Einleitung

Allergische Erkrankungen der Augenoberfläche (okuläre Allergie, OA) und Trockene Augen (Keratokonjunktivitis sicca, KCS) sind zwei häufige klinische Entitäten, die oft konkomitant auftreten und sich vice versa gegenseitig bedingen. Die geschätzte globale Prävalenz von OA beträgt 15–20 %, die von KCS 5–50 % [1, 2].

Nach Coombs und Gell werden folgende 4 Typen von allergischen Reaktionen unterschieden: Typ I – IgE-vermittelte Sofortreaktion (z. B. allergische Konjunktivitis), Typ II – zytotoxische Reaktion (z. B. Medikamenten-induzierte Agranulozytose, allergische hämolytische Anämie), Typ III – Immunkomplexreaktion (z. B. exogen-allergische Alveolitis, Immunkomplexvaskulitis) und Typ IV – T‑Zell-vermittelte Reaktion (z. B. allergisches Kontaktekzem, Arzneimittelexanthem, Stevens-Johnson-Syndrom, Toxisch-epidermale Nekrolyse) [3].

Im Rahmen der Typ I-Reaktion degranulieren Mastzellen, nachdem das Allergen an deren spezifische IgE-Antikörper bindet, wohingegen es bei der pseudoallergischen Reaktion zu einer unspezifischen Degranulation der Mastzellen ohne vorhergehende Sensibilisierung kommt [4].

Unter Atopie versteht man die, an das HLA-System gekoppelte, erhöhte Neigung, mit einer solchen Typ I-Reaktion auf Kontakt mit Umweltstoffen zu reagieren, und die Prädisposition zur Entwicklung atopischer Krankheitsbilder (z. B. atopische Dermatitis, allergische Rhinokonjunktivitis, Asthma bronchiale).

Bei den allergischen Erkrankungen der Augenoberfläche handelt es sich bei der saisonalen (SAC) und perennialen allergischen Konjunktivitis (PAC) um IgE-mediierte Formen, wohingegen die Keratokonjunktivitis vernalis (VKC) und die atopische Keratokonjunktivitis (AKC) sowohl IgE-mediiert, als auch nicht IgE-mediiert auftreten können. Alle diese vier Krankheitsbilder zeigen Überschneidungen mit dem Krankheitsbild der KCS [4].

Bei der Typ I-Reaktion kommt es zu einer Antigen-vermittelten Erhöhung des IgE-Spiegels und daraus resultierend zur Degranulation von Mastzellen, welche Histamin und inflammatorische Zytokine freisetzen, was eine Stimulation der konjunktivalen Becherzellsekretion, eine Veränderung der Muzinzusammensetzung und eine Apoptose von kornealem und konjunktivalem Epithel bedingt. Diese Augenoberflächenschädigung führt schließlich zu einer Reflexstimulation der Tränendrüse [4].

SAC und PAC sind für mehr als 90 % der Fälle von allergischen Konjunktivitiden verantwortlich. Für beide Entitäten ist der Juckreiz das pathognomonische Symptom, in der Spaltlampen-Untersuchung zeigen sich Bindehautinjektion, Chemose, wässrige Sekretion und Lidschwellungen (Abb. 1; [5]). Es gibt jedoch auch die relativ neu definierte Entität der saisonalen nicht-allergischen Konjunktivitis (SNAC), welche sich mit denselben Symptomen jedoch ohne etwaige allergologische Auffälligkeiten äußern kann. Die SNAC ist pathophysiologisch durch eine enzymatische Schädigung der Augenoberfläche und des Tränenfilms bedingt [6].

Abb. 1
figure 1

Klinische Zeichen einer SAC/PAC – a konjunktivale Hyperämie/Injektion, b Chemose

Die VKC tritt am häufigsten bei Jungen in der 1. Lebensdekade auf, in gemäßigten Klimazonen seltener und saisonal, in tropischen Klimazonen jedoch häufiger und häufig ganzjährig. Die Patient*innen berichten über Brennen, Jucken und Rötung beider Augen sowie über eine mitunter stark ausgeprägte muköse Sekretion. Es können 2 klinische Manifestationen unterschieden werden, die limbale Form mit Trantas Dots (weißlich-gelatinöse limbale Infiltrate), und die palpebrale Form mit Riesenpapillen, meist nur im oberen Fornix conjunctivae (Abb. 2; [7]).

