für das weitere Vorgehen überaus sinnvoll. Das Screening in der Kombination der Fragebögen wurde gut akzeptiert, und die Belastung durch die Beantwortung des kombinierten 4‑seitigen Fragebogens wurde im Mittel mit 2,0 angegeben und lag damit nur etwas höher als in der Validierungsstudie des einseitigen MIDOS-Fragebogens, [17]. Die Zusammenarbeit der beteiligten supportiven Disziplinen sollte dabei so strukturiert werden, dass evtl. zukünftig empfohlene weitere Screenings (wie z. B. ein Screening auf geriatrischen Unterstützungsbedarf bei Patienten über 70 oder 75 Jahre) in das Supportivkonzept integriert werden können. Neben internen Absprachen und gemeinsamen SOP bieten auch Supportivboards eine gute Möglichkeit zur Strukturierung und Abstimmung des Vorgehens bei Patienten, die in mehreren Screenings auffällig sind.

Die Organisation wohnortnaher supportiv-therapeutischer Unterstützung stellt vor neue Herausforderungen. Ein großer Anteil der Befragten wünschte sich – neben der Ernährungsberatung – nähere Information über körperaktivierende Supportivmaßnahmen („Sport und Krebs“, Mind-Body-Verfahren), Unterstützung bei sozialrechtlichen Fragen und Zugang zur spezialisierten Schmerztherapie. Dies passt zu den berichteten Symptomen und Problemen. Bedauerlicherweise sind die Fallzahlen für Subgruppenanalysen zu gering. Informationen über die Inanspruchnahme der Supportivangebote waren bei der retrospektiven Datenerhebung nicht zugänglich und fehlen deshalb ebenfalls. In der Regel sind die supportiven Angebote der Zentren am Behandlungsort etabliert. Die Strukturanforderungen für Psychoonkologie, Palliativmedizin, Ernährungsberatung, onkologische Fachpflege und Sozialarbeit betreffen zumeist die Versorgung stationärer Patienten. Dies ist unproblematisch, wenn der Bedarf durch eine einmalige Beratung oder Gespräche in größerem Abstand gedeckt werden kann. Von längerfristiger Ernährungs- oder Schmerztherapie, regelmäßigen körperaktivierenden Angeboten und auch psychoonkologischer Unterstützung profitieren in der Regel die Patienten am häufigsten, die in der Nähe des Zentrums wohnen. Für den ländlichen Raum ergeben sich ebenso wie für Patienten mit eher seltenen Tumorerkrankungen unbeabsichtigt Versorgungsnachteile. In der vorliegenden Erhebung lebte immerhin jeder 2. Patient mehr als 50 km vom Behandlungsort entfernt. Hier sind neue Konzepte gefragt. Eine regelmäßige, pflegebasierte telefonische Unterstützung hat sich z. B. bei Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz bewährt [7]. In Corona-Zeiten aus der Not entstandene digitale Einzel- und Gruppenangebote sind eine weitere Option. Die Intensivierung der Zusammenarbeit mit dezentralen Beratungs- und Unterstützungsangeboten wie z. B. Krebsberatungsstellen oder Selbsthilfegruppen ist eine weitere Option. Die screeninggestützte Supportivversorgung würde möglicherweise – ähnlich wie beim Einbezug der SAPV (Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung) für die wohnortnahe häusliche Palliativversorgung von Patienten mit komplexen Symptomen üblich – von einer engen Zusammenarbeit mit Haus- und Fachärzten sowie mit regionalen Versorgern und Unterstützungsangeboten profitieren. Ein Anfang könnte z. B. ein „Supportivbrief“ mit den Ergebnissen von Screening, Assessment, den eingeleiteten oder empfohlenen Maßnahmen sowie der Benennung eines konkreten Ansprechpartners für Rückfragen oder Anregungen sein.

Limitationen

Die Aussagekraft der vorliegenden Erhebung ist durch die geringe Fallzahl und das monozentrische Design limitiert. Eine weitere Limitation ist die niedrige Rücklaufrate der Fragebögen. Möglicherweise haben viele Angefragte ohne relevante Symptome oder Belastungen den Fragebogen nicht beantwortet, sodass hier ein Bias entstanden ist. Andererseits haben evtl. auch extrem belastete, körperlich geschwächte und/oder kognitiv eingeschränkte Patienten den Fragebogen nicht beantworten können, sodass auch eine Untererfassung von Symptomen und Problemen nicht auszuschließen ist. Mit einer digital gestützten Erhebung, ggf. mit Assistenz in der Wartezeit im Rahmen routinemäßiger Patientenvorstellungen am Zentrum, könnte dieses Problem minimiert werden.

Fazit für die Praxis

  • Ein gemeinsames Screening von Psychoonkologie und Palliativmedizin war umsetzbar, und die Kombination der Fragebögen wurde von den Patienten gut akzeptiert.

  • Die postalische Befragung zeigte einen geringen Rücklauf, der durch eine digital-gestützte Erhebung vor Ort, ggf. mit Assistenz, verbessert werden könnte.

  • Die hohe Rate an klinisch auffälligen Patienten und der Bedarf an spezialisierter Unterstützung sollte zum gemeinsamen und abgestimmten Vorgehen der supportiv-therapeutischen Disziplinen motivieren.

  • Die bedarfsgerechte wohnortnahe Unterstützung im ländlichen Raum und bei Patienten mit eher seltenen Tumorentitäten ist bisher nicht hinreichend geklärt.