Mit der weit verbreiteten und zunehmenden Anwendung der kranialen MRT steigt aufgrund der hohen Sensitivität dieser Methode auch die Detektionsrate inzidenteller Befunde fraglicher klinischer Relevanz. Befunde vaskulärer Ätiologie wie klinisch stumme Ischämien stellen aufgrund der Notwendigkeit zu weiteren Abklärungsschritten und hinsichtlich der langfristigen Prognose eine besondere Herausforderung dar.

Einleitung

Einer EU-weiten Statistik zufolge, welche die Verfügbarkeit von Magnetresonanztomographie- (MRT-)Geräten über die Zeitperiode von 2008 bis 2013 pro 100.000 Einwohnern verglich, zeigte sich konsistent über alle europäischen Länder hinweg eine deutliche Zunahme derartiger Geräte. Österreich liegt dabei unter den „Top 5“ Ländern mit der höchsten MRT-Dichte, wobei die Verfügbarkeit hierorts knapp zwei MRT-Geräte/100.000 Einwohner beträgt [1].

Aufgrund dieser verbesserten Verfügbarkeit ist auch mit einem vermehrten Einsatz dieser hoch sensitiven Untersuchungsmethode zu rechnen, womit bei antiparallel zu einer abgesenkten klinischen Vortestwahrscheinlichkeit eine zunehmende Detektionsfrequenz inzidenteller MRT-Befunde fraglicher klinischer Relevanz erwartet werden muss. Die klinische Erfahrung zeigt, dass dies mittlerweile tatsächlich der Fall ist – und dieses Szenario stellt eine zunehmende Herausforderung für damit konfrontierte Allgemeinmediziner, Neurologen und Psychiater dar.

Im gegenwärtigen Beitrag sollen daher (in Zukunft mit Sicherheit noch häufiger) zu erwartende diesbezügliche zerebrale MRT-Befunde mit Schwerpunkt auf vaskuläre Ätiologie näher beleuchtet werden, insbesondere was die zu erwartende Häufigkeit in unterschiedlichen Altersgruppen, die weiteren ätiologischen Hinweise und die prognostische Relevanz inzidenteller zerebraler ischämischer Infarkte anbelangt. Abschließend werden etwaige praktische Implikationen dieser Befunde diskutiert und mögliche Entscheidungsgrundlagen, die weitere Abklärungen oder sogar die Therapie leiten könnten, skizziert.

Populationsbasierende Kohortenstudien und inzidentelle MRT-Befunde

Die erste systematische Studie zur Häufigkeit inzidenteller zerebraler MRT-Befunde in einer Allgemeinbevölkerung stammt aus der populationsbasierten Rotterdam-Studie, die 2000 Personen über die Altersspanne von 45–96 Jahren (Durchschnittsalter 63 Jahre) mittels hochauflösender struktureller zerebraler MRT anhand eines Standardprotokolls untersuchte [2].

Sämtliche MRT-Scans wurden von zwei erfahrenen Neuroradiologen gesichtet. Insgesamt fanden sich als häufigste inzidentelle Befunde symptomfreie zerebrale Infarkte bei 7,2 % der vermeintlich gesunden Studienteilnehmer/-innen (ca. 5 % lakunäre Infarkte und ca. 2 % kortikale Infarkte). An zweiter und dritter Stellen der häufigen Befunde rangierten Aneurysmen (1,8 %) und gutartige Tumore (1,6 %; Meningeome, Vestibularis-Schwannome, Lipome etc.).

Diese Häufigkeitsverteilung unterstreicht bereits die hohe Bedeutung vaskulärer Befunde, wobei über drei ansteigende Altersstrata mit Gruppengrößen von 750 (45–59 Jahre), 993 (60–74 Jahre) und 257 (75–97 Jahre) Individuen eine Häufigkeitszunahme symptomfreier zerebraler Infarkte von 4 % über 6,8 % auf letztlich 18,3 % zu beobachten war. Demgegenüber zeigte sich keine altersbezogene Änderung in der Häufigkeit von Aneurysmen, diejenige von Meningeomen stieg nur gering an. Erwartungsgemäß fand sich mit höherem Alter ein Anstieg des Volumens zerebraler Marklagerläsionen (sog. „white matter lesions“) als Hinweis auf zunehmende konkomitante zerebrale Mikroangiopathie.

