Nach Schätzung des Robert Koch-Instituts erleben ca. 50.000 minderjährige Kinder pro Jahr in Deutschland, dass ein Elternteil an Krebs erkrankt [30]. Die elterliche Krebserkrankung geht für alle Familienmitglieder mit einer erhöhten psychischen Belastung und einer im Vergleich zur Normalbevölkerung gesteigerten Rate an psychischen Folgeerkrankungen einher [19]. Da die Familien in der klinischen Routine nicht ausreichend identifiziert werden, adäquate Unterstützungsangebote nicht vorhanden, nicht bekannt oder für die Familien schwer erreichbar sind, werden nur wenige Familien angemessen unterstützt [6].

In diesem Artikel werden zunächst die Grundlagen für die Entwicklung einer neuartigen Intervention dargestellt: die psychosozialen Belastungen beider Elternteile und der Kinder, die Auswirkungen auf den Familienalltag, aber auch die möglichen Schutzfaktoren zur Vermeidung psychischer Folgeerkrankungen. Durch einen Abgleich von Unterstützungsbedürfnissen mit vorhandenen Interventionen sowie hemmender und fördernder Faktoren der Inanspruchnahme werden weitere Faktoren beleuchtet. Die inhaltliche Entwicklung und praktische Umsetzung der neuen Intervention „Familien-SCOUT“, Erfahrungen und erste Ergebnisse aus der zugehörigen Studie werden berichtet.

Belastungsfaktoren der erkrankten Elternteile

Während einer Krebserkrankung gibt mehr als die Hälfte der Patienten* erhöhte psychosoziale Belastungen an [18], bei über 30 % wird eine psychische Erkrankung diagnostiziert [24]. Wenn die onkologisch erkrankten Patienten minderjährige Kinder haben, kommen zu den allgemeinen krankheitsbezogenen Einschränkungen und Sorgen auch noch die Befürchtungen um die weitere Entwicklung der Kinder hinzu [1]. Dabei steht besonders im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung die elterliche Sorge um die Zukunft der Kinder eindeutig im Zusammenhang mit erhöhten Depressions- und Angstwerten [21].

Gesunde Partner und Kinder sind auch belastet

Die nicht onkologisch erkrankten Partner weisen ebenfalls deutlich erhöhte Belastungswerte auf und haben im weiteren Verlauf des Lebens im Vergleich zur Normalbevölkerung ein erhöhtes Morbiditätsrisiko, z. B. in Bezug auf affektive Störungen [19].

Aus kindlicher Perspektive sind vor allem die spürbare Unsicherheit und Sorge der Eltern und der Verlust der Alltagsroutine bedeutsam. Auch wenn die Belastung der Kinder nicht leicht zu erfassen ist, da z. B. kleinere Kinder selbst noch keine Auskunft geben können und ältere Kinder teilweise zur Überkompensation neigen, weisen Studien darauf hin, dass auch die Kinder vermehrt emotionale Probleme und Verhaltensauffälligkeiten entwickeln. Fast die Hälfte der Kinder von Eltern mit einer Krebserkrankung zeigt einen schulischen Leistungsabfall, soziale Isolation oder deutliche Verhaltensauffälligkeiten [26]. Bei mehr als 30 % der Kinder fallen klinisch relevante Angstsymptome, depressive Verhaltensweisen und psychosomatische Beschwerden im weiteren Verlauf auf [23, 29].

Diese Belastung kann sich auch durch unspezifische körperliche Symptome äußern [9]. Oft macht sich das erst Jahre später bemerkbar, wenn es um die Bewältigung einer nächsten Schwellensituation geht. Die psychische Belastung der Kinder und Jugendlichen kann von Außenstehenden – selbst von den Eltern – schlecht eingeschätzt werden und wird eher unterschätzt [29].

