„Advanced“ ist hype, zumindest muss dieser Eindruck entstehen, wenn die vielen erst kürzlich ins Leben gerufenen Hochschullehrgänge betrachtet werden. Eine vertiefte Betrachtung derselben zeigt allerdings, dass das Verständnis sehr unterschiedlich sein kann und nicht immer die vom International Counsil of Nurses — ICN empfohlene Absicht trifft.

Der Begriff „Advanced“ selbst ist — so wie jeder Begriff — zuerst einmal wertfrei und bedeutet so viel wie „at a higher, more difficult level“, „modern and well developed“, „highly developed or difficult“ oder „using the most modern methods, technologies, ...“ (Cambridge English Dictionary, 2019) und kann für viele Zwecke verwendet werden.

Im Jahr 2014 erschien in 2. Auflage in Anlehnung an den ICN das ANP-Positionspapier Österreich (Neumann-Ponesch et al., 2014). Darin sind die Charakteristika von ANP beschrieben: Spezialisierung, Erweiterung und Fortschritt.

Die spezialisierte, vertiefte klinische Praxiskompetenz beruht im Handlungsfeld der Advanced Practice Nurse auf Basis:

  • ▪ einer bestimmten Krankheit (z. B. Demenz, Herzinsuffizienz, Mammakarzinom, ...)

  • ▪ einer bestimmten Alterskohorte (z. B. Kinder und Jugendliche, der alte Mensch, ...)

  • ▪ eines Phänomens (z. B. Schmerz, Wunde, ...) oder

  • ▪ eines ausgewählten Settings (z. B. Familie, Schule, Dialyse, Intensivstation, ...).

Das Forum ANP SalzkammergutFootnote 1, das sich die Entwicklung von ANP in Österreich zur Aufgabe macht, formulierte bei seinem jüngsten Treffen Empfehlungen für die Ausbildung zur Advanced Practice Nurse:

Advanced Practice Nurses in Österreich verfügen zukünftig über

  • ▪ eine fachliche Spezialisierung über die Grundausbildung hinaus

  • ▪ eine mehr als fünfjährige Berufserfahrung (in einem Fachbereich)

  • ▪ einen direkten Patienten-, Klienten-, Bewohnerbezug und

  • ▪ erweiterte wissenschaftliche Kompetenzen

Diese Kompetenzen werden an hochschulischen Bildungseinrichtungen (Niveau 2, GuKG, 2016) erworben. Die Ausbildung hat mindestens 90 ECTS zu umfassen und mindestens 40 Prozent der Ausbildung bilden das klinische Fach (= Spezialisierung/Erweiterung) ab. Basierend auf den beiden Niveaus der Spezialisierungen (§ 70a. GuKG, 2016) sind die Umfänge der Ausbildungsinhalte — grob gegliedert in Grundhaltung, Spezialisierung und Wissenschaft — gestaltet (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Unterscheidung „Spezialist/in für...“ und „APN“ nach dem Forum ANP (2018)

Anspruch der Ausbildung muss sein, sich dabei über eine Vertiefung/Spezialisierung in einer der identifizierten Rollen über eine der Populationsschwerpunkte (Familie/Individuum über die Lebensspanne, Neonatologie, Frauengesundheit, psychische Gesundheit, ...) wenn möglich mit hoher Evidenz zu erarbeiten (APRN Joint Dialogue Group Report, 2008, S. 6, 11). Dementsprechend bilden (Master-)Ausbildungen mit Schwerpunkten des Pflegemanagements, der Pflegepädagogik, der Pflegewissenschaft oder der Pflegeberatung keine Berufsbilder einer zukünftigen Advanced Practice Nurse ab. Ebenso spezifiziert die Kategorie „chronisch“ und „akut“ nicht im Sinne einer APN-Qualifizierung. Fazit des Forum ANP Salzkammergut: Den heutigen Angeboten an Masterlehrgängen mangelt es zum jetzigen Zeitpunkt großteils an der vertieften Fachexpertise; sie ähneln mehr pflegewissenschaftlichen Studiengängen als einer fundierten APN-Ausbildung.

Der Qualifizierungsbedarf von Pflegenden sowie deren Nutzen für Patienten und Klienten sowie für Gesundheits- und Sozialorganisationen mag im Sinne von Ann Hamric somit gut überlegt werden, denn

„To be an APN is not a batch of honour. It is a responsibility in clinical nursing practice with the goal to benefit patients and their families. It is necessary that you shall be well educated and prepared for it.“ (Hamric, ANP-Symposium zhaw, 19.1.2011)