Zusammenfassung
Hintergrund
Die erfolgreiche Behandlung von neuroendokrinen Tumoren nach dem Theranostik-Prinzip ist ein Durchbruch, der auch andere Tumorentitäten in den Fokus der molekularen Bildgebung und Therapie mit radiosiotopenmarkierten Liganden gerückt hat.
Ergebnisse
Der Nachweis von primären und metastasierten Prostatakarzinomen mit Gallium-68(68Ga)-markiertem PSMA („prostate-specific membrane antigen“) und die molekulare Radiotherapie mit Lutetium-177(177Lu)-PSMA unter Verwendung sog. kleiner Moleküle in Form der PSMA-vermittelten Radioligandentherapie (PRLT) gilt als nächster Meilenstein der personalisierten nuklearmedizinischen Diagnostik und Therapie. Die 68Ga-PSMA-PET-CT ermöglicht den spezifischen Nachweis von primären Prostatakarzinomen und die Detektion sehr kleiner Metastasen im Bereich von wenigen Millimetern mit bisher nicht gekannter Sensitivität und Spezifität. Die quantitativen PET-CT-Bilddatensätze dienen auch der gezielten Selektion von Patienten für die PRLT im Sinne der „precision medicine“ und können ebenso für die Evaluation des Ansprechens auf die Therapie (molekulare Therapieantwort) herangezogen werden.
Schlussfolgerung
Die Ergebnisse der seit Frühjahr 2013 mit 177Lu-PSMA behandelten Patienten in verschiedenen deutschen Zentren zeigen, dass die PRLT ein sehr großes Potenzial zur effektiven Therapie von Patienten mit metastasierten Prostatakarzinomen hat, die auf eine Hormon- und/oder Chemotherapie nicht mehr ansprechen. Weitere, möglichst prospektive und randomisierte Studien zur validen Ermittlung von Daten zum progressionsfreien und zum Gesamtüberleben müssen den Stellenwert der Radioligandentherapie mit 177Lu-PSMA und den evtl. früheren Einsatz und die Abfolge im Rahmen verschiedener Therapiemodalitäten zukünftig noch genauer definieren, insbesondere im Vergleich (oder auch in Kombination) mit bereits etablierten Substanzen wie Enzalutamid, Abirateron oder Docetaxel. Weitere Verbesserungen sind durch die Anwendung von α‑Strahlern (z. B. Actinium-225- oder Bismuth-213-markierte PSMA-Liganden) sowie die Kombination mit Hormonsyntheseinhibitoren oder mit Radiosensitizern denkbar.
Abstract
Background
The success of using theranostic pairs in neuroendocrine neoplasms has paved the way for the development of targeted diagnosis and therapy in other tumors.
Results
Molecular imaging of prostate cancer using PET/CT with Ga-68 labeled prostate-specific membrane antigen (PSMA) small molecules and molecular radiotherapy applying PSMA-mediated radioligand therapy (PRLT) with Lu-177 labeled PSMA is the next major milestone in personalized nuclear medicine. Ga-68 PSMA PET/CT enables very accurate detection of prostate cancer and of very small metastases with high diagnostic sensitivity and specificity and provides quantitative, reproducible data that can be used for selecting patients for PRLT and for evaluation of the response to therapy in the sense of precision medicine.
Conclusion
PRLT using Lu-177 PSMA small molecules seems to be very effective for the treatment of metastasized, castrate-resistant progressive prostate cancer (mCRPC) even in very advanced cases as shown in different nuclear medicine treatment centers in Germany since early 2013. In addition, significant improvement in clinical symptoms and excellent palliation can be achieved with low or minimal toxicity. Further prospective randomized clinical trials for head-to-head comparison with other established treatment modalities (e. g., abiraterone, enzalutamide, docetaxel) are warranted for an unbiased evaluation of progression-free and overall survival data and to consider PRLT earlier in the management of mCRPC. Further improvements are possible by using targeted alpha radiation therapy (bismuth-213 or actinium-225 labelled PSMA) or by combining PRLT with novel androgen deprivation therapies or with radiosensitizers.