Viele Dimensionen des Alltags betroffen

Durch die Erkrankung von Vater oder Mutter werden gleich mehrere Dimensionen des Familienalltags beeinträchtigt: Sowohl für die Kinderbetreuung als auch für Haushaltsarbeiten steht der betroffene Elternteil nicht mehr in gewohntem Maße zur Verfügung. Alltagsabläufe gehen verloren, Aufgaben und Rollen müssen neu verteilt werden [17] und Kinder können nicht mehr in gewohntem Maße in ihrer Entwicklung und bei ihren Freizeitaktivitäten unterstützt werden.

Bei den länger dauernden Behandlungen kommen finanzielle Einbußen fast regelhaft vor. Arbeitnehmer erhalten ab der sechsten Krankheitswoche Lohnersatzzahlungen, bei Selbstständigen reduziert sich das Einkommen oft schon viel früher. Eltern mit finanziellen Schwierigkeiten berichten deutlich häufiger über Auffälligkeiten bei ihren Kindern [22].

Im Familiensystem wirken sich elterliche Belastungen und Sorgen in vielfältiger Weise auf die Belastung der Kinder aus [15] und umgekehrt führen Sorgen um Verhaltensauffälligkeiten und psychische Erkrankungen ihrer Kinder zu zusätzlicher Belastung bei den Eltern [12].

Schutzfaktoren für eine gesunde kindliche Entwicklung

Es konnten aber auch Schutzfaktoren identifiziert werden:

Adäquate Bewältigungsstrategien und das Funktionieren der Familie scheinen Prädiktoren für das psychische Wohlbefinden des Kindes zu sein [8]. Die psychologische Funktionsfähigkeit der Eltern, die Zufriedenheit mit der Ehe und die Kommunikation in der Familie sind dabei die konsistentesten Variablen im Zusammenhang mit der Funktionsfähigkeit des Kindes [28]. Auf familiärer Ebene galten z. B. Familienzeit, offene Kommunikation und die Kinder selbst als wichtige Ressourcen [11].

Offenbar entscheidet nicht das Ausmaß der Erkrankung über psychische Auffälligkeiten der Kinder, sondern welchen Umgang die Familien damit finden. Erfahren Kinder eine kognitive Orientierung zum Krankheitsgeschehen, einen sicheren und vertrauensstiftenden Rahmen, um ihre Ängste und Sorgen mitzuteilen, dann sind sie in der Lage, eine solche Belastungssituation nicht traumatisch, sondern sozial gereift zu verarbeiten [3].

Interventionen sollten die Funktionalität der Eltern und des Familiensystems und die Entwicklung adäquater Bewältigungsstrategien unterstützen.

Unterstützungsbedürfnisse der Eltern und Kinder

Der konkrete Unterstützungsbedarf der betroffenen Familien wurde in verschiedenen Studien erhoben:

  • Interventionen sollten sowohl Eltern als auch Kinder mit einbeziehen [25].

  • Eltern benötigen:

    • Unterstützung bei der Organisation des Haushalts, der Kinderbetreuung [16] und der finanziellen Absicherung [14]

    • Informationen über die Bewältigungsmöglichkeiten ihrer Kinder, zum Umgang mit ihren Kindern, deren Gefühlen und Verhalten [14]

  • Kinder benötigen:

    • Altersgerechte Information über die elterliche Erkrankung, Unterstützung bei der Kommunikation mit ihren Eltern, der Familie und den Gesundheitsprofessionellen [5]

    • Eine Umgebung, in der sie sicher über positive und negative Emotionen sprechen können, und den Austausch mit anderen Kindern in der gleichen Situation [5]

    • Gegebenenfalls spezialisierte Trauerbegleitung [5]

Insbesondere bei der Vorbereitung auf das Versterben des erkrankten Elternteils und beim gemeinsamen Abschiednehmen benötigen Familien die Unterstützung durch einen allen vertrauten Ansprechpartner.

Ein Wechsel von einer personenzentrierten hin zu einer familienzentrierten Versorgung scheint sinnvoll.