Medizinische Konsequenzen inzidenteller Befunde in Kohorten mit älteren Personen

Mit den Auswirkungen derartiger inzidenteller MRT-Befunde auf weitere medizinische Handlungen – zumindest in höheren Altersgruppen und im britischen Versorgungssystem – beschäftigte sich die prospektive unizentrische „Lothian Birth Cohort 1936“ Observationsstudie zu kognitivem Altern [3].

Auch hier wurden inzidentelle Befunde durch zwei Neuroradiologen auf Basis struktureller MRT-Scans zu einem Alter der Studienteilnehmer/-innen von 73 Jahren erfasst. Inzidentelle Befunde wurden derart bei 281 von 700 Individuen (32 %) diagnostiziert.

Diese beinhalteten 137 Infarkte oder Blutungen (20 %), 14 intra- oder extrakranielle Neoplasien (2 %) und 15 intrakranielle vaskuläre Anomalien (2 %). Des Weiteren wiesen 153 Studienteilnehmer (22 %) zerebrale Marklagerhyperintensitäten moderater oder starker Ausprägung auf und 176 zeigten eine zerebrale Atrophie über das Altersmaß (25 %).

Die beobachteten inzidentellen Befunde führten allerdings nur in einem Fall zu einer dringlichen und in neun weiteren Fällen zu nicht dringlichen Zuweisungen zur weiteren Abklärung, aber letztlich zu keinen Neuverordnungen von Therapien. Dies begründet die Schlussfolgerung der Autoren, dass inzidentelle Befunde in einer älteren Allgemeinbevölkerung zwar häufig sind, zumeist jedoch keine medizinische Relevanz aufweisen und in dieser Altersgruppe in den wenigsten Fällen weiterer Abklärungsschritte oder Therapieänderungen bedürfen (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Inzidentelle vaskuläre Befunde in der MRT. Die Abbildung zeigt abgeräumte kleine zerebelläre Infarkte, inzidentelle klinisch stumme diffusionspositive akute Ischämien, vergesellschaftet mit Marklagerhyperintensitäten, aber auch verstreut in mehreren Gefäßterritorien als möglicher Hinweis für Mikroembolien sowie das Spektrum der zerebralen Kleingefäßerkrankung, wie es anhand der MRT erkennbar wird (Lakunen, konfluierende Marklagerhyperintensitäten, Mikroblutungen und erweiterte perivaskuläre Räume). Quelle: Abteilung für Neurologie und Abteilung für Neuroradiologie, vaskuläre und interventionelle Radiologie der Medizinischen Universität Graz

Zur Häufigkeit akuter zerebraler Infarkte als Zufallsbefund

Auch zur Häufigkeit von inzidentellen akuten (diffusionspositiven; DWI) zerebralen ischämischen Infarkten existieren systematische Untersuchungen.

Die sog. PURE-Studie („Prospective Urban and Rural Epidemiological Study“) rekrutierte von 2010 bis 2012 demenz- und schlaganfallfreie Kanadier nach einem populationsbasierenden Ansatz innerhalb von 15 vordefinierten, geographisch definierten Kommunen [4]. 803 Individuen im Alter von 40 bis 79 Jahren nahmen an der MRT-Substudie PURE-MIND teil.

Akute klinisch stumme zerebrale Ischämien treten selten auf

In dieser Kohorte wurden keine diffusionspositiven Läsionen detektiert. Dies belegt, dass akute klinisch stumme zerebrale Ischämien in der Allgemeinbevölkerung selten sind, im Gegensatz zur berichteten Häufung bei Patienten mit zerebraler Amyloidangiopathie, intrazerebralen Blutungen oder kognitiver Beeinträchtigung.