Abb. 2
figure 2

Klinische Zeichen einer VKC – a gelatinöse Verdickungen am superioren Limbus, b subtarsale Papillen

Fünfundzwanzig bis 40 % der Patient*innen mit atopischer Dermatitis (AD) zeigen eine AKC, wobei in Industrieländern derzeit geschätzt 10–20 % aller Kinder und 1–3 % aller Erwachsenen an einer AD leiden. Die klinischen Manifestationen reichen von einer Blepharitis über eine Konjunktivitis mit papillärer Reaktion der tarsalen Konjunktiva und mitunter Pseudomembranen mit potenzieller konsekutiver Vernarbung bis zu einer Keratitis mit persistierenden Epitheldefekten bis hin zu Hornhautulcera, mitunter auch mit viraler oder bakterieller Superinfektion (Abb. 3). Weitere Komplikationen umfassen die Entwicklung eines Keratokonus, die Entstehung einer Cataracta complicata, eines Glaukoms sowie einer Netzhautablösung. Es besteht auch ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Bindehautkarzinoms [8].

Abb. 3
figure 3

Klinische Zeichen einer AKC – a Korneale Stippung; b Meibom-Drüsen-Dysfunktion, Blepharitis; c Symblepharon; d subtarsale Fibrosen

Bei der Typ IV-Reaktion handelt es sich um eine Antikörper-unabhängige Reaktion. Dabei kommt es beim Erstkontakt mit dem Allergen (typischerweise Allopurinol, Antikonvulsiva, Nicht-steroidale Antirheumatika, Sulfonamide) zur Sensibilisierung. Bei neuerlicher Antigen-Exposition ca. 24 bis 48 h nach der Erstexposition erkennen CD8+ T‑Zellen dann die via MHC-Klasse-I-Moleküle präsentierten Antigene, woraufhin die verzögerte Entzündungsreaktion einsetzt. Diese führt beim Stevens-Johnson-Syndrom (SJS) und der Toxisch-epidermalen Nekrolyse (TEN) meist 1 bis 4 Wochen nach Therapieinitiierung zu einer großflächigen nekrotischen Ablösung der Epidermis, zu Erosionen und Ulzerationen der Haut und Schleimhäute (bei SJS < 10 % der Körperoberfläche, bei TEN > 30 % der Körperoberfläche), wobei bis zu 10 % der Fälle bei SJS, und 30 bis 40 % der Fälle bei TEN letal enden. Bis zu 88 % aller Patient*innen mit SJS/TEN entwickeln akute okuläre Manifestationen, und bis zu 75 % zeigen eine chronische okuläre Beteiligung im Sinne einer (mitunter sehr ausgeprägten) KCS (Abb. 4; [9]).

Abb. 4
figure 4

Okuläre Manifestationen bei SJS/TEN – a Akutstadium mit Blepharitis, Konjunktivitis und subtarsalen Pseudomembranen; b schlechtestes Outcome im chronischen Stadium mit Limbusstammzellinsuffizienz, Vernarbung der Augenoberfläche bis zur Erblindung

Auch die Kontaktdermatitis ist eine Typ IV-Reaktion. Eine Sensibilisierungsphase, welche ca. 10–15 Tage dauert, muss der Kontaktdermatitis prinzipiell vorausgegangen sein (durch direkten lokalen Kontakt, aber auch airborne) – beim nächsten Allergen-Kontakt kommt es dann innerhalb von 24–42 h zur Entstehung des Kontaktekzems, welches sich mit Juckreiz, Brennen, Schmerzen, Lidschwellung, -rötung, Bläschenbildung, erosiven Veränderungen der Haut sowie meistens auch konjunktivaler Mitbeteiligung manifestiert (Abb. 5). Im chronischen Stadium zeigen sich epidermale Verhornungsstörungen, Rhagaden, Lichenifikation und Schuppung [10].

Abb. 5
figure 5

Klinische Zeichen einer Kontaktdermatitis – Erythem, geringe Lidschwellung

Assoziationen zwischen OA und KCS bzgl. deren Pathophysiologie

Die Pathophysiologie der Typ I- und Typ IV-Reaktion nach Coombs und Gell bei okulären Allergien wurde bereits in der Einleitung beschrieben.