Vorhandene Interventionen heterogen

In den letzten Jahren sind an vielen Orten Unterstützungsangebote, oft im Rahmen von Studien, entstanden. Sie adressieren aber häufig nur einen Teil der Familienmitglieder und/oder einen Teil der oben aufgezeigten Unterstützungsbedarfe [10]. Beim Abgleich von 15 vorhandenen Interventionen mit den oben definierten Bedarfen [5] wurde keine Intervention identifiziert, die alle angesprochenen Bedürfnisse adressierte [20].

In der Regel endet mit der Studie auch das Interventionsangebot für die Familien.

Übersichtsarbeiten weisen darauf hin, dass die Interventionen und die Forschungsdesigns sehr heterogen sind und die Studienqualität niedrig ist. Es besteht Bedarf an passgenauen und gezielteren Interventionen. Standardisierte Versorgungsniveaus für die Kinder von Krebspatienten müssen empirisch gestützt, effektiv sein und den Grundsätzen der Vermeidung von Folgeerkrankungen entsprechen [2].

Hemmende und fördernde Faktoren der Inanspruchnahme

Bei der Entwicklung neuer Interventionen muss berücksichtigt werden, warum existierende Unterstützungsangebote bisher nicht in erwartetem Maße in Anspruch genommen werden. Weniger als die Hälfte der betroffenen Eltern (44 %) nimmt überhaupt psychosoziale Unterstützung in Anspruch und nur 9 % erhalten eine spezifische familien- und kindzentrierte Unterstützung [7].

Folgende potenzielle Barrieren der Inanspruchnahme konnten in einem systematischen Review [13] identifiziert werden: praktische Schwierigkeiten wie Zeitaufwand, Entfernung zum Ort der angebotenen Beratung, Transport der Kinder, (nicht) wahrgenommener Unterstützungsbedarf oder Angst vor Stigmatisierung, ebenso wie Krankheitsmerkmale (erkrankter Elternteil zu schwach) und Komplikationen in der Kooperation. Förderlich für die Inanspruchnahme war es, wenn Krebspatienten den Nutzen von Unterstützungsdiensten nachvollziehen konnten und die Intervention eine flexible Struktur und Zugänglichkeit aufwies [13]. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die Bereitstellung von Informationen über die Interventionen durch Kliniker und die Darstellung der Unterstützung als Teil der Routineversorgung Schlüsselthemen für die Implementierung und Nutzung psychosozialer Unterstützung sind.

Familienzentrierte Versorgung – im Sozialgesetzbuch V schwer umsetzbar

Das SGB V (Sozialgesetzbuch V für GKV = gesetzliche Krankenversicherungen) bezieht sich in seiner jetzigen Form primär und ausschließlich auf den erkrankten Patienten. Belastete Familienangehörige mit einem erhöhten Morbiditätsrisiko existieren in dieser Systematik nicht. Das kann zu folgender paradoxen Situation führen: In der Familie, in der die Mutter an Brustkrebs terminal erkrankt ist und eine Haushaltshilfe nach § 38 SGB V zur Unterstützung durch die GKV finanziert wird, endet die Leistung mit dem Todestag der Mutter (= Tod der Versicherten), obwohl die Familie die Unterstützung zu diesem Zeitpunkt am dringendsten benötigt. Andere Sozialgesetzbücher, z. B. das SGB VIII (Jugendhilfe), halten zwar weitere Unterstützungsmöglichkeiten vor, sind aber entweder nicht bekannt oder Eltern befürchten negative Konsequenzen, wenn die Jugendhilfe informiert wird.

Kinder können im Rahmen der jetzigen Version des SGB V nur dann z. B. psychotherapeutisch unterstützt werden, wenn sie eine eigene Diagnose für eine psychische Erkrankung erhalten. Da für die Kinder die erteilte Diagnose stigmatisierend wirken kann und für ältere Jugendliche zusätzlich negative Auswirkungen auf den Abschluss einer Lebens- oder Berufshaftpflichtversicherung haben kann, bleiben sie unterversorgt.

