„Tarragona-Strategie“ – der Begriff beinhaltet das klinisch notwendige Wissen über den Beginn einer adäquaten Antibiotikatherapie bei ventilatorassoziierter Pneumonie [1]. Die Inhalte sind auf die zunächst empirische Antibiotikatherapie in der Intensivstation übertragbar.

Bereits in den 1990er-Jahren war auf die inadäquate Antibiotikatherapie als signifikanter Risikofaktor für eine erhöhte hospitale Sterblichkeit verwiesen worden [2, 3]. Kollef konnte einen Anstieg der infektionsbezogenen hospitalen Sterblichkeit durch inadäquate Therapie um 25,3 % belegen. Beim Auftreten von Problemkeimen erhöhte sich die additive Sterblichkeit sogar um bis zu 40 %. Bei schwerer Sepsis und septischem Schock steigt die Sterblichkeit signifikant [4].

In der ursprünglichen Lesart beinhaltet eine adäquate Therapie bei ambulant oder im Krankenhaus erworbenen Infektionen die möglichst frühe, die Resistenzsituation, die antibiotische Vorbehandlung und den Erkrankungsschweregrad berücksichtigende Antibiotikagabe.

Die sog. Tarragona-Strategie fasst diese Vorstellungen über eine adäquate antibiotische Therapie deutlich weiter. Sie formuliert 5 Thesen:

  • „look at your patient,

  • listen to your hospital

  • hit hard

  • get to the point

  • focus, focus, focus“.

„Look at your patient“

Sollte zum Untersuchungszeitpunkt des Patienten der Ort der mutmaßlichen Infektion noch nicht bekannt sein, muss systematisch, der Häufigkeit der Infektionen folgend, nach einem Fokus gesucht werden. Mögliche Lokalisationen sind: Lunge, Harnwege, Abdomen, Haut und Weichgewebe, Herz, Gehirn, Nasennebenhöhlen und Zähne. Der Infektionsort bestimmt die primäre Auswahl des Antibiotikums. Bei Infektionen der Harnwege und im Abdomen sind mit hoher Wahrscheinlichkeit gramnegative Erreger und Enterokokken zu erwarten. Bei der Suche nach dem Infektionsort sind, auch wenn die Infektion bereits in der Lunge dingfest gemacht werden konnte, alle genannten Organe zu evaluieren, damit Mehrfachinfektionen nicht übersehen werden.

Häufigster Infektionsort ist die Lunge. Besonders bei der Infektion der Atemwege wird die Auswahl der Antibiotika davon mitbestimmt, ob die Infektion ambulant, in einer Alters-oder Pflegeeinrichtung bzw. im Krankenhaus erworben wurde. Die ambulant erworbene Pneumonie (CAP) wird in Deutschland noch immer überwiegend durch penicillinempfindliche Streptokokken (Pneumokokken) hervorgerufen. Sie wird mit Penicillin bzw. anderen Nichtbreitspektrum-β-Lactam-Antibiotika oder mit Makroliden behandelt. Letztere allerdings stellen bei der schweren CAP keine Option für die Monotherapie auf der Intensivstation dar [5, 6].

Bei der Herkunft des Patienten aus einer Alters- bzw. Pflegeeinrichtung ist verstärkt mit Infektionen durch resistente und multiresistente Enterobacteriaceae und Staphylococcus aureus sowie mit Aspirationspneumonien zu rechnen. Dies muss sich in der primären Antibiotikawahl niederschlagen, bis der Keimnachweis vorliegt. Auch bei der nosokomialen im Krankenhaus erworbenen Infektion sollte von einem breiten Erregerspektrum ausgegangen werden. Dabei gilt auch als nosokomial erworben, wenn die Infektion > 48 h nach Krankenhausaufnahme auftrat, der Patient sich bei Aufnahme nicht in der Inkubation befand oder sich die Infektion bis zu Wochen nach erfolgter Krankenhausentlassung manifestierte [7]. Bei postoperativen Wundinfektionen gilt ein Zeitfenster von 30 Tagen [8]. Das Eruieren zurückliegender Krankenhausaufenthalte und dort stattgehabter antibiotischer Therapie kann wegen möglicher Selektion und Resistenzentwicklung die empirische Antibiotikatherapie wesentlich modifizieren [9].

