Einleitung und Hintergrund

Der Lang-Stereotest (Lang Stereotest AG, Küsnacht, Schweiz) ist ein sehr beliebtes und häufig eingesetztes Screening-Tool. Bei nahezu jedem Kind wird dieser Test standardgemäß bei den Vorsorgeaugenuntersuchungen durchgeführt. Durch die Kombination aus Random-Dot-Muster und Zylinderrasterverfahren kann jedem Auge getrennt ein gering unterschiedliches Bild im Zufallspunktemuster angeboten werden. Dies gelingt durch feine, parallel angeordnete Halbzylinder. Teilmengen dieser Punkte bilden Figuren, die durch die binokulare Verarbeitung im Gehirn als Tiefeneindruck wahrgenommen werden [1].

Lang [1] betont, der Lang-Stereotest müsse frontoparallel vor die Augen des Prüflings gehalten werden, es dürfe nicht gewackelt werden, und Spiegelungen sollten vermieden werden. Alternativ können auch 2 Lang-Stereotests im Preferential-Looking-Verfahren angeboten werden, wobei der zweite Lang-Test um 90° verdreht dargeboten wird [1]. Durch das neu zur Verfügung stehende Lang-Stereopad® (Lang Stereotest AG, Küsnacht, Schweiz) mit den quadratischen Kärtchen, die variabel auf dem roten Prüfgrund angeordnet werden können, ist es nun möglich, das Preferential-Looking-Verfahren besser auszunutzen und das Merken der Positionen der Figuren zu verhindern. Die feinen Abstufungen erlauben mit dem Stereopad auch eine qualitative Einschätzung der Stereokompetenz [2].

Besonders bei sehr kleinen Kindern kann mithilfe des Lang-Stereotests häufiger die Stereopsis beurteilt werden als beispielsweise mit dem Frisby- oder TNO-Test (Laméris Ootech B.V., Niewegein, Niederlande) [3]. Bereits im 1. Lebensjahr liegt die Durchführbarkeit des Lang-Stereotests bei 50–92 % [3,4,5]. Die hohe Akzeptanz bei kleinen Kindern liegt wohl daran, dass keine Brille notwendig ist und der Test einfach und spielerisch umgesetzt werden kann [3].

Die Sensitivität für Schielen und/oder Sehschwäche liegt beim Lang I bei 46–83 % [6]. Ancona et al. [4] geben für den Lang I sogar eine Sensitivität von 89,8 % an, während der Lang II mit 32–57 % Sensitivität deutlich schlechter abschneidet [7, 8].

Bei nicht sachgemäßer Durchführung, wie Schmidt und Kulp [9] betonen, wird die Sensitivität des Lang-Stereotests deutlich reduziert, insbesondere wenn das reine Angeben der Figurpositionen als „positiv“ gewertet wird.

Doch wie damit umgehen, wenn einzelne Figuren falsch benannt werden? Wann darf das Ergebnis als gesichert positiv gewertet werden? Die häufigsten falsch benannten Figuren stellen die Katze (oftmals als Hund bezeichnet) bzw. das Auto (häufig als Fisch benannt) dar [10]. Ob das bereits als „falsche Bezeichnung“ interpretiert werden soll oder aber der Sprachbegabung bzw. Objekterkennung zuzuordnen ist, ist umstritten.

Das Ausmaß der Querdisparation (der Schwierigkeitsgrad) scheint aber nicht Ursache für die falsche Benennung bestimmter Figuren zu sein. Denn die Katze beim Lang I wäre das Objekt mit der größten Querdisparation (1200″) bzw. der geringsten Qualitätsanforderung an das Stereosehen.

Generell scheint der Schwierigkeitsgrad der unterschiedlichen Ausführungen des Lang-Stereotests nicht eindeutig bzw. ausschließlich auf dessen Querdisparitäten rückführbar zu sein. Entsprechend den Querdisparitäten müsste der Lang II schwerer zu erkennen sein als der Lang I (vgl. Tab. 1). Lang [6] nennt als möglichen Grund für die unterschiedliche Erkennbarkeit der Figuren des Lang I und Lang II, dass die Zufallspunkte beim Lang II kleiner und weniger dicht angeordnet sind als beim Lang I.