Der derzeitigen SGB-V-Logik folgend wird Elternschaft für minderjährige Kinder im onkologischen Medizinbetrieb weder standardisiert identifiziert noch adäquat dokumentiert.

Hierzu passt, dass die in diesem Artikel angegebenen Daten für die Anzahl der pro Jahr betroffenen Kinder und Eltern ausschließlich auf Hochrechnungen des Robert-Koch-Instituts beruhen, weil bisher systematische Erhebungen fehlen.

Entwicklung einer komplexen aufsuchenden Intervention: Familien-SCOUT

Aus diesen Grundlagen ergeben sich damit folgende Kriterien für eine bedarfsorientierte Intervention und deren Implementierung:

  1. a)

    Rahmenbedingungen:

    • An Krebs erkrankte Elternteile müssen im medizinischen Versorgungsbereich identifiziert und aktiv aufgesucht werden.

    • Angebote müssen niedrigschwellig zugänglich und leicht in den Alltag integrierbar sein (z. B. durch Hausbesuche bei den Familien).

    • Die Unterstützung der Partner und Kinder eines krebskranken Elternteils muss auch nach dessen Tod noch Fortsetzung finden können (u. a. zur Trauerbegleitung).

  2. b)

    Inhaltlich sollten die oben skizzierten Bedarfe Berücksichtigung finden.

  3. c)

    Eine Überführung in die Regelversorgung sollte angestrebt werden.

Mit dem Modellprojekt „Brückenschlag“ wurde auf Initiative des CIO Aachen und des regionalen Caritasverbands Aachen versucht, diesen Kriterien Rechnung zu tragen, und ab 2014 eine entsprechende Intervention entwickelt [16]. Der „Brückenschlag“ bezieht sich dabei sowohl auf eine Brücke zwischen Gesundheitssystem (SGB V) und Jugendhilfe (SGB VIII), über die Sektorengrenzen (stationär und ambulant) und über alle Krankheitsphasen hinweg als auch über den Tod des erkrankten Elternteils hinaus.

Mit finanzieller Förderung durch Aktion Mensch wurden zwei Mitarbeitende (später Familien-Scouts genannt) eingestellt und – orientiert am Modell eines klassischen Care- und Case-Managements, also Netzwerkmanagement und Fallmanagement – mit folgenden Aufgaben betraut:

  1. 1.

    Als fester Ansprechpartner den Familien zur Verfügung zu stehen und Basisinterventionen für folgende Bereiche niedrigschwellig (Hausbesuch) anzubieten:

    1. a)

      Sozialrechtliche Beratung (Unterstützung bei der Organisation von Kinderbetreuung und Haushalt, Beratung zur finanziellen Absicherung der Familie, Vorsorgeplanung)

    2. b)

      Öffnung der Kommunikation in der Familie (Kinder altersadäquat über die elterliche Krankheit informieren, in Veränderungen des Alltags einbeziehen, gemeinsame Gespräche über emotionale Bewältigung fördern)

    3. c)

      Emotionale Krankheitsbewältigung (Anpassung an Unsicherheit, gegebenenfalls an palliative Situation, Abschied nehmen und Trauer begleiten)

  2. 2.

    In der Familie ein Case-Management zu etablieren, indem die Familie über vorhandene organisatorische, finanzielle, psychosoziale, pflegerische und palliative regionale Versorgungsmöglichkeiten informiert wird und ihr Zugang dazu vermittelt wird. Ziel ist die Befähigung der Familie zur weiteren eigenständigen Bewältigung.

  3. 3.

