Die aktuellen Fortschritte bei der Behandlung des nichtkleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) sind beeindruckend und im Wesentlichen durch die Einführung der Immuntherapie geprägt. Zielgerichtete Therapien haben ihre Bedeutung für Subgruppen von Patienten mit Treibermutationen jedoch nicht verloren. Neue Treibermutationen mit neuen medikamentösen Optionen stellen den behandelnden Arzt und Pathologen vor die Herausforderung, molekulare Targets kurzfristig zu analysieren, um die bestmögliche Erstlinien- und Folgetherapie festzulegen. Im Folgenden werden die molekular stratifizierten therapeutischen Optionen beim NSCLC dargestellt.

Zielgerichtete Therapien bei Treibermutationen

Mit der Einführung zielgerichteter Therapien für Patienten mit Epidermal-Growth-Factor-Receptor(EGFR)- oder B‑Rapidly-Accelerated-Fibrosarcoma(BRAF)-p.V600E-Mutationen, Anaplastic-Lymphoma-Kinase(ALK)- oder ROS-Proto-Oncogene-1(ROS1)-Translokationen oder Mesenchymal-Epithelial-Transition(MET)-Amplifikationen konnte im Mittel eine Verlängerung des Gesamtüberlebens (OS) von etwa 1,5 Jahren erreicht werden gegenüber Patienten, die nicht mit zielgerichteten Therapien behandelt wurden [1].

Seither ist es Standard, eine Mutationsanalyse durchzuführen, um die Option einer individuellen zielgerichteten Therapie durch Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) zu prüfen. Dies gilt auch im Zeitalter der Immuntherapie, da treibermutierte nichtkleinzellige Lungenkarzinome (NSCLC) schlechter auf Immuntherapien ansprechen oder es sogar zu einer Hyperprogression kommen kann. Aus den Analysen des Cancer Genome Atlas geht hervor, dass eine inverse Korrelation zwischen EGFR-Mutation und PD-L1-Expression besteht. Neben der PD-L1-Expression gelten als weitere prognostische Faktoren für ein Ansprechen der Immuntherapie der Raucherstatus und die Tumormutationslast (TMB, „tumor mutational burden“). Patienten mit EGFR-Mutationen sind jedoch häufig Nie- oder Leichtraucher, und die Tumoren haben nur eine geringe TMB [9]. In der Metaanalyse von Lee et al. wurden 5 randomisierte Studien mit verschiedenen Checkpointinhibitoren in der zweiten Therapielinie im Vergleich zur Standardtherapie mit Docetaxel analysiert. In der Subgruppe von Patienten mit EGFR-Mutationen fand sich ein schlechteres Outcome vs. Docetaxel (Hazard Ratio, HR, für OS: 1,11; 95%-Konfidenzintervall, 95%-KI: 0,80–1,53) [21].

Die aktuelle deutsche S3-Leitlinie empfiehlt, vor Einleitung der Erstlinientherapie als Mindestanforderung EGFR-Mutationen in den Exonen 18–21, ALK-Fusionen und ROS1-Fusionen, BRAF-V600-Mutationen, innerhalb von 10 Arbeitstagen bei nichtplattenepithelialen NSCLC zu bestimmen. Dies gilt ebenfalls für Plattenepithelkarzinome von Nierauchern oder Leichtrauchern [20].

Treibermutationen mit den meisten Behandlungsoptionen

Aktivierende EGFR-Mutationen und ALK-Translokationen sind aktuell die beiden molekularen Treibermutationen mit den meisten Behandlungsoptionen.

Aktivierende EGFR-Mutationen

Der EGF-Rezeptor ist ein Transmembranmolekül aus der Human-Epidermal-Growth-Factor-Receptor(HER)-Wachstumsfaktor-Genfamilie. Das EGFR-Molekül besteht aus einer extrazellulären Ligandenbindungs- und einer intrazellulären Tyrosinkinasedomäne. Nach Bindung an einen passenden Liganden formieren sich Homo- oder Heterodimere, die zur Autophosphorylierung des Moleküls führen und den Signalweg aktivieren. Mutationen in der Tyrosinkinasedomäne des EGF-Rezeptors führen zu einer ligandenunabhängigen Aktivierung der EGF-Rezeptor-Signalkaskade und verschaffen der Tumorzelle einen Überlebensvorteil (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

a Schematische Darstellung der Aktivierung des Epidermal-Growth-Factor-Rezeptors (EGFR) durch Ligandenbindung oder aktivierende Mutation mit nachfolgenden Signalwegen; b Inhibition der Bindung von Adenosintriphosphat (ATP) durch Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI)

