Die Alzheimer-Demenz (AD) ist eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, bei der es im Verlauf zu einer Störung vieler höherer kortikaler Funktionen wie Gedächtnis, Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprache und Urteilsvermögen kommt. Diese Symptome können sich auch auf die Alltagskompetenz und die Persönlichkeit der Betroffenen auswirken. Weltweit leiden in etwa 50 Mio. Menschen an Demenz, und diese Zahl wird noch weiter steigen. Vor allem in den Bereichen Prävention, Diagnostik und Therapie der AD konnte die Wissenschaft in den letzten Jahren große Errungenschaften erzielen. Ein wichtiger Aspekt, der bei der Alzheimer-Demenz berücksichtigt werden muss, sind Komorbiditäten, die bei den Patienten häufig auftreten können. Diese Komorbiditäten können die Symptome der Alzheimer-Demenz verschlimmern und die Lebensqualität der Patienten stark beeinträchtigen. Im Folgenden wird auf häufige Komorbiditäten und spezifische Merkmale beim Auftreten im Kontext einer AD eingegangen.

Depression

Depression und AD sind zwei Erkrankungen, die beide mit einem kognitiven Leistungsabfall, sozialer Isolation und Interessensverlust einhergehen können. Im klinischen Alltag sind die zwei Erkrankungen damit manchmal schwierig zu unterscheiden. Beide Erkrankungen treten aber auch häufig zeitgleich auf. Der Literatur zufolge leiden etwa die Hälfte aller Alzheimer-Patienten an Depressionen. Die Art und Weise, wie sich die Depression äußert, kann allerdings bei Demenz-Patienten von den klassischen Symptomen abweichen. Betroffene sprechen oft nicht über ihren emotionalen Schmerz oder ihre Niedergeschlagenheit, sondern zeigen eine erhöhte Reizbarkeit, Schlafstörungen und eine Zunahme somatischer Symptome wie Schmerzen und Magen-Darm-Beschwerden.

Welchen Zusammenhang es genau zwischen Depression und AD gibt, ist derzeit noch immer unklar. In einer 2017 im JAMA Psychiatry veröffentlichten Studie [1] wurde der Verlauf von depressiven Symptomen und Demenz bei über 10.000 Personen ab dem Alter von durchschnittlich 45 Jahren über 28 Jahre verfolgt. Diese Studie ergab, dass depressive Symptome in der Lebensmitte, selbst wenn sie chronisch oder wiederkehrend waren, nicht mit einem erhöhten Risiko für Demenz einhergehen. Personen mit depressiven Symptomen in späteren Lebensjahren erkrankten allerdings häufiger an einer Demenz. Daraus leiteten die Autoren ab, dass depressive Symptome ein Prodromalmerkmal einer Demenz sein könnten. Andererseits könnten auch andere Kausalitäten die erhöhte Prävalenz von Depression bei AD-Patienten erklären. Livingston et al. 2020 zählen in ihrer großen Lebensstilstudie beispielsweise Depression zu einem der 12 potenziell modifizierbaren Risikofaktoren für eine Demenz [2].

Der Literatur zufolge leiden etwa die Hälfte aller Alzheimer-Patienten an Depressionen

Alzheimer-Patienten, die an Depressionen leiden, sind in ihrem kognitiven Leistungsabbau schneller progredient als nicht depressive Patienten. Zusätzlich konvertieren unbehandelt depressive Patienten mit einem „mild cognitive impairement“ (MCI) schneller zu einer manifesten Demenzerkrankung.

Die Therapie von Depressionen von Alzheimer-Patienten ist alles andere als einfach, Antidepressiva scheinen bei diesem Patientenkollektiv nämlich weniger effektiv zu wirken. Eine Metaanalyse, publiziert 2017 im Journal of Alzheimer’s Disease, konnte keinen Beweis für die Wirksamkeit von Antidepressiva zur Behandlung von Depressionen bei AD-Patienten zeigen [3]. Die Autoren betonen allerdings, dass es noch zu wenig Daten gibt, um finale Schlüsse daraus zu ziehen. Dies kann aber als Hinweis gesehen werden, dass der Depression bei AD ein anderer Pathomechanismus als der Depression ohne AD zugrunde liegt.