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Einleitung
Theranostik umfasst die Diagnostik und Therapie im Rahmen der sog. personalisierten Medizin. In der molekularen Nuklearmedizin besteht das Prinzip darin, bei bestimmten Tumorarten molekulare Targets zu definieren, die es erlauben, den optimalen Radioliganden für die Diagnostik und Therapie zu selektionieren [1]. Beispielhaft hierfür ist seit 75 Jahren die Anwendung von Radiojod zur Diagnostik und Behandlung des differenzierten Schilddrüsenkarzinoms [2]. Bei neuroendokrinen Tumoren wurden vor über 20 Jahren erstmals erfolgreich spezifische Peptide entwickelt, die an Somatostatinrezeptoren binden, wobei sich für die Diagnostik der Positronenemitter Gallium-68 (68Ga) und für die Therapie der β‑Emitter Lutetium-177(177Lu; jeweils gekoppelt an den gleichen Chelator) bewährt haben [3]. Welche bedeutsame Rolle die molekulare Bildgebung mit PET-CT für die Auswahl geeigneter Patienten für eine bestimmte Therapiemethode innehat – und dass mittels Rezeptor-PET-CT auch der Erfolg der Therapie überprüft werden kann (molekulare Bildgebung zur Verlaufskontrolle) – wurde hierbei erstmals ersichtlich. Dem gleichen Prinzip folgend hat die Entdeckung von sog. kleinen Molekülen („small molecules“), die an das prostataspezifische Membranantigen (PSMA) binden, die Entwicklung von Theranostic Pairs (68Ga/177Lu) ermöglicht, die zur Diagnostik und Therapie von Prostatakarzinomen herangezogen werden können [4, 5].
Die 68Ga-PSMA-PET-CT eignet sich ideal, um Patienten mit progredientem metastasiertem Prostatakarzinom, die auf eine Hormontherapie nicht mehr ansprechen (sog. mCRPC-Patienten; mCRPC metastasiertes kastrationsresistentes Prostatakarzinom) aufgrund des jeweiligen PSMA-Expressionsprofils für eine Radioligandentherapie zu selektionieren [5].
In der Primärdiagnostik kann die 68Ga-PSMA-PET-CT die multiparametrische MRT ergänzen – z. B. in der genauen Angrenzung suspekter intraprostatischer Läsionen für die gezielte Biopsie –, insbesondere dann, wenn zuvor negative Biopsieergebnisse vorliegen. Vergleichende Untersuchungen zeigen, dass die PET-CT bei Patienten mit intermediärem bis hohem Risiko den Standardverfahren (CT, MRT und Knochenszintigraphie) bei dieser Fragestellung hinsichtlich Spezifität und Sensitivität überlegen ist [7].
In der Verlaufskontrolle nach Primärtherapie ist die PSMA-PET-CT auch bei Patienten mit nur minimal erhöhtem PSA in der Lage, Rezidive und Metastasen mit hoher diagnostischer Genauigkeit nachzuweisen, was möglicherweise durch eine auf den individuellen Patienten optimierte Therapieplanung („personalized medicine“) zu einem verbesserten Ergebnis führt [6, 7].
Patienten mit hoher und sehr hoher PSMA-Expression – ermittelt im PET-CT anhand von sog. Standardized Uptake Values (SUV, maximaler Speicherwert) – kommen für eine PSMA-vermittelte Radioligandentherapie (PRLT) mit 177Lu-PSMA (Abb. 1) unter der Annahme, dass hohe Uptake-Werte auch mit einer entsprechend hohen erzielbaren Tumordosis korrelieren, in Betracht [8].
Prostataspezifisches Membranantigen
Das prostataspezifische Membranantigen (PSMA) ist ein transmembranöses Enzym, eine sog. Glutamatcarboxypeptidase II (GCPII), welche auch unter dem Namen N‑acetyl-L-aspartyl-L-glutamat-peptidase I (NAALADase I) oder NAAG-Peptidase bekannt ist, und von Prostatakarzinomen stark überexprimiert wird [9].