In Europa weisen etwa 12–20 % der pulmonalen Adenokarzinome aktivierende EGFR-Mutationen auf. Im asiatischen Raum können bis zu 48 % der Adenokarzinome Mutationen aufweisen. Die Mutationen in Exon 19 sowie die L858R-Mutation werden als häufige Mutationen, d. h. „common mutations“, die seltener auftretenden Mutationen als „uncommon mutations“ bezeichnet (Abb. 2; [13]).

Abb. 2
figure 2

Häufigkeiten ausgewählter aktivierender EGFR-Mutationen (Epidermal-Growth-Factor-Rezeptor) in Europa. (Mod. nach Graham et al., 2018 [13])

Die nachgewiesenen Mutationen des EGFR-Gens sprechen z. T. unterschiedlich auf die Blockade durch TKI an. Wesentliche, klinisch relevante Mutationen beim NSCLC sind in Tab. 1 dargestellt.

Tab. 1 Auswahl einiger klinisch relevanter EGFR-Genveränderungen und deren Ansprechen auf Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI)

Klinische Besonderheiten

EGFR-Mutationen treten häufiger bei Nicht- oder Leichtrauchern, Frauen oder Patienten mit asiatischer Herkunft auf [13].

Molekulare Diagnostik

Mutationen im EGFR-Gen werden durch Sequenzierungstechniken der Exons 18–20 des EGFR-Gens detektiert. Neben der Diagnostik im Tumormaterial ist auch eine Mutationsanalyse aus der zirkulierenden Tumor-DNA in einer „liquid biopsy“ möglich. Diese Methode erfordert lediglich eine Blutentnahme und ermöglicht den Nachweis von Mutationen, Deletionen und Amplifikationen aus zirkulierenden Tumorzellen („circulating tumor cells“, CTC) und aus zellfreier DNA („cell-free DNA“, cfDNA), die aus Tumorzellen in den Blutstrom abgegeben wird.

Die Trefferquote der „liquid biopsy“ ist niedriger als bei Biopsien, doch die Spezifität ist hoch

Im Gegensatz zu Biopsiematerial ist die Trefferquote der „liquid biopsy“ zwar niedriger, die Spezifität ist jedoch hoch. Im ambulanten Setting ist die Testung auf EGFR-Mutationen seit 2018 erstattungsfähig. Im klinischen Alltag hat die „liquid biopsy“ einen besonderen Stellenwert (a) bei Patienten, denen eine invasive Prozedur nicht zugemutet werden kann, oder (b) bei ungünstiger Lage des Tumors und (c) im Verlauf bei wiederholten Untersuchungen auf Resistenzmutationen.

Therapieoptionen

Die Erstgenerationspräparate Erlotinib und Gefitinib binden reversibel an die Tyrosinkinasedomäne des EGFR-Moleküls. Zweitgenerations-TKI, wie Afatinib oder Dacomitinib, hingegen entfalten ihre Wirkung durch eine irreversible Bindung (Tab. 2). Letztlich resultiert die Blockade einer Bindungsstelle für Adenosintriphosphat (ATP), wodurch die Aktivierung der nachfolgenden Signalkaskade verhindert wird. Afatinib hat zudem eine deutlich höhere Affinität zur Kinasedomäne als die Substanzen der ersten Generation. Klinisch übersetzte sich dies in der LUX-Lung-7-Studie in ein deutlich längeres progressionsfreies Überleben (PFS) bei der Behandlung mit Afatinib im Vergleich zu einer Therapie mit Gefitinib [32]. Dacomitinib bindet auch an weitere HER-Moleküle wie „erythroblastic oncogene B 2“ (ERBB2) und ERBB4. In der ARCHER-1050-Studie wurde die klinische Effektivität von Dacomitinib im Vergleich zu Gefitinib bei Patienten ohne Hirnmetastasen untersucht. Es zeigten sich auch hier signifikante Vorteile, sowohl für das PFS als auch für das OS [25].

