Seit 1999 gibt es zur Prophylaxe der Respiratory-Syncytial-Virus(RSV)-Infektion bei Risikokindern den monoklonalen Antikörper Palivizumab. Nun ist ein neuer monoklonaler Antikörper mit verlängerter Halbwertszeit auf den Markt gekommen, der nur einmal pro RSV-Saison gegeben werden muss und welcher in der Lage ist, das Thema RSV-Prophylaxe zu revolutionieren.

Eine Vakzine wurde erstmals Anfang der 1960er-Jahre entwickelt (Formalin-inaktivierter Impfstoff) mit guter Antikörperbildung. Leider kam es in der darauffolgenden RSV-Saison zu unerwartet schweren Verläufen durch das Wildvirus mit zwei Todesfällen. Auch hier gibt es eine positive Entwicklung und nach mehr als 60 Jahren Forschung sind zwei neue Impfstoffe auf dem Markt – Abrysvo und Arexvy – für Erwachsene über 60 Jahre, der erstere wurde auch bei Schwangeren zwischen 28 und 36 Wochen Gestation verabreicht mit ebenfalls sehr guten Ergebnissen bei den Kindern bis zu einem Alter von 3 Monaten und niedrigeren Schutzraten bis 6 Monate.

In diesem Artikel werden (1) der Stand der RSV-Prophylaxe bis dato dargestellt und (2) die Möglichkeiten der neuen Therapeutika angeführt.

Das Virus und seine Besonderheiten

Das Virus wurde erstmals 1955 bei Schimpansen mit oberer Atemwegsinfektion isoliert und „chimpanzee coryza agent“ (CCA) genannt. Infolge wurde das Virus bei Kindern mit endemischer Bronchiolitis nachgewiesen und aufgrund seiner Fähigkeit der Zellverschmelzung und damit verbundenen Syncytiabildung bei humanen Leberepithelzellen bereits Anfang der 1960er-Jahre umbenannt in „respiratory syncytial virus“ (RSV).

RSV wird zu der Familie der Paramyxoviridae gerechnet und ist ein negativ geladenes umhülltes Einzelstrang-RNA-Virus mit 10 Genen, die 11 Proteine kodieren. Es gibt 2 Serotypen, A und B, wobei der Stamm A der virulentere sein soll. Die bedeutenden Oberflächenglykoproteine sind das F‑ und G‑Glykoprotein, die für Zellfusion und Anbindung („attachment“) an die Epithelzelle verantwortlich sind. Das F‑Glykoprotein ist gut konserviert und zu 95 % ident unter den beiden Serotypen. Diese Rezeptoren sind auch die Hauptangriffspunkte für neutralisierende Antikörper, wobei das F‑Glykoprotein zu einem 40- bis 90-fachen Anstieg an F‑spezifischen Antikörpern führt, im Gegensatz zum 5‑ bis 20-fachen Anstieg G‑spezifischer Antikörper. Der Schweregrad der Infektion korrespondiert nicht mit der Höhe der IgG-Antikörper, der Avidität oder der Neutralisationskapazität.

Über die Bronchial‑, Bronchiolitiden- und Alveolarepithelien sowie die dendritischen Zellen in den Atemwegen wird das Virus durch verschiedene PRRs („pattern recognition receptors“) erkannt und die angeborene Immunabwehr stimuliert. Es folgt eine Th-2-- und Th-17-Antwort mit der Bereitstellung und Produktion von T‑Zellen, Neutrophilen und Eosinophilen, die zu Inflammation und Gewebeuntergang führen. Sowohl CD4+ als auch CD8+ T‑Zellen sind neben den neutralisierenden Antikörpern essenziell für eine effektive RSV-Immunität. Reinfektionen können in derselben Saison erfolgen und werden als Schwächen in der humoralen und zellulären Abwehr durch die RSV-Erkrankung nach der 1. RSV-Saison angesehen.

Etwa 80 % der durch RSV hospitalisierten Kinder sind gesunde, reife Säuglinge, die meist jünger als 6 Monate sind. Wiederholte Infektionen, auch in derselben RSV-Saison (November bis April) sind möglich, verlaufen jedoch oft milder und beschränken sich ab dem 3. Lebensjahr meist auf obere Atemwegsinfektionen. Risikopatienten für schwere RSV-Erkrankungen sind Frühgeborene mit oder ohne BPD, Kinder mit angeborenen hämodynamisch signifikanten Herzfehlern (hsCHD), chronischen Lungenerkrankungen (interstitielle Lungenerkrankungen, zystische Fibrose, kongenitale Zwerchfellhernie mit Lungenhypoplasie), hämodynamisch signifikante Herzfehler, neuromuskuläre Erkrankungen mit Ateminsuffizienz, immunologisch nicht kompetente Kinder (Immundefekte, passagere Immunsuppression), und das Down-Syndrom. Gründe sind kleine, mitunter vorgeschädigte Atemwege, eingeschränkte pulmonale Gasaustauschfläche, Versagen der Atemmuskulatur oder reduzierte Virusclearance.