Bereits 1975 wurde gezeigt, dass Patienten mit Prostatakarzinomen eine spezifische Immunantwort gegen Tumorantigene generieren [10]. Mittels HPLC-Untersuchungen fand man heraus, dass bei Ratten die NAALA-Dipeptidase-Aktivität auf Membranen von bestimmten Gehirnzellen das endogene Dipeptid N‑acetyl-L-aspartyl-L-glutamat zu N‑acetyl-aspartat und Glutamat spaltet [9]. Bereits vor über 15 Jahren wurde die Homologie zu PSMA erkannt und niedrigmolekulare Substanzen wie N‑[N-[(S)-1,3-dicarboxypropyl]carbamoyl]-S-[11C]methyl-L-cystein ([11C]DCMC Ki, 3,1 nmol/l) und N‑[N-[(S)-1,3-dicarboxypropyl]carbamoyl]-S-3-[125I]iodo-L-tyrosin ([125I]DCIT Ki, 1,5 nmol/l) zur Bildgebung von Prostatakarzinomen eingesetzt [11]. Harnstoffbasierte PSMA-affine Radiopharmaka wurden erstmals mit 123I markiert und in klinischen Studien verwendet (z. B. 123I-MIP 1072 und 123I-MIP 1095, Molecular Insight Pharmaceuticals, Inc.), wobei in SPECT-Technik auch kleinere Metastasen erkennbar waren [12].
PSMA als Target für die molekulare Radiotherapie
Nach der ersten Anwendung von 123I-markiertem PSMA wurde dieses Molekül mit 131I markiert und von der Heidelberger Arbeitsgruppe erstmals erfolgreich zur Endoradiotherapie von metastasierten Prostatakarzinomen eingesetzt [13]. Die Biodistributionsdaten und die kalkulierten Tumordosen (basierend auf 124I-MIP-1095-PET-CT) waren äußerst vielversprechend. So errechneten sich Strahlendosen zur Behandlung von Lymphknoten- und Knochenmetastasen von über 300 Gy. Allerdings zeigten sich nach der Behandlung auch Nebenwirkungen wie Speicheldrüsenaffektionen (Xerostomie, postradiogene Sialadenitis) und Hämatotoxizität (Thrombozytopenie). Renale Nebenwirkungen traten nicht auf.
Auf der Basis eines hochspezifischen PSMA-Liganden ([Ga-68]DOTA-FFK(Sub-KuE)) wurde von der Arbeitsgruppe Wester ein metabolisch stabiles Molekül, 1,4,7,10-tetraazacyclododececane,1-(glutaric acid)-4,7,10-triacetic acid (DOTAGA), zur Theranostik von Prostatakarzinomen entwickelt [14]. Das diagnostisch-therapeutische PSMA-Liganden-Paar [68Ga/177Lu]DOTAGA-FFK(Sub-KuE) zeigte bemerkenswertes Potenzial in der Diagnostik und Therapie von Prostatakarzinomen [14, 15]. Im April 2013 verwendete die Arbeitsgruppe in Bad Berka weltweit erstmals den mit 177Lu-markierten PSMA-Liganden TUM-1 (DOTAGA-FFK(Sub-KuE)) zur Therapie von metastasierten Prostatakarzinomen, der mittlerweile durch eine weiter optimierte Version (TUM-2) ersetzt wurde [16, 17]. Eine Analyse von 56 Patienten mit metastasierten, kastrationsresistenten Prostatakarzinomen (mCRPC) wurde 2016 mit vielversprechenden Ergebnissen publiziert [17].
Patientenselektion und Follow-up
Eine Übersicht über Patientenselektion und Follow-up gibt Tab. 1.
Eine Konsensusleitlinie für die Therapie (und für die Dosimetrie und Nachsorge) des mCRPC mit 177Lu-PSMA wurde von der deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin erarbeitet [18]. Die Indikation zur PRLT wird hiernach interdisziplinär getroffen, d. h. in Abstimmung mit den behandelnden Urologen und Onkologen. Die in unserem Zentrum behandelten Patienten wurden nach erfolgter 68Ga-PSMA-PET-CT aufgrund der Leitlinienkriterien zur Therapie zugewiesen. Die meisten der Patienten hatten zuvor zahlreiche Therapien erhalten (u. a. Operation, externe Strahlentherapie, Hormonbehandlung, Chemotherapie, Immuntherapie etc.). Zahlreiche Patienten wiesen ausgeprägte Symptome auf, wobei opioidpflichtige ossäre Schmerzen im Vordergrund standen. Die Patienten wurden vor der Therapie umfangreich über die Behandlung und mögliche Nebenwirkungen aufgeklärt, ebenso darüber, dass es sich um einen sog. Heilversuch handelt.
