Epidemiologie

Nach dem Basalzellkarzinom ist das kutane Plattenepithelkarzinom (PEK) der zweithäufigste maligne Hauttumor und repräsentiert 20 % aller nicht melanozytären Hauttumoren. Laut der 2020 aktualisierten S3-Leitlinie „Aktinische Keratose und Plattenepithelkarzinom der Haut“ stieg die Inzidenz des PEK in den letzten 30 Jahren in Deutschland um das 4‑Fache an [1, 2]. Im Jahr 2014 erkrankten in Deutschland etwa 29.300 Männer und 20.100 Frauen an einem PEK. Man findet (zusammen mit der aktinischen Keratose) somit die höchste Zunahme aller nicht melanozytären Hautkrebsarten [3, 4]. Diese gesteigerte Inzidenz steht nicht nur mit der chronischen UV-Exposition, sondern auch mit der zunehmenden Alterung der Bevölkerung, der genetischen Prädisposition, der erhöhten öffentlichen Wahrnehmung gegenüber Hautkrebs und der daraus resultierenden höheren Rate an Arztuntersuchungen in Zusammenhang. Die Inzidenzrate zeigt einen Höchstwert bei 60-jährigen Patienten und liegt 2:1 für Männer im Vergleich zu Frauen. Hellhäutige Kaukasier mit chronischer UV-Belastung sind eher betroffen. Die Mortalität des PEK ist allerdings gering. In den USA wurden 15.000 Todesfälle bei etwa 700.000 Erkrankten jährlich registriert [5, 6].

Ursachen

Die Ursachen des PEK sind multifaktoriell. Neben dem Kontakt mit chemischen Karzinogenen ist die UV-Strahlung bei Weitem der größte Risikofaktor. Das PEK kann sich an jedem Körperteil manifestieren. In der Tat sind wegen ihrer häufigen Sonnenexposition das Gesicht, die Ohren, die Unterlippen, der Nacken, die Arme, die Beine und die Handrücken häufiger betroffen. (Abb. 1).

Abb. 1
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Invasives Plattenepithelkarzinom (PEK) (© Univ.-Klin. für Dermatologie und Venerologie, Medizinische Universität Graz)

Innacone et al. [7] haben berichtet, dass 65 % der PEK-Patienten eine erhöhte Infektionsrate mit dem humanen Papillomvirus (HPV) aufweisen. HPV spielt sehr wahrscheinlich eine Schlüsselrolle im Frühstadium der Tumorentstehung.

Klassifikation

Das PEK ist eine maligne Neoplasie der Keratinozyten in der Epidermis. Weil die Tumoren unterschiedliche morphologische Formen entwickeln können, ist die Unterscheidung zwischen den verschiedenen PEK-Läsionen auch für erfahrene Dermatologen teilweise eine Herausforderung.

Der Vorläufer der meisten invasiven PEK ist die aktinische Keratose (AK), eine chronisch UV-strahlungsgeschädigte Hautveränderung. Somit ist das Vorhandensein von vielen AKs der wichtigste PEK-Risikofaktor [1]. Die aktinische Keratose wird in drei Progressionsstadien klassifiziert, nämlich nach dem histopathologischen Befallsgrad der basalen Schichten der Epidermis vom unteren Drittel (AK-I), bis zur hochgradigen Atypie der Keratinozyten in der oberen Schicht (AK-III) der Epidermis.

Die verschiedenen Formen des PEK sind aufgrund ihrer morphologischen Charakteristika in den meisten Fällen eindeutig zu diagnostizieren, da jeder Subtyp spezielle histologische – und teilweise auch charakteristische klinische Merkmale – zeigt. Eine Früherkennung des Hauttumortyps ermöglicht eine schnellere Behandlung und reduziert somit das Rezidiv- und Metastasierungsrisiko. Die Einteilung des PEK sollte entsprechend den derzeit gültigen TNM-Klassifikationen der UICC/WHO oder der AJCC erfolgen.

Die klinischen Varianten des PEK repräsentieren folgendes Spektrum (Tab. 1; Abb. 23 und 4):

Tab. 1 Klinische Varianten des PEK
Abb. 2
figure 2

Invasives PEK mit Feldkanzerisierung (© Univ.-Klin. für Dermatologie und Venerologie, MUG)

Abb. 3
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Desmoplastisches PEK an der Stirn (© Univ.-Klin. für Dermatologie und Venerologie, MUG)

Abb. 4
figure 4

Verruköses PEK (Epithelioma cuniculatum) (© Univ.-Klin. für Dermatologie und Venerologie, MUG)

Die Tab. 2 illustriert die vielgestaltigen histologischen Typen des PEK [8].

