Das Prostatakarzinom ist der häufigste Tumor des Mannes. Im lokalisierten Stadium (insbesondere im lokal begrenzten, in eingeschränkterem Maße aber auch im lokal fortgeschrittenen Stadium) kann ein hoher Prozentsatz der Patienten geheilt werden: Laut Robert Koch-Institut lag die relative Fünfjahresüberlebensrate für das Prostatakarzinom im Jahr 2011 in Deutschland bei 93% [1]. Aufgrund von Rückfällen, v. a. bei biologisch aggressiven Tumoren sowie wegen eines zwar kleinen, aber klinisch bedeutsamen Anteils von bereits primär metastasierten Fällen, steht das Karzinom in der Statistik der tumorbedingten Todesursachen bei Männern auf Platz 3. Obwohl dieser Tumor so häufig ist, sind die richtige Entscheidungsfindung und Therapie alles andere als trivial. Dies hat viele Gründe, von denen die vier wichtigsten hervorgehoben werden sollen.

Das Prostatakarzinom ist eine biologisch sehr heterogene Erkrankung

Zum Ersten ist das Prostatakarzinom eine biologisch sehr heterogene Erkrankung, dessen komplexe Biologie noch bei weitem nicht ausreichend erforscht und verstanden ist. Aktuell werden bei prä- und postoperativen Therapieentscheidungen vielfältige Faktoren wie Höhe und Verlauf des PSA-Werts, Gleason-Score, T-Stadium sowie Resektionsstatus und N-Status, d. h. der pathologisch nachgewiesene Lymphknotenbefall durch den Tumor, berücksichtigt [2]. Erste Ansätze, der biologischen Vielfalt mittels Erfassung der vorliegenden genetischen Aberrationen Herr zu werden und Biomarker zur Therapiewahl zu entwickeln, sind publiziert, haben aber noch keinen breiten Einzug in die klinische Praxis gehalten [5, 6].

Die Abschätzung der Prognose, z.B. anhand von Biomarkern, ist derzeit ungenügend

Da Erkrankungsverläufe beim Prostatakarzinom eine sehr große Variabilität aufzeigen und somit die Abschätzung der Prognose eine eminente Bedeutung gerade für die Auswahl der besten Therapiestrategie hat, kommt der Entwicklung therapierelevanter Biomarker eine entscheidende Rolle zu.

Nicht nur die Erkrankung, auch das Patientenkollektiv ist sehr heterogen

Neben großer biologischer Heterogenität ist allerdings auch die Uneinheitlichkeit der betroffenen Patienten zu berücksichtigen. Die überwiegende Mehrzahl der Patienten ist über 65 Jahre alt, etwa ein Drittel ist sogar über 80 Jahre alt [1], sodass in vielen Fällen mit Komorbiditäten, einem eingeschränkten Allgemeinzustand, funktionellen Defiziten und möglicherweise limitierten psychosozialen Ressourcen zu rechnen ist. Diese z. B. im Rahmen eines multidimensionalen geriatrischen Assessments oder zumindest validierten Screeninginstruments wie dem G8 strukturiert zu erfassen, scheint ein vernünftiger Weg, um Über- und Untertherapien zu vermeiden [4], ist derzeit aber alles andere als klinischer Alltag.

Qual der Wahl bei verschiedenen, z. T. konkurrierenden Therapieverfahren

Schließlich ist die Verfügbarkeit verschiedener, z. T. konkurrierender Management- und Therapieverfahren – besonders in frühen Stadien – wie aktive Überwachung, Radiotherapie (als perkutane Bestrahlung und LDR-Brachytherapie), teilweise in Kombination mit einer antihormonellen Therapie, und verschiedene Operationsverfahren („klassisch“ oder roboterassistiert, Frage des Ausmaßes der Lymphadenektomie) zu nennen. Bislang fehlt es – zumindest für den Vergleich von radikaler Prostatektomie und strahlentherapeutischen Optionen – an Evidenz aus großen randomisierten Studien, die die Sicherheit und Effektivität der Verfahren im Direktvergleich untersucht haben. Mit der sog. PREFERE-Studie, die auch in diesem Schwerpunktheft vorgestellt wird (Ohlmann et al.), wird in Deutschland diese Fragestellung in Form einer großen randomisierten Studie geklärt werden. Die Ergebnisse werden aber noch einige Jahre auf sich warten lassen. Auch außerhalb klinischer Studien ist es aufgrund der Vielfalt der für jede Therapieform vorliegenden prospektiven Daten wichtig und möglich, Patienten neutral über die spezifischen Vor- und Nachteile der in Frage kommenden Behandlungsoptionen zu informieren. Dies ist in Deutschland in DKG-zertifizierten Prostatakarzinomzentren garantiert [3].

In der Therapie des fortgeschrittenen und metastasierten Prostatakarzinoms sind in den zurückliegenden 5 Jahren jedes Jahr Neuerungen und die Einführung neuer Substanzen zu verzeichnen gewesen, die als „practice changing“ zu gelten und die Überlebenszeit in diesem Stadium bereits entscheidend verbessert haben. Dies gilt sowohl für den primären Einsatz einer Chemohormontherapie bei rasch progredienten, ausgedehnt metastasierten Tumoren wie für den sich mittlerweile abzeichnenden zielgerichteten Einsatz neuer Antiandrogene aufgrund vorliegender Resistenzmuster. Aufgrund der raschen und meist parallelen Entwicklung der Optionen fehlen bislang allerdings belastbare prospektive Daten zur optimalen Therapiesequenz. Hier den Überblick zu behalten, ist selbst für den Experten eine Herausforderung. Daher muss gefordert werden, die Therapie dieser Patienten interdisziplinär abzustimmen und in erfahrene Hände zu legen – nicht zuletzt aufgrund unerwünschter Therapieereignisse und der mit den neuen Substanzen verbundenen Kostenexplosion.

Dieses Schwerpunkthema spannt einen weiten Bogen zu vielen Aspekten der Erkrankung. Es kann zu einem sich so dynamisch verändernden Gebiet wie der Behandlung des Prostatakarzinoms allerdings nur eine Momentaufnahme dargestellt werden. Alle, Autoren wie Herausgeber, haben sich jedoch jegliche Mühe gegeben, diesen „Schnappschuss“ so detailgerecht wie nuancenreich zu vermitteln. Wir hoffen deshalb auf eine zahlreiche, interdisziplinäre und interessierte Leserschaft!

Die Herausgeber

F. Honecker

A.-C. Müller

P. Albers