Das Behandlungsprotokoll für die PRLT wurde auf jeden einzelnen Patienten zugeschnitten (personalisiert), wobei die zu applizierende Aktivität, die Anzahl der Behandlungskurse und das Zeitintervall zwischen den einzelnen Therapiekursen von verschiedenen Faktoren abhängen. Hierzu zählen v. a. die Intensität des Uptakes im 68Ga-PSMA-PET-CT vor Therapie, die renale Funktion (Serumkreatinin/glomeruläre Filtrationsrate sowie tubuläre Extraktionsrate, bestimmt mittels 99mTc-MAG3-Szintigraphie und Clearance-Messung). Weitere zu berücksichtigende Faktoren sind die Knochenmarkreserve (Differenzialblutbild), frühere Behandlungen und der Allgemeinzustand der Patienten. Das Ansprechen auf die Therapie erfolgt sowohl mit molekularer Bildgebung (EORTC[European Organisation for Research and Treatment of Cancer]-Kriterien) als auch morphologisch mittels CT (RECIST 1.1; RECIST Response Evaluation Criteria in Solid Tumors) anhand von 68Ga-PSMA-PET-CT-Verlaufskontrollen ca. 10 Wochen nach Therapie. Dokumentiert werden auch der Verlauf des Serum-PSA sowie die Laborwerte (Blutbild, Nierenfunktionsparameter, Leberwerte, Elektrolyte u. a.). Als partielle Remission (PR) gilt ein PSA Abfall >50 % und/oder eine Größenreduktion entsprechend den RECIST-Kriterien um >30 %. Zur exakten Dokumentation der behandelten Patienten und der Therapieverläufe wurde von den Autoren eine prospektive Datenbank mit 338 Items pro Patient etabliert.
Das Behandlungsprotokoll für die PRLT wurde auf jeden einzelnen Patienten individuell zugeschnitten
Nach der Therapie erfolgen regelmäßige Laboruntersuchungen (u. a. hämatologische Parameter, Nierenwerte, Lebertransaminasen, Serum-PSA) sowie Nierenfunktionsszintigraphien mittels 99mTc-MAG3 (einschließlich Bestimmung der tubulären Extraktionsrate/Clearance) und dynamische Sialoszintigraphien mittels 99mTc-Pertechnetat zur frühen Detektion einer möglichen Speicheldrüsentoxizität (einschließlich standardisierter Befragung der Patienten betreffs einer Xerostomie).
Dosimetrie
Die nach Therapie angefertigten planaren Ganzkörperszintigramme sowie die SPECT-CT-Aufnahmen zeigen – prädiktiv nach dem Theranostik-Prinzip – eine hohe und spezifische Anreicherung des Radiotherapeutikums in den Metastasen (Abb. 1). In den dosimetrischen Messungen findet sich eine rasche Abnahme der Blutaktivität mit überwiegender renaler Ausscheidung (Nieren-Uptake 3–5 % der applizierten Aktivität). Hingegen zeigen Lymphknoten- und Knochenmetastasen eine lange Speicherung der Therapiesubstanz (Halbwertszeit 52–149 h). Die Organ- und Tumordosen errechneten sich wie folgt: Ganzkörper 0,02 ± 0,01 mGy/MBq, Nieren 0,33 ± 0,15 mGy/MBq und Tumorherde 0,14–5,5 mGy/MBq [17].
