Die pädiatrische Mangelversorgung vor allem in ländlichen Gebieten spitzt sich immer mehr zu, denn 12 % (34/288) der Kassenarztstellen für Kinder- und Jugendheilkunde sind derzeit österreichweit unbesetzt. Ziel dieser Studie war die Evaluierung verschiedener Faktoren, die hinsichtlich Arbeitsbelastung und Arbeitszufriedenheit eine Rolle spielen.

Hintergrund

Österreich steht – wie auch andere europäische Länder – vor dem Problem, die pädiatrische Grundversorgung aufrechtzuerhalten [1]. Die pädiatrische Mangelversorgung spitzt sich vor allem in ländlichen Gebieten immer mehr zu, denn 34 von 288 Kassenarztstellen für Kinder- und Jugendheilkunde (12 %) sind derzeit österreichweit unbesetzt. Die Gründe hierfür sind vielfältig, weshalb die Arbeitsbelastung und Arbeitszufriedenheit kritisch hinterfragt werden muss.

Stress am Arbeitsplatz und übermäßige Arbeitsbelastung sind seit Jahrzehnten die wichtigsten arbeitsmedizinischen Herausforderungen. Angehörige von Gesundheitsberufen sind im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung vermehrt Stress ausgesetzt [2]. Das Gefühl von Stress tritt typischerweise auf, wenn die Arbeitsbedingungen im Vergleich zu den persönlichen Ressourcen als zu herausfordernd empfunden werden [3]. Negative Arbeitsbelastung und Stress können in weiterer Folge zu körperlichen, psychosomatischen bzw. psychischen Problemen wie Burnout führen [4, 5].

Das Arbeitsumfeld von Ärzt:innen ist sehr dynamisch, weshalb regelmäßige Fortbildungen essenziell sind [6]. Die Arbeitszeiten sind lang, die Belastung und der Druck immer die beste Behandlung für Patient:innen zu bieten ist hoch. Studien bestätigen die relativ hohe Unzufriedenheit bei Pädiaterinnen und Pädiatern sowie die hohe Rate an Burnout, die wiederum zu schwerwiegenden Behandlungsfehlern führen kann [6,7,8,9,10]. Persönliche Zufriedenheit ist eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Ausübung des medizinischen Berufs. Daher hat in den letzten Jahren eine angemessene Vereinbarkeit von Beruf und Familie zunehmend an Bedeutung gewonnen [11].

Ziel dieser Studie ist es, die Arbeitsbelastung von Pädiaterinnen und Pädiatern in Österreich im Hinblick auf mögliche Unterschiede zwischen Kassenpraxis, Privatpraxis und Spital zu analysieren.

Methoden

Im Februar 2020 erfolgte unter den Mitgliedern der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) mittels Survey Monkey® (SurveyMonkey Inc., San Mateo, CA, USA) eine aus 16 Fragen bestehende Online-Umfrage. Die Einladung zur Online-Umfrage wurde per E‑Mail an ca. 1700 Mitglieder versandt.

Die Umfrage beinhaltete drei persönliche Fragen (Alter, Geschlecht und Arbeitsplatz), zwei Fragen bezogen auf die Arbeitsbelastung (mittlere Wochenarbeitszeit und mittlere Patient:innenenanzahl pro Tag), eine Frage über die Zusammenarbeit zwischen Spital und Niederlassung und 10 Fragen zur Arbeitszufriedenheit.

Fragen über die Arbeitszufriedenheit wurden auf einer Skala von 0 (überhaupt nicht zufrieden) bis 10 (sehr zufrieden) beantwortet und umfassten die allgemeine Arbeitszufriedenheit und mehrere Aspekte, die potenziell zur Arbeitszufriedenheit beitragen: Zufriedenheit mit persönlicher Work-Life-Balance, Zeit für die Patient:innenversorgung, Anteil an administrativer Arbeit und nichtärztlicher Tätigkeit, Einkommen und wirtschaftlicher Druck, Fort- und Weiterbildung, Einzelkämpfertum und die Möglichkeit des Erfahrungs- und Meinungsaustausches mit Kolleginnen und Kollegen.

Insgesamt nahmen 375 Pädiaterinnen und Pädiater (22 % Rücklaufquote) an der Survey teil. Um verlässlich Unterschiede zwischen den Arbeitsplätzen (Spital, Kassenpraxis, Privatpraxis) zu analysieren, wurden Personen, die an mehr als einem Arbeitsplatz (z. B. Privat- und Kassenpraxis) oder an anderen Arbeitsplätzen (Schulärzt:innen, Krankenhausmanagement, Elternkarenz) tätig sind von den Arbeitsplatzanalysen ausgeschlossen (n = 22).

Zum Vergleich von Häufigkeitsverteilungen zwischen zwei kategoriellen Variablen wurde der Chi-Quadrat-Test verwendet. Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen wurden mittels Student’s T‑Test oder Varianzanalyse geprüft. Um lineare Korrelationen zwischen zwei Variablen zu beurteilen, wurde der Spearman’s Korrelationskoeffizient angewendet. Statistische Analysen sowie die Grafiken wurden mittels IBM SPSS Statistics Version 26 durchgeführt. Ein p-Wert von < 0,05 wurde als statistisch signifikant beurteilt.

Ergebnisse

Insgesamt nahmen 375 Personen teil, davon 61 % Frauen und 39 % Männer. 61 % arbeiteten im Spital, 21 % in der Kassenpraxis und 12 % in der Privatpraxis (Tab. 1).

Tab. 1 Beschreibung der 375 Teilnehmenden

Eine detaillierte Analyse der Arbeitszufriedenheit in Bezug auf Geschlecht und Alter wurde an anderer Stelle veröffentlicht [12].