Patienten mit einem MCI oder einer milden AD mit depressiven Symptomen profitieren von Verhaltens- oder Psychotherapie. Regelmäßige soziale Kontakte sind bei Patienten aller Demenzstadien günstig. Eine Studie konnte zeigen, dass regelmäßige Exposition zu Tageslicht depressive Symptome bei Demenzpatienten signifikant verringern kann.

Angststörung

Angst ist definiert als ein negativer emotionaler Zustand, der durch Spannungsgefühle, besorgte Gedanken, Hypervigilanz und physiologische Veränderungen (z. B. Aktivierung der Stressreaktion, schnelle Herzfrequenz, erhöhter Blutdruck) in Erwartung einer bevorstehenden Bedrohung gekennzeichnet ist. Wenn die neuronalen Systeme, die der Manifestation von Angst zugrunde liegen, in Imbalance sind, kann die Verhaltensreaktion auf wahrgenommene Bedrohungen übermäßig oder unangemessen ausfallen, was zur Entstehung von Angststörungen führen kann. In Deutschland leiden knapp 10 % der älteren Bevölkerung an Angststörungen. Bei Alzheimer-Patienten ist die Prävalenz mit 9–39 % höher; sie nimmt im Verlauf der AD auch noch zu. Dabei äußern sich Angststörungen bei Demenzpatienten häufig als übermäßige Besorgnis und können von anderen Symptomen wie Unruhe oder Reizbarkeit begleitet sein.

Viele Alzheimer-Patienten leiden an Störungen des zirkadianen Musters

Ähnlich wie bei der Depression gibt es Daten, die zeigen, dass Angststörungen das Risiko für eine AD erhöhen. So zeigte eine schwedische Zwillingsstudie, dass durch Angststörungen – unabhängig vom Zeitpunkt des Auftretens – das Risiko für eine Demenz um 48 % erhöht ist. Die genaue Ursache für diesen Zusammenhang ist nicht bekannt, es wird jedoch vermutet, dass chronischer Stress eine Rolle spielen könnte.

Außerdem scheinen Angststörungen einen progredienten Effekt auf den Verlauf der Demenzerkrankung zu haben, so konvertieren MCI-Patienten signifikant schneller zu einer Demenz, wenn sie parallel an einer Angststörung leiden.

Zur Therapie von Angststörungen bei Alzheimer-Patienten gibt es derzeit noch wenig Daten. Verhaltens- und Psychotherapien scheinen allerdings eine geringere Wirksamkeit als bei nicht dementen Patienten zu haben, was auch daran liegen kann, dass abhängig vom Demenzstadium die Durchführbarkeit dieser Therapien eingeschränkt ist.

Kardiovaskuläre Erkrankungen

Kardiovaskuläre Komorbiditäten liegen häufig bei Alzheimer-Patienten vor. Studien konnten eine starke Korrelation zwischen vaskulären Risikofaktoren wie arterieller Hypertonie, Diabetes mellitus, Hypercholesterinämie, Rauchen und Adipositas im mittleren Lebensalter und der Entwicklung der AD Jahrzehnte später zeigen.

Der kausale Zusammenhang ist dabei allerdings oft nicht bekannt. Hypothesen besagen, dass durch kardiovaskuläre Risikofaktoren die Bluthirnschranke geschädigt wird und es dadurch zu einem reduzierten Abtransport von Aβ kommen könnte. Außerdem existiert die Hypothese, dass durch das mit Vorhofflimmern, Herzinsuffizienz und Atherosklerose einhergehende verminderte Herz-Minuten-Volumen der zerebrale Blutfluss reduziert wird und dadurch die Aβ-Bildung erhöht und die Aβ-Clearance verringert wird.

Zerebrovaskuläre Läsionen lassen sich häufig im Gehirn von Alzheimer-Patienten finden. Es konnte gezeigt werden, dass vaskuläre Veränderungen im Gehirn die Schwelle, ab der die Alzheimer-Erkrankung symptomatisch wird, herabsetzt. Allerdings ist noch nicht klar, ob die Präsenz bzw. die Anzahl zerebrovaskulärer Läsionen den Verlauf einer Alzheimer-Erkrankung negativ beeinflusst.