Ergebnisse der PSMA-Radioligandentherapie (PRLT mit 177Lu-PSMA)
Mehrere deutsche Zentren (Tab. 2) berichteten bereits über vielversprechende Therapieergebnisse unter Verwendung der 177Lu-markierten PSMA-Liganden I&T bzw. 617 [17, 19,20,21,22,23,24,25]. Bis Anfang Januar 2017 wurden in der Klinik für Molekulare Radiotherapie der Zentralklinik Bad Berka 181 mCRPC-Patienten mit PRLT behandelt (insgesamt 500 Therapieapplikationen oder Kurse). Zwischen April 2013 und April 2016 wurden 119 mCRPC-Patienten (medianes Alter 71 ± 7 Jahre, mittlerer Gleason-Score 8 ± 1) mit 177Lu-PSMA (mit den Liganden I&T oder 617) behandelt [26]. Die Patienten erhielten 1–7 Behandlungskurse mit einer median verabreichten Aktivität von 6,0 (2–9,7) GBq. Bei 96 (80,7 %) der Patienten lagen ossäre Metastasen vor, 84 (70,6 %) hatten Lymphknotenfiliae und 19 (16,0 %) viszerale Metastasen. Von den Patienten hatten 24 (20,2 %) ausschließlich Knochenmetastasen. Sie eigneten sich jedoch wegen bestehender Kontraindikationen, z. B. höhergradige Knochenmarkinsuffizienz bzw. Thrombozytopenie, nicht für eine 223Ra-Chlorid-Therapie. Lymphknotenmetastasen mit Befall von mehr als zwei Regionen (ohne gleichzeitigen Skelettbefall) dominierten bei 19 Patienten (16,0 %).
Bei 61 von 80 Patienten (76,3 %), die mindestens eine PRLT erhielten, fielen die Serum-PSA-Werte ab, davon um über 50 % bei 46 (57,5 %) und um mehr als 80 % bei 22 (27,5 %) der Patienten. In zwei Fällen (2,5 %) zeigte sich biochemisch eine komplette Remission (CR) mit nicht mehr detektierbarem Serum-PSA (Abb. 2). Durch die PRLT kam es zu einer teils enormen Verbesserung der Schmerzsymptomatik. So waren z. B. Patienten, die sich zuvor nur noch im Rollstuhl bewegen konnten, wieder in der Lage, selbst Auto zu fahren.
Im Allgemeinen wurde die Behandlung von den Patienten sehr gut toleriert; es kam zu keinen schweren akuten oder Langzeitnebenwirkungen (Beobachtungszeitraum 34 Monate). Am häufigsten war eine leichte Abgeschlagenheit (Fatigue) in den ersten Tagen nach der Therapie zu beobachten. Bei keinem der Patienten traten direkt nach der Applikation oder in den nachfolgenden Tagen signifikante Nebenwirkungen auf (keine Übelkeit, kein Erbrechen) − mit Ausnahme von wenigen Patienten mit ausgedehnten und intensiv speichernden Knochenmetastasen, bei denen kurzzeitig mehrere Stunden nach Applikation der Therapieaktivität ein sog. Flare-Phänomen (Schmerzexazerbation) zu beobachten war.
Fünf (4,2 %) Patienten berichteten über eine leichte Mundtrockenheit (Xerostomie), die in einigen Fällen reversibel war, wie dies auch die dynamischen Speicheldrüsenszintigraphien mit 99mTc-Pertechnetat vor und nach Therapie belegten.
Trotz intestinaler Aktivitätsanreicherung nach der Therapie trat keine Diarrhö auf – im Gegensatz zur 223Ra-Therapie [27]. Die von einer anderen Arbeitsgruppe [20] berichtete Obstipation nach Therapie war nur selten zu beobachten und trat ausschließlich bei Patienten auf, die Opiate einnahmen.
Bemerkenswert ist, dass es trotz hoher Aktivitätsanreicherung in den Nieren auch im Langzeitverlauf (d. h. nach mehreren Jahren) zu keinerlei renalen Nebenwirkungen nach PRLT kam, d. h. die Serumkreatininwerte, die Kreatinin-Clearance (berechnet nach der Cockcroft-Gault-Formel) wie auch die tubuläre Extraktionsrate (TER, bestimmt in der Regel der dynamischen 99mTc-MAG3-Szinitigraphie) zeigten keine signifikanten Veränderungen. Im Gegenteil, es fand sich bei einer Reihe von Patienten eine Besserung der Nierenfunktion nach PRLT-induzierter Beseitigung oder Abnahme der postrenalen Obstruktion (z. B. bei ausgedehnten Lymphknotenmetastasen oder Lokalrezidiven).