Im „Teufelskreis“ der KCS kommt es durch eine verkürzte Tränenfilmaufreißzeit (TBUT = tear break-up time) zur Hyperosmolarität der Tränenflüssigkeit mit Austrocknung des kornealen und konjunktivalen Epithels, was schließlich zu Apoptose, Entzündung und Verlust an konjunktivalen Becherzellen führt, wodurch es wiederum zu Alterationen des Tränenfilms kommt und sich der Kreis schließt [11].

Mittels in-vivo konfokaler Mikroskopie der Augenoberfläche konnten folgende morphologischen Veränderungen bei OA und KCS nachgewiesen werden: reduzierte Dichte von basalen Epithelzellen, Keratozyten und sub-basalen Nerven, erhöhte Dicke und Tortuositas von stromalen Nerven und Zeichen einer lokalen inflammatorischen Reaktion (dendritische Zellen, Leukozyten, aktivierte Keratozyten und erhöhte epitheliale und stromale Reflektivität) [12].

Weiters konnte gezeigt werden, dass dieselben pro-inflammatorischen Zytokine in der Tränenflüssigkeit und an der Augenoberfläche bei Patient*innen mit OA und KCS detektierbar sind (IL-1α, IL-1β, IL‑4, IL‑5, IL-13, IL-17, TNF‑α, INF-γ) – wenn auch zu unterschiedlichen Verhältnissen. Sowohl bei OA als auch bei KCS dominieren CD4+ T‑Zellen in Kombination mit Th1-, Th2- und Th17-Lymphozyten [2].

Über Th1 getriggerte Zytokine kommt es zur Aktivierung von Makrophagen, natürlichen Killer-Zellen (NK) und Antigen-präsentierenden Zellen, welche wiederum zur Aktivierung von naiven T‑Zellen in den lokalen Lymphknoten führen. Die Aktivierung der Effektor-T-Zellen führt dann zu Epithelzelltod, squamöser Metaplasie und Becherzell-Apoptose. Interessanterweise findet man sowohl bei AKC und bei VKC als auch bei KCS eine signifikant reduzierte konjunktivale Becherzell-Anzahl verglichen mit gesunden Kontrollaugen [2, 13].

Th2 und NK-assoziierte Zytokine und Histamin führen wiederum zu konjunktivaler epithelialer Metaplasie, Disruption des kornealen Epithels und Stimulation der Becherzell-Sekretion, was konsekutiv Modifikationen des Tränenfilms bedingt. Speziell die durch Th17-Lymphozyten induzierte Immunantwort führt zur Invasion von neutrophilen Granulozyten in Meibom-Drüsen, wodurch deren Inflammation und schließlich Dysfunktion ausgelöst wird [2].

Diese heutigen Erkenntnisse zur Pathophysiologie von OA und KCS widersprechen dem Th1/Th2-Paradigma, welches besagte, dass immunologische Erkrankungen entweder ausschließlich Th1- (Autoimmunerkrankungen) oder Th2-Reaktionen (allergische Erkrankungen) darstellen [4].

Eine weitere essentielle Rolle im inflammatorischen Prozess an der Augenoberfläche sowohl bei OA als auch bei KCS spielt die Imbalance zwischen Metalloproteinasen, deren Transkription durch die Mitogen-aktivierte Proteinkinase und den nukleären Faktor Kb (NFkB) angeregt wird, und deren Inhibitoren (TIMPs = tissue-inhibitors) [2].

Assoziationen zwischen OA und KCS in der Diagnostik

Am Beginn der Untersuchung steht die genaue Anamnese, in deren Rahmen man zur Differenzierung OA vs. KCS, Alter und Geschlecht des Patienten bzw. der Patientin, Charakteristika, Häufigkeit und Lateralität der Symptome, assoziierte extraokuläre Symptome und eine atopische Familienanamnese sowie die Dauermedikation und evtl. Grunderkrankungen erfragen sollte.

Von Patient*innen berichtete Symptome gleichen sich bei OA und KCS in vielen Fällen und lassen keinen sicheren Rückschluss auf die zugrundeliegende Entität zu.

