Zusammenfassung
Der Ausbruch der Coronapandemie im Jahre 2020 führte zu massiven Einschränkungen des gesellschaftlichen Lebens weltweit. In der Folge kam es zur Schließung von Bildungsinstitutionen wie Kindergärten, Schulen und Universitäten. Eine online Fragebogenstudie aus dem Frühjahr 2021 beschäftigte sich mit den Arbeitsbedingungen von Elementarpädagog:innen in Zeiten der Krise in Österreich. Im Fokus standen dabei die Belastungen, Herausforderungen und Lernerfolge der Pädagog:innen. Insgesamt wurden die Daten von N = 541 überwiegend weiblichen Elementarpädagog:innen (97,6 % weiblich) analysiert. 84,1 % der Befragten berichteten von einer beruflichen Gratifikationskrise, also einem negativen Ungleichgewicht zwischen hohen beruflichen Anforderungen und einer niedrigen berufsbezogenen Anerkennung. Die allgemeine Arbeitszufriedenheit erwies sich als moderat (M = 4,28, SD = 1,18). Als herausfordernd wurden allen voran Rahmenbedingungen, wie uneinheitliche, fehlende und schwer umsetzbare COVID-19-Maßnahmen und der Personalmangel erlebt. Als Lerngewinn wurden unter anderem verschiedene Aspekte des pädagogischen Arbeitens, wie beispielsweise eine verstärkte Bedürfnisorientierung aufgrund kleinerer Gruppen genannt. Auch der Zugewinn an Flexibilität und eine erhöhte Stressresistenz wurden als positiv erlebt. Es zeigte sich, dass die Pandemie bereits existierende Missstände in der elementarpädagogischen Arbeit verstärkt. Um eine qualitativ hochwertige Betreuung von Kindern in elementarpädagogischen Einrichtungen weiterhin gewährleisten zu können, bedarf es einer Verbesserung der Arbeits- und Rahmenbedingungen in der frühkindlichen Bildung und Betreuung.
Summary
The corona pandemic in 2020 led to massive restrictions on public life worldwide. As a result, educational institutions such as kindergartens, schools and universities were closed. An online questionnaire study conducted in spring 2021 investigated the working conditions of elementary educators during the crisis in Austria. The focus was on the workload, challenges and learning outcomes of the educators. In total, the data from N = 541 predominantly female elementary educators (97,6% female) in Austria were analyzed. 84,1% reported experiencing a professional gratification crisis, which refers to a negative imbalance between high professional requirements and low professional recognition. General job satisfaction was moderate (M = 4,28, SD = 1,18). Challenging aspects included the working conditions such as inconsistent, missing and hardly implementable COVID-19 restrictions, as well as staff shortages Various aspects of pedagogical work, such as increased focus on individual needs due to smaller groups, were mentioned as learning gains. Increased flexibility and resistance to stress were also perceived as positive. Research showed that the pandemic has highlighted existing issues in early childhood education. To ensure high-quality care for children in elementary education facilities, there is a need to improve working and general conditions in early childhood education and care.
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Im Dezember 2019 wurde der Krankheitserreger SARS-CoV‑2 in Wuhan in China erstmals festgestellt. Die daraufhin folgende pandemische Entwicklung beeinflusste das gesellschaftliche Leben weltweit. Auch das Bildungssystem in Österreich war davon betroffen. Es kam zu wiederholten Schließungen von Bildungsinstitutionen. Da die Konsequenzen dieser Maßnahmen für elementarpädagogische Bildungseinrichtungen kaum Berücksichtigung erfuhren, haben sich die Autorinnen dieses Artikels im Frühjahr 2021 mit den Auswirkungen und Folgen der Pandemie auf die elementarpädagogische Arbeit in Österreich befasst. Dabei wurden zwei Konstrukte in den Fokus gerückt. Zum einen wurde Stress in Form von beruflichen Gratifikationskrisen, zum anderen die Arbeitszufriedenheit der Pädagog:innen näher betrachtet. Des Weiteren wurden individuelle Herausforderungen und Lerngewinne in der elementarpädagogischen Arbeit unter Covid-19-Bedingungen erfragt.