Dieses Bild ändert sich allerdings bei Durchsicht von MRT-Untersuchungen von hospitalisierten Patienten [5]. In einer Analyse einer über eine vierjährige Studienperiode an einer Universitätsklinik akquirierten konsekutiven Serie von 16.206 zerebralen MRTs wurden klinisch-stumme akute zerebrale Infarkte (ohne Assoziation zu Schlaganfallsymptomen oder transienten ischämischen Attacken) in 0,37 % der Fälle gesichtet. Von diesen Patienten wiesen die meisten vaskuläre Risikofaktoren und zerebrale Marklagerläsionen in der MRT auf, wobei die DWI-Läsion in 80 % singulär war. Die überwiegende Anzahl der Läsionen war im supratentoriellen Marklager und hier bevorzugt im Frontoparietallappen lokalisiert. Die Autoren folgerten daraus, dass derartige inzidentelle Infarkte zumindest teilweise für die Pathogenese von zerebralen Marklagerveränderungen verantwortlich zeichnen könnten.

Diese Frage wurde eingehender von Forschern aus Toronto beleuchtet [6]. Hierbei wurden fünf Patienten mit erhöhtem Risiko für vaskuläre Ereignisse mit ausgeprägter Leukoaraiose selektiv rekrutiert und innerhalb von 16 aufeinander folgenden Wochen seriell mittels MRT des Gehirns untersucht. Es konnten mehrfach kleine diffusionspositive (akut-ischämische) Areale nachgewiesen werden, die de novo im zerebralen Marklager entstanden sind und klinisch stumm blieben. Diese zeigten die MRT-Merkmale eines akuten ischämischen Schlaganfalls, wobei sich die MRT-Charakteristika dieser Läsionen im Zeitverlauf zunehmend jenen präexistenter leukoaraiotischer Bezirke näherten. Damit konnte der Nachweis erbracht werden, dass zumindest einige dieser klinisch stummen Infarkte das Substrat zerebraler Marklagerveränderungen in der MRT darstellen.

Sind klinisch „stumme“ Schlaganfälle wirklich immer klinisch stumm?

Diese Frage stellten Forscher aus Singapur in ihrer Arbeit, um im Untertitel sogleich die auf ihren Ergebnissen basierende Antwort zu geben: „Stummer Schlaganfall: Eher nicht gehört als stumm“ [7].

Sechs von 649 Individuen, die an einer Demenzstudie teilnahmen, zeigten in der MRT vermeintlich inzidentelle hyperintense Läsionen auf diffusionsgewichteten Sequenzen, entsprechend einer akuten zerebralen Ischämie. Während sämtliche dieser Ereignisse initial als klinisch stumm bezeichnet wurden, konnten durch eine retrospektive gezielte Befragung bei drei Personen Symptome eruiert werden, die zeitlich mit den MR-Läsionen korrelierten, und welche zwar von den Betroffenen berichtet, aber von den Familienmitgliedern ignoriert worden waren. Die Symptome bestanden in einer Ungeschicklichkeit der linken unteren Extremität, einer Lethargie für 2–3 Tage sowie einer Gangataxie für einige Stunden. Zwei Personen wiesen tatsächlich fokale neurologische Zeichen in der formalen Untersuchung auf.

In Zusammenschau deutet dies darauf hin, dass derartige akut-ischämische Läsionen entweder in klinisch nicht eloquenten Arealen des Gehirns auftreten oder aufgrund ihrer Flüchtigkeit, geringen Ausprägung oder auch fehlenden eindeutigen Zuordnung zu schlaganfalltypischen Ereignissen unerkannt bleiben.

MRT-Residuen stattgehabter Infarkte bei jüngeren TIA- und Schlaganfallpatienten

Die letztgenannten Annahmen erfahren durch die Ergebnisse der sog. SIFAP-Studie („stroke in young Fabry patients“) weitere Unterstützung und zunehmende Relevanz, in der 5023 Patienten nach einer transitorisch ischämischen Attacke (TIA) oder einem Schlaganfall im Alter zwischen 18 und 55 Jahren in 15 europäischen Ländern an 47 Zentren über einen Zeitraum von drei Jahren rekrutiert und eingehend inklusive MRT des Gehirns charakterisiert wurden [8].