Juckreiz ist nicht nur ein Kardinalsymptom für OA, sondern kann auch bei KCS auftreten – und Tränenfilminstabilität ist nicht nur ein Kardinalzeichen für KCS, sondern kann auch bei OA auftreten [2].

Sowohl bei OA als auch bei KCS kann es zu Veränderungen in den kornealen, neuronalen nocizeptiven und prurizeptiven Signalwegen kommen, einerseits durch eine Hochregulation von inflammatorischen Mediatoren oder Neuropeptiden, andererseits auch durch funktionelle und quantitative Veränderungen von Ionenkanälen. Dies kann dann zu Trockenheitsgefühl, Schmerzen und eben Juckreiz führen [14]. Zusätzlich geht auch die Demodex-assoziierte Blepharitis oft mit Juckreiz einher [15].

Sowohl bei OA als auch bei KCS konnten einerseits Alterationen der Lipidphase, welche zu einer verminderten TBUT und somit einer beschleunigten Verdunstung des Tränenfilms führen, und andererseits auch der Quantität der Tränenflüssigkeit sowie der Muzinschicht, welche zu einer verminderten Tränenfilmstabilität führen, nachgewiesen werden [2, 16, 17]. Es können sowohl bei OA als auch bei KCS ein pathologischer Schirmer-Test sowie eine Anfärbbarkeit der Augenoberfläche mit Fluoreszein bzw. Lissamingrün detektiert werden.

Dies bedingt, dass man vor Diagnosestellung einer OA immer auch die möglichen KCS-auslösenden Differentialdiagnosen bedenken sollte. Diese reichen vom Sjögren Syndrom mit assoziierten autoimmunologischen Erkrankungen, über intrinsische oder altersbedingte Tränendrüsen-Defizienz, inflammatorische Infiltration der Tränendrüse, Obstruktion der Tränendrüsenausführungsgänge (z. B. im Rahmen von vernarbenden Konjunktivitiden), funktioneller Defizienz der Tränendrüse durch nervale Blockaden bis hin zu Erkrankungen der Meibom-Drüsen [18]. Die „typischen“ in ophthalmologischen Lehrbüchern beschriebenen klinischen Zeichen einer SAC/PAC (konjunktivale Chemose, Epiphora, Bilateralität), VKC (subtarsale Gigantopapillen, Trantas Dots, korneales Schildulkus) sowie AKC (Blepharitis, kornealer Epitheldefekt, superinfiziertes Hornhautulkus, subtarsale Papillen) müssen klarerweise immer im diagnostischen Procedere mit abgeklärt/bedacht werden, liegen jedoch eben nicht immer in dieser starken Ausprägung vor.

Hilfreich kann auch die allergologische Abklärung der Patient*innen sein, z. B. mittels Prick‑, Epikutan-Test, Analyse von (spezifischem) IgE, und natürlich die Kooperation mit Dermatolog*innen bei Verdacht auf AKC [2].

Weitere hilfreiche Werkzeuge zur Abklärung einer OA sind eine Giemsa-Färbung eines Bindehaut-Abstrich-Präparats, um eosinophile Granulozyten zu detektieren sowie ein konjunktivaler Allergen-Provokations-Test (CAPT = conjunctival allergen provocation test) [2].

Assoziationen zwischen OA und KCS bzgl. deren Therapie

Da bei OA und KCS eine Entzündungsreaktion der Augenoberfläche im Vordergrund steht, gibt es große Überschneidungspunkte in der antiinflammatorischen Therapie, welche bei beiden Entitäten effektiv wirkt.