Tab. 2 Histologische Typen des PEK

Prognose

Die klinischen und histopathologischen Merkmale einer bestimmten PEK-Läsion sind bedeutende Faktoren, um den Krankheitsverlauf zu evaluieren.

Klinik

Folgende klinische Aspekte sind Indikatoren eines gesteigerten Risikos beim PEK: Lokalisation an Ohren oder Lippen, ein Tumordurchmesser von mindestens > 2 cm, Ulzeration, Tumorrezidive oder Immunsuppression. Maligne epitheliale Hauttumoren sind eine typische Langzeitkomplikation bei medikamentös immunsupprimierten Patienten. Die meisten der organtransplantierten Patienten sind betroffen [9,10,11]. Die Inzidenz der PEK steigt mit jedem Jahr unter einer immunsuppressiven Therapie, bis sie nach 20 Jahren 40–60 % erreicht. Gegenüber immunkompetenten Patienten zeigen immunsupprimierte Patienten aggressivere Tumoren mit einem erhöhten Grad an Metastasierung und deutlich mehr lokalen Rezidiven [4, 12]. In Plattenepithelkarzinomen von Organtransplantierten konnten signifikant höhere HPV-Mengen, als bei nicht transplantierten Patienten beobachtet werden.

Histopathologie

Eine histologische Analyse ist unerlässlich, um die klinische Diagnose zu bestätigen. Die histopathologisch ungünstigen prognostischen Faktoren des PEK sind [2, 5]:

  • Differenzierungsgrad (mäßig differenziert oder undifferenziert > Grad 3)

  • Desmoplasie

  • Vertikale Tumordicke (≥6 mm) oder Tumoren > 2cm im Durchmesser

  • Perineurale/ossäre Infiltration

  • Zelltyp/Mitosen

  • Desmoplasie

Mittels klinischer und histopathologischer Kriterien kann das PEK in verschiedene Kategorien klassifiziert werden. Dabei liegen Richtlinien internationaler Arbeitsgruppen vor [2, 5].

Fünf bis 20 % der Patienten entwickeln fortgeschrittene PEK. Diese können sich lokal aggressiv verbreiten, sodass eine schwerwiegende Belastung für die Patienten resultieren kann, insbesondere wenn sichtbare Körperstellen betroffen sind. Ein fortgeschrittenes PEK ist definiert durch das Vorliegen von lokal großflächigem, aggressivem Tumorwachstum; ein metastasiertes PEK zeigt entweder Lymphknotenmetastasen oder Fernmetastasierung (Leber, Lunge, Knochen oder Gehirn). Wegen der UV-Bestrahlung hat das PEK meistens eine hohe Tumormutationslast, aber ein relativ geringes Metastasierungsrisiko (5-Jahre-Metastasierungsrate von 5 %, bzw. über 10 % bei Ohren‑, Lippen- oder Genital-Läsionen). Von allen kutanen Regionen zeigen die Tumoren an den Lippen das höchste metastatische Potenzial [13].

Therapie

Die Therapieentscheidung für das PEK hängt von multiplen Faktoren ab (Abb. 5): anatomische Lokalisation und Ausbreitung des Tumors, Alter, Performancestatus, Komorbiditäten, Lebenserwartung und Therapiewunsch des Patienten, Risikofaktoren (z. B. Immunsuppression, UV-Belastung, Anzahl der Läsionen) und Rezidiv der Erkrankung. Die Behandlung der meist älteren Patienten mit fortgeschrittenem oder metastasiertem PEK ist oft kompliziert und noch schwieriger, wenn es sich um organtransplantierte Patienten handelt [1, 4].