Vom Hyperimmunglobulin zu den monoklonalen Antikörpern Palivizumab und Motavizumab

Nach ersten Versuchen mit polyklonalen RSV-angereicherten Immunglobulinen (RSV Hyperimmunglobulin – Respigam™, das in Europa nie eine Zulassung erfuhr) konnten damit Anfang der 1990-er Jahre gute Erfolge bei ehemaligen Frühgeborenen und etwas weniger bei denen mit bronchopulmonaler Dysplasie beobachtet werden. Nachteilig waren die stationäre Aufnahme zur i.v.-Gabe und die damit verbundenen Volumina, die sich vor allem bei den hämodynamisch signifikanten kongenitalen Vitien (angeborene Herzfehler) und schweren BPD-Kindern negativ auswirken konnten und vereinzelt zu Todesfällen führten.

1998 wurde der erfolgreiche monoklonale Antikörper Palivizumab nach Veröffentlichung der IMpactstudie (1998), die eine durchschnittliche Reduktion an RSV-Hospitalisierungen von 55 % (39 % bei Frühgeborenen mit BPD und 78 % bei Frühgeborenen ohne BPD) zeigte, von der FDA zugelassen und 1999 auch von der EMA in Europa. Die Skepsis dem Produkt gegenüber war groß, doch der Benefit bei den Risikokindern überwog bei weitem. Mit 15 mg/kgKG dosiert, wird Palivizumab maximal 5‑mal intramuskulär injiziert, wobei die Injektionsintervalle genau einzuhalten sind, sonst sinken die neutralisierenden Antikörper unter die minimale Hemmkonzentration von 40 µg/ml und „Durchbruchsinfektionen“ passieren. In bis zu zwei Drittel der Fälle können diese zwischen 1. und 2. Injektion auftreten, danach nur noch im einstelligen Prozentbereich. Diese verlaufen dafür meist weniger schwer. Nach den Problemen bei Kindern mit angeborenen Herzfehlern im Rahmen der RSV-Hyperimmunglobulingabe erfolgte erst deutlich später die Studie bei Kindern mit angeborenem Herzfehler, die über 4 RSV-Saisonen ging (aus Sicherheitsgründen) und eine 45 %ige Reduktion an stationären Aufnahmen bei RSV bedingten unteren Atemwegsinfektionen nachwies.

Pharmaökonomisch ist Palivizumab bei zwei in Österreich durchgeführten Studien inklusiver langzeitepidemiologischer Daten kosteneffektiv. Insgesamt ist die Prophylaxe mit Palivizumab jedoch sehr kostenintensiv, und nach anfänglicher Gabe an alle Kinder unter 35 SSW erfolgten in vielen Ländern und auch durch die AAP 2014 drastische Einschränkungen auf die Hochrisikokinder. Dies waren Frühgeborene < 28 SSW, Frühgeborene mit BPD und Säuglinge mit hämodynamisch signifikanten Herzfehlern. Bei den meisten Kindern wurde die Indikation nur noch für die 1. RSV-Saison gestellt mit einem chronologischen Alter unter 6 Monaten vor Beginn der Saison und massiven Einschränkungen für eine 2. Saison. Letzteres betraf vor allem auch die anderen Indikationen außer der Frühgeburtlichkeit und den angeborenen Herzfehlern.

Motavizumab zeigte im Labor eine bis zu 70-fach bessere Bindung an das F‑Glykoprotein des RS-Virus, war aber in den Vergleichsstudien nicht viel effektiver („non-inferiority trial“) als Palivizumab, sodass es sich nicht durchsetzen konnte. Lediglich Japan stellte die Prophylaxe auf Motavizumab um. Der Antiköper ist leider häufiger mit allergischen Reaktionen assoziiert.

Therapie der RSV-Infektion

Die Therapie ist rein symptomatisch und besteht somit aus klinischer Observanz mit Pulsoxymetrie, intravenöser Flüssigkeitszufuhr bei Trinkverweigerung, Nasentropfen und bei sinkender Sauerstoffsättigung (konstant unter 92 bzw. 90 %, divergierende Literaturangaben) Sauerstoffzufuhr. Mit High-flow-nasal-canula-Beatmung (Optiflow™) hat sich eine Methode mit Erwärmung und Befeuchtung des Atemgases als nicht-invasive Atemunterstützung etabliert. Bei respiratorischem Versagen sind die Intubation und maschinelle Beatmung notwendig.