Tab. 2 Charakteristika aktuell verfügbarer Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI)

Der Drittgenerations-EGFR-TKI Osimertinib bindet ebenfalls kovalent und irreversibel an seine Zielstruktur, unterscheidet sich jedoch von den anderen Substanzen v. a. durch eine höhere Affinität zu mutierten EGFR-Molekülen. Nachdem die Substanz zunächst in der Zweitlinie bei Nachweis der T790M-Mutation zugelassen wurde, konnte seine Überlegenheit auch in der Erstlinie gezeigt werden. Im Vergleich zu Gefitinib oder Erlotinib ergaben sich unter Osimertinib signifikante Vorteile sowohl für das PFS als auch für das OS [37]. Aufgrund dieser Daten wird der Einsatz von Osimertinib in der Erstlinientherapie empfohlen. In der aktuellen Onkopedia-Leitlinie werden Osimertinib oder Dacomitinib oder Afatinib empfohlen. Vergleichende Daten von Dacomitinib gegenüber Osimertinib oder Afatinib liegen nicht vor [2].

Mit Ausnahme der Exon-20-Insertionen sprechen auch die selteneren Mutationen (Tab. 1) in der Regel gut auf EGFR-TKI an, wobei eine Behandlung mit Zweit- oder Drittgenerations-TKI einen besseren Therapieerfolg verspricht als eine Behandlung mit Erlotinib oder Gefitinib [45].

Nahezu alle Insertionen im Exon 20 (Tab. 1) sollten, aufgrund der schlechten Wirksamkeit der bisher einsetzbaren TKI, analog zu Tumoren ohne nachgewiesene Treibermutation behandelt werden.

Monoklonale EGFR-Antikörper wie beispielsweise Cetuximab sind gegen die extrazellulären Anteile des EGF-Rezeptors gerichtet und verhindern durch ihre Bindung die ligandenabhängige Rezeptoraktivierung. Sie spielen bei der Behandlung von Lungenkarzinomen keine Rolle.

Kombinationstherapien

Die Kombination von EGFR-TKI mit anderen Formen der Systemtherapie wurde in aktuellen Studien untersucht. Kürzlich wurde in einer japanischen Arbeit gezeigt, dass eine Behandlung mit Gefitinib und Carboplatin/Pemetrexed im Vergleich zur Chemotherapie zu verbesserten Ansprechraten führt [16]. Dies galt auch für eine indische Studie mit 350 Patienten, in der unter der Kombination von Gefitinib mit Carboplatin/Pemetrexed gegenüber der alleinigen Chemotherapie ein verlängertes Überleben erreicht wurde [27].

Auch die duale Blockade des EGFR- und Vascular-Endothelial-Growth-Factor(VEGF)-Signalwegs durch Erlotinib plus Ramucirumab hat vielversprechende Ergebnisse bzgl. des PFS gezeigt [26].

Resistenzentwicklung

Eine Behandlung mit EGFR-TKI führt, auch bei zunächst gutem Ansprechen, in der Regel im weiteren Verlauf zur Krankheitsprogression. Eine wesentliche Ursache hierfür sind resistenzvermittelnde Mutationen, die im Median nach etwa 12 Monaten auftreten. Bei einem Rezidiv bzw. Progress der Erkrankung sollte eine Rebiopsie angestrebt werden, um auf entsprechende Mutationen zu testen. Alternativ kann die EGFR-T790M-Mutationsanalyse über die „liquid biopsy“ erfolgen [29].

T790M-Mutation.

Die häufigste resistenzvermittelnde Mutation, die in etwa 50 % der sekundären EGFR-TKI-Resistenzen nachgewiesen werden konnte, ist die T790M-Punktmutation, welche über den Austausch von Methionin gegen Threonin an der Position 790 zu einer verstärkten ATP-Bindungsaffinität und damit zu einem Wirkverlust der Erst- und Zweitgenerations-EGFR-TKI führt [31]. In der AURA-Studie wurde gezeigt, dass der Drittgenerations-EGFR-TKI Osimertinib diesen Resistenzmechanismus erfolgreich überwinden kann [12].

C797S-Mutation.