Bei ambulant erworbenen Infektionen sollte die kürzliche Reiseanamnese erhoben werden, da einige Länder eine erhöhte Legionellenexposition bzw. gehäuft penicillinresistente Pneumokokken aufweisen. Auch das Erheben einer Haustieranamnese kann hilfreich sein.

Darüber hinaus modifizieren Komorbiditäten die empirische Initialtherapie. Dabei ist nicht nur wichtig, ob zurückliegend Krankenhausaufenthalte und Antibiotikatherapien erfolgten, sondern auch, ob Erkrankungen vorliegen, die als Risikofaktoren für eine erhöhte Infektionsgefährdung gelten. Zu den Risikogruppen gehören Patienten mit Tumoren, Diabetes mellitus, immunsupprimierender Behandlung (einschließlich Steroide), künstlichen Implantaten, eingeschränktem funktionellen Status sowie Katheterträger und chronische Dialysepatienten. Schließlich lassen auch der Schweregrad der Erkrankung [10] und die im Alter zunehmende Polymorbidität bei Infektionen eine breit angelegte empirische Therapie sinnvoll erscheinen, die in Kenntnis des mikrobiologischen Befundes zum frühesten Zeitpunkt in Bezug auf Erreger und Resistenz zu deeskalieren ist.

„Listen to your hospital (to the patient’s environment)“

Bei der Festlegung der empirischen Therapie sollte nicht nur die Umgebung im Krankenhaus, sondern auch die generelle Resistenzlage Berücksichtigung finden. Über länderspezifische Erreger- und Resistenzsituationen informieren die jährlichen European-Centre-for Disease-Prevention-and-Control(ECDC)-Surveillance-Berichte [11]. Die dort ausgewiesenen Resistenzen sind das Produkt des Selektionsdrucks der jeweiligen Philosophie im Umgang mit den Antibiotika. Länder wie Spanien, Griechenland, Rumänien und Bulgarien, aber auch Portugal, Italien und Frankreich weisen gegenüber Deutschland eine hohe Resistenzrate für Penicilline und West- wie Osteuropa für Makrolide bei Streptococcus pneumoniae auf [11]. Bei Klebsiella pneumoniae besteht im gesamten ost- und südeuropäischen Raum eine über 50 %ige Resistenzrate gegenüber Cephalosporinen der 3. Generation und Fluorchinolonen. Bei E.coliverhalten sich die Resistenzen unter weiterer tendenzieller Zunahme ähnlich. Ebenso von Bedeutung ist die erhöhte Prävalenz der Tuberkulose mit multiresistenten Erregern in den osteuropäischen Ländern [12].

Die lokale Epidemiologie bestimmt die empirische antimikrobielle Therapie

Vor allem aber bestimmt die momentane lokale Epidemiologie die empirische antimikrobielle Therapie. Auch primäre Resistenzen haben Bedeutung. Klassischerweise betrifft das alle Enterokokken, die Resistenzen gegenüber Cephalosporinen aufweisen. Deshalb ist eine Therapie mit Cephalosporinen z. B. bei Gallen- oder Harnwegsinfektionen nicht zu begründen.

Bei Infektionen mit potenzieller Pilzbeteiligung spielen fluconazolresistenzaufweisende Nichtalbicansspezies eine zunehmende Rolle.

Bei potenziellen Anaerobiermischinfektionen sollten in der empirischen Therapie Antibiotika mit Anaerobierwirksamkeit eingesetzt werden. Klassischerweise sind hier Piperacillin/Tazobactam, die Carbapeneme und Moxifloxacin oder Clindamycin bzw. Metronidazol als anaerob wirksame Kombinationspartner zu nennen.

„Hit hard (and early)“

Es ist Ziel der Therapie, die Erregerpopulation zum frühestmöglichen Zeitpunkt numerisch zu dezimieren und den Generationszyklus zu unterbrechen. Dazu dienen neben der adäquaten Auswahl der Antibiotika die ausreichende Dosierung und der frühestmögliche Therapiebeginn.

