Lange hat das CUP-Syndrom ein Schattendasein in der wissenschaftlichen Erforschung von Krebserkrankungen gefristet, obwohl die Situation „cancer of unknown primary“ (CUP, Krebserkrankung mit unbekanntem Primärtumor) nach Registerdaten nach wie vor zu den 10 häufigsten Krebserkrankungen zählt [1]. Eine Ursache hierfür war sicherlich, dass das CUP-Syndrom ein sehr vielgestaltiges Krankheitsbild ist, was eine Fokussierung auf Subentitäten für die wissenschaftliche und praktische Annäherung erfordert. Ein anderer Grund dafür mag sein, dass es für das CUP-Syndrom weltweit keine einzige von den Gesundheitsbehörden zugelassene Therapie gibt und daher seitens der forschenden Pharmaindustrie das Interesse an dieser Erkrankung bisher nicht sehr groß war.

Das CUP-Syndrom hat in den letzten Jahren an wissenschaftlicher Bedeutung gewonnen

In den letzten Jahren erlebt man nun erfreulicherweise eine stetig wachsende Hinwendung der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zum CUP-Syndrom − bedingt durch eine sich wandelnde Betrachtung maligner Erkrankungen insgesamt. Immer stärker wird der Fokus auf die Biologie der Tumorzelle, die durch moderne molekularbiologische Techniken – von Genexpressions- und epigenetischen Profilen bis hin zur Whole-Genome- und Whole-Methylome-Sequenzierung mittels NGS („next generation sequencing“) und Charakterisierung der Immuncheckpoints – immer mehr ihrer Geheimnisse preisgibt. Einige Dutzend therapierelevanter Treibermutationen wurden bisher identifiziert, die z. T. direkte therapeutische Konsequenzen durch die Verfügbarkeit entsprechender zielgerichteter Tyrosinkinaseinhibitoren haben, dazu Unmengen von harmloseren Bystandermutationen. Es gelingt bereits zunehmend, die Genese von primären Ereignissen von denen im weiteren Verlauf entstandenen Subklonen durch vergleichende Analysen zu differenzieren [2] und so auch dem Geheimnis der klonalen Evolution beim CUP-Syndrom einen Schritt näher zu kommen. Genauso ist die zweite große Entwicklung in der aktuellen Krebsbehandlung nicht primärtumorabhängig, sondern von der Immunogenität von Tumorzellen und dem Status ihrer Immuncheckpoints, welche sowohl die Bildung und Proliferation tumorspezifischer zytotoxischer T‑Zellen regulieren wie die Angreifbarkeit von Tumorzellen durch dieselben. Die daraus entwickelte Immuncheckpointblockade führt derzeit zu tiefgreifendem Wandel in der Krebsbehandlung mit z. T sehr hoffnungsvollen Ergebnissen [3].

Dies alles wirkt sich auf die Diagnostik und Therapie bei Patienten mit CUP-Syndrom aus − eine Erkrankung, mit deren Erforschung sich weitere tiefe Einsichten in die Tumorbiologie gewinnen lassen.

In diesem Heft erhalten die geneigten Leser einen umfassenden Überblick unter praktischen Gesichtspunkten. In einer sehr schönen Übersicht zeigt Stahl, was jeder über die Basics des CUP-Syndroms wissen muss. Nach wie vor ist insbesondere die Kenntnis von prognostisch günstigen Subentitäten, die einer spezifischen Behandlung bedürfen, essenziell für den behandelnden Arzt. Diese werden bewusst ausführlich auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft dargestellt: resektable Manifestationen von Vallböhmer, zervikale Lymphknotenmetastasen unter besonderer Berücksichtigung der Strahlentherapie von Haussmann und Budach, die weiteren günstigen Subgruppen von Löffler und Krämer in jeweils exzellenten fundierten Beiträgen. Für internistische Onkologen ist häufig die Behandlung sog. ungünstiger Manifestationen eine besondere Herausforderung, der sich Bochtler und Krämer widmen und dabei einen Ausblick in die Zukunft geben. Von besonderem Interesse sind die aktuellen Entwicklungen der Molekularbiologie, die Folprecht auf dem aktuellen Stand zusammengefasst hat.

Und sie bewegt sich doch – die Erforschung des CUP-Syndroms! Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre und eine echte Hilfe im Behandlungsalltag durch diese aktuelle Ausgabe von Der Onkologe.

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Gerdt Hübner

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Heinz Schmidberger