Die resistenzvermittelnde C797S-Mutation führt zu einem Aminosäureaustauch von Cystein zu Serin in der Position 797 auf dem Exon 20. Die damit verbundene Strukturänderung des EGF-Rezeptors verhindert eine Bindung von Erst‑, Zweit- und auch Drittgenerations-EGFR-TKI. Diese Mutation konnte in TKI-naiven Tumoren nicht nachgewiesen werden und wird erst im Laufe der Behandlung mit einem TKI erworben [28]. Aktuell befinden sich allosterische EGFR-Inhibitoren zur Überwindung der C797S-Mutation in der Entwicklung [17].

Bei Versagen der zielgerichteten Therapie mit EGFR-TKI kommt eine Immunchemotherapie infrage

Weitere EGFR-unabhängige Resistenzmechanismen, die zu einem Versagen der EGFR-gerichteten Therapie führen, sind MET- und HER2/neu-Amplifikationen, PI3-Kinase-Mutationen oder eine Transformation in ein kleinzelliges Karzinom.

Bei Versagen einer zielgerichteten Therapie mit EGFR-TKI kann eine Immunchemotherapie erfolgreich eingesetzt werden. In der IMpower-150-Studie wurden Patienten mit EGFR-Mutation oder ALK-Translokation nach ausgeschöpfter TKI-Therapie mit einer Kombination von Atezolizumab, Carboplatin, Paclitaxel und Bevacizumab behandelt. Es zeigte sich ein verbessertes Gesamtüberleben mit einer HR von 0,61 (95%-KI: 0,29–1,28) [39]. Diese Therapie kann nach TKI-Versagen eingesetzt werden.

EML4/ALK-Translokationen

Onkogene Fusionsmoleküle der anaplastischen Lymphomkinase (ALK) wurden 2007 erstmals bei Lungenkarzinomen nachgewiesen [42]. Der häufigste Fusionspartner ist EML4 („echinoderm microtubule-associated protein-like 4“), und die meisten Fusionen resultieren aus einer Inversion auf dem kurzen Arm des Chromosoms 2. Bei etwa 5 % der NSCLC (überwiegend Adenokarzinome) können ALK-Translokationen nachgewiesen werden.

Klinische Besonderheiten

Patienten mit einer ALK-Translokation sind oftmals jünger, häufiger Nicht- oder Leichtraucher und befinden sich zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bereits in einem fortgeschrittenen Krankheitsstadium (besonders Leber‑, Hirnmetastasen, Pleura- oder Perikardergüsse) [5]. Die Gruppe um Rangachari et al. verfolgte eine Kohorte von 21 Patienten mit ALK-Translokation über 4 Jahre und konnte eine kontinuierliche Zunahme der Hirnmetastasen von 23,8 % im 1. Jahr auf 45,5 % im 2. Jahr und 58,4 % im 3. Jahr nachweisen [38]. Eine weitere Besonderheit ist das erhöhte Risiko thrombembolischer Ereignisse, mit einer 3‑ bis 5‑fach erhöhten Inzidenz und schwerem Verlauf [44].

Molekulare Diagnostik

Die FISH-Analyse gilt als Goldstandard in der Diagnostik von ALK-Translokationen bei Patienten mit pulmonalem Adenokarzinom, da ALK-Fusionen jedoch auch zu einer verstärkten Proteinexpression an der Zelloberfläche führen, ist eine Analyse mittels Immunhistochemie (IHC) ebenfalls möglich.

Therapieoptionen

Der Multityrosinkinaseinhibitor Crizotinib, der ursprünglich als MET-Inhibitor entwickelt wurde, führte zu einem guten Therapieansprechen bei EML4/ALK-translozierten Lungenkarzinomen. In klinischen Studien wurde gezeigt, dass eine zielgerichtete Therapie mit Crizotinib bei Vorhandensein einer ALK-Translokation der klassischen Chemotherapie sowohl in der Erst-, aber auch in der Zweitlinientherapie deutlich überlegen ist [41, 43]. Dies galt jedoch nicht für Patienten mit Metastasen im zentralen Nervensystem (ZNS).

Der Zweitgenerations ALK-TKI Alectinib weist eine bessere Wirksamkeit im ZNS auf und ist Crizotinib im Hinblick auf das PFS signifikant überlegen [33]. Alectinib ist derzeit die Standard-Erstlinientherapie bei metastasiertem NSCLC mit einer EML4/ALK-Translokation [36]. Auch für weitere Zweitgenerations-ALK-Inhibitoren wie Ceritinib oder Brigatinib konnte eine gute Wirksamkeit im ZNS gezeigt werden.