Eine Studie, die 2018 publiziert wurde, hat ergeben, dass Alzheimer-Patienten signifikant länger und signifikant häufiger innerhalb von 3 Wochen nach Entlassung wieder in Krankenhäusern stationär aufgenommen werden, wenn sie kardiovaskuläre Komorbiditäten haben [4].

Schlafstörung

Schlaf trägt einen wichtigen Teil zu unserer körperlichen und geistigen Gesundheit bei. Während des Schlafs erholen sich Körper und Gehirn von den Belastungen des Tages. Störungen des Schlafs können zu Agitation, Aggression, Reizbarkeit, Reduktion der Aufmerksamkeit und der kognitiven Leistungsfähigkeit führen.

Viele Alzheimer-Patienten leiden an Störungen des zirkadianen Musters

Studien konnten zeigen, dass 25–60 % der Alzheimer-Patienten an einer Schlafstörung leiden. Schon länger ist bekannt, dass durch die AD das Risiko für Schlafstörungen erhöht wird. Die Gründe hierfür sind vermutlich neurodegenerativer Natur. Viele Alzheimer-Patienten leiden an Störungen des zirkadianen Musters, sie haben Schwierigkeiten einzuschlafen, den nächtlichen Schlaf aufrechtzuerhalten und sind tagsüber übermäßig schläfrig, wodurch wiederum das Risiko für Stürze, Verletzungen und Unfälle steigt. In extremen Fällen kann eine vollständige Umkehrung des Tag-Nacht-Schlafmusters beobachtet werden, wobei die Hauptschlafphase tagsüber stattfindet. Schlafstörungen können längerfristig zu einer Verschlechterung der kognitiven Funktion bei Alzheimer-Patienten führen und sollten deshalb behandelt werden.

Die Therapie von Schlafstörungen bei Alzheimer-Patienten kann allerdings schwierig sein. Als Erstes sollte ein nicht medikamentöser Ansatz in Betracht gezogen werden wie beispielsweise Schlafhygiene, kognitive Verhaltenstherapie und Entspannungstraining. Dabei zeigen vor allem Lichttherapie und Kombinationsstrategien vielversprechende Effekte. Für die medikamentöse Therapie von Schlafstörungen bei Alzheimer-Patienten ist derzeit kein Medikament zugelassen. Off-label werden Medikamente der verschiedensten Klassen wie zum Beispiel Antidepressiva, Anxiolytika, Antipsychotika, Antihistaminika, Melatonin und Orexinrezeptor-Agonisten verschrieben. Eine Studie konnte zeigen, dass Trazodon die Schlafdauer im Schnitt um 40 min erhöht und auch die Anzahl der nächtlichen Wachphasen verringert. Die Verschreibung von Benzodiazepinen ist aufgrund der erhöhten Sturzgefahr kontraindiziert und auch die Verschreibung der sog. Z‑Drugs ist umstritten. Falls eine Schlafapnoe vorliegt, sollte diese leitliniengerecht behandelt werden. Vor allem Alzheimer Patienten im Anfangsstadium profitieren in diesem Fall von einer CPAP-Therapie.

Epileptische Anfälle

Durch das Vorliegen einer Demenz erhöht sich das Risiko für epileptische Anfälle. Die Prävalenz für das Auftreten von epileptischen Anfällen bei Alzheimer-Patienten liegt bei 16 %. Diese Prävalenz scheint allerdings höher zu sein bei Patienten, die an einer AD mit frühem Beginn leiden. Während ursprünglich davon ausgegangen wurde, dass Anfälle durch neurodegenerative Schäden des Kortex im späten Stadium der AD hervorgerufen werden, gibt es nun immer mehr Daten, die zeigen, dass auch im MCI-Stadium oder in den Anfangsstadien der AD epileptische Anfälle vermehrt auftreten. Die Anfälle äußern sich oft atypisch mit nichtkonvulsiven Symptomen wie Abwesenheit und Verwirrtheit. Demenzpatienten zeigen oft ein gutes Ansprechen auf Antikonvulsiva, Lamotrigin und Levetiracetam sind dabei Mittel erster Wahl.