Auf die Notwendigkeit des frühestmöglichen Therapiebeginns hatten bereits Meehan et al. [13] und später Luna et al. [2] hingewiesen. Letztere zeigten bei ventilatorassoziierter Pneumonie, dass eine frühe adäquate empirische Antibiotikatherapie mit einer geringeren Sterblichkeit assoziiert war als ein Therapiebeginn nach Bronchoskopie bzw. eine gezielte Therapie nach Erhalt des mikrobiologischen Ergebnisses.

Bei Kumar et al. [14] sank die Überlebensrate für Patienten im septischen Schock in den ersten 6 h mit jeder Stunde Verzögerung um 7,6 %. Analoges gilt für den Einsatz von Antimykotika bei Patienten mit hohem Risiko für eine Pilzsepsis bzw. bei nachgewiesener Pilzsepsis [15, 16]. Gaieski et al. [17] erhärten den Nutzen einer frühen antibiotischen Therapie bei schwerer Sepsis, wenn bereits in der Notaufnahme eine hämodynamische Stabilisierung stattfindet.

Der Beginn einer frühen empirischen Therapie schließt eine sachgerechte mikrobiologische Diagnostik zum frühestmöglichen Zeitpunkt nicht aus, sie soll jedoch den Beginn der Antibiotikabehandlung nicht verzögern. Zumindest die Abnahme entsprechender Blutkulturen muss vorher erfolgen.

Eine suffiziente Dosierung stellt beim kritisch Kranken ein schwieriges Problem dar. Die klinische Erfahrung spricht für eine Initialdosis in der Höhe des Doppelten der empfohlenen Dosierung. Der damit sicher und schnell erreichte Wirkspiegel vor Ort der Infektion, das erhöhte Verteilungsvolumen bei gestörter kapillärer Schrankenfunktion des kritisch Kranken sowie die wahrscheinlichen Verluste durch Nierenfunktion und Nierenersatzverfahren begründen ein solches Vorgehen. Bei der Anschlussdosierung werden dann die Erregerempfindlichkeit (minimale Hemmkonzentration, MHK), die Pharmakokinetik des Antibiotikums, die Änderung der Verteilungsräume, der Serum-Albumin-Spiegel, die Leistung der Abbau- bzw. Eliminationsorgane und die Eliminationseffekte der kontinuierlichen Nierenersatztherapieverfahren (CRRT) berücksichtigt.

Blutspiegelbestimmungen bei zeitabhängig wirksamen Antibiotika sind derzeit klinisch i. d. R. nicht möglich, für die Intensivmedizin aber eine Forderung. Bei Antibiotika mit entsprechender Stabilität können im Intensivbereich verlängerte oder kontinuierliche Infusionen erfolgen, um die Blutspiegel kontinuierlich über der MHK zu halten. Das betrifft derzeit für Piperazillin/Tazobactam, Imipenem, Meropenem, Doripenem, Ceftazidim und Ceftriaxon [18] von den Originalherstellern zu. Von den Generikaherstellern liegen teilweise keine ausreichenden Stabilitätsuntersuchungen vor.

„Hit hard“ kann bei Problemkeimen auch Kombinationstherapie bedeuten

„Hit hard“ kann bei Problemkeimen auch Kombinationstherapie bedeuten. Zwar brachte in einer älteren Metaanalyse eine Kombinationstherapie bei gramnegativen Infektionen keine Vorteile. Die Ausnahme bildete die Anwesenheit von Pseudomonas spp. [20, 21]. Neuerlich konnte bei Patienten mit hohem Sterblichkeitsrisiko, besonders mit Sepsis und septischem Schock, ein Überlebensbenefit durch Kombinationstherapie gegenüber einer erhöhten Sterblichkeit unter Kombinationstherapie bei Low-risk-Patienten gezeigt werden [22]. In einer retrospektiven Matched-pair-Analyse bei Patienten mit septischem Schock zeigte die Kombinationstherapie einen signifikanten Vorteil im Hinblick auf Intensivstations- und Hospitalsterblichkeit sowie ventilator- und vasopressorfreie Tage [23]. Dagegen wurden in der MaxSep-Studie der Deutschen Sepsisgesellschaft weder Überlebensvorteile noch eine Reduktion von Organdysfunktionszuständen für eine Kombination von Meropenem und Moxifloxacin gegenüber der Meropenemmonotherapie nachgewiesen [24].