Nach Radionuklidtherapie mit 177Lu-PSMA-I&T zeigte sich bei den ersten 56 behandelten Fällen keine höhergradige Hämatotoxizität [17]. In dem inzwischen größeren analysierten Patientengut zeigten sich nach PRLT bei 4 (3,4 %) Fällen stärkere Blutbildveränderungen (G3 oder G4), wobei diese Patienten entsprechende Risikofaktoren aufwiesen, wie z. B. vorhergehende intensive Chemotherapie, frühere 223Ra-Chlorid-Behandlung oder ausgedehnter Knochenmarkbefall mit bereits kompromittierter hämatologischer Reserve vor PRLT. Bei dieser Konstellation könnte künftig eine PSMA-Ligandentherapie unter Verwendung von α‑Strahlern helfen, das Risiko zu minimieren [28]. So zeigten Kratochwil et al. erstmalig, dass eine α‑Partikel-basierte systemische Strahlentherapie mit 225Ac-PSMA-617 ein erhebliches therapeutisches Potenzial mit einem günstigen therapeutischen Fenster besitzt [28].
Bei 17 Patienten mit extensiver Metastasierung korrelierte der PSA-Wert nicht mit der Tumorlast
Die 68Ga-PSMA-PET-CT ist hochsensitiv im Nachweis von Weichteil- und Knochenmetastasen des Prostatakarzinoms [29]. Verwendet wurden daher zur Ermittlung des Ansprechens auf die Therapie sowohl die RECIST-1.1-Kriterien (Größenausmessung von Läsionen mittels kontrastmittelgestützter Mehrphasen-CT) als auch die EORTC-Kriterien zur Bestimmung des funktionellen Tumoransprechens (sog. „molecular imaging response criteria“). Hierzu wurden vor und nach mindestens 2 Therapiekursen die maximalen Uptake-Werte (SUVmax) im 68Ga-PSMA-PET-CT bei 58 Patienten analysiert. Eine CR der Metastasen (d. h. kein nachweisbarer Uptake mehr) fand sich demnach bei 5 (8,6 %) Patienten. Eine partielle Remission (PR) konnte bei 12 (20,7 %) Patienten und ein stabiler Krankheitsverlauf (Stable Disease, SD) bei 23 (39,7 %) Patienten dokumentiert werden. Nach diesen Kriterien war somit bei 40 (69,0 %) Fällen ein Ansprechen auf die Therapie zu konstatieren (d. h. CR, PR oder SD). Bei 18 (31,0 %) Patienten schritt die Krankheit trotz Behandlung weiter fort (Progressive Disease, PD), d. h. es waren neue oder größenprogrediente Metastasen nachweisbar.
Bemerkenswert ist, das bei 17 Patienten mit extensiver Metastasierung (d. h. mehr als 20 ossäre oder lymphonoduläre Metastasen) das Serum-PSA weniger als 10 ng/ml betrug, d. h. der PSA-Wert korrelierte nicht mit der Tumorlast. Dies ist nach Erachten der Autoren auf eine Entdifferenzierung der Metastasen zurückzuführen, d. h. diese produzieren zwar wenig oder kein PSA, zeigen jedoch einen hohen PSMA-Besatz (PSA-Paradoxon). Bei 6 dieser Patienten kam es zu einem PSA-Anstieg von weniger als 25 % (was nicht signifikant war, zumal im PET-CT eine SD vorlag). Auf der anderen Seite wiesen 2 Patienten zwar nur einen geringen PSA-Abfall auf (bei Ausgangswerten von 0,77 bzw. 0,05 ng/ml), zeigten jedoch ein sehr gutes Ansprechen auf die Therapie nach EORTC-Kriterien (signifikante SUV-Abnahme im 68Ga-PSMA-PET-CT, PR nach Kriterien entsprechen molekularer Bildgebung); ein Patient zeigte auch nach RECIST 1.1 eine PR.