Infobox Fallbericht

Ein Patient (männlich, 47) wird mit seiner Ehefrau im Krankenhaus vorstellig. Seine Ehefrau berichtet, dass er seit Jahren an Kurzzeitgedächtnisstörungen leidet. Eine neuropsychologische Testung ergab eine kognitive Leistungsbeeinträchtigung mit im Vordergrund stehenden Einschränkungen der verbalen Gedächtnisfunktionen (MMSE: 28/30 und MOCA 23/30). Basierend auf den Ergebnissen der Lumbalpunktion und nach Ausschluss anderer Differenzialdiagnosen wurde die Diagnose Morbus Alzheimer mit frühem Beginn gestellt und es wurde eine Therapie mit Rivastigmin begonnen. In einer genetischen Analyse stellte sich eine Duplikation am Chromosom 21 heraus (inkl. des APP Gens). Drei Jahre nach Diagnose kommt es beim Patienten zu zwei kurzen Episoden mit Bewusstseinseinschränkung, Sprachstörung und Verwirrtheit. Es wird die Diagnose einer fokalen Epilepsie gestellt. Die Gattin beschreibt folgende Anfallssemiologie: Der Patient atmet schwer, hat einen starren Blick und äußert unzusammenhängende Wörter. Es gibt keine motorischen Äußerungen, der Patient ist währenddessen nicht ansprechbar. Eine Episode dauert bis zur vollständigen Erholung 20 min. Der Patient erhielt zunächst zur antikonvulsiven Abschirmung Lamotrigin. Doch aufgrund starker Nebenwirkungen (Zittern, Gangunsicherheit, Übelkeit, allgemeines Unwohlsein) wurde die Therapie auf Levetiracetam umgestellt. Darunter ist der Patient seit zwei Jahren anfallsfrei.

Zusammenfassend kann man sagen, dass Alzheimer-Patienten häufig an Komorbiditäten leiden. Dies erscheint auf den ersten Blick nicht ungewöhnlich, da es sich prinzipiell um ein älteres Patientenkollektiv handelt. Allerdings kann man sowohl im klinischen Alltag als auch in Studien feststellen, dass gewisse Erkrankungen in diesem Patientenkollektiv häufiger auftreten als bei einem nicht dementen gleichaltrigen Kollektiv. Die Gründe dafür sind verschieden und oft noch nicht eindeutig geklärt. Man geht davon aus, dass sich manche Komorbiditäten Risikofaktoren oder die ursächliche Pathogenese mit der AD teilen. Bei manchen Erkrankungen, wie z. B. Depression, ist es auch schwierig zu sagen, ob die jeweiligen Symptome Prodromalmerkmale der AD sind oder die Erkrankung an sich ein Risikofaktor der AD ist.

Unabhängig von den zugrunde liegenden kausalen Zusammenhängen ist es wichtig, diese Komorbiditäten zu therapieren. Denn mit der Therapie der Komorbiditäten kann oft der Krankheitsverlauf der AD positiv beeinflusst und die Lebensqualität der Patienten und der Pflegepersonen verbessert werden. Leider führen medikamentöse Therapieansätze bei Alzheimer-Patienten oft nicht zum gewünschten Erfolg und es fehlen manchmal Daten, um klare Empfehlungen für Therapien auszusprechen.

Fazit für die Praxis

  • Depression, Angststörungen, Schlafstörungen, kardiovaskuläre Erkrankungen und Epilepsie kommen häufiger bei Alzheimer- (AD-)Patienten vor als bei gleichaltrigen Patienten mit anderen Diagnosen.

  • Die Anamnese und die klinische Untersuchung müssen genau und wachsam durchgeführt werden, da sich die Erkrankungen klinisch oft atypisch äußern.

  • Komorbiditäten sollten therapiert werden, auch weil sich diese oft negativ auf den AD-Krankheitsverlauf auswirken können.

  • Zur Therapie vieler Komorbiditäten kann zunächst ein nicht medikamentöser Ansatz versucht werden, um einer Polypharmazie und ungewünschten Wechselwirkungen vorzubeugen.

  • Eine medikamentöse Therapie muss mit Sorgfalt gewählt werden. Medikamente, die sich negativ auf die Kognition auswirken, müssen vermieden werden. Einige Medikamente haben sich bei AD-Patienten als weniger effektiv herausgestellt.