Die Therapie der SAC/PAC erfolgt mittels konservierungsmittelfreien Tränenersatzpräparaten und kühlen Umschlägen. Effektiv wirksam sind H1-Rezeptor-Antagonisten (z. B. Livostin® = Levocabastin 2 × tgl. – ab 8 Jahren zugelassen (CAVE: enthält Konservierungsmittel, speziell bei Kindern sollten in erster Linie konservierungsmittelfreie Präparate verwendet werden)), Antihistaminika der 2. Generation (z. B. Azelastin-COMOD® = Azelastin –2 × tgl. – ab 4 Jahren für SAC/ab 12 Jahren für PAC zugelassen), Mastzell-Stabilisatoren (z. B. Allergo-COMOD® = Cromoglykat 4 × tgl. – ab 6 Jahren zugelassen, CAVE: verzögerter Wirkungseintritt), H1-Antihistaminika mit mastzellstabilisierender Wirkung (z. B. Zaditen (ophtha ABAK)® = Ketotifen 2 × tgl. – ab 3 Jahren zugelassen) und im Akutstadium kurzzeitig Kortikosteroide (in erster Linie Oberflächen-wirksam, z. B. Softacort® = Hydrocortison, oder mit höherer Potenz Monodex® = Dexamethason) [5].

Zur Therapie der VKC und AKC stehen uns zusätzlich in weiterer Folge Calcineurin-Inhibitoren (Cyclosporin A (Verkazia® 4 × tgl. – ab 4 Jahren zugelassen; Ikervis® – ab 18 Jahren für KCS zugelassen; Cyclosporin A in Emulsion oder in Erdnussöl 0–2 % als Magistraliterrezepturen), Tacrolimus 0,03 % Augensalbe 2 × tgl. (auch als Emulsion erhältlich, ebenso Magistraliterrezepturen)) zur Verfügung [7, 8]. Bei VKC kann je nach Schweregrad eventuell auch eine systemische Antihistaminika‑/Glukokortikoid-Therapie erwogen werden sowie eine chirurgische Exzision der Papillen [7]. Bei AKC ist häufig eine systemische Therapie mit Antihistaminika, Glukokortikoiden, Immunsuppressiva oder monoklonalen Antikörpern in Kooperation mit den Dermatolog*innen erforderlich. Weiters hat die Lidrandpflege bei der atopischen Blepharokeratokonjunktivitis einen wichtigen Stellenwert [8].

Zur Therapie der KCS liegt ein detailierter Algorithmus vor. Die First-line Therapie besteht in der Aufklärung über das Krankheitsbild, den Versuch der Elimination bzw. Veränderung dazu beitragender Komponenten (Umwelt, diätetisch, lokale/systemische Medikation) und der Einleitung einer Tränenersatztherapie und Lidranderwärmung und -massage. Insbesondere die Lidranderwärmung, jedoch auch Präparate mit pflanzlichen Wirkstoffen (z. B. Teebaumöl) können Symptome und klinische Befunde bei Vorliegen einer OA aggravieren bzw. verschlechtern, weshalb eine allergische Komponente vor Einleitung dieser Therapien ausgeschlossen werden sollte. Wenn es durch Tränenersatztherapie und Lidranderwärmung und -massage bei KCS zu keiner Befund- und Beschwerdeverbesserung kommen sollte, werden konservierungsmittelfreie Tränenersatzpräparate und Salben, Lidrandreinigung mit Teebaumöl bei vorhandener Demodex-Besiedelung, Punctum Plugs, „Feuchtigkeitskammer“-Brillen und eine intensivierte Therapie bei Meibom-Drüsen-Dysfunktion (maschinell unterstützte Lidranderwärmung und -massage mit z. B. LipiFlow®, Lichtpuls-Therapie, topische oder systemische Antibiotika) sowie eine erweiterte Therapie mit topischen Kortikosteroiden, Calcineurin-Inhibitoren, LFA-1-Antagonisten (Lifitegrast) und Sekretagoga empfohlen. Sollten auch diese Optionen noch zu keiner Besserung führen, können orale Sekretagoga, Albumin Augentropfen, autologe/allogene Serum-Augentropfen und therapeutische Kontaktlinsen angewandt werden. Die letzten möglichen Therapiealternativen wären dann langzeitig topische Kortikosteroide und chirurgische Optionen wie Amnionmembran-Transplantationen, chirurgischer Verschluss der Tränenpünktchen, Tarsorrhaphie und Speicheldrüsen-Transplantationen [19].