Theoretischer Hintergrund
Anforderungen und Belastungen im Elementarbereich
Blickt man auf die vergangenen Jahre zurück wird deutlich, wie nachhaltig die Covid-19-Pandemie die Gesellschaft beeinflusst hat. Vor allem den Schulschließungen hat man sich in der Forschung umfassend gewidmet und Negativfolgen beleuchtet (Ravens-Sieberer et al. 2020). Der Elementarbereich rückte dagegen nur selten in den Vordergrund, obwohl sich auch Elementarpädagog:innen mit enormen Anforderungen konfrontiert sahen, worauf auch der Österreichische Gewerkschaftsbund hinwies (ÖGB 2021).
Bereits vor Pandemiebeginn wurden Belastungsfaktoren, wie beispielsweise ein erhöhter Lärmpegel, Personalmangel, Zeitdruck, Arbeitsverdichtung und fehlende gesellschaftliche Wertschätzung von Elementarpädagog:innen beklagt (Gambaro et al. 2021; Madeira Firmino und Bauknecht 2022). Überwiegend wird der Kindergarten in seiner Funktion als Betreuungs- und weniger als Bildungseinrichtung wahrgenommen (Hackl et al. 2015). Damit wird die Kompetenz und Arbeitsleistung der Pädagog:innen abgewertet.
Zu den bereits bestehenden Belastungsfaktoren kamen durch die Covid-19-Pandemie weitere Belastungen hinzu. Neben dem Gesundheitspersonal waren Kindergartenpädagog:innen während der Covid-19-Pandemie den höchsten Infektionsrisiken ausgesetzt (Kuger et al. 2022; Meyer et al. 2021). Der bestehende Personalmangel wurde aufgrund zunehmender Krankenstände und durch einsetzende Quarantänemaßnahmen zusätzlich verstärkt (Kuger et al. 2022). Durch die Einführung und Wiederaufhebung spezifischer, coronabedingter Maßnahmen kam es seit Beginn der Pandemie laufend zu Veränderungen der Betreuungssituation und den Kindergartenpädagog:innen wurde zusätzlich die Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen abverlangt (Kuger et al. 2022; Oeltjendiers et al. 2021). Durch die Schließungsphasen wurde die Zusammenarbeit mit den Eltern erschwert (Kuger et al. 2022) und hing stark von den digitalen Kompetenzen der jeweiligen Elementarpädagog:innen ab (Cohen et al. 2021). Auch Konflikte zwischen Kolleg:innen, Eltern und Kindern in Bezug auf die Umsetzung der Covid-19-Maßnahmen stellten eine zusätzliche Herausforderung in elementarpädagogischen Einrichtungen dar (Kuger et al. 2022). Kindergartenleitungen berichteten außerdem von einer wachsenden Aufgabenvielfalt, höherem Zeitaufwand, gesteigerter Verantwortungsübernahme und damit einhergehendem Zeitdruck (Oeltjendiers et al. 2021).
An dieser Stelle soll festgehalten werden, dass in der vorliegenden Arbeit überwiegend auf Studien aus dem bundesdeutschen Raum zurückgegriffen wurde. Aufgrund der guten Vergleichbarkeit der beiden Länder Deutschland und Österreich, erscheint dies als zulässig, zumal bisher nur wenige Studien existieren, die sich ausschließlich auf den österreichischen Raum beziehen (Krenn-Wache 2018; Oberhuemer und Schreyer 2018). In Tab. 1 findet sich ein entsprechender landesspezifischer Überblick.
