Irisdefekte können neben einer kosmetischen Beeinträchtigung auch eine vermehrte Blendung und reduzierte Sehschärfe hervorrufen [1]. Zu den konservativen Therapieoptionen zählen das Tragen einer Sonnenbrille oder von bedruckten Iriskontaktlinsen. Während eine Sonnenbrille nur eine vorübergehende Linderung der Blendung bewirken kann, können Irisprintkontaktlinsen ein gutes ästhetisches Ergebnis erreichen und die Blendung effektiv reduzieren [2]. Ein sichtbarer Seitenunterschied zwischen dem gesunden Auge und dem mit der Irisprintkontaktlinse versorgten Auge kann jedoch zur Unzufriedenheit durch den auffälligen ästhetischen Eindruck führen. Zudem sind die richtige Handhabung der Kontaktlinsen und ihre Pflege für manche Patienten schwierig. Das Tragen von Kontaktlinsen birgt auch ein Infektionsrisiko, und die Toleranz von Kontaktlinsen kann bei irregulärer Hornhaut oder trockenem Auge reduziert sein. Die Kontaktlinsen müssen zudem regelmäßig ersetzt werden und generieren so fortlaufend Kosten. Der Wunsch nach einer einmaligen, dauerhaften Lösung durch die chirurgische Korrektur des Irisdefektes ist daher nachvollziehbar.

Falldarstellung

Anamnese

Ein 84-jähriger Patient stellte sich in unserer Sprechstunde mit einem traumatischen Irisdefekt vor, den er sich bei einem Fahrradunfall 4 Monate zuvor zugezogen hatte.

Bei der Erstvorstellung nach dem Unfall zeigte sich eine gedeckte Bulbusruptur mit Ruptur der Sklera von 10 bis 2 Uhr sowie Iris- und Glaskörperprolaps und traumatischem Linsenverlust sowie traumatischem Irisdefekt. Die Verletzung wurde notfallmäßig mittels Vorderkammerspülung, Vitrektomie und Skleranaht versorgt. Zudem wurde ein Netzhautforamen bei 12 Uhr mittel Kryopexie und C3F8-Luft-Gas-Gemisch behandelt. Das Auge wurde im Rahmen der Primärversorgung zunächst aphak belassen. Extern erfolgte dann eine sekundäre Linsenimplantation, nach der sich der Patient erneut in unserer Sprechstunde vorstellte. Der Patient beklagte zu diesem Zeitpunkt eine starke Blendempfindlichkeit und Visusminderung am betroffenen rechten Auge.

Befund

Der bestkorrigierte Visus am betroffenen rechten Auge lag bei 1,4 logMAR mit einer Refraktion von −0,75/plan/-, am linken Auge zeigte sich ein bestkorrigierter Visus von 0,10 logMAR. In der Spaltlampenuntersuchung zeigte sich am rechten Auge ein ausgeprägter Irisdefekt mit Restirisgewebe im Bereich von 4 bis 8 Uhr bei klarer Hornhaut und Pseudophakie. Die Abb. 1a, b zeigt den präoperativen Befund mit Irisdefekt am rechten Auge. Der Fundus war unauffällig. Am linken Auge zeigte sich eine reizfreie Pseudophakie bei fundoskopischem Normalbefund. Der intraokulare Druck am rechten Auge lag mit 19 mm Hg im Normbereich.

Abb. 1
figure 1

a Übersichtsaufnahme des präoperativen Befundes. b Nahaufnahme des präoperativen Befundes. Die Intraokularlinse sowie der ausgeprägte Irisdefekt am rechten Auge sind deutlich zu erkennen. c Übersichtsfoto des postoperativen Befundes. d Nahaufnahme des postoperativen Befundes am rechten Auge. Die AI ist gut zentriert und kaum vom natürlichen Irisgewebe abgrenzbar

Der Patient wurde gebeten, die subjektive Blendung sowie die ästhetische Beeinträchtigung auf einer Skala von 1 bis 10 zu bewerten, wobei 1 jeweils für „keine Beeinträchtigung“ und 10 für „starke Beeinträchtigung“ steht. Der Patient gab für die Beeinträchtigung durch Blendung den Wert 9 und für die ästhetische Beeinträchtigung den Wert 3 an.