Abb. 5
figure 5

Chirurgische und nicht chirurgische Therapieoptionen [4]

Chirurgische Therapie

Die Behandlung der Patienten muss die Rezidivneigung des Tumors, das Beibehalten von körperlichen Funktionen, die Erwartungen des kosmetischen Ergebnisses vom Patienten und die möglichen Nebenwirkungen berücksichtigen. In der Richtlinie von Kim et al. [14] wird zur Behandlung aller klinisch verdächtigen risikoarmen primären PEK eine Standardexzision (inklusive einer 4–6 mm histologischen Schnittrandkontrolle) empfohlen. Bei einem höheren Risiko wird eine „Moh’s micrographic surgery“ durchgeführt. Bei Lymphknotenmetastasen wird eine Lymphknotendissektion empfohlen [13, 14]. Diese chirurgischen Optionen sind nicht evidenzbasiert, da es bisher keine prospektiven randomisierten Studien mit hohen Patientenzahlen gibt.

Systemische Therapie

Die nicht chirurgischen Behandlungen umfassen die intraläsionale oder systemische Chemotherapie, die Bestrahlung, die Immuntherapie (Checkpoint-Inhibitoren), die zielgerichtete Therapie und die topische Immunmodulation. [1, 4]. Die Indikation und Festlegung der Systemtherapie sollten in einem interdisziplinären Tumorboard gestellt werden. Mit Ausnahme der Immuntherapie gibt es kaum prospektive, kontrollierte oder randomisierte Studien zur systemischen Therapie, die Patienten mit fortgeschrittenem oder metastasiertem PEK untersucht haben. Zur Verfügung stehen sowohl Mono- als auch Kombinationstherapien. Patienten mit PEK werden auch regelmäßig mittels EGFR-Inhibitoren wie Cetuximab oder Erlotinib behandelt. Diese Therapie kann als neoadjuvant, Erstlinien- oder Zweitlinienbehandlung verabreicht werden. Die Verwendung einer zielgerichteten Therapie ist wegen ihrer Nebenwirkungen bei älteren Patienten mit Komorbiditäten oft nicht anwendbar. Bei lokal inoperablen PEK oder bei Metastasierung, sollte eine Radiotherapie angeboten werden. Eine gute lokale Tumorkontrolle mit der Strahlentherapie wurde in retrospektiven Analysen gezeigt [15].

Die Therapiemöglichkeiten des PEK haben sich kürzlich durch die Immuntherapie deutlich verbessert [16, 17]. Weil PEK eine sehr hohe Mutationslast aufweisen, wird auch ein gutes Ansprechen auf PD-1/PD-L1-Inhibitoren erwartet [18, 19]. Der derzeit für Patienten mit metastasiertem oder lokal fortgeschrittenem PEK zugelassene Immuncheckpoint-Inhibitor Cemiplimab zeigt vielversprechende Daten [20, 21]. In einer nicht randomisierten Studie erreichten 46,1 % der Patienten unter Cemiplimab eine nachhaltige Remission. Die 24-Monate-Überlebensrate lag bei 73,3 %, während die mediane rezidivfreie Überlebenszeit zum Datenschnitt noch nicht erreicht war [22]. Cemiplimab zeigte ein gutes Verträglichkeitsprofil und die Nebenwirkungen entsprachen jenen von anderen PD-1-Inhibitoren [22].

Fazit für die Praxis

Die klinische und histologische Klassifikation der verschiedenen PEK ist wichtig für die Therapieentscheidung. Zurzeit liegt für das aggressive PEK keine etablierte Standardbehandlung vor. Die 2020 aktualisierte S3 Leitlinie für „Aktinische Keratose und Plattenepithelkarzinom der Haut“ empfiehlt nach Möglichkeit die Einschließung insbesondere von Patienten mit aggressiven/fortgeschrittenen PEK in klinisch kontrollierte Studien [1, 2]. In den interdisziplinären europäischen Leitlinien für die Therapie invasiver PEK werden Patienten mit metastasiertem oder lokal fortgeschrittenem PEK, die für eine kurative Operation oder Strahlentherapie nicht geeignet sind, eine Erstlinientherapie mit einem Checkpoint-Inhibitor empfohlen [5, 6]. Sollte dies nicht möglich sein, können ihnen sowohl Chemotherapien, EGFR-Inhibitoren oder Immuntherapien angeboten werden. In der Therapieentscheidung müssen sowohl der Allgemeinzustand und die Komorbiditäten des Patienten als auch der Immunstatus von Organtransplantierten einbezogen werden.

Zusammenfassend und zukunftsweisend kann festgehalten werden, dass für Patienten mit inoperablen oder metastasierten PEK-Hauttumoren seit 2019 neue Therapiemöglichkeiten mit Anti-PD-1-Inhibitoren mit vielversprechenden Therapieergebnissen vorliegen.