Betrachtet man die als gering erlebte gesellschaftliche Wertschätzung in Kombination mit den zunehmenden Anforderungen, die an Elementarpädagog:innen gestellt werden, drängt sich unweigerlich das Modell der beruflichen Gratifikationskrisen (auch Effort-Reward-Imbalance-Modell) von Siegrist (1996) auf.
Berufliche Gratifikationskrisen
In dem Modell werden berufliche Anforderungen den berufsbezogenen Belohnungen gegenübergestellt. Unter Anforderungen werden Zeitdruck, Arbeitsverdichtung und mentale Belastung durch die Arbeitstätigkeit subsumiert. Belohnungen stellen unter anderem das Gehalt sowie die Anerkennung und Wertschätzung der Tätigkeit durch Vorgesetzte und das private Umfeld dar. Idealerweise stehen die beiden Komponenten im Gleichgewicht zueinander. Geraten sie in ein negatives Ungleichgewicht, so kommt es zu einer beruflichen Gratifikationskrise. Langfristig sind Stress und damit verbundene Erkrankungen die Folge. In Studien konnten bereits kardiovaskuläre Erkrankungen, Burnout und Depressionen auf eine Dauerbelastung durch eine Effort-Reward-Imbalance (ERI) zurückgeführt werden (Siegrist 1996).
Auch intrinsische Faktoren werden in Form der individuellen Verausgabungsneigung (overcommitment) in das Modell integriert. Overcommitment (OC) kann als eine erhöhte Anstrengungsbereitschaft auch bei ausbleibenden extrinsischen Belohnungen verstanden werden (Siegrist 1996). Personen mit erhöhter individueller Verausgabungsneigung streben in hohem Maße nach Kontrolle, Erfolg und Anerkennung (Backhaus et al. 2018). Eine erhöhte Verausgabungsneigung kann das Ungleichgewicht zwischen berufsbezogenen Belohnungen und beruflichen Anforderungen zusätzlich verstärken und zu einem erhöhten Stresslevel beitragen (Feldt et al. 2016). OC stellt daher einen gewichtigen Faktor bei der Entstehung und Chronifizierung einer ERI dar (Siegrist 1996).
Im elementarpädagogischen Bereich ist eine Häufung von beruflichen Gratifikationskrisen zu beobachten (Backhaus et al. 2018; Gritzka et al. 2023; Schreyer et al. 2015). Nach Gritzka et al. (2023) berichteten 72,3 % der frühpädagogischen Fachkräfte von einer solchen. Etwa ein Viertel der Befragten berichtete von einer hoch ausgeprägten Verausgabungsneigung, 45,2 % von somatischen Beschwerden auf mittlerem bis hohem Niveau. Backhaus et al. (2018) kamen zu dem Ergebnis, dass ERI und OC die Wahrscheinlichkeit einer Burnout-Erkrankung (OR = 3,75 bzw. OR = 1,41) und somatischer Beschwerden (OR = 2,55 bzw. OR = 1,26) erhöhen. Sie stellen damit eine wesentliche Beeinträchtigung der psychischen und physischen Gesundheit von Elementarpädagog:innen dar (Backhaus et al. 2018; Gritzka et al. 2023). Mit dem Alter steigt das Risiko, in eine ERI zu geraten, zusätzlich an (Viernickel et al. 2013).
Neben beruflichen Gratifikationskrisen wird in zahlreichen Studien auch die Arbeitszufriedenheit von Elementarpädagog:innen in den Fokus gerückt (Schreyer et al. 2015; Krisper et al. 2020).
Arbeitszufriedenheit
Der Begriff Arbeitszufriedenheit beinhaltet sowohl Gefühle und Gedanken in Bezug auf die eigene Arbeitstätigkeit und Karriere als auch Merkmale des Arbeitsplatzes und die Beziehung zu den Kolleg:innen (Bellé et al. 2017). Die Arbeitszufriedenheit beeinflusst die Arbeitsqualität, die Produktivität und Leistung der Mitarbeitenden (Bayard 1997). Arbeitsunzufriedenheit kann umgekehrt zu hoher Personalfluktuation, Leistungseinbußen, Absentismus, Sabotage und Burnout führen (Bayard 1997; de Stasio et al. 2017).