Die Kontrastempfindlichkeit wurde mit einer Pelli-Robson-Tafel gemessen. Am rechten Auge erreichte der Patient einen Wert von 0,15 logarithmischen Einheiten.

Therapie und Verlauf

Um das subjektive Blendungsempfinden zu reduzieren, schlugen wir dem Patienten die Implantation einer künstlichen Iris (CUSTOMFLEX ArtificialIris, AI, HumanOptics AG, Erlangen, Germany) am rechten Auge vor. Nach ausführlicher Beratung und Aufklärung über konservative und alternative Therapieoptionen und mögliche Komplikationen sowie entsprechender Bedenkzeit entschied sich der Patient für den Eingriff.

Präoperativ wurde eine optische Biometrie mit dem IOL Master 500 (Carl Zeiss, Jena, Deutschland) durchgeführt. Die erforderliche Intraokularlinse wurde mithilfe der Haigis-Formel ohne Korrekturfaktor berechnet, wobei eine emmetrope Zielrefraktion angestrebt wurde. Wir konnten in einer anderen Arbeit zeigen, dass bei dem gewählten operativen Vorgehen kein Korrekturfaktor erforderlich ist und die Standardformeln zur IOL-Berechnung angewendet werden können [3].

Die Operation wurde in Allgemeinanästhesie durchgeführt. Die Abb. 2 zeigt die einzelnen Schritte des Eingriffs. Bei nicht ausreichender Stabilität der bestehenden sklerafixierten IOL und drohender (Sub‑)Luxation der AI vor der IOL wurde diese explantiert (Abb. 2a) und durch eine neue, nahtfixierte IOL in der 3‑und 9‑Uhr-Position ersetzt (Abb. 2b–d). Es wurde eine zuvor individuell angefertigte AI mit eingearbeitetem Meshgewebe ausgesucht, die auf einen Durchmesser von 11,5 mm zugestanzt wurde. Anschließend wurde sie (Abb. 2e, f) anterior im Sulcus ciliaris bei 6 und 12 Uhr nahtfixiert implantiert (Abb. 2g, h). Diese Art der Fixierung wurde gewählt, um einer axialen Verkippung der Implantate vorzubeugen [1]. Sowohl zur Fixierung der IOL als auch der AI wurden jeweils 2 Sklerataschen präpariert, und zum Einbringen der Implantate in das Auge wurde ein sklerokornealer Tunnel angelegt. Die Ankerfäden für die IOL und AI wurden mit doppeltarmierten 10-0 Prolene-Fäden bei 3 und 9 h bzw. 6 und 12 h vorgelegt. Die Implantate wurden dann über den sklerokornealen Tunnel implantiert, und die Prolene-Fäden mit den Schlittennadeln angezogen und in den Sklerataschen verknotet. Der sklerokorneale Tunnel wurde mit drei 10-0 Nylon-Kreuzstichnähten verschlossen.