Zusammenfassend sprechen der Verdacht auf die Anwesenheit sog. Problemkeime und der septische Schock eher für eine initiale empirische Kombinationstherapie. In dieser werden Acylaminopenicillin/β-Lactamaseinhibitoren oder Cephalosporine der Gruppe 4 oder Carbapenem der Gruppe 1 mit jeweils Fluorchinolon der Gruppe 2/3 oder Fosfomycin kombiniert [25]. Bei Infektionen mit multiresistenten gramnegativen Erregern (MRGN) können Mehrfachkombinationen notwendig werden.

„Get to the point“

Zum Zeitpunkt der Auswahl und der Dosierung der Initialtherapie liegen Angaben zu Erregerempfindlichkeit, Resistenz und MHK zumeist noch nicht vor. Daher sind Überlegungen erforderlich, die zumindest eine Unterdosierung verhindern und die Pharmakokinetik des Antibiotikums berühren.

Eine initiale Unterdosierung sollte verhindert werden

Danach werden konzentrationsabhängig und zeitabhängig wirkende Antibiotika unterschieden. Grundlagen zur Pharmakokinetik und -dynamik der Antibiotika, diesbezügliche Indizes und daraus resultierende praktische Empfehlungen sind in dem vorliegenden Heft von Bellmann dargestellt.

Bei den zeitabhängig wirkenden Antibiotika, wie β-Lactama-Atibiotika, Clindamycin, Makrolide, Oxazolidinone und Fosfomycin, sollten die Serumspiegel des Antibiotikums kontinuierlich 4- bis 5-fach über der MHK für den Erreger liegen [26]. Da die Serumspiegel der jeweiligen zeitabhängig wirkenden Antibiotika derzeit routinemäßig nicht messbar sind, liegen Dosis und Dosierungsintervalle im Erfahrungsbereich des Intensivmediziners. Beim kritisch Kranken weicht aber die Pharmakokinetik im Vergleich zum gesunden Probanten deutlich ab (Tab. 1). Auch bereits bei noch normaler Nierenfunktionmuss dies i. d. R. zur Steigerung der empfohlenen Dosierung (Tab. 2) infolge des größeren Verteilungsraums durch kapilläres Leck, Volumentherapie und bei Übergewicht führen. Davon sind neben den hydrophilen β-Lactamen auch Daptomycin, Glycilcycline und Glykopeptide betroffen. Einen ebenfalls großen Verteilungsraum haben die lipophilen, allerdings konzentrationsabhängig wirkenden Fluorchinolone aufgrund ihrer guten Gewebe- und intrazellulärer Penetration [18].

Tab. 1 Therapeutische Konsequenzen veränderter Pharmakokinetik/-dynamik bei kritisch Kranken. (Nach [18])
Tab. 2 Dosierungsempfehlungen zur Initialtherapie bei kritisch Kranken mit normaler Nierenfunktion. (Nach [18, 19])

Weitere Unsicherheitsfaktoren für die Dosiskalkulation sind akuter Nierenschaden (AKI), eine mögliche verstärkte („augmented“) renale Clearance (ARC) des kritisch Kranken [27] und die CRRT.

Die Eliminationsrate für Antibiotika hängt bei der CRRT vom Molekulargewicht, der Proteinbindung und der Hydrophilie des Antibiotikums sowie dem Material, der Porengröße der Filter, dem Blut- und Filtratfluss ab. Im Gegensatz zu der bisherigen Empfehlung für eine Dosisreduktion bei intermittierenden chronischen Dialyseverfahren sollte dies eher zu einer Dosissteigerung bei CRRT auf der Intensivstation führen [18, 27]. Gleiches gilt auch beim Vorliegen einer ARC, deren Prävalenz in klinischen Studien 30–85 % bei kritisch Kranken betragen soll. Hintergrund dieser Nierenfunktionsstörung sind in erster Linie inflammatorisch bedingte hämodynamische Effekte, Volumensubstitution und die Katecholamintherapie. Wenn die Kreatininclearance ≥ 130 ml/min/1,73 m2 beträgt, kann eine ARC angenommen werden. Die Autoren empfehlen trotz aller Vorbehalte gegenüber der Berechnung nach Cockcroft-Gault und der Modification-of-diet-in-renal-disease(MDRD)-Kalkulation weiterhin die 8-stündliche Bestimmung der Urinkreatininclearance [28].