Während das Hauptstudienziel in der Feststellung der Häufigkeit des Morbus Fabry als genetische Ursache des Schlaganfalls bestand (letztlich in nur 0,5 % der Fälle definitiv diagnostiziert), wurden als häufigste Schlaganfallursachen die Arteriosklerose großer hirnversorgender Gefäße (18,6 %) und Gefäßdissektionen identifiziert (9,9 %). Die zentrale Auswertung der MRT-Daten in Graz ergab jedoch einen überraschenden Befund: Es wurden klinisch stumme Infarkte in der MRT des Gehirns bei 20 % der Patienten mit erstmaligem Schlaganfall, aber auch bei 11,4 % der Patienten mit TIA und fehlender Anamnese eines vorangegangenen zerebrovaskulären Ereignisses nachgewiesen [8]. Die Häufigkeit derartiger Befunde stieg mit dem Alter an, betrug jedoch auch in der jüngsten Altersgruppe von 18–34 Jahren bereits 10 %. Mit zunehmendem Alter stieg auch der Anteil an lakunären, d. h. vermutlich mikroangiopathisch bedingten Infarkten [9].

Ein Blick auf die möglichen zugrunde liegenden Ursachen ergab ein erschütterndes Bild: Der Anteil von Patienten ohne modifizierbarem vaskulärem Risikofaktor schrumpfte von 27 % in der jüngsten Altersgruppe von 18–24 Jahren auf 24 % in der Altersgruppe von 25–34 Jahren und 14 % in der Gruppe der 35–44 Jährigen bis auf einen Wert von 8 % bei 45–55 Jahre alten Personen. Die Zunahme der modifizierbaren Risikofaktoren lief naturgemäß anti-parallel. Der Anteil von Personen mit mehr als drei modifizierbaren Risikofaktoren betrug im höchsten Altersstratum bereits 26 %.

Aus diesen Befunden lassen sich mehrere wichtige Schlüsse ziehen:

  • Ein hoher Anteil von jüngeren Individuen mit zerebrovaskulärem Ereignis weist bereits klinisch unerkannte Infarkte in der MRT auf, die potenziell bereits wesentliche ätiologische Hinweise hätten geben bzw. auch eine forcierte Risikofaktorensuche und -bekämpfung hätten nach sich ziehen können.

  • Diese Ergebnisse untermauern die Notwendigkeit primär präventiver Maßnahmen zur Vermeidung zerebrovaskulärer Ereignisse.

  • Diese Befunde können als indirekte Evidenz dafür gewertet werden, dass negative Effekte derartiger Risikofaktoren auf das Gehirn anhand der MRT bereits sehr früh nachgewiesen werden können.

Abb. 2
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Charakteristika zerebraler Mikroangiopathien in der MRT. Marklagerläsionen (tief und periventrikulär gelegen, gelbe Ovale) und Lakunen (grüne Kreise), rezente kleine subkortikale Infarkte (rote Box mit Nachweis des Spur- und ADC-Bilds der diffusionsgewichteten Bildgebung) und Mikroblutungen (rechte Seite; von oben nach unten: Erscheinungsbild auf T2-, T2*- und suszeptibilitätsgewichtetem Imaging). Die unterschiedliche Sichtbarkeit auf verschiedenen Sequenzen wird durch den türkisen Kreis veranschaulicht. (Quelle: Abteilung für Neurologie und Abteilung für Neuroradiologie, vaskuläre und interventionelle Radiologie der Medizinischen Universität Graz)

MRT-Hinweise für zerebrale Mikroangiopathien und deren Folgen

Dass die Entwicklung akuter mit zerebraler Kleingefäßerkrankung assoziierter Infarkte in Folge-MRTs (und damit deren morphologischer „Fußabdruck“) unterschiedlich sein kann, wurde unlängst in einem Positionspapier internationaler Experten anschaulich dargestellt [11].

So können kleine subkortikale Infarkte einerseits wie erwartet im zeitlichen Verlauf in eine Lakune (d. h. in ein Areal mit zentralem Gewebsuntergang und gliotischem Randsaum) transformiert werden, anderseits aber auch lediglich eine signalhyperintense fokale Marklagerläsion hinterlassen oder gar ein nahezu ganz oder völlig unauffälliges Signal zum umgebenden Parenchym annehmen. Andererseits kann der Eindruck einer Lakune auch durch eine kleine tiefe intrazerebrale Blutung bedingt sein und damit ätiologisch fehlleiten. Demgegenüber kann ein größerer subkortikaler (z. B. striatokapsulärer) Infarkt zu einer Lakune oder Marklagerhyperintensität führen.