Tab. 1 Querdisparitäten der Figuren des Lang I, Lang II und Lang-Stereopad in Bogensekunden (″) [1, 2]

Das Lang-Stereopad bietet eine deutlich größere Spannbreite an Querdisparitäten (50–800″). Dennoch zeigt eine erste Untersuchung an gesunden Erwachsenen, dass die Ergebnisse des Lang-Stereopads mit jenen des Lang II vergleichbar sind [2]. Inwiefern die Ergebnisse beim Lang-Stereopad mit jenen des Lang I vergleichbar sind, wurde nicht untersucht. Außerdem liegt nach unserem Kenntnisstand bislang noch keine Studie vor, in der die Ergebnisse des Lang-Stereopads an Kindern bzw. an PatientInnen mit Strabismus und/oder Amblyopie untersucht wurden.

Es ist jedoch zu betonen, dass der Lang-Stereotest die Qualität der Stereopsis nicht erfasst, sondern lediglich auf das Vorhandensein von Stereopsis prüft [1]. Insbesondere für den Ausschluss eines (Mikro‑)Strabismus und/oder einer Amblyopie scheint es relevant, die Erkenntnislage bezüglich der Grenzen und Möglichkeiten des Lang-Stereotests etwas exakter zu beleuchten.

Material und Methode

Die Literaturrecherche war auf Ergebnisse von Studien zur Messgenauigkeit und Durchführbarkeit des Lang-Stereotests bei Augengesunden, manifestem Schielern und Amblyopen fokussiert. Es finden sich großteils Studien mit kleinen Versuchsgruppen und teilweise nicht exakt dargestellten Samplebeschreibungen. Die beschriebenen Unterschiede der Ergebnisse könnten daher u. a. durch den Ein- oder Ausschluss unterschiedlicher klinischer Bilder entstanden sein.

Resultate

Generell wird davon ausgegangen, dass bei Augengesunden ab dem Schulalter der Lang-Stereotest positiv angegeben wird. Dennoch fanden Macfarlane et al. [11], dass bei knapp 13 % der Schulkinder trotz unauffälligen orthoptischen und ophthalmologischen Befundes eine reduzierte Stereopsis (Lang I) vorliegt.

Ergebnisse des Lang-Stereotests bei Strabismus

Das Ziel von Screeninguntersuchungen ist naturgemäß die Frühkennung bzw. Prävention. Früherkennung von Schielen und/oder Amblyopie zur frühestmöglichen Therapieanbahnung ist entscheidend, aber besonders bei Kleinkindern und/oder bei kleinwinkeligen Schielformen (Mikrostrabismen) bisweilen herausfordernd. Neben dem Covertest wird dafür immer wieder salopp die reine Beurteilung der Stereofunktionen empfohlen [12]. Entsprechend der Originalbeschreibung von Lang [1] darf das Testergebnis nur dann als Beleg für vorhandenes Stereosehen gewertet werden, wenn die Figuren gezeigt und benannt werden können. Bei größeren Schielwinkeln ist dies nach der Originalbeschreibung faktisch ausschließbar.

Die Erfahrung zeigt, dass bei Mikrostrabismus oftmals die Positionen der Figuren auf dem Lang-Stereotest lokalisiert werden, diese aber nicht (korrekt) benannt werden können; nur sehr selten werden bei Mikrostrabismen auch einzelne Objekte korrekt erkannt.

Houston et al. [13] konnten bei 16 der 30 untersuchten Personen mit Mikrostrabismus Stereofunktionen <100 Bogensekunden nachweisen. Mittels Lang I und II lässt sich eine solche Qualitätsbeurteilung der Stereokompetenz nicht durchführen (vgl. Tab. 1 Querdisparitäten; [1]). Zwischen 13 und 27 % der Kinder mit Mikrostrabismus gaben die Lang-Stereotests positiv an [14, 15], wobei unklar ist, ob die untersuchten Kinder die Objekte lediglich zeigen oder auch korrekt benennen mussten. Lang [6] beschreibt selbst einen Fall eines Kleinkindes mit positivem Lang I, bei dem im Alter von 4 Jahren dennoch ein Mikrostrabismus diagnostiziert wurde.