Der Next-Generation-TKI Lorlatinib ist ein reversibler ATP-kompetitiver makrozyklischer TKI mit dem breitesten Wirkspektrum der aktuell zugelassenen ALK-TKI. Bei unvorbehandelten Patienten betrug die Ansprechrate 90 %. Lorlatinib ist auch nach Vorbehandlung mit Crizotinib, Alectinib, Brigatinib oder Ceritinib wirksam [40].

Unterdessen sind für diese seltene Subgruppe von Patienten mit ALK-Translokation eine Reihe von TKI zugelassen (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Zeitlicher Verlauf von Neuzulassungen von ALK-Tyrosinkinaseinhibitoren (Anaplastic-Lymphoma-Kinase-TKI) in der Erstlinientherapie oder nach erfolgter Vorbehandlung durch die European Medicines Agency (EMA)

Resistenzentwicklung

Nach etwa 1–2 Jahren tritt üblicherweise eine Resistenz gegenüber dem ALK-TKI Crizotinib auf. Resistenzvermittelnd sind sog. On-Target-Mechanismen (sekundäre Mutationen in der ALK-Tyrosinkinasedomäne, Fusionsgenamplifikationen) oder Off-Target-Mechanismen (Hochregulation alternativer onkogener Signalwege, z. B. EGFR-, IGF-, RAS/SRC-, AKT/mTOR-Signalwege). Anhand des resistenzvermittelnden Mechanismus kann die weitere Therapie geplant werden. Beispielsweise können eine duale ALK- und EGFR-Inhibition oder eine duale ALK- und KIT-Inhibition bei bestehender EGFR-Aktivierung oder KIT-Amplifikation erfolgversprechend sein, sind aber noch nicht zugelassen [19].

Die Art der resistenzvermittelnden Mutation hat eine entscheidende Bedeutung. Codon-1196-Mutationen vermindern die Kinase-ATP-Interaktion von Crizotinib. Dieser Resistenzmechanismus kann jedoch durch potentere ALK-Inhibitoren überwunden werden.

Im Gegensatz dazu führen im Verlauf auftretende Mutationen im Codon 1202 zu einer Resistenz gegenüber den meisten verfügbaren ALK-Inhibitoren mit Ausnahme von Lorlatinib. Die G1202R-Mutation macht nach Versagen einer Therapie mit Zweitgenerations-TKI (Standardtherapie mit Alectinib) den größten Anteil resistenzvermittelnder Mutationen aus [11].

Die Art der resistenzvermittelnden Mutation hat eine entscheidende Bedeutung

Angesichts der verschiedenen bekannten Resistenzmechanismen und der damit verbundenen unterschiedlichen Sensitivität gegenüber den aktuell zugelassenen Inhibitoren sollte vor einer Therapieumstellung eine Rebiopsie zur erneuten molekularen Testung des Tumormaterials angestrebt werden.

Weitere molekulare Treiber mit zugelassenen TKI

Aktivierende molekulare Treibermutationen/Genfusionen mit der Option einer zielgerichteten Therapie konnten in den Genen BRAF, ROS1 und NTRK nachgewiesen werden.

Translokationen von ROS1

Bei etwa 1–2 % der Lungenkarzinome (Adenokarzinome) können ROS1-Genfusionen nachgewiesen werden.

ROS1 ist eine Rezeptortyrosinkinase, die Strukturähnlichkeiten mit ALK aufweist. Es sind viele mögliche Fusionspartner (z. B. CD74, SLC42A2, EZR oder FIG1) bekannt. Vermutlich beruht die onkogene Wirkung auf der Aktivierung von PI3-Kinase‑, STAT3- und RAS/MAPK-Signalwegen.