Lymphknotenmetastasen sprechen oft besser auf die PRLT an als Knochenmetastasen (Abb. 3). Dies ist zum einen durch höhere erzielbare Strahlendosen (intensivere Anreicherung in den Metastasen bzw. höhere Uptake-Werte/SUV im 68Ga-PSMA-PET-CT) bedingt. Zum anderen dürfte die absorbierte Strahlendosis bei Weichteilmetastasen mehr uniform sein als bei ossären Läsionen. Auch Unterschiede in der biologischen Strahlenempfindlichkeit könnten Einfluss auf den Behandlungserfolg nehmen.
Zum Nachweis des Therapieansprechens von ossären und insbesondere von Metastasen im Knochenmarkraum ist die 68Ga-PSMA-PET der Röntgen-CT deutlich überlegen, da ossäre Filiae im CT oft nicht detektierbar sind (z. B. wenn noch keine osteoblastischen oder osteolytischen Veränderungen vorliegen) und die CT (z. B. beim posttherapeutische Flare-Phänomen) auch in die Irre führen kann, d. h. die Sklerosierung von Metastasen nach Therapie – was prinzipiell als Erfolg zu werten ist – wird als neu aufgetretene Filia fehlinterpretiert. Auch die Größenvermessung von ossären Läsionen gestaltet sich oft schwierig, während eine Quantifizierung im PET (SUV-Bestimmung mittels „region of interest“) einfach und zuverlässig gelingt. Auch bei Lymphknotenmetastasen ist die 68Ga-PSMA-PET der CT hinsichtlich Spezifität und frühzeitiger Erfassung einer Therapieantwort überlegen, da die funktionelle Antwort der morphologischen Veränderung vorausgeht („metabolism precedes morphology“).
Bei fortgeschrittenen mCRPC ist die Kombination verschiedener Therapien oft wirksamer. So führt die Chemotherapie mit Docetaxel in Kombination mit einer Hormontherapie (Androgendeprivationstherapie, ADT) bei mCRPC verglichen mit der alleinigen Hormonentzugstherapie zu einer Verlängerung des medianen OS um 13,6 Monate [30]. Die ADT hat wahrscheinlich einen synergistischen Effekt bezüglich der PRLT, da PSMA-regulierende Gene durch Androgene supprimiert werden und die PSMA-Expression durch eine Androgendeprivation bei mCRPC möglichweise hochreguliert wird [31]. Zu empfehlen ist daher eine Fortführung der Therapie mit LHRH-Agonisten oder Antagonisten während der PRLT.
Die von uns behandelten Patienten präsentierten sich überwiegend in einem weit fortgeschrittenen Krankheitsstadium mit hoher Tumorlast, d. h. mit ausgedehnten ossären und Knochenmarkmetastasen, Lymphomen mit Bulk und parenchymatösen Organmetasten in Leber, Lunge, den Nebennieren etc. und waren trotz zahlreicher Vorbehandlungen progredient („last line therapy“). Trotz dieser negativen prognostischen Faktoren konnte bei nahezu zwei Drittel der Patienten ein Therapieansprechen auf die PRLT erreicht werden – und das bei meist fehlender oder minimaler Toxizität.
Die Analyse der Überlebensdaten ergab eine mediane Überlebenszeit von 32,4 Monaten. Während eines Beobachtungszeitraums von 45 Monaten (medianes Follow-up 25 Monate) verstarben 44 (24,3 %) Patienten. Das progressionsfreie Überleben (PFS) betrug ab Therapiebeginn (PRLT) 12,8 Monate. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass bei vielen Patienten die bereits kompromittierte Knochenmarkreserve die Applikation höherer oder wiederholter Therapieaktivitäten verhinderte und das kürzere PFS bei diesen Patienten erheblichen Einfluss auf die Gesamtgruppe nimmt. Möglichweise sind daher Patienten zu einem früheren Zeitpunkt der Erkrankung (d. h. vor Chemotherapie oder in Kombination mit einer möglichst radiosensibilisierenden Chemotherapie) am besten für die PRLT geeignet. Auch Kombinationstherapien mit Hormoninhibitoren der zweiten Generation (Abirateron, Enzalutamid) oder mit Immunmodulatoren (z. B. Checkpointinhibitoren oder Interleukinantikörper) sind von Interesse [32] und sollten, ebenso wie die optimale Behandlungssequenz, in künftigen, möglichst prospektiv-randomisierten Studien untersucht werden – ähnlich wie dies kürzlich für radionuklidmarkierte Somatostatinanaloga zur PRRT (Peptidrezeptorradiotherapie) von neuroendokrinen Tumoren erfolgreich gezeigt werden konnte [33, 34].