Studien im elementarpädagogischen Bereich betonen die überwiegend hohen Zufriedenheitswerte der Pädagog:innen, wobei Leiter:innen im Vergleich zu Pädagog:innen ohne Leitungsfunktion ein höheres Maß an Arbeitszufriedenheit aufweisen (Schreyer et al. 2015). Während der Covid-19-Pandemie gaben Elementarpädagog:innen eine moderate Zufriedenheit mit der eigenen Tätigkeit an. Auch die Bewältigung der Pandemie wird als zufriedenstellend beschrieben (Krisper et al. 2020). Hervorzuheben ist, dass einzelne Bereiche dennoch mit starker Unzufriedenheit behaftet sind. Besonders bezüglich des Gehalts sowie der Aufstiegschancen wird heftiger Unmut seitens der Pädagog:innen geäußert (Gambaro et al. 2021; Hall-Kenyon et al. 2014). Wenig verwunderlich ist, dass Pädagog:innen, die von einer ERI betroffen sind, eine geringere Arbeitszufriedenheit aufweisen als jene ohne ERI (Schreyer et al. 2015).
Zusammenfassung und Ableitung der Fragestellungen
In der Zusammenschau einschlägiger Studien zeigt sich bei einem Großteil der elementarpädagogischen Fachkräfte ein negatives Ungleichgewicht zwischen berufsbezogener Belohnung einerseits und den beruflichen Anforderungen andererseits (Backhaus et al. 2018; Schreyer et al. 2015; Gritzka et al., 2023). In Zeiten der Covid-19-Pandemie ist davon auszugehen, dass sich dieses Ungleichgewicht zusätzlich verstärkt und die Verbreitung beruflicher Gratifikationskrisen zunimmt. Es wurde daher der Frage nachgegangen, wie viele der befragten österreichischen Elementarpädagog:innen zum Zeitpunkt der Befragung von einer ERI berichten. Außerdem wurde geprüft, ob ein Zusammenhang zwischen dem Konstrukt der ERI, OC und der Arbeitszufriedenheit von Elementarpädagog:innen besteht.
Methodik
Stichprobe
Mittels eines online Fragebogens wurde im April 2021 eine Querschnittserhebung durchgeführt. Insgesamt wurden die Daten von N = 541 überwiegend weiblichen Elementarpädagog:innen (97,6 %) im Alter von 19 bis 60 Jahren (M = 35,27, SD = 10,34) analysiert. In Hinblick auf Repräsentativität und Generalisierbarkeit der Ergebnisse muss beachtet werden, dass bei der vorliegenden Art der online Erhebung immer eine Selbstselektion der Teilnehmenden stattfindet. Darüber hinaus ist verglichen mit der Gesamtheit der Elementarpädagog:innen in Österreich eine zu geringe Anzahl an Männern in der Stichprobe vertreten.
Erhebungsinstrumente
Zur Erhebung der Effort-Reward-Imbalance und des Konstrukts overcommitment wurde die Kurzversion des Fragebogens zur Messung beruflicher Gratifikationskrisen von Siegrist (2016) herangezogen. Der Fragebogen wurde leicht modifiziert und dabei an das Berufsfeld der Elementarpädagogik sowie die gegebenen Covid-19-Bedingungen angepasst. Für die adaptierte Skala ergab sich ein Cronbach α = 0,77. Zur Erfassung der allgemeinen Arbeitszufriedenheit wurden sieben Items aus dem Arbeitsbeschreibungsbogen von Neuberger und Allerbeck (1978) herangezogen. Für die Gesamtskala ergab sich ein Cronbach α = 0,81. Abschließend wurden zwei offene Fragen gestellt: „Was sind die größten Herausforderungen/Probleme in der Arbeit unter Covid-19-Bedingungen?“ und „Welcher Lerngewinn ergibt sich aus den aktuellen Arbeitsbedingungen unter Covid-19?“
Statistische Verfahren und Umgang mit fehlenden Werten
Zur Auswertung wurde das Statistikprogramm SPSS herangezogen. Einige wenige fehlende Werte wurden durch Mittelwertimputation ersetzt. Die offenen Fragen wurden mit Hilfe eines sich aus der Materialdurchsicht ergebenden Kategoriensystems ausgewertet.