Bei Hypalbuminämie können die vorgenannten Mechanismen zu Unterdosierung bei Antibiotika mit hoher Eiweißbindung und vorwiegend renaler Elimination führen [18, 29]. Bei Albuminserumspiegeln < 25 g/l, einer Eiweißbindung des Antibiotikums > 90 % und überwiegender renaler Elimination wird neben einer höheren Tagesdosis die häufigere Applikation oder sogar die verlängerte bzw. kontinuierliche Infusion empfohlen [18].

Bei den konzentrationsabhängig wirkenden Antibiotika (Aminoglykoside, Azalide, Metronidazol, Daptomycin) ist die Höhe der Konzentration über der MHK (Cmax/MHK) Maß für deren Wirksamkeit. Sie sollte etwa deren 10-faches betragen. Für die Konzentrationsbestimmung der Aminoglykoside ist in der klinischen Praxis Drug Monitoring etabliert. Unterdosierung resultiert hier aus dem Bestreben, geringe Nephrotoxizität durch Sicherstellung der empfohlenen Talspiegel zu erzeugen.

Auch Aminoglykoside sind hydrophil und verhalten sich hinsichtlich der Verteilung unter den pathologischen Bedingungen kritisch Kranker wie β-Lactame. Die lipophilen Fluorchinolone bedürfen i. d. R. keiner Dosiserhöhung bei der Entwicklung eines kapillären Lecks.

Auch die Gewebegängigkeit ist essenziell für die Wirksamkeit eines Antibiotikums und hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab (s. Lagler und Zeitlinger im vorliegenden Heft).

Aufgrund der Häufigkeit der Pneumonien spielen die Lungengängigkeit und aufgrund der Prognose der Meningoenzephalitis die Penetration durch die Blut-Hirn-Schranke (Liquorgängigkeit) eine klinisch bedeutsame Rolle.

Anerkannt gilt, dass bei intravenöser Applikation von sonst üblichen Dosierungen von Gentamycin, Tobramycin, Glykopeptiden und Tigecyclin keine ausreichende Penetration in das Lungengewebe stattfindet und Daptomycin vom Surfactant inaktiviert wird.

Die Blut-Hirn-Schranke erweist sich erst unter der Bedingung der Meningitis für β-Lactame, v. a. für Cefotaxim und Ceftriaxon, gut diffundibel, so dass die empirische Therapie der ambulant erworbenen Meningitis z. B. durch Ceftriaxon in der Kombination mit Ampicillin erfolgen kann. Bei Verdacht auf Mitbeteiligung von Enterokokken oder multiresistenen Staphylococcus aureus (MRSA) sollte mit Rifampicin kombiniert werden [30]. Auch die Kombinationstherapie mit dem gut liquorgängigen Fosfomycin oder mit Vancomycin bzw. Linezolid ist möglich [25].

Ein zunehmendes Problem stellen auf den Intensivstationen die MRGN-Erreger dar: z. B. Extended-spectrum-β-lactamase(ESBL)-Bildner, Pseudomonaden, Acinetobacter, carbapenemasebildende Klebsiella pneumoniae (KPC). Klinische Erfahrungen haben gezeigt, dass der hohen Sterblichkeit an Infektionen mit MRGN derzeit am besten durch Kombinationstherapien mit Antibiotika verschiedener Substanzklassen begegnet werden kann. Die Kombination kann selbst solche Antibiotika, deren Gabe bei den hohen MHK-Werte des jeweiligen Erregers als unwirksam zu betrachten ist, beinhalten oder sogar Meronem einbeziehen, obwohl ein Carbapenemasebildner vorliegt. Damit wird erneut die Diskussion der Synergismen belebt. So zeigte eine Triple-Kombination von Colistin, Tigecyclin und Meronem die beste klinische Erfolgsrate, gefolgt von der Kombination Colistin/Tigecyclin gegenüber Monotherapie bei KPC-Bakteriämie [31].

