Die Arbeitssituation von Gesundheits- und Krankenpflegepersonen im Krankenhausbereich während der COVID 19-Pandemie in Österreich war der Untersuchungsgegenstand der GuK-C19-Studie. Insgesamt haben 2.470 Gesundheits- und Krankenpflegepersonen, die in der direkten Patientenversorgung tätig sind, an der Studie teilgenommen. Die Erhebung fand vom 30. März bis 24. April 2021 — während der dritten Corona-Welle — statt. Da es in Österreich bisher keine Informationen zu einer beruflichen Abwanderung aus dem Pflegeberuf gibt [1], war das Ziel dieser Studie, erstmalig Daten zu den Gedanken an einen Ausstieg aus dem Pflegeberuf zu generieren. Die Studienergebnisse sind repräsentativ.

Arbeitssituation am Limit

Im Vergleich zur Arbeitssituation vor der COVID 19-Pandemie bis in die Anfänge der Pandemie in Österreich (März 2020) geben beachtliche 86 Prozent der Gesundheits- und Krankenpflegepersonen an, dass sich ihre Arbeitssituation im Krankenhaus verschlechtert bis stark verschlechtert hat. Die Arbeitssituation nach einem Jahr COVID 19-Pandemie hat sich dahingehend entwickelt, dass immer noch aussagekräftige 60 Prozent der befragten Gesundheits- und Krankenpflegepersonen der Meinung sind, dass sich die Arbeitssituation sogar weiterhin verschlechtert hat. Der mit Abstand häufigste Grund für die Verschlechterung wird von Gesundheits- und Krankenpflegepersonen mit 81 Prozent mit der Steigerung der bisherigen Arbeitsbelastung angegeben, wie beispielsweise durch das Tragen von Schutzausrüstung, Abstriche Abnehmen und Ähnliches. Mit 59 Prozent folgt der durch COVID 19 bedingte, erhöhte organisatorische Aufwand wie beispielsweise bei stationären Aufnahmen sowie Untersuchungen und Ähnlichem. Dicht aneinandergereiht folgen das stundenlange Tragen der Schutzausrüstung (57%), Personalmangel (55 %) und keine Absehbarkeit der COVID 19-Pandemie (53 %).

41 Prozent der Gesundheits- und Krankenpflegepersonen im Krankenhaus fühlen sich psychisch stark bis sehr stark aufgrund der COVID 19-Pandemie belastet. Dies beinhaltet Symptome wie beispielsweise Ängste, Sorgen, Gedankenkreisen, Schlaflosigkeit, Nicht-Abschalten-Können und Ähnliches. Mittelmäßig belastet fühlen sich 44 Prozent und gar nicht bis kaum belastet fühlen sich lediglich 15 Prozent. Weiters fühlen sich die befragten Gesundheits- und Krankenpflegepersonen zu 49 Prozent körperlich stark bis sehr stark aufgrund der COVID 19-Pandemie belastet. Dies beinhaltet Symptome wie beispielsweise sich erschöpft und ausgelaugt fühlen, zusätzliche oder verstärkte Schmerzen sowie andere körperliche Beschwerden. Mittelmäßig belastet fühlen sich 37 Prozent und gar nicht bis kaum belastet fühlen sich 15 Prozent.

Auf der Suche nach Unterstützung

Mehr als die Hälfte der Befragten, nämlich 57 Prozent sind nicht der Meinung, dass der Pflegeberuf seit der COVID 19-Pandemie an Wertschätzung und Anerkennung in der Gesellschaft gewonnen hat. Aus Sicht der Gesundheits- und Krankenpflege setzt die Politik keine ausreichenden Maßnahmen um die Pflege in der COVID 19-Pandemie zu unterstützen und zu entlasten, diese Auffassung vertreten 90 Prozent. 57 Prozent der Gesundheits- und Krankenpflegepersonen fühlen sich in der COVID 19-Pandemie von ihrem Arbeitgeber zu wenig oder gar nicht unterstützt, hingegen fühlen sich 40 Prozent gut unterstützt. Corona-Testmöglichkeiten für das Personal gibt es in den Krankenhäusern nach Angaben der Befragten ausreichend.