Klinische Besonderheiten

Der klinische Phänotyp ähnelt dem von Patienten mit ALK-Translokationen. Patienten, bei denen eine ROS1-Translokation nachgewiesen werden konnte, sind meist jünger und haben nie oder kaum geraucht. In einer großen Fallsammlung von 257 Patienten mit Treibermutationen (ROS1, n = 53; ALK, n = 87; EGFR, n = 117) wurde gezeigt, dass bei ROS1-positiven Patienten weniger häufig Hirnmetastasen (ROS1 9 %; ALK 25 %; EGFR 40 %; p < 0,04) und extrathorakale Metastasen (ROS1 49 %; ALK 75 %; EGFR 72 %; p < 0,01), jedoch häufiger Lymphknotenmetastasen (ROS1, 15 %; EGFR, 2 %; p < 0,01) und sklerosierende Knochenmetastasen (ROS1, 17 %; EGFR, 6 %; p < 0,01) auftraten [8]. Die Gruppe um Chiari konnte in einer prospektiven Phase-II-Studie zur Wirksamkeit von Crizotinib zeigen, dass das Risiko thromboembolischer Ereignisse bei 48 Patienten mit ROS1-Translokation um 14 % höher war als bei den anderen Patienten mit Treibermutationen [6].

Molekulare Diagnostik

ROS1-Translokationen können mittels Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) in der Routine nachgewiesen werden (Goldstandard). Angesichts der niedrigen Frequenz des Auftretens der Veränderung hat es sich in der Praxis jedoch bewährt, zunächst eine immunhistochemische Testung und nachfolgend eine FISH-Analyse oder andere molekulare Methoden als Bestätigungstest durchzuführen. Die Leitlinien empfehlen die ROS1-Testung bei allen Patienten mit fortgeschrittenem Adenokarzinom der Lunge, unabhängig von klinischen Charakteristika [18].

Therapie

In klinischen Studien wurde gezeigt, dass Crizotinib – ein Multikinase-MET/ALK/ROS1-TKI – auch Wirksamkeit bei ROS1-translozierten Lungenkarzinomen hat [23]. In einer Phase-I-Studie fand sich ein objektives Ansprechen von 72 % und ein medianes PFS von 19,2 Monaten. Momentan ist Crizotinib der Standard in der Erstlinientherapie.

Unter der Behandlung mit Lorlatinib wurde bei 6 von 12 Patienten ein partielle Remission und bei 2 weiteren Krankheitskontrolle erreicht – mit einer mittleren Dauer des Ansprechens von 12 Monaten (95%-KI: 5,7–NR, nicht erreicht) [33].

Entrectinib ist ein Multikinase-TRKA-, TRKB-, TRKC-, ROS1- und ALK-TKI. Bei 51 Erwachsenen mit NSCLC und ROS1-Translokation, die mit Entrectinib behandelt wurden, zeigte sich eine objektive Ansprechrate (ORR) von 78 %. Die Dauer des Ansprechens lag bei 55 % der Patienten bei 12 Monaten oder mehr. Aufgrund dieser Ergebnisse hat die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) in Bezug auf Entrectinib grünes Licht für die Therapie des metastasierten ROS1-positiven NSCLC gegeben [14].

In Deutschland ist aktuell nur Crizotinib für die Behandlung des fortgeschrittenen ROS1-positiven NSCLC zugelassen.

BRAF-Onkogen

In der Literatur werden Mutationen im BRAF-Gen mit einer Häufigkeit von 1–4 % der Lungenkarzinome vom Adenokarzinomtyp angegeben.

Sowohl aktivierende als auch inaktivierende Mutationen tragen paradoxerweise zum Tumorwachstum bei

BRAF ist eine Serin‑/Threoninkinase im RAS-RAF-MEK-ERK-Signalweg. Am häufigsten findet sich der Austausch einer Glutaminsäure durch Valin an der Position 600 (BRAF V600E) in der Proteinkinasedomäne. Aktivierende Mutationen führen über eine Phosphorylierung von MEK durch BRAF letztlich zum Zellwachstum, zur Proliferation und zum Überleben von Tumorzellen. Seltener kommen inaktivierende Mutationen (z. B. BRAF G466V oder BRAF Y472C) im BRAF-Gen vor. Sowohl aktivierende als auch inaktivierende Mutationen tragen paradoxerweise zum Tumorwachstum bei. Im Gegensatz zum malignen Melanom findet man beim NSCLC in weniger als 50 % der Fälle die V600E-Mutation. Die zweithäufigste Mutation beim Lungenkarzinom ist die G469A-Mutation (39 %). Weitere Non-V600-Mutationen finden sich in einigen Hotspots im Bereich des Exons 11 und 15 [30]. BRAF-V600E-Mutationen treten oftmals isoliert auf, Non-V600-Mutationen sind hingegen häufig mit weiteren onkogenen Mutationen, wie beispielsweise im EGFR- oder KRAS-Gen assoziiert [14].

