Die 2016 publizierte Sepsis-3-Definition beschreibt die Sepsis bzw. den septischen Schock als lebensbedrohliche Organdysfunktion bedingt durch die fehlgesteuerte Immunabwehr des Organismus im Rahmen einer Infektion [21]. Eines der klinischen Symptome einer Sepsis bzw. eines septischen Schocks ist die Kreislaufinstabilität. Dem wurde auch in den neuen Definitionskriterien für den Quick-Sequential-Organ-Failure-Assessment(qSOFA)-Score Rechnung getragen. Neben einer eingeschränkten Vigilanz und einer erhöhten Atemfrequenz stellt ein systolischer Blutdruck ≤100 mm Hg ein wichtiges Kriterium in der Definition dar.

Im 1‑Stunden-Sepsis-Campaign-Bündel und in der Sepsisleitlinie wird das Kreislaufmanagement besonders betont

Im klinischen Alltag spielt die Kreislaufinstabilität in Rettungsdienst, Notaufnahme, Normalstation und bis hin zur Intensivstation eine große Rolle und steht meist im Fokus des Therapiemanagements. Sowohl in der Erarbeitung der Sepsis-3-Kriterien als auch in unterschiedlichen retrospektiven und prospektiven Studien zeigte sich ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Blutdruckerniedrigung (sowohl des systolischen als auch des mittleren arteriellen Blutdrucks [MAD]) und der Rate an Organdysfunktionen sowie der sepsisbedingten Mortalität [10, 21, 22]. Folgerichtig wurde im 1‑Stunden-Sepsis-Campaign-Bündel sowie in der aktuellen Sepsisleitlinie das Kreislaufmanagement besonders betont [9, 16]. Der vorliegende Beitrag soll einen kritischen Überblick über die Möglichkeiten der Kreislauftherapie geben, besonders darüber, ab wann und in welchem Maße sie eingesetzt werden sollte.

Richtige Anwendung des Blutdruckgrenzwerts

Die aktuelle Sepsisleitlinie sieht einen Ziel-MAD von ≥65 mm Hg vor. Liegt der MAD unter dieser Grenze, sollte eine Kreislauftherapie eingeleitet werden. Die bislang durchgeführten Studien belegen, dass eine Hypotonie unterhalb dieses Werts mit einer erhöhten Mortalität verbunden ist [10]. Diese Grenze darf jedoch nicht absolut gesehen werden, sondern muss individuell der jeweiligen Patientensituation angepasst werden. So konnten Studien zeigen, dass Patienten mit vorbekanntem Hypertonus möglicherweise von höheren Zielblutdruckwerten profitieren [1]. Auch konnte in einer Subgruppenanalyse bei älteren Patienten (≥75 Jahre) mit niedrigeren MAD-Werten eine geringere Mortalität aufgezeigt werden [7]. Bislang gibt es keine Studie zu der Frage, wie der kritische Grenzwert des Blutdrucks in der Sepsis bei chronisch hypotonen Patienten definiert werden sollte.

Für das klinische Management gilt daher, dass bei einem MAD <65 mm Hg und weiteren klinischen Auffälligkeiten im Sinne einer Sepsis eine sofortige adäquate Kreislauftherapie eingeleitet werden sollte.

Optionen der Kreislauftherapie

Verschiedene Möglichkeiten der Kreislaufstabilisierung stehen zur Verfügung. Sowohl die Sepsisleitlinie als auch die Sepsis-Campaign-Bündel empfehlen folgende Maßnahmen zur Kreislaufstabilisierung.

Volumentherapie

Die Gabe von Flüssigkeit ist eine der wichtigsten Behandlungsoptionen der Hypotonie im Rahmen des Managements einer Sepsis. Bezüglich der Art der Flüssigkeitssubstitution hat es in den letzten Jahren eine Vielzahl an Publikationen gegeben. Keines der derzeit eingesetzten Volumenersatzmittel wurde formell in Bezug auf Sicherheit und Wirksamkeit evaluiert. Die beiden Hauptgruppen für die Flüssigkeitssubstitution sind Kochsalzlösungen und balancierte kristalloide Flüssigkeiten. Als balancierte kristalloide Lösungen werden viele unterschiedliche Lösungen mit einer Elektrolytzusammensetzung, die der des Plasmas ähnelt, bezeichnet, beispielsweise Ringer-Laktat oder Plasma-Lyte A (Baxter International, Deerfield, Illinois, USA). Ihnen gemeinsam ist der Mangel an Makromolekülen.