Abb. 2
figure 2

a Fassen der subluxierten IOL und Explantation durch einen sklerokornealen Tunnel unter Vitrektomiebereitschaft. b Präparation der Skleradeckel (Sterne) und Vorlegung der quer durch den Sulcus ciliaris führenden Fixationsnaht (Pfeil). Der Faden wird mit einem Häkchen herausgeholt, durchtrennt, und die Enden werden an den jeweiligen IOL-Haptiken angenäht. c Implantation der sulcusfixierten und starren PMMA-Intraokularlinse. d Ausrichtung und Verknoten der IOL-Nähte unter den Skleradeckeln in der 3‑ und 9‑Uhr-Position. e Entnahme aus der Verpackung und Vorbereitung des flexiblen Silikonimplantates. Die ArtificialIris wird extraokular auf die richtige Größe mit einem Einmaltrepan auf den Sulcusdurchmesser zurechtgestanzt. f Vorderseite der Artificial-Iris vor der Implantation. Die hier nicht sichtbare Rückseite ist schwarz und glatt. g Das gefaltete Irisimplantat wird über den sklerokornealen Tunnel implantiert und h ebenfalls mit 2 Nähten – diesmal aber in der 6‑Uhr- und 12-Uhr-Position, um ein Verkippen auf der IOL zu verhindern – im Sulcus fixiert. h Endergebnis mit zentrierter IOL und vernähtem sklerokornealem Tunnel und Skleradeckeln vor Verschluss der Bindehaut

Die Abb. 1c, d zeigt das postoperative Ergebnis. Die AI ist gut zentriert, der Übergang zwischen dem Implantat und dem natürlichen Irisgewebe ist auch in der Nahaufnahme (Abb. 1d) kaum zu erkennen. Drei Monate postoperativ konnten wir einen bestkorrigierten Visus von 0,30 logMAR mit einer Refraktion von +2,75/−3,25/90° feststellen. Der intraokulare Druck lag mit 18 mm Hg weiterhin im Normbereich.

Der Patient bewertete die subjektive Blendung jetzt mit 4 und die ästhetische Beeinträchtigung mit 1 jeweils auf einer Skala von 1 bis 10. Der Patient wurde auch gebeten, das Gesamtergebnis auf einer Skala von 1 bis 10 zu bewerten, wobei 1 für geringe und 10 für maximale Zufriedenheit steht. Hier gab der Patient einen Wert von 9 an.

Die Kontrastempfindlichkeit, gemessen mit einer Pelli-Robson-Tafel, stieg auf 1,05 logarithmische Einheiten an.

Diskussion

Wir konnten bei unserem Patienten ein sehr gutes ästhetisches Ergebnis sowie eine effektive Reduktion der Blendung erreichen. Der bestkorrigierte Visus stieg deutlich an, und der Patient war sehr zufrieden mit dem Ergebnis.

In diesem Fall wurden die Intraokularlinse und ArtificialIris jeweils einzeln nahtfixiert implantiert. Alternativ kann die IOL auch auf die AI aufgenäht und beide Implantate können kombiniert eingenäht werden [1, 4, 5]. An der optischen Bank konnte gezeigt werden, dass auch das Zusammennähen beider Implantate die optische Qualität nur unwesentlich beeinflusst [6]. Die Implantation kann – je nach Ausgangssituation – auch in den Kapselsack oder Sulcus ciliaris ohne Nahtfixierung erfolgen [1]. So kann die chirurgische Vorgehensweise individuell angepasst werden. Weder bei der kapselsackfixierten noch bei der nahtfixierten Implantation einer Intraokularlinse zusammen mit der AI muss von den Standardformeln zur IOL-Berechnung abgewichen werden, es ist kein Korrekturfaktor erforderlich [3].

Da die CUSTOMFLEX-AI individuell anhand eines Fotos von Hand bemalt wird, um sie dem restlichen Irisgewebe bzw. dem Partnerauge möglichst genau anzupassen, können damit, wie auch in diesem Fall, sehr gute ästhetische Ergebnisse erzielt werden [1, 7,8,9,10,11,12]. Zur Anfertigung des Implantates muss im Vorfeld ein farbtreues Foto angefertigt werden, nach dessen Vorlage die AI angefertigt wird. Aufgrund der Individualisierung des Implantates dauert die Herstellung mehrere Wochen.

Die AI kann durch die Verkleinerung der Pupille Blendung effektiv reduzieren und das Kontrastsehen signifikant verbessern [9, 11, 13]. Auch eine beidseitige Implantation bei Patienten mit bilateralen Irisdefekten ist möglich, in diesen Fällen können ebenfalls gute funktionelle und ästhetische Ergebnisse erzielt werden [14].