Klinische Besonderheiten

Generell weisen Patienten mit BRAF-Mutationen dieselben Charakteristika (Alter, Geschlecht, Rasse, Raucherstatus, Stadium) auf wie Patienten ohne onkogene Treibermutation. Die Subgruppe der V600-Mutation tritt jedoch häufiger bei Leicht- /Nichtrauchern auf und geht häufiger mit intrathorakalen Metastasen einher, während bei Non-V600-Mutationen intraabdominelle Metastasen häufiger sind [24].

Molekulare Diagnostik

Der Nachweis von BRAF-Mutationen kann durch DNA-basierte Methoden (Multiplex-Primer-Extension-basierte Methoden oder „next-generation sequencing“) oder mittels Immunhistochemie für die häufigste Mutation (BRAF V600E) erfolgen.

Therapie

Im Vergleich zu anderen zielgerichteten Therapien waren die therapeutischen Erfolge einer BRAF-Blockade mit einer Ansprechrate von 33 % und einer Dauer des Ansprechens von 9,6 Monaten zunächst eher enttäuschend. In 2 Studien konnten mit der Kombination des MEK-Inhibitors Trametinib mit dem BRAF-Inhibitor Dabrafenib eine Ansprechrate von 63 % bei Patienten mit BRAF-V600E-mutiertem Adenokarzinom und ein medianes Überleben von 24,6 Monaten bei unvorbehandelten Patienten erreicht werden [35].

Retrospektive Analysen des klinischen Verlaufs von Patienten mit BRAF-mutiertem NSCLC ergaben ein heterogenes Bild in Bezug auf das mediane Gesamtüberleben mit Werten zwischen 15,2 und 56,5 Monaten [22]. Eine große Kohorte umfasste 72 Patienten mit BRAF-Mutationen. Davon erhielten nur 20 Patienten einen BRAF/MEK-Inhibitor in der zweiten Therapielinie oder später. Das mediane OS betrug 56,5 (95%-KI: 13,4–89,1) Monate im Vergleich zu 27,2 (10,6–64,6) Monaten bei Patienten, die keine zielgerichtete Therapie erhalten hatten [15]. In der French Cooperative Thoracic Intergroup Biomarkers France Study fanden sich bei 83 Patienten mit BRAF-Mutationen, von denen nur 21 mit einen BRAF/MEK-Inhibitor behandelt wurden, keine Unterschiede bezüglich PFS und „disease control rate“ (DCR) [7].

Die molekulare Stratifizierung des NSCLC schreitet weiter voran, und es werden weitere molekulare Treiber, auch solche, die für Resistenzen verantwortlich gemacht werden, in Studien untersucht. Zum Teil sind auch schon Behandlungsoptionen zugelassen. Einige onkogene Treiber sind in Tab. 3 zusammengefasst.

Tab. 3 Weitere molekulare Targets mit therapeutischen Optionen

Fazit für die Praxis

  • Die Subgruppe der Patienten mit nichtkleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) und behandelbaren Treibermutationen profitiert von einer zielgerichteten Therapie.

  • Die molekulare Diagnostik ist Basis für die Therapieplanung in der Erstlinientherapie.

  • Rebiopsie oder „liquid biopsy“ sind erforderlich, um Resistenzmechanismen aufzuspüren und zielgerichtet weiterzubehandeln.

  • Für EGFR-mutierte Tumoren sind Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) der 1. (Erlotinib, Gefitinib), 2. (Afatinib, Dacomitinib) und 3. Generation (Osimertinib) zugelassen.

  • Die Kombination TKI und VEGF-Inhibitor bzw. TKI und Chemotherapie stellt möglicherweise eine Verbesserung dar.

  • Für Tumoren mit EML4/ALK-Translokation sind Crizotinib, Ceritinib und Alectinib für die Erstlinientherapie, Brigatinib nach Crizotinibversagen und Lorlatinib nach Versagen der ersten TKI-Therapie zugelassen.

  • Für Tumoren mit ROS1-Translokation, BRAF-Mutation, NTRK-Fusionen, HER2-Mutation, MET–Exon-14-Skipping stehen zielgerichtete Substanzen zur Verfügung, die z. T. schon zugelassen sind.