Auch bei anderen Schielformen konnten zwischen ~22 und 36 % der untersuchten Schielkinder ein positives Ergebnis beim Lang I erreichen [11, 16]. Ähnliche Ergebnisse fanden sich auch für den Lang II, bei dem 21 % der Kinder mit Exotropie ein positives Ergebnis erlangten [10].

Die Ergebnisse der Studien zeigen, wie variabel die Angaben zum Stereosehen innerhalb eines klinischen Bildes sein können. Besonders bei Mikrostrabismus wurde aber in einigen Studien belegt, dass der Lang-Stereotest den Mikrostrabismus nicht sicher ausschließen kann [6, 13,14,15]. Lediglich Ohlsson et al. [10] konnten bei keinem Kind mit Mikrostrabismus ein positives Ergebnis beim Lang II dokumentieren.

Ergebnisse des Lang-Stereotests bei Amblyopie ex Anisometropie

Auch bei Amblyopie ex Anisometropie kann laut Testmanual ein positives Ergebnis sowohl beim Lang I als auch beim Lang II erreicht werden. Ohlsson et al. [10] konnten in ihrer Studie sehr deutlich zeigen, dass der Lang II nicht für den Ausschluss einer Amblyopie ex Anisometropie geeignet ist. 75 % der Kinder mit Amblyopie ex Anisometropie erreichten beim Lang II ein positives Ergebnis. Von jenen Kindern, die ein positives Ergebnis erzielten, hatten 75 % eine Visusdifferenz von mindestens 3 Zeilen.

In Studien über die Ergebnisse beim Lang I werden zum Teil sehr unterschiedliche Werte angegeben. So berichten Manny et al. [16] von lediglich 20 %, die trotz Amblyopie ex Anisometropie den Lang I positiv erkennen konnten, während bei Johnstone und Brown [14] 70 % der Kinder mit Amblyopie ex Anisometropie ein positives Ergebnis beim Lang I erreichten. Johnstone und Brown [14] sprechen bei ihren eingeschlossenen PatientInnen von moderater Amblyopie. Dies würde erklären, warum viele Kinder den Lang I positiv erkennen konnten.

Schlussfolgerung

Der Lang-Stereotest hat im Säuglings- und Kleinkindesalter unbestreitbare Vorteile [15]. Bereits bei Kleinkindern kann dieser Test bei 50–92 % durchgeführt werden. Wie bereits im Testmanual hervorgehoben wird, ist es wesentlich zu beachten, dass das alleinige Hinzeigen auf die Figuren nicht ausreicht, um den Lang-Stereotest als positiv werten zu können. Die Ergebnisse einiger Studien belegen klar Erfahrungen aus dem klinischen Alltag: PatientInnen mit (Mikro‑)Strabismus und/oder Amblyopie können in variabler Häufigkeit sowohl beim Lang I als auch beim Lang II positive Stereofunktionen angeben. Offen bleibt, ob die TeilnehmerInnen in diesen Studien die Figuren lediglich lokalisieren oder auch positiv benennen mussten, um „positives Stereosehen“ zu konstatieren.

Die AutorInnen der beschriebenen Studien sind sich einig, dass sich der Lang-Stereotest als zusätzliches, nicht aber als alleiniges Screening-Tool zum Ausschluss eines (Mikro‑)Strabismus und/oder einer Amblyopie eignet. Es wird empfohlen, immer auch die Augenstellung, den Visus, die Refraktion (Skiaskopie in Zykloplegie) und den Organbefund zu beurteilen [9]. Für den klinischen Alltag ist darüber hinaus hervorzuheben, dass Kontrollen in angemessenen Intervallen durchgeführt werden sollen, um sobald wie möglich einen aussagekräftigen Visus (Reihenvisus) erheben und eine Amblyopie ausschließen zu können. Erst die Zusammenschau dieser Befunde erlaubt den gesicherten Ausschluss eines Mikrostrabismus und/oder einer Amblyopie, v. a. bei kleinen PatientInnen mit reduzierter Mitarbeit.