„Focus, focus, focus“

Hierunter wird die Deeskalation der empirischen adäquaten Initialtherapie zunächst entsprechend dem klinischen Verlauf und schließlich gemäß dem mikrobiologischen Befund bis hin zu einer Sequentialtherapie und dem Therapieende verstanden. Bei der Deeskalation im engeren Sinne werden Antibiotika gestoppt, in der Anzahl reduziert und/oder weiter auf das Erregerspektrum zugeschnitten. Bereits bei ventilatorassoziierter Pneumonie und jetzt auch bei schwerer Sepsis und septischem Schock konnte gezeigt werden, dass Deeskalation wegen des Zuschnitts auf selektiver wirkende Antibiotika und der Elimination möglicher toxischer Effekte oder Nebenwirkungen sicher und effektiv ist, indem sie Morbidität und Letalität verringert [32, 33], zudem den Selektionsdruck reduziert und Kosten senkt.

Die Deeskalation erfolgt dabei im Kontext mit dem klinischen Erscheinungsbild. Sofern mikrobiologische Ergebnisse noch nicht verfügbar sind, sollte die erste Reevaluierung der Antibiotikatherapie anhand des klinischen Verlaufs nach 3 Tagen vorgenommen werden [34]. Neben der Dynamik möglicher Organdysfunktionen sind Temperaturverlauf und Katecholaminbedarf klinisch nutzbare Befunde. Auch Laborparameter, wie der Verlauf von Leukozytenzahl, C-reaktivem Protein (CRP) oder Procalcitonin (PCT), sollten hinzugezogen werden.

Fokussierung bedeutet auch Sequentialtherapie

Fokussierung bedeutet auch Sequentialtherapie, die das Umsetzen der parenteralen auf eine orale Therapie beinhaltet. Sie sollte vorgenommen werden, wenn mit der Besserung des klinischen Zustands die enterale Resorption gegeben ist und das bislang parenteral verabreichte Antibiotikum oder andere oral verfügbare ausgetestete Antibiotika mit hoher Bioverfügbarkeit vorhanden sind. Sequentialtherapie kann die Rate nosokomialer Infektionen herabsetzen und hat sich in klinischen Studien bei unteren Atemwegsinfektionen als sicher erwiesen [35].

Schließlich bedeutet Fokussierung im Sinne der Tarragona-Strategie auch Therapiebeendigung zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Hier sei auf den Beitrag von K. F. Bodmann im vorliegenden Heft verwiesen.

Fazit für die Praxis

  • Das „Tarragona-Prinzip“ bildet das Grundkonzept für eine adäquate antibiotische Initialtherapie bei bakteriellen Infektionen auf der Intensivstation.

  • Prognostisch entscheidend ist die Applikation einer adäquaten Therapie ohne Zeitverlust.

  • Adäquate Therapie kalkuliert das Erregerspektrum und kann als Monotherapie mit einem breit wirksamen Antibiotikum erfolgen.

  • Eine initiale Kombinationstherapie ist angezeigt, wenn der Verdacht auf Mitbeteiligung von resistenten Erregern besteht, der nicht lokalisierbare Fokus eine Kalkulation nicht zulässt oder ein schwerer Erkrankungsgrad vorliegt.

  • Als erste Dosis wird in der Intensivmedizin bei schweren Infektionen das Doppelte der sonst üblichen Startdosis empfohlen.

  • Auch jenseits der Startdosis sollte initial weiter hochdosiert werden, wenn der Verteilungsraum zunimmt, Hypalbuminämie oder eine verstärkte renale Clearance vorliegen oder Nierenersatzverfahren erfolgen.

  • Hämodialyse verlangt i. d. R. Dosisreduktion.

  • Eine Deeskalation sollte vorgenommen werden, wenn mikobiologische Ergebnisse und klinischer Verlauf eine Deeskalation gerechtfertigt erscheinen lassen. Eine diesbezügliche Evaluierung sollte am 3. Behandlungstag erfolgen. Laborparameter, wie der Verlauf von Leukozytenzahl, CRP und v. a. von PCT, sollten hinzugezogen werden.