Dies exemplifiziert die Komplexität des Zusammenhangs zwischen Morphologie im MRT und Ätiologie und unterstreicht die Notwendigkeit einer umfassenden ätiologischen Differenzialdiagnostik und Ursachenfahndung. Dies wird auch durch den in Abb. 3 dargestellten Fall belegt.

Abb. 3
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62-jährige Frau mit milder Parese der linken Hand und Dysarthrie. Es zeigen sich in der MRT ein akuter kleiner subkortikaler Infarkt (links Trace- und ADC-Bild der DWI), aber auch konkomitante Zeichen der zerebralen Mikroangiopathie (FLAIR, Lakunen und konfluierende Marklagerhyperintensitäten) sowie eine unauffällige intrazerebrale MR-Angiographie. Letztlich wurde jedoch ein Thrombus im linken Herzohr als zugrunde liegende Ätiologie des Schlaganfalls detektiert. (Quelle: Priv.-Doz. DDr. T. Gattringer, Abteilung für Neurologie und Abteilung für Neuroradiologie, vaskuläre und interventionelle Radiologie der Medizinischen Universität Graz)

Die chronische Akkumulation von Schäden am Gehirn durch eine zerebrale Kleingefäßerkrankung ist funktionell bedeutsam [10] und kann in kognitiven Beeinträchtigungen, Gangstörungen, Sphinkterdysfunktionen, affektiven Störungen und damit insgesamt in einer Behinderung resultieren. Letzteres konnte in einer wegweisenden Arbeit eines europäischen Konsortiums, in der LADIS-Studie („leukoaraiosis and disability“), gezeigt werden [12]. In einer überwiegend krankenhausbasierten Kohorte korrelierte der Ausprägungsgrad zerebraler Marklagerveränderungen in der MRT (beurteilt anhand der modifizierten Fazekas-Skala als mild, moderat oder schwerwiegend) mit dem Ausmaß der klinischen Probleme. Insbesondere konnte über den relativ kurzen Studienzeitraum von etwa zweieinhalb Jahren nachgewiesen werden, dass die Rate des zusammengesetzten Ergebnisparameters „Übergang zu Behinderung oder Tod“ im Kontext ausgeprägter Marklagerveränderungen auf 100 Personenjahre bezogen knapp 30 % betrug. Dies belegt, dass derartige Veränderungen keineswegs als harmlos anzusehen sind, sondern eine große gesundheitsökonomische Bedeutung aufweisen.

Klinisch stummer Infarkt und Risiko zukünftiger zerebrovaskulärer Ereignisse

Die letzten Endes klinisch relevante Frage besteht vor allem darin, ob wir die aus der sensitiven MRT des Gehirns gewonnene Information über klinisch stumme Infarkte nutzen können, um eine Aussage über das individuelle Risiko für zukünftige Schlaganfälle treffen und gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen zur Prävention ergreifen zu können.

Die Detektion inzidenteller Befunde wird auch in Zukunft ansteigen

Auf die erstgenannte Frage wurde in einer systematischen Literaturübersichtsarbeit und Metaanalyse Bezug genommen [13]. Herangezogen wurden Kohortenstudien mit Einschluss von Erwachsenen mit anhand der MRT detektierten klinisch stummen zerebralen Infarkten, die hinsichtlich der Entwicklung eines klinisch definierten Schlaganfalls nachverfolgt wurden. Die Metaanalyse schloss 13 Studien an 14.764 Individuen mit mittleren Beobachtungszeiträumen von 25,7 bis 174 Monaten ein. Es konnte statistisch gezeigt werden, dass klinisch stumme Infarkte in der MRT das Auftreten nachfolgender klinischer Schlaganfälle mit einem dreifach erhöhten Risiko vorhersagten. In jenen acht Studien an 10.427 Individuen, die für kardiovaskuläre Risikofaktoren bereinigte Risikoraten angaben, erwies sich der klinisch stumme MRT-Infarkt als unabhängiger Prädiktor des tatsächlichen Schlaganfalls (Hazard Ratio von 2,08). In einer Subgruppenanalyse von 9483 schlaganfallfreien Individuen aus großen populationsbasierenden Untersuchungen zeigten sich überdies klinisch stumme Infarkte bei etwa 18 % der Teilnehmer.