Abb. 1
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Beispielhafte Darstellung der Prävalenz von Schmerz über die Jahre

Immerhin fast zwei Drittel (63 %) der Gesundheitsund Krankenpflegepersonen fühlen sich von ihrer Führungskraft ausreichend in ihren Potenzialen, Fähigkeiten und Kompetenzen gefördert. 89 Prozent stimmen zu, dass sie sich auf die Unterstützung ihrer Kolleginnen und Kollegen verlassen können und somit allgemein ein guter Teamzusammenhalt gegeben ist. Folglich stellen dieser Zusammenhalt und die Solidarisierung innerhalb der Kollegenschaft eine wichtige Ressource dar, um besser mit den Herausforderungen der Krisensituation umgehen zu können.

Unsichtbare Gewalt auch in Zeiten der Krise

Die COVID 19-Pandemie hat nicht dazu beigetragen, dass sich Gesundheits- und Krankenpflegepersonen von den Patientinnen und Patienten besser respektiert fühlen, 67 Prozent der Befragten verneinen dies. Dagegen sind 44 Prozent der Meinung, dass seit Beginn der COVID 19-Pandemie Aggression und Gewalt zugenommen haben. So waren während der Pandemie 77 Prozent der Befragten von Aggression und Gewalt ausgehend von den Patientinnen und Patienten betroffen. Dies entspricht etwa 47.500 Gesundheitsund Krankenpflegepersonen in ganz Österreich. Davon waren 60 Prozent von verbaler Gewalt betroffen wie beispielsweise Beleidigungen, Beschimpfungen, Drohungen, etc. und 17 Prozent von körperlicher Gewalt wie beispielsweise Schläge, Tritte, Bisse, etc. Es zeigt sich, je jünger die Gesundheits- und Krankenpflegeperson ist, desto eher ist sie von körperlicher Gewalt betroffen. Für ganz Österreich hochgerechnet, wären damit bisher um die 10.500 Gesundheits- und Krankenpflegepersonen körperlicher Gewalt durch Patientinnen und Patienten während der COVID 19-Pandemie ausgesetzt gewesen.

Gedanke an einen Berufsausstieg

In ihrer bisherigen beruflichen Laufbahn haben bereits 64 Prozent der befragten Gesundheits- und Krankenpflegepersonen zumindest einmal oder sogar öfters an einen Ausstieg aus dem Pflegeberuf gedacht. Dies entspricht österreichweit etwa 40.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gesundheits- und Krankenpflege, die somit potenziell aus dem Pflegeberuf abwandern könnten. Mit 45 Prozent denkt sogar fast jede zweite Gesundheits- und Krankenpflegeperson im Krankenhausbereich immer wieder an einen Berufsausstieg. In Zahlen bedeutet dies für Österreich knapp 28.000 — bei einem bereits bestehenden Personalmangel eine alarmierende Zahl. Fünf Prozent sind derzeit tatsächlich dabei, ihren Berufswechsel zu planen und umzusetzen. In Zahlen bedeutet dies für Österreich, dass aktuell etwa 3.000 Gesundheits- und Krankenpflegepersonen sicher aus dem Pflegeberuf aussteigen.

„Die Identifikation mit dem Pflegeberuf alleine wird nicht mehr ausreichend sein, um das bestehende und nachkommende Personal zu halten.“

Von jenen, die bereits über einen Ausstieg aus dem Pflegeberuf nachgedacht haben oder derzeit einen Berufswechsel umsetzen, hat sich für 59 Prozent der Gedanke an einen Berufsausstieg durch die COVID 19-Pandemie sogar verstärkt. Den Gedanken an einen Berufsausstieg liegen fünf Faktoren zugrunde: zu wenig finanzielle Entlohnung (56 %), zu wenig Wertschätzung und Anerkennung (47 %), Personalmangel (44 %), zu hohe Arbeitsbelastung (41 %) und zu hohe psychische Belastung (36 %).

Auf die Zukunft der Pflege

Mit einem deutlichen Abstand wird von den Gesundheits- und Krankenpflegepersonen mit 92 Prozent eine höhere finanzielle Entlohnung gefordert. 76 Prozent wünschen sich mehr Pflegepersonal und weisen damit erneut auf den bereits bestehenden Personalmangel in der Pflege hin. Es folgen das Bedürfnis nach einer besseren Work-Life-Balance (49 %), Wertschätzung und Anerkennung in der Gesellschaft (46%) und mehr Gesundheitsförderung (40 %) [Abb 1].

Die Anliegen der Gesundheits- und Krankenpflegepersonen müssten dringend umgesetzt werden, denn zurzeit blicken nur 21 Prozent der befragten Gesundheits- und Krankenpflegepersonen in österreichischen Krankenhäusern zuversichtlich in die Zukunft der Pflege.