Überempfindlichkeitsreaktionen im Sinne von KCS

Augentropfen können durch allergische, toxische oder immunologisch-inflammatorische Mechanismen sowie durch chemische Interaktion mit dem Tränenfilm zu einer Schädigung der Augenoberfläche, der Meibom-Drüsen und der Augenlider führen. Es kann einerseits zur Schädigung der Lipidkomponente des Tränenfilms, jedoch auch zur Reduktion der Tränensekretion und zum Verlust von konjunktivalen Becherzellen kommen, es können aber auch konjunktivales und korneales Epithel sowie die kornealen Nerven direkt geschädigt werden. Klinisch ist es schwierig, iatrogene Effekte eindeutig zuzuordnen und von einer „einfachen“ KCS-Progression zu unterscheiden. Mittlerweile ist jedoch bekannt, dass gewisse topisch applizierte Substanzgruppen, wie z. B. Antiglaukomatosa, Lokalanästhetika, nicht-steroidale Antirheumatika, Miotika, Mydriatika, Dekongestiva (= Arzneimittel mit abschwellender Wirkung zur Therapie allergischer Erkrankungen, z. B. Sympathomimetika) und auch Antiallergika (Emedastin, Olopatadin) zur Ausbildung und auch Aggravation einer KCS beitragen können. Eine weitere wichtige Rolle in der iatrogenen Augenoberflächenschädigung durch Lokaltherapeutika spielen neben diesen Wirkstoffen auch Konservierungsmittel in Augentropfen, an erster Stelle Benzalkoniumchlorid (BAK). BAK ist bekannt für seine zytotoxische Wirkung auf unterschiedlichste okuläre Strukturen. Es ist jedoch auch eine bei Dermatolog*innen und Allergolog*innen bekannte Substanz, welche jedoch selten das auslösende hauptverantwortliche Allergen für die Entwicklung einer Kontaktdermatitis darstellt. An der Augenoberfläche führt BAK zu einer Reduktion der konjunktivalen Becherzellen mit konsekutiver mangelnder Muzinsekretion, zu einer Schädigung der Lipidphase des Tränenfilms, zu einer erhöhten Tränenfilmosmolarität, zum Lösen von Tight Junctions des kornealen Epithels und damit zu einer stärkeren Penetration, zu einer Schädigung des subbasalen kornealen Nervenplexus und zu einer verstärkten Aktivität von proinflammatorischen Zytokinen an der Augenoberfläche [20]. Auch höher konzentrierte Phosphat-Puffer in Augentropfen können zu zytotoxischen Effekten an limbalen Stammzellen und konjunktivalen Epithelzellen führen [21].

KCS als Nebenwirkung von systemischen anti-allergischen Medikamenten

Interessanterweise sind systemische und inhalative Kortikosteroide sowie Antihistaminika, welche zur Therapie von Erkrankungen aus dem allergischen Formenkreis verwendet werden, bekannt dafür, zur Entwicklung einer KCS beitragen zu können [20]. Für Ophthalmolog*innen relevant sind auch die Nebenwirkungen an der Augenoberfläche, welche bei bis zu 40 % der Patient*innen mit atopischer Dermatitis auftreten, welche mit Dupilumab (IL-4Rα-Antikörper), einem in Europa seit 2017 zur Therapie der moderaten bis schweren AD im Erwachsenenalter, seit 2019 auch zur Therapie der moderaten bis schweren AD ab dem 11. Lebensjahr sowie nun seit 2020 auch zur Therapie der schweren AD ab dem 6. Lebensjahr zugelassenen Präparat, behandelt werden. Zumeist äußern sich diese Nebenwirkungen als mitunter ausgeprägte Konjunktivitiden und Blepharitiden mit Tränenfilminstabilität, es wurde in der Literatur jedoch auch bereits über Fälle von ausgeprägten Keratitiden und vernarbenden Lidfehlstellungen unter Dupilumab-Therapie berichtet [22]. In Kooperation mit der Dermatologie wurde eine Leitlinie zum therapeutischen Vorgehen bei Dupilumab-induzierten Konjunktivitiden und Blepharitiden erstellt. In erster Linie sollte mit konservierungsmittelfreier Benetzungstherapie sowie Lidranderwärmung und -massage therapiert werden, sollte dies nicht ausreichen, sind Oberflächen-wirksame Kortikosteroide indiziert, sollte dies noch immer zu keinem Therapieerfolg führen, sollten Calcineurin-Inhibitoren (Ciclosporin A, Tacrolimus) eingeleitet werden [22].