Ergebnisse
Ergebnisse zu Effort-Reward-Imbalance, Overcommitment und Arbeitszufriedenheit
Auf der ERI-Skala gaben 84,1 % der Befragten ein negatives Ungleichgewicht zwischen hohen beruflichen Anforderungen einerseits und einer niedrigen berufsbezogenen Anerkennung andererseits an (ER-Quotient > 1,0). Kindergartenleiter:innen befanden sich signifikant häufiger in einer beruflichen Gratifikationskrise als Pädagog:innen ohne Leitungsfunktion (χ2 (1) = 5,048, p = 0,025, φ = 0,097).
Die mittlere Verausgabungsneigung lag bei M = 2,74 (SD = 0,57). Bei 28,5 % der Befragten erreichte die Verausgabungsneigung einen so hohen Wert, dass von einem erhöhten Risiko für psychische und psychosomatische Erkrankungen ausgegangen werden kann (Cut-off-Wert > 3; Siegrist 2016). Die Wahrscheinlichkeit eines gesundheitsgefährdend hohen Maßes an Verausgabungsneigung war unter Leiter:innen signifikant höher als unter Pädagog:innen ohne Leitungsfunktion (χ2 (1) = 7,364, p = 0,007, φ = 0,117).
Die Arbeitszufriedenheit der Elementarpädagog:innen erwies sich als moderat (M = 4,28, SD = 1,18). Besonders hohe Zufriedenheitswerte ließen sich in den Bereichen Kollegium (M = 5,79, SD = 1,35) und der Tätigkeit selbst (M = 4,94, SD = 1,53) feststellen, besonders niedrige in den Bereichen Bezahlung (M = 2,48, SD = 1,52) und Arbeitsbedingungen (M = 3,05, SD = 1,61) Die Arbeitszufriedenheit von Pädagog:innen mit ERI (M = 4,05, SE = 0,05) war signifikant niedriger als von Pädagog:innen ohne ERI (M = 5,46, SE = 0,09, t (536) = −11,239, p < 0,001, BCa 95 %-CI [−1,60, −1,22]).
Es konnte ein stark negativer Zusammenhang zwischen ERI und Arbeitszufriedenheit festgestellt werden (r = −0,57, p < 0,001). Auch OC korrelierte auf moderatem Niveau negativ mit der Arbeitszufriedenheit (r = −0,34, p < 0,001). Einen Überblick liefert Tab. 2.
Ergebnisse zu Herausforderungen/Problemen und Lerngewinne
Aus der vorliegenden Stichprobe ergaben sich 1331 Aussagen, wobei 57 % davon inhaltlich zu den Herausforderungen gehören. Lediglich 573 Aussagen sind den Kategorien zum Lerngewinn zuzuordnen.
Die Tab. 3 zeigt, dass fast 47 % der Aussagen unter Rahmenbedingungen und Belastungsfaktoren zu verorten sind, wobei hier nicht zwischen Elementarpädagog:innen mit und ohne Leistungsfunktion unterschieden wird.
Die Analysen in Tab. 4 zeigen, dass fast 47 % der Lerngewinne den Kategorien Pädagogische Arbeit und Psychisches Erleben zuzuordnen sind.