Ein Visusanstieg ist nicht das primäre Ziel einer AI-Implantation und kann abhängig davon, welche Begleitverletzungen vorliegen, nicht in allen Fällen erwartet werden. Trotzdem wurde über eine Verbesserung des Visus nach der Implantation schon mehrfach berichtet und kann oftmals auch durch eine im gleichen Eingriff durchgeführte sekundäre IOL-Implantation oder chirurgische Therapie einer (traumatischen) Katarakt erklärt werden [1, 10, 14, 15]. Im hier beschriebenen Fall lag präoperativ weder eine Aphakie noch eine traumatische Katarakt vor, sodass der Visusanstieg trotz eines vermutlich operativ induzierten Astigmatismus am ehesten durch die Reduktion der Blendung zu erklären ist.

Neben den Chancen, mit denen eine AI-Implantation verbunden ist, sollten auch mögliche Risiken vor dem Eingriff mit dem Patienten diskutiert werden. Zu den beschriebenen Komplikationen nach AI-Implantation zählen u. a. die Dislokation des Implantates, Entwicklung oder Dekompensation eines Glaukoms, eine Hornhautdekompensation und das Auftreten eines Makulaödems [10, 16]. Das Risiko für verschiedene Komplikationen hängt von der Ausgangssituation bzw. den Komorbiditäten des jeweiligen Auges ab. So ist bei bereits präoperativ reduzierter Endothelzellzahl das Risiko einer Hornhautdekompensation erhöht und bei Glaukompatienten ein postoperativer Augendruckanstieg häufiger zu erwarten. Eine weitere Komplikation in Zusammenhang mit der AI-Implantation ist das sog. „residual iris retraction syndrome“ (RITS) [17]. Aus bislang ungeklärter Ursache vergrößert sich beim RITS die natürliche Pupillenöffnung des verbliebenen natürlichen Irisgewebes Monate bis Jahre nach der Implantation zunehmend. Die Veränderung kann zu einem Winkelblock- oder Pigmentdispersionsglaukom führen und wurde insbesondere bei Patienten mit sulcusfixierter AI, nicht jedoch nach kapselsackfixierter oder nahtfixierter Implantationstechnik beschrieben [17]. Auch eine Änderung der Farbe des verbliebenen natürlichen Irisgewebes wurde in einigen Fällen beobachtet. Das kosmetische Ergebnis kann dadurch negativ beeinflusst werden [13].

Das Ophtec Iris-Implantat (Ophtec GmbH, Groningen, Niederlande) ist eine mögliche Alternative zum hier verwendeten Implantat [18]. Es steht in über 120 Farbvariationen zur Auswahl und ist mit oder ohne Optik verfügbar. Das Implantat kann ebenfalls in den Kapselsack implantiert oder in den Sulcus eingenäht werden.

Eine weitere Option zur Korrektur der Aniridie sind die Aniridieimplantate der Firma Morcher (Stuttgart, Deutschland), z. B. das Implantat Typ 68 mit integrierter Optik. Dieses Implantat ist nicht faltbar und nur in schwarzer Farbe erhältlich.

Wir verwendeten die CUSTOMFLEX AI der Firma HumanOptics, da das Implantat individuell für den jeweiligen Patienten angefertigt wird und mit einer Vielzahl an Intraokularlinsen kombinierbar ist. Somit ermöglicht es eine speziell auf den Patienten zugeschnittene Therapie.

Wir beobachteten ein sehr gutes ästhetisches Ergebnis sowie eine deutliche Verbesserung der Funktion am rechten Auge. Dieser Fall demonstriert, wie die Implantation der AI nicht nur zu einer Verbesserung des ästhetischen Eindrucks, sondern auch zur Korrektur der Blendempfindlichkeit mit einem deutlichen Anstieg der Sehschärfe und der Kontrastsensitivität führen kann.