    In der Region ein interdisziplinäres Versorgungsnetz aufzubauen und zu pflegen. Zum Versorgungsnetz gehören Leistungsträger und -erbringer, Krankenkassen, Jugendhilfe, Mitarbeitende aus stationärer und ambulanter Onkologie, Psychoonkologie, aus dem palliativen Netzwerk, Psychotherapeuten für Erwachsene und für Kinder und Jugendliche, Trauerbegleiter etc. (siehe Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Schematische Darstellung Intervention. ET erkrankter Elternteil, GT gesunder Elternteil, SGB Sozialgesetzbuch

Zur Veranschaulichung ein typisches Beispiel

Ausgangssituation: Vater 36 Jahre alt, ganztags berufstätig als Elektrotechniker, ein Sohn (neun Monate). Mutter, 32 Jahre alt, bei Diagnosestellung: fortgeschrittenes Mamma-Ca mit LK-Metastasen am Hals, mehrfache Operationen nötig. Anschlussheilbehandlung für drei Wochen, danach weitere nebenwirkungsreiche Behandlung, deutlich reduzierte Leistungsfähigkeit. Inanspruchnahme medizinischer Maßnahmen, wie Physiotherapie etc., schwierig. Zunehmend finanzielle Unsicherheit, Elterngeld ausgelaufen, Krankengeldzahlung beendet. Partner erschöpft, kaum noch Kommunikation.

Bei einem Elterngespräch im Rahmen des ersten Hausbesuchs führt der Familien-Scout ein Assessment durch, um die Bedarfe der Familie zu identifizieren. Die weiteren Interventionsschritte zeigt Tab. 1.

Tab. 1 Fallbeispiel zur Intervention durch Familien-Scout

Die Auswertung der Modellprojektphase Brückenschlag (2014–2017) zeigte die Machbarkeit der Intervention und die gelungene Implementierung. Von 160 angesprochenen Familien nahmen 133 Beratung oder intensive Begleitung in Anspruch [16].

Wirksamkeitsstudie

Voraussetzung für die Übernahme in die Regelversorgung ist ein Wirksamkeitsnachweis.

Unter dem Akronym Familien-SCOUT („sectoren- und phasenübergreifende Unterstützung für Familien mit krebskrankem Elternteil“) wurde die Evaluation der neuen Versorgungsform vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) bewilligt (01NVF17043).

Unter dem Motto „Gemeinsam einen guten Weg finden“ (siehe Abb. 2) wurde die im Rahmen des Modellprojekts implementierte Intervention einer Wirksamkeitsevaluation unterzogen [4]. Es konnten Partner an den Unikliniken Bonn und Düsseldorf gewonnen werden. Primäres Outcome ist die klinisch relevante Reduktion von Ängsten und Depressivität bei mindestens einem Elternteil als Hinweis auf eine Belastungsreduktion und/oder Ressourcenstärkung in der Familie insgesamt.

Abb. 2
figure 2

Auszug aus dem Studien-Flyer

Als rechtliche Grundlage für die Intervention im Rahmen der Studie wurde mit den beteiligten Krankenkassen ein Vertrag zur integrierten Versorgung nach § 140a SGB V geschlossen und damit ein wesentlicher Grundstein für eine potenzielle Überführung in die Regelversorgung geschaffen. Die neue Versorgungsform wird mit einer Pauschale abgegolten, sodass eine flexible, bedarfsorientierte Leistung, auch über den potenziellen Tod eines Elternteils hinaus, gewährt werden kann.

Da sich im Rahmen des Modellprojekts der aktiv aufsuchende Zugang des Familien-Scouts bewährt hat, wurde er beibehalten: Die im onkologischen Bereich Tätigen (Ärzte, Pflege, Sozialarbeiter, Psychoonkologen) identifizieren die Patienten mit minderjährigen Kindern und fragen, ob ihre Kontaktdaten weitergegeben werden dürfen, damit das Projekt Familien-SCOUT aktiv auf sie zugehen kann (siehe Abb. 1). Der feste Ansprechpartner, den die Familien erhalten, nennt sich Familien-Scout.