Die Bedingungen während der Covid-19-Pandemie waren jedoch nicht in allen Einrichtungen gleich. Zum Beispiel berichteten einige Elementarpädagog:innen über die Herausforderung, trotz der Covid-Maßnahmen viele Kinder betreuen zu müssen, während andere Elementarpädagog:innen wiederum nur kleine Gruppen zu betreuen hatten; die geforderte Flexibilität wurde zum Teil als Belastung gesehen, zum Teil auch als Lerngewinn.
Diskussion
Bereits vor der Covid-19-Pandemie waren die Elementarpädagog:innen mit immer höher werdenden Anforderungen konfrontiert (Gambaro et al. 2021; Madeira Firmino und Bauknecht 2022). Die Pandemie hat diese Herausforderungen jedoch teilweise noch verstärkt. So wurde z. B. der Personalmangel, der vor der Covid-19-Pandemie bereits bestand, durch Quarantänen und krankheitsbedingte Ausfälle noch eklatanter. Die pandemiebedingten Anpassungen im Kindergartenalltag erforderten zusätzlich große Flexibilität vonseiten der Elementarpädagog:innen (Kuger et al. 2022; Oeltjendiers et al. 2021).
Im Vergleich zu den hohen Anforderungen, die an die Pädagog:innen gestellt werden, fühlten sie sich jedoch auch laut den Ergebnissen dieser Studie im Verhältnis wenig wertgeschätzt. Dieses Ungleichgewicht zwischen hohen beruflichen Anforderungen und niedriger berufsbezogener Anerkennung zeigte sich in der quantitativen Auswertung bei 84,1 % der Elementarpädagog:innen. Diese Häufung im elementarpädagogischen Bereich konnten bereits mehrere Autor:innen beobachten (Backhaus et al. 2018; Gritzka et al. 2023; Schreyer et al. 2015). Jedoch wies die hier vorliegende Stichprobe ein höheres Ungleichgewicht im Vergleich zu vorherigen Studien auf.
Fast 30 % der Elementarpädagog:innen wiesen eine sehr hohe Verausgabungsneigung und damit ein erhöhtes Risiko für psychische und psychosomatische Erkrankungen auf, wobei das Risiko unter den Leiter:innen höher war als unter den Elementarpädagog:innen ohne Leitungsfunktion. Kindergartenleiter:innen waren häufiger in einer beruflichen Gratifikationskrise als Elementarpädagog:innen ohne Leitungsfunktion. Diese Ergebnisse sind inkonsistent mit Schreyer et al. (2014). In deren Forschung waren Kindergartenleiter:innen weniger belastet als Elementarpädagog:innen ohne Leitungsfunktion. Eine mögliche Erklärung für die unterschiedlichen Ergebnisse, könnten die neuen Herausforderungen und Aufgaben sein, die sich durch die unklaren und sich ständig verändernden Maßnahmen gegen die Covid-19-Pandemie vor allem auch im administrativen Bereich ergaben. Darauf deuten auch aktuelle Forschungsergebnisse von Oeltjendiers et al. (2021) hin. Leiter:innen elementarpädagogischer Einrichtungen berichten hier von wachsender Aufgabenvielfalt und erhöhter Arbeitsbelastung. Als Prädiktor wird hierfür allen voran ein schlechtes Teamklima genannt (β = −0,25, p < 0,001).
Laut den Ergebnissen wiesen die Elementarpädagog:innen hohe Zufriedenheitswerte in den Bereichen Kollegium und der Tätigkeit selbst auf, obwohl die Zusammenarbeit zwischen den Kolleg:innen während der Covid-19-Pandemie durch Meinungsverschiedenheiten die Covid-19-Maßnahmen betreffend zusätzlich erschwert wurde (Kuger et al. 2022). Auch in den Studien von Schneewind et al. (2012), Schreyer et al. (2014) und Smidt et al. (2017) zur Arbeitszufriedenheit von Elementarpädagog:innen konnte eine hohe Arbeitszufriedenheit in den oben genannten Bereichen festgestellt werden. Niedrige Zufriedenheitswerte wurden hingegen in den Bereichen Bezahlung und Arbeitsbedingungen angegeben. Diese Ergebnisse deckten sich mit anderen Studien (Hall-Kenyon et al. 2014; Krisper et al. 2020; Viernickel und Weßels 2020).