Resümee

Während der COVID 19-Pandemie haben Gesundheits- und Krankenpflegepersonen weit über ihre Belastungsgrenzen hinaus gearbeitet und dies ohne zusätzliche personelle, strukturelle und finanzielle Ressourcen. Die Anforderungen im beruflichen Alltag der Gesundheits- und Krankenpflege in Krankenhäusern sind rasant gestiegen und mussten mit nicht ausreichend vorhandenem Personal bewältigt werden, was sich durch coronabedingte Personalausfälle zusätzlich verstärkt hat. Diese Belastungen wiegen noch schwerer durch die Unabsehbarkeit der Pandemie. 85 Prozent der befragten Gesundheits- und Krankenpflegepersonen fühlen sich aufgrund der COVID 19-Pandemie psychisch mittelmäßig bis sehr stark belastet. Auch körperlich zehrt die unzulängliche Arbeitssituation an den letzten Energiereserven der Gesundheits- und Krankenpflegepersonen, denn auch hier fühlen sich 86 Prozent mittelmäßig bis sehr stark belastet.

So wundert es nicht, dass beunruhigende 64 Prozent der befragten Gesundheits- und Krankenpflegepersonen in österreichischen Krankenhäusern zumindest einmal über einen möglichen Ausstieg aus dem Pflegeberuf nachgedacht haben. Mit 45 Prozent denkt sogar fast jede zweite Krankenpflegeperson immer wieder an einen Berufsausstieg — bei einem bereits bestehenden Personalmangel eine alarmierende Zahl. Die epidemiologische Krise hat mit ihren negativen Auswirkungen auf die Arbeitssituation von Gesundheits- und Krankenpflegepersonen dazu geführt, dass sich bei jenen, die bereits vor der COVID 19-Pandemie an einen Ausstieg gedacht haben, der Gedanke an einen Berufsausstieg weiter verstärkt hat. Folglich kann die COVID 19-Pandemie den Prozess einer beruflichen Abwanderung aus der Pflege beschleunigen.

Es zeigt sich, dass eine hohe Identifikation mit dem Pflegeberuf besteht und ein Ausstiegsgedanke nicht mit dem Berufsbild an sich und den damit verbundenen Tätigkeiten einhergeht, sondern von den schlechten beruflichen Rahmenbedingungen geprägt ist. Die Identifikation mit dem Pflegeberuf alleine wird somit nicht mehr ausreichend sein, um das bestehende und nachkommende Personal zu halten. Es braucht endlich eine nachhaltige Verbesserung der Arbeitsbedingungen und zudem mehr Wertschätzung und Anerkennung auf allen Ebenen. Zwei Drittel der befragten Gesundheits- und Krankenpflegepersonen geben an, dass die COVID 19-Pandemie nicht zu mehr Respekt der Patientinnen und Patienten gegenüber der Gesundheits- und Krankenpflege beigetragen hat. Zum Teil wird sogar eine Zunahme von aggressivem und gewalttätigem Verhalten wahrgenommen. Bedauerlicherweise waren drei Viertel der befragten Gesundheits- und Krankenpflegepersonen im Krankenhaus während der Pandemie verbaler und körperlicher Gewalt seitens der Patientinnen und Patienten ausgesetzt.

Die COVID 19-Pandemie hat mehr denn je verdeutlicht, dass die Pflege eine systemerhaltende und unentbehrliche Berufsgruppe unserer Gesellschaft ist und man sich in Krisenzeiten auf ihren unermüdlichen Einsatz verlassen kann. Nun ist es an der Zeit, ihnen solidarisch und wertschätzend gegenüberzutreten. Die Studienergebnisse machen deutlich, dass seitens der Politik ein dringender Handlungs- und Nachholbedarf besteht, um anhand gesetzlicher und struktureller Maßnahmen die Arbeitssituation von Gesundheits- und Krankenpflegepersonen im Krankenhaus zu entlasten und wieder attraktiver zu gestalten. Letzten Endes braucht es nicht nur Maßnahmen zur Anwerbung von zukünftigem Pflegepersonal, sondern gleichzeitig auch Maßnahmen, um das bereits vorhandene Personal weiterhin und vor allem langfristig im Pflegeberuf zu halten.

Anmerkung

Die GuK-C19-Studie wurde in der Österreichischen Pflegezeitschrift 4/2021 erstveröffentlicht, die Langfassung der Studie ist dort nachzulesen — dieser Fachartikel stellt eine gekürzte Fassung der Studie dar.