Erfahrungen und erste Ergebnisse

An der Studie nahmen von 2018 bis 2021 insgesamt 472 Familien mit 1496 Familienangehörigen teil. Die Familien haben 1–8 Kinder, am häufigsten 1 Kind. Die erkrankten Elternteile (ET) sind häufiger Frauen, sie gaben als Krebsdiagnosen am häufigsten (mehr als ein Drittel) Brustkrebs an, gefolgt von Hirntumoren und hämatologischen Neoplasien (Leukämie oder Lymphom) mit jeweils 5–10 %, Hautkrebs, Zervixkarzinom und Darmkrebs gaben jeweils unter 5 % der ET an.

Die auf der Hospital Anxiety and Depression Scale angegebenen Belastungswerte lagen zu Studieneinschluss im Mittel bei den ET und gesunden Elternteilen (GT) gleich hoch und deutlich über dem HADS-Schwellenwert, ab dem eine abklärungsbedürftige psychische Belastung vorliegt. Unsere Ergebnisse bestätigen die hohe Belastung beider Elternteile. Die weiteren Daten zur Wirksamkeit befinden sich in der Auswertungsphase und werden Anfang 2023 auf der Internetseite des Innovationsfonds des G‑BA veröffentlicht (Infobox 1).

Infobox Familien-SCOUT beim Innovationsfonds des G-BA

figure b

Eine Implementierung der neuen Versorgungsform „Familien-SCOUT“ konnte während der Studienlaufzeit in Bonn und nach Abschluss der Studie in Düsseldorf realisiert werden.

Mit der Techniker Krankenkasse und der AOK Rheinland/Hamburg wurden weitere Verträge nach § 140a als Überbrückungsverträge geschlossen. Drei weitere Krankenkassen (BIG direkt gesund, IKK classic und Mobil Krankenkasse) sind bereits beigetreten.

Empfehlungen für Onkologen

In der psychosozialen Versorgung krebskranker Eltern und ihrer minderjährigen Kinder haben onkologisch tätige Ärzte eine Schlüsselrolle. Die Grundvoraussetzung ist, die onkologischen Patienten nach minderjährigen Kindern zu fragen, um sie in ihrer Elternrolle zu identifizieren. Nur so ist es möglich, sie über regional vorhandene Unterstützungsangebote zu informieren und sie zu ermutigen, diese als Teil der Regelversorgung in Anspruch zu nehmen. Die „Interessensgemeinschaft Kinder krebskranker Eltern“ veröffentlicht auf der Internetseite https://kinder-krebskranker-eltern.de [27] unter der Rubrik „Viele Infos/link-Tipps“ eine bundesweite Liste mit regionalen Unterstützungsangeboten.

Da die offene Kommunikation über die Erkrankung gerade für jüngere Kinder von zentraler Bedeutung für eine gelingende Bewältigung ist, gilt es hier, die Eltern zu bestärken, ihre Kinder altersentsprechend zu informieren. Eltern haben häufig Angst, ihre Kinder dadurch zu sehr zu belasten. Das Gegenteil ist der Fall: Kinder, die nicht informiert werden, entwickeln nicht selten schuldbesetzte Phantasien, die viel schlimmer sind als die Realität. Sie haben keinen eigenständigen Zugang zu Information. Daher ist es wichtig, Eltern mit guten Broschüren und hilfreichen Medien zu versorgen. Eine Auflistung von hilfreichem Informationsmaterial und weiterführenden Links sowie eine Bücherliste für Eltern, Jugendliche und Kinder zeigt Tab. 2.

Tab. 2 Liste mit hilfreichem Material

Fazit für die Praxis

Im onkologischen Bereich Tätige können krebskranke Eltern mit minderjährigen Kindern kompetent und effizient bei der Krankheitsbewältigung unterstützen, wenn sie

  • Eltern mit minderjährigen Kindern identifizieren.

  • regionale Unterstützungsangebote kennenlernen und Familien aktiv dorthin vermitteln.

  • Eltern zu offener Kommunikation ermutigen und sie mit Infomaterial versorgen.

  • im Rahmen eines regionalen Netzwerks die Zusammenarbeit zwischen allen Leistungsträgern und -erbringern fördern.