In der Korrelationsanalyse ergab sich ein negativer Zusammenhang zwischen ERI und der Arbeitszufriedenheit sowie auch zwischen OC und der Arbeitszufriedenheit. Auch andere Autor:innen konnten einen negativen Zusammenhang zwischen beruflicher Gratifikationskrise und Arbeitszufriedenheit feststellen (Backhaus et al. 2018; Schreyer et al. 2015). Obwohl die Elementarpädagog:innen besonders in Zeiten der Covid-19-Pandemie sehr hohen Arbeitsbelastungen ausgesetzt waren, erreichten sie überdurchschnittlich hohe Werte in der Arbeitszufriedenheit. Zu diesen Ergebnissen kamen auch Schneewind et al. (2012), allerdings noch vor Ausbruch der Covid-19-Pandemie.
Die qualitativen Daten unterstützen die quantitativen Ergebnisse. Jede vierte Aussage zu den Herausforderungen und Problemen gehörte inhaltlich den Rahmenbedingungen der Arbeit an. Dabei wurden vor allem der Personalmangel, die Covid-19-Maßnahmen und die fehlende Wertschätzung erwähnt. Auch die psychische und emotionale Belastung der Elementarpädagog:innen durch ständig wachsende Anforderungen wurde in der Befragung deutlich. Positive Effekte hatte die Covid-19-Pandemie laut den befragten Elementarpädagog:innen jedoch vor allem für die pädagogische Arbeit durch stärkeren Fokus auf die Individualität der Kinder und Priorisierung der Tätigkeiten. Die Elementarpädagog:innen profitierten von den geänderten Bedingungen auch, indem sie gelernt haben, flexibler, spontaner und stressresistenter zu sein.
Conclusio
Bereits vor Ausbruch der Covid-19-Pandemie wurden die Arbeit von Elementarpädagog:innen und ihre berufsbezogenen Bedürfnisse von Politik und Gesellschaft nicht gesehen und anerkannt. Die vorliegende Studie zeigt, dass bestehende Missstände durch die Covid-19-Pandemie zusätzlich verstärkt wurden. Um beruflichen Gratifikationskrisen vorzubeugen und eine hohe Qualität elementarpädagogischer Arbeit auch in Zukunft zu gewährleisten, müssen die strukturellen Rahmenbedingungen verbessert und frühkindliche Bildung wertgeschätzt werden. Zentral wäre hierbei allen voran eine finanzielle und soziale Aufwertung des Berufes. Dies kann durch eine bessere Bezahlung und gesellschaftliche Anerkennung der Bildungsarbeit erreicht werden. Darüber hinaus sind strukturelle Veränderungen wünschenswert, wie eine Verbesserung des Erzieher:innen-Kind-Schlüssels, mehr Weiterbildungsmöglichkeiten für Pädagog:innen und eine Anpassung der Bürostundenanzahl an die zunehmende pädagogische Administrationsarbeit. In zukünftigen Krisensituationen wäre außerdem ein einheitliches, gut kommuniziertes Krisenmanagement, in das auch die Pädagog:innen selbst miteinbezogen werden, erstrebenswert. Studien wie die hier vorliegende können dazu beitragen, Missstände öffentlich sichtbar zu machen sowie Veränderungen und Reformen anzustoßen.
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Schmidt, S., Steger, A. & Spiel, C. Die Arbeit von Elementarpädagog:innen in Zeiten der Covid-19-Pandemie. Psychotherapie Forum 27, 87–94 (2023). https://doi.org/10.1007/s00729-023-00237-9
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00729-023-00237-9