Zusammengefasst belegen diese Ergebnisse das Vorhandensein klinisch stummer Infarkte in ungefähr einem von fünf schlaganfallfreien älteren Erwachsenen, und diese zeigten sich wiederum mit einem zweifach erhöhten Risiko zukünftiger klinischer Schlaganfälle assoziiert [13]. Daraus lässt sich extrapolieren, dass eine detaillierte Evaluation vaskulärer Risiko- und weiterer ätiologischer Faktoren sowie intensivierte präventive Maßnahmen bei Patienten mit klinisch unerkannten, jedoch radiologisch evidenten zerebralen Infarkten gerechtfertigt sind.

Stumme akute DWI-Läsionen stellen lediglich die Spitze des Eisbergs dar

Diese Argumente erfahren durch neuere Studien unter Einbeziehung histopathologischer Befunde Verstärkung [14]. So konnte auf Basis von MRT- und histologischen Daten anhand mathematischer Modelle abgeschätzt werden, dass der Nachweis einer singulären DWI-Läsion in der MRT des Gehirns wahrscheinlich ein jährliches Auftreten von mehreren 100 neuen zerebralen Mikroinfarkten bedeutet. Daraus lässt sich ableiten, dass DWI-Läsionen in der MRT lediglich die „Spitze des Eisbergs“ darstellen. Dies erscheint auch deshalb bedeutsam, weil in anderen Arbeiten [15] gezeigt werden konnte, dass Mikroinfarkte die zerebrale Atrophierate unabhängig von einer koexistenten Alzheimerpathologie erhöhen und damit für zusätzliche kognitive Defizite verantwortlich zeichnen könnten.

Fazit für die Praxis

  • Sämtliche mit dem Management von Patienten mit Erkrankungen des Gehirns betrauten Berufsgruppen werden bereits jetzt häufig mit inzidentellen zerebralen MRT-Befunden, insbesondere vaskulärer Ätiologie, konfrontiert.

  • Mit der zunehmenden Verbreitung der MRT und aufgrund von Zuweisungen mit fehlender oder niedriger klinischer Vortestwahrscheinlichkeit wird die Detektion inzidenteller Befunde weiter steigen.

  • Die Aufmerksamkeit sollte zunächst auf klar abgrenzbare morphologische Abnormitäten, die für stattgehabte vaskuläre Ereignisse sprechen, liegen.

  • Tatsächlich variiert die Häufigkeit inzidenteller alter MRT-Infarkte, abhängig von den untersuchten Kohorten und deren Alter, von 3 bis 20 %, wobei bereits bei jüngeren Schlaganfallpatienten der obere Maximalwert erreicht wird.

  • Inzidentelle akute, klinisch stumme Infarkte werden in einer Frequenz von 0,4–13 % – am häufigsten bei kognitiv Beeinträchtigten oder Post-ICH-Patienten – beobachtet.

  • Metaanalysen konnten zeigen, dass klinisch stumme zerebrale Infarkte unabhängig von anderen Risikofaktoren mit einem etwa zweifach erhöhten Risiko zukünftiger klinisch fassbarer Schlaganfälle assoziiert sind.

  • Die vorliegende Evidenz deutet darauf hin, dass klinisch stumme akute DWI-Läsionen lediglich die Spitze des Eisbergs darstellen, und histologisch jährlich 100-fach mehr kortikale Mikroinfarkte prädizieren könnten.

  • Die MRT kann wesentliche Hilfestellungen hinsichtlich zugrunde liegender Ätiologien (z. B. über Infarktmuster, Morphologie der Läsionen, begleitende Veränderungen hinweisend auf zerebrale Mikroangiopathie) geben, allerdings sollte aufgrund der geringen Spezifität dieser Befunde eine umfassende diagnostische Aufarbeitung in Einzelfällen durchgeführt werden.

  • Wenn auch bislang evidenzbasierte Richtlinien zum Management solcher Szenarien fehlen, sollten derartige MRT-Befunde als Manifestationen einer zerebrovaskulären Erkrankung gewertet werden und eine forcierte Fahndung und konsequente Behandlung von zerebrovaskulären Risikofaktoren nach sich ziehen.