Zusammenfassung und Zukunftsperspektiven
Die PRLT ist eine vielversprechende Therapieoption zur Behandlung von Patienten mit progredientem mCRPC. Besonders bemerkenswert sind die hohen Ansprechraten in der Regel einer „last line therapy“ (Abb. 4) aufgrund der erzielbaren Tumordosen (intensive Akkumulation des Radiotherapeutikums und spezifische Aufnahme in den Metastasen) sowie die nahezu fehlende bzw. geringe Toxizität. Dies betrifft insbesondere die Nierenfunktion, hämatologische Effekte und die Funktion der Speicheldrüsen.
Eine systematische Erforschung der PRLT mit 177Lu-PSMA anhand von prospektiven (möglichst multizentrischen) randomisierten Studien erscheint dringend notwendig. Dabei sollten Fragen wie die maximal zu applizierende Aktivität, der Zeitabstand zwischen den Therapieapplikationen und die Gesamtzahl der Therapiekurse bzw. Behandlungszyklen ebenso betrachtet werden wie die Kombination der PRLT mit verschiedenen Hormonsyntheseinhibitoren und radiosensibilisierenden Substanzen. Sobald hierzu Daten vorliegen, könnte auch der Frage nachgegangen werden, ob eine frühere Anwendung der PRLT – etwa bei Hochrisikopatienten mit entdifferenzierten Metastasen, die eine hohe PSMA-Expression und niedrige PSA-Werte bzw. eine geringe Androgenrezeptorexpression aufweisen – gerechtfertigt ist.
Die äußerst beeindruckenden Ergebnisse [35] mit α‑emittierenden Radiopharmaka bei Patienten im finalen Krankheitsstadium sollten weiterer erforscht werden. Klinische Studien zu diesem Thema müssen von einer entsprechenden translationalen Forschung begleitet werden, um die Wirkungen von α‑Strahlern auf zellulärer Ebene besser zu verstehen, die Antitumoraktivität zu maximieren und – am wichtigsten – um die Prognose und das Überleben von Patienten mit Prostatakarzinomen zu verbessern.
Fazit für die Praxis
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Die PRLT ist eine vielversprechende Therapieoption zur Behandlung von Patienten mit progredientem mCRPC. Die hohen Ansprechraten ergeben sich aufgrund der erzielbaren Tumordosen. Bemerkenswert ist auch die nahezu fehlende bzw. geringe Toxizität.
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Eine systematische Erforschung der PRLT mit 177Lu-PSMA anhand von prospektiven (möglichst multizentrischen) randomisierten Studien erscheint dringend notwendig, wobei Fragen wie die maximal zu applizierende Aktivität, der Zeitabstand zwischen den Therapieapplikationen und die Gesamtzahl der Therapiekurse bzw. Behandlungszyklen ebenso betrachtet werden sollten wie die Kombination der PRLT mit verschiedenen Hormonsyntheseinhibitoren und radiosensibilisierenden Substanzen.
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Sobald hierzu Daten vorliegen, könnte auch der Frage nachgegangen werden, ob eine frühere Anwendung der PRLT gerechtfertigt ist.
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Baum, R.P., Kulkarni, H.R. & Albers, P. Theranostik. Onkologe 23, 597–608 (2017). https://doi.org/10.1007/s00761-017-0246-2
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00761-017-0246-2
Schlüsselwörter
- Theranostik
- Metastasiertes Prostatakarzinom
- PSMA-vermittelte Radioligandentherapie
- 177Lu-PSMA
- 68Ga-PSMA-PET-CT