Bronchodilatoren helfen meist nicht bei der Bronchiolitis des jungen Säuglings, auf individueller Basis kann jedoch insbesondere bei Kindern > 6 Monaten auf der Basis von „trial and error“ eine Symptomlinderung eintreten. Glukokortikoide haben sich nicht als hilfreich erwiesen, die hyperosmolare Kochsalzlösung ebenso nicht, das Virostatikum Ribavarin ist obsolet, und einige neue Therapeutika wie ALX-0171 – ein inhalativer Fusionsinhibitor auf Basis Nanokörper, ALN-RSV01 –, ein inhalatives RNA-Therapeutikum (zielt auf das RSV‑N Oberflächenprotein), Rilematovir (INI-53718678) und Presatorvir (GS-5806) haben keinen relevanten Stellenwert erreicht. Das kürzlich im New England Journal of Medicine veröffentlichte EDP-938 zielt ebenfalls auf das RSV-N-Protein und zeigt gegenüber Placebo eine signifikante Reduktion der klinischen Symptome durch geringere Mukusproduktion und reduzierte Viruslast. Ob das in klinischen Studien einen Benefit bringen wird, muss sich noch beweisen.

Nirsevimab und Clesrovimab

Nach der revolutionären Entwicklung von Palivizumab ist nun nach einem weiteren Vierteljahrhundert wieder ein Meilenstein in der Prophylaxe der RSV-Infektion gelungen. Durch Auswechseln dreier Aminosäuren am F‑Pre-Glykoprotein wurde die Halbwertszeit auf ein halbes Jahr verlängert (MEDI8897, Nirsevimab, Fa. Sanofi), und damit sind alle Compliance-Probleme mit einem Schlag verschwunden. In Tab. 1 sind die Studien zu Nirsevimab übersichtlich dargestellt. Bei der Melody- und Medley-Studie haben die neonatologischen Abteilungen des AKH Wien und des Uniklinikums Graz ebenfalls mitgemacht. Die Effektivität von Nirsevimab ist beeindruckend, und selbst auf nicht RSV-bedingte Atemwegserkrankungen hat Nirsevimab einen signifikanten Einfluss gezeigt (Tab. 2). Außer Hautausschlag und Lokalreaktionen, und eventuell Temperaturerhöhung bis hin zu leichtem Fieber, zeigten sich keine wesentlichen Nebenwirkungen.

Tab. 1 Klinische Studien zur Effektivität, Sicherheit und Pharmakokinetik von Nirsevimab
Tab. 2 Gepoolte Analyse zur klinischen Effektivität von Nirsevimab

Clesrovimab (Fa. Merck) ist ebenfalls ein monoklonaler Antiköper mit verlängerter Halbwertszeit. Die erste Phase-2b-Studie zeigte auch eine 75- bzw. 82 %ige Reduktion an RSV-LRTI. Somit wird es in naher Zukunft auch ein gleich effektives Konkurrenzprodukt geben, sodass hoffentlich ein guter Preis für Nirsevimab und Clesrovimab ausgehandelt werden kann, der dazu führt, dass alle Kinder davon profitieren können.

RSV-Vakzine Abrysvo® und Arexvy®

Abrysvo® (RSVPreF; Fa. Pfizer) und Arexvy® (RSVPreF3; Fa. GSK) sind die ersten Impfstoffe, die erfolgreich bei Erwachsenen über 60 Jahre eingesetzt wurden. Abrysvo wurde auch bei Schwangeren zwischen Woche 32 und 36 verabreicht (mnemotechnisch: Abrysvo „brüstet sich“ … der bessere zu sein − hilft gegen beide Stämme A und B und ist auch für Schwangere zugelassen, Arexvy nur für über 60-Jährige).

Abrysvo® wurde an 34.284 Erwachsenen mittleren Alters von 68 Jahren getestet, und RSV-LRTI wurden bei 0,08 % verglichen mit 0,29 % in der Placebogruppe diagnostiziert. Das entspricht einer Risikoreduktion von über 80 %.

3500 Schwangere erhielten den Impfstoff und 3500 ein Placebo einmal intramuskulär verabreicht. Das Risiko eines kindlichen RSV-bedingten Atemwegsinfekts konnte innerhalb von 90 Tagen um 81,8 % und innerhalb von 180 Tagen um 69,4 % reduziert werden. Abb. 1 zeigt die Wirkungsweise von passivem Antikörpertransfer von der Mutter zum Kind und die von Nirsevimab.

Abb. 1
figure 1

Modell des passiven Antikörpertransfers nach Impfung der Mutter und nachfolgender Gabe eines monoklonalen Antikörpers

Aktueller Stand der Zulassungen, Empfehlungen und Finanzierung

In der EU erfolgte die Zulassung von Nirsevimab bereits im Oktober 2022. Es folgte im November 2022 Großbritannien (UK) sowie im April 2023 Kanada und im Juli 2923 die Vereinigten Staaten von Amerika (USA). Die EU empfiehlt Nirsevimab bei Kindern unter 12 Monaten und einem Alter bis 12 Monate, ebenso UK. USA und Kanada empfehlen die Gabe an alle Kinder im 1. Lebensjahr und vulnerablen Risikokindern eine Gabe auch für die 2. Saison.

Empfehlungen haben Spanien, Italien, UK, Israel im Laufe des 1. Halbjahres 2023 herausgegeben. Spezielle Empfehlungen von den Fachgesellschaften gibt es in Frankreich (alle Kinder < 6 Monaten und alle mit Risikofaktoren < 12 Monaten), in den USA (alle Kinder < 8 Monaten und Risikokinder < 18 Monate) und in Luxemburg (Geburt zwischen Oktober und März und < 6 Monate). Chile hat Empfehlungen herausgegeben (September 2023), dass alle Kinder in ihrer 1. RSV-Saison und Risikokinder auch über die zweite Saison Nirsevimab erhalten sollen.

Österreich hat Nirsevimab und somit erstmals einen monoklonalen Antikörper in den nationalen Impfplan aufgenommen (September 2023). Indikation stellen alle Kinder in ihrer ersten RSV-Saison dar, die Zulassung wird erst 2024 erfolgen.

Wie schaut es mit den beiden Impfstoffen Arexvy und Abrysvo aus? Die FDA (Food and Drug Administration) in den USA hat Abrysvo am 21. August 2023 zugelassen und die EU folgte (EMA-European Medicines Agency) damit am 28. August 2023 (Abb. 2a, b).

Abb. 2
figure 2

Die beiden RSV-Impfstoffe (a, b) und der neue monoklonale Antikörper Nirsevimab (Beyfortus™) 50 mg (< 5 kg) und 100 mg (> 5 kg) (c, d)

Infobox Hier eine Auswahl aktueller Studien zu Nirsevimab und RSV-Vakzine

Mahdi SA et al. Respiratory Syncytial Virus Vaccination during Pregnancy and Effects in Infants. N Engl J Med 2020; 383: 416–429.

Griffin MP et al. Single-Dose Nirsevimab for Prevention of RSV in Preterm Infants. N Engl J Med. 2020; 383: 415–425.

Hammitt LL et al. (Melody study group). Nirsevimab for Prevention of RSV in Healthy Late-Preterm and Term Infants. N Engl J Med. 2022; 386: 837–846.

Domachowske J et al. (Medley study group). Safety of Nirsevimab for RSV in Infants with Heart or Lung Disease or Prematurity. N Engl J Med. 2022; 386: 892–894.

Simões EAF et al. Efficacy of nirsevimab against respiratory syncytial virus lower respiratory tract infections in preterm and term infants, and pharmacokinetic extrapolation to infants with congenital heart disease and chronic lung disease: a pooled analysis of randomised controlled trials. Lancet Child Adolesc Health. 2023; 7: 180–189.

Jorgensen SCJ. Nirsevimab: review of pharmacology, antiviral activity and emerging clinical experience for respiratory syncytial virus infection in infants. J Antimicrob Chemother. 2023; 78: 1143–1149.

Kieffer A et al. Expected Impact of Universal Immunization With Nirsevimab Against RSV-Related Outcomes and Costs Among All US Infants in Their First RSV Season: A Static Model. J Infect Dis. 2022; 226(Suppl 2): S282–S292.

Wilkins D et al. (INFORM-RSV Study Group). Nirsevimab binding-site conservation in respiratory syncytial virus fusion glycoprotein worldwide between 1956 and 2021: an analysis of observational study sequencing data. Lancet Infect Dis. 2023; 23: 856–866.

Wilkins D et al. Durability of neutralizing RSV antibodies following nirsevimab administration and elicitation of the natural immune response to RSV infection in infants. Nat Med. 2023; 29: 1172–1179.

Syed YY. Respiratory Syncytial Virus Prefusion F Subunit Vaccine: First Approval of a Maternal Vaccine to Protect Infants. Paediatr Drugs 2023; 25: 729–734.

Fazit

Zusammenfassend stellt die Weiterentwicklung des monoklonalen Antikörpers Palivizumab zu Nirsevimab mit verlängerter Halbwertszeit und einmaliger Gabe für eine RSV-Saison einen Meilenstein in der Prophylaxe der RSV-Infektion dar. Nirsevimab könnte, vorausgesetzt der Preis (ist derzeit sicher vierstellig anzunehmen) wird massiv reduziert, erstmals die Chance bieten, den gesamten „burden of disease“ (Krankheitslast) zu vermindern. Unter dieser Voraussetzung ist auch zu verstehen, dass Nirsevimab als erster monoklonaler Antikörper bereits im österreichischen Impfplan aufscheint (Abb. 2c, d).