In der Kassenpraxis wurde über eine signifikant höhere durchschnittliche Patient:innenzahl pro Tag berichtet als in der Privatpraxis (> 51 vs. < 30; p < 0,01), während im Spital eine signifikant höhere durchschnittliche Wochenarbeitszeit (> 40 h) als in der Kassenpraxis (< 40 h) und Privatpraxis (< 40 h) angegeben wurde (p = 0,00). Die Arbeitsbelastung in den einzelnen Arbeitsbereichen ist im Detail in Tab. 2 beschrieben.

Tab. 2 Arbeitsbelastung im Vergleich zwischen Spital, Kassen- und Privatpraxis

Die mittlere Arbeitszufriedenheit ist in einer Kassenpraxis (5,8 ± 0,3) und im Spital (5,6 ± 0,2) signifikant niedriger als in einer Privatpraxis (7,7 ± 0,3, p < 0,000). Auch in anderen Teilaspekten wie der Zeit für Patient:innen oder der Work-Life-Balance ist die Zufriedenheit in der Privatpraxis am größten. Besonders unzufrieden sind Ärzt:innen im Spital und in der Kassenpraxis mit dem Administrationsaufwand und dem Anteil nichtärztlicher Tätigkeit (Tab. 3).

Tab. 3 Arbeitszufriedenheit auf einer Skala von 0–10 im Vergleich zwischen Spital, Kassen- und Privatpraxis

Die Zufriedenheit zum Erfahrungs- und Meinungsaustausch ist in allen Bereichen, besonders in der Kassenpraxis verbesserungswürdig. 90 % aller Befragten sprachen sich ausdrücklich für eine engere Zusammenarbeit zwischen niedergelassener Pädiatrie und Spitalspädiatrie aus.

Diskussion

Diese Studie zeigt, dass die relativ höhere Arbeitsbelastung im Spital und in der Kassenpraxis mit einer Einschränkung der Arbeitszufriedenheit einhergeht.

In der Privatpraxis hingegen ist die Arbeitsbelastung am geringsten und auch die Arbeitszufriedenheit am größten.

Zusätzliche Faktoren wie die regionale Zuordnung (urbaner oder ländlicher Raum) sowie die familiäre Situation wurden in dieser Umfrage nicht erhoben und konnten daher nicht berücksichtigt werden. Als einschränkend ist neben der Rücklaufquote von 22 %, auch wenn diese im durchschnittlichen Rahmen von Online-Umfragen liegt, auch die fehlende Verwendung eines etablierten Fragebogens zu sehen.

Wie auch in anderen europäischen Ländern drängt die pädiatrische Mangelversorgung dringend auf die Etablierung neuer Arbeitsmodelle, um die pädiatrische Primärversorgung aufrechterhalten zu können [13, 14].

Dafür müssen auch die Wünsche der jungen Generation berücksichtigt werden [15].

Eine Reduktion des Arbeitsausmaßes und Administrationsaufwandes durch attraktive Teilzeitmodelle und Gruppenpraxismodelle erscheinen dabei ähnlich wichtig zu sein wie „mehr Zeit“ pro Patient:in und eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen intramuralem und extramuralem Bereich. Ergebnisse aus der Resilienzforschung zeigen, dass ein regelmäßiger Austausch mit der Kollegenschaft und die Unterstützung innerhalb von Netzwerken wichtige Faktoren für die Arbeitszufriedenheit und Burnout-Prävention darstellen [16].

Neben der Arbeitsbelastung und Arbeitszufriedenheit spielen sicher noch weitere Faktoren eine Rolle, warum Kassenpraxen vor allem in ländlichen Gegenden unbesetzt bleiben. Die ÖGKJ hat deshalb ein 10-Punkte-Programm mit vorgeschlagenen Maßnahmen bzw. Empfehlungen zur Behebung des Mangels an niedergelassenen Fachärzt:innen in der Pädiatrie erarbeitet [1]. Dazu zählt auch die Etablierung der Lehrpraxis in der Pädiatrie, denn vielen jungen Pädiaterinnen und Pädiatern ist die Arbeit in der Praxis fremd und bringt viele Unsicherheiten mit sich. Eine Lehrpraxis ermöglicht den Auszubildenden, das Arbeitsfeld in der Praxis kennenzulernen und praktische Erfahrungen zu sammeln, um sich nach Facharztabschluss gegebenenfalls leichter für die Arbeit im niedergelassenen Bereich entscheiden zu können bzw. um für die Arbeit im Spital ein besseres Verständnis für die Zusammenarbeit mit Niedergelassenen zu entwickeln.

Es scheint unumgänglich, die Attraktivität der Kassenpraxis in mangelversorgten Gebieten durch verschiedene Anreize wie der Ermöglichung von Pädiatrischen Primärversorgungseinheiten und einer finanziellen Strukturförderung zu erhöhen.

Fazit für die Praxis

Es bestehen signifkante Unterschiede in der Arbeitszufriedenheit zwischen Spitalsärzt:innen, Kassenärzt:innen und Privatärzt:innen innerhalb der Pädiatrie. Eine höhere Arbeitsbelastung im Spital und in der Kassenpraxis geht mit einer Einschränkung der Arbeitszufriedenheit einher. Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitbedingungen sollten Flexibilität in Anstellungsmodellen, die Aufwertung des Faktors „Zeit für PatientInnen“ sowie eine stärkere Kooperation zwischen niedergelassener und Spitalspädiatrie (inkl. Lehrpraxis) beinhalten.

Diese Maßnahmen sind nun relevanter denn je, um in Zukunft eine adäquate Versorgung im Bereich der Kinder- und Jugendheilkunde zu gewährleisten und die Arbeitszufriedenheit zu steigern.