Kristalloide Flüssigkeit

Die Analyse von Studiendaten liefert unterschiedliche Ergebnisse für verschiedene Patientengruppen. Auf der einen Seite scheint die Art der applizierten Infusionsflüssigkeit die Prognose kritisch kranker Patienten zu beeinflussen (zu ungunsten der Kochsalzlösung; [14, 19, 20]), auf der anderen Seite gibt es hochrangig publizierte Studien, die keinen signifikanten Unterschied zwischen Kristalloiden und Kochsalzlösungen bei nicht kritisch kranken [18] bzw. kritisch kranken Patienten aufzeigen [24].

Kritisch kranke Patienten sollten eher balancierte kristalloide Flüssigkeiten bekommen

Zusammenfassend kann man sagen, dass bei nicht kritisch kranken Patienten die Art der Flüssigkeitssubstitution keinen großen Einfluss auf das Therapieergebnis hat, wohingegen kritisch kranke Patienten (hier auch Patienten in der Sepsis bzw. im septischen Schock [3]) eher balancierte kristalloide Flüssigkeiten bekommen sollten.

Kolloidale Flüssigkeiten

Kolloidale Flüssigkeitslösungen, beispielsweise hydroxyethylstärkehaltige oder ähnliche Produkte wie Gelafundin (B. Braun Melsungen, Melsungen, Deutschland), werden explizit nicht zur Volumensubstitution empfohlen. Unterschiedliche Studien konnten zeigen, dass es zu einer eingeschränkten Nierenfunktion bis hin zu signifikant vermehrten Nierenersatztherapien und/oder zu einer Mortalitätserhöhung kommt, wenn Kolloide gegeben werden. Die Studienlage für kolloidale Lösungen in der Therapie der Sepsis hat letztendlich dazu geführt, dass neben einer 2013 ausgesprochenen Beschränkung 2018 ein Rote-Hand-Brief des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) verschickt wurde [2].

Albumin

Obwohl nur mit einer schwachen Evidenz in den Sepsisleitlinien versehen, kann bei großem Bedarf an Flüssigkeit im Rahmen einer Sepsis Albumin eingesetzt werden. Die Saline-versus-Albumin-Fluid-Evaluation(SAFE)-Studie hat gezeigt, dass in einer vordefinierten Subgruppe von Patienten mit schwerer Sepsis die Sterblichkeit bei Gabe von Albumin in der Tendenz niedriger war als bei der alleinigen Gabe von Salzlösung [5]. In der Albumin-Italian-Outcome-Sepsis(ALBIOS)-Studie wurde die Wirksamkeit von kristalloider Kochsalzlösung mit und ohne Gabe von 20 %iger Albuminlösung verglichen. Ziel war es, den Albuminspiegel während des Aufenthalts auf der Intensivstation oder bis zu 28 Tage nach Randomisierung auf einem Niveau von 30 g/l zu halten. Es konnten in den primären und sekundären Endpunkten keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen festgestellt werden, allerdings zeigte eine Post-hoc-Analyse in der Gruppe der schwerstkranken Patienten mit septischem Schock einen Vorteil zugunsten der Albumingruppe [4]. Eine Studie aus Schweden verglich den Einsatz von 20 %igem und 4 bis 5 %igem Albumin [12]. Als primärer Endpunkt diente zunächst die Menge an applizierter Flüssigkeit innerhalb der ersten 48 h nach Randomisierung. Die Ergebnisse zeigten eine Einsparung der innerhalb von 48 h infundierten Flüssigkeitsmenge. Für den Nachweis eines Überlebensvorteil waren in der Studie keine ausreichend großen Zahlen von Patienten rekrutiert worden.

Viele Metaanalysen und systematische Reviews konnten ebenfalls einen leichten Vorteil für die Therapie mit Albumin herausarbeiten. Allerdings sind all diese Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren, da unterschiedliche Patientenkollektive (Kinder/Erwachsene), Indikationen, Einschlusskriterien und Krankheitsgrade miteinander verglichen wurden.

Zusammenfassend kann man sagen, dass Albumin in der Standardbehandlung der Kreislaufstabilisierung keine Rolle spielt und nur bei Patienten mit septischem Schock, hohem Flüssigkeitsbedarf und gegebenenfalls niedrigen Albuminspiegeln in Erwägung gezogen werden kann.

Katecholamine

Katecholamine stellen nach wie vor die Therapie der Wahl bei der flüssigkeitsrefraktären Kreislaufinstabilität dar. Eine Vielzahl von Studien und Metaanalysen konnte den Effekt von Noradrenalin auf das Outcome zeigen [16]. Noradrenalin erhöht aufgrund des vasokonstriktiven Effekts den MAD, ohne Herzfrequenz oder Schlagvolumen signifikant zu verändern. Dopamin spielt in der routinemäßigen Behandlung der Kreislaufinstabilität im Rahmen der Sepsis keine oder allenfalls eine marginale Rolle, gegebenenfalls ist es bei Patienten mit einer eingeschränkten Pumpfunktion und einer geringen Wahrscheinlichkeit für Herzrhythmusstörungen indiziert.

Dobutamin kann als positiv inotrope Substanz bei Patienten mit einer eingeschränkten Pumpfunktion und gleichzeitig erhaltenem linksventrikulärem Füllungsdruck eingesetzt werden. Allerdings liegen hier auch keine randomisierten Studien im Vergleich zu Placebo vor. Adrenalin zeigt im Vergleich zu Noradrenalin keinen Unterschied im Hinblick auf das Outcome, hat aber eine deutlich höhere Nebenwirkungsrate aufgrund der starken vasokonstriktiven Aktivität und der positiv inotropen Wirkung [15].

Vasopressin kann additiv zu Noradrenalin eingesetzt werden

Vasopressin ist in den letzten Jahren in den Fokus des Managements der Sepsis gelangt. Empfohlen wird die Gabe von maximal 0,03 U/min, entweder um in Kombination mit Noradrenalin den MAD zu stabilisieren oder um den Bedarf an Noradrenalin zu reduzieren. Bei einer Dosierung oberhalb dieser Grenze ist mit kardialen, digitalen und abdominellen Ischämien zu rechnen [16]. Allerdings liegt für den Einsatz von Vasopressin nur eine geringe Evidenz vor.

Zusammenfassend ist Noradrenalin das Katecholamin der Wahl. Dopamin hat keine und Dobutamin in Ausnahmefällen eine Bedeutung. Vasopressin kann additiv zu Noradrenalin entweder zur Blutdrucksteigerung oder als Mittel zur Reduktion der Noradrenalindosis eingesetzt werden. Hier ist zu beachten, dass die maximale Menge von 0,03 U/min nicht überschritten werden sollte.

Dosierung der Flüssigkeitssubstitution

Mit Einführung der „early goal-directed therapy“ (EGDT) von Rivers et al. [17] kam es unter anderem zu einem anhand des zentralen Venendrucks (ZVD) gesteuerten Flüssigkeitsmanagement. Dies war über fast 15 Jahre der Goldstandard in der Flüssigkeitssteuerung im Rahmen der Sepsistherapie. Drei große Studien, zwischen 2014 und 2015 publiziert, haben die Elemente dieses Flüssigkeitsmanagements im Rahmen einer Sepsis hinterfragt und kamen zu dem Schluss, dass die protokollbasierte Sepsistherapie mittels EGDT gegenüber der Standardbehandlung durch erfahrene und geschulte Intensivmediziner keinen Überlebensvorteil bringt [6, 13, 23].

Sowohl in den Sepsis-Campaign-Bündeln als auch in der Leitlinie werden jetzt initial 30 ml/kg KG in den ersten 1–3 h empfohlen. Anschließend soll in einer Reevaluation der klinischen Situation geklärt werden, ob noch weitere Mengen an Flüssigkeit benötigt werden. An dieser Stelle ist die Leitlinie leider sehr vage gehalten und gibt nur Vorschläge, welche Untersuchungen durchgeführt werden können, um sogenannte „Flüssigkeits-Responder“ zu detektieren. Um die Volumenreagibilität des Patienten bestmöglich beurteilen zu können, sollte neben der klinischen Beurteilung (Herzfrequenz, Atemfrequenz, Blutdruck etc.) dynamischen Parametern wie der Pulsdruckvariabilität oder Schlagvolumenvarianz bei beatmeten Patienten sowie dem Passive-leg-raising(PLR)-Test der Vorzug gegenüber statischen Parametern (beispielsweise ZVD) oder der gemischtvenösen Sauerstoffsättigung gegeben werden. Ziel ist ein MAD ≥65 mm Hg. Keines der genannten Verfahren ist allerdings in randomisierten Studien zur Flüssigkeitstherapie im Rahmen einer Sepsis wirklich getestet worden. Eine Studie von Leisman et al. [8] konnte zeigen, dass nur etwa zwei Drittel der Patienten mit Sepsis und Hypotonie volumenreagibel sind, diese aber dann eine um etwa 15 % geringere Mortalität aufweisen als nichtvolumenreagible Patienten. Die Menge von 30 ml/kgKG ist ebenfalls nicht randomisiert getestet, sondern aus Vorstudien und klinischen Beobachtungen übernommen worden.

Die Balance zwischen zu viel und zu wenig Flüssigkeit ist mitunter schwer zu finden. Eine überschießende Flüssigkeitsgabe ist ebenso gefährlich wie eine zu restriktive Gabe und bedeutet eine Schädigung des Patienten. Marik et al. [11] zeigten, dass bei Patienten mit schwerer Sepsis und septischem Schock die Sterblichkeit überproportional zur Krankheitsschwere zunimmt, wenn diese mehr als 6000 ml Flüssigkeit am ersten Tag erhielten. Nachteil dieser sicherlich pointierten Studie ist, dass hier keine Flüssigkeitsbilanz, sondern nur die absolute Flüssigkeitsgabe in der Statistik berechnet wurde (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Zusammenspiel des Flüssigkeits- und Katecholaminmanagements zwischen Notaufnahme und Intensivstation

Fazit für die Praxis

  • Kreislaufinstabilität ist eines der wesentlichen klinischen Symptome der Sepsis bzw. des septischen Schocks. Eine entsprechende Therapie steht deswegen im Vordergrund des Managements der Sepsis.

  • Die Sepsis-Campaign-Bündel und die Sepsisleitlinie geben hier bezüglich der Kreislaufstabilisierung folgende Vorgaben:

    • Identifikation von Sepsis und septischem Schock

    • Sofortiger Beginn der Flüssigkeitstherapie mit 30 ml/kgKG in den ersten 1–3 h mit Zielwert des mittleren arteriellen Drucks ≥65 mm Hg

    • Reevaluation der Volumenreagibilität: cave Flüssigkeitsüberladung!

    • Bei unzureichendem Ansprechen auf Flüssigkeitsgabe Beginn einer Vasopressorentherapie (Noradrenalin > Vasopressin)

  • Im Hinblick auf die Kreislaufstabilisierung mehren sich die Hinweise, dass ein restriktives Flüssigkeitsregime sowie die frühe Vasopressorentherapie im septischen Schock von Vorteil für die Patienten sind. Dies gilt insbesondere für Patienten, die auf eine Flüssigkeitstherapie nicht mehr ansprechen. Daher ist eine engmaschige Kontrolle der Maßnahmen notwendig, um Schaden vom Patienten abzuwenden.

  • Erst der Einsatz aller Therapieoptionen und die Berücksichtigung aller Vorschläge der Sepsisleitlinie bringen den erhofften Erfolg in der Behandlung der Sepsis. Deswegen ist wichtig, dass alle